Benutzer:H.A.L./Notizbuch (PSI)
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An dieser Stelle möchte ich, ähnlich wie in Andyks Projekttagebuch, grob chronologisch jene Notizen zum Projektseminar sammeln, die sonst nirgends gut hinpassen. --H.A.L. 17:29, 1. Apr. 2009 (UTC)
Inhaltsverzeichnis
Zur Verwendung des Höhlengleichnis 17:29, 1. Apr. 2009 (UTC)
Die Irritation des Höhlengleichnis
Nach dem, was Herbert Hrachovec in der Sitzung am 19. März über den Text von Ranciere gesagt hat, würde es mich interessieren, das Höhlengleichnis selbst zu behandeln. Ich habe den Text selbst noch nicht gelesen, aber soweit ich das mitgekriegt habe, werden laut Ranciere die Voraussetzungen des Höhlengleichnis in der Regel unhinterfragt hingenommen. Das Interessante daran ist: Wenn man sich mit einem zeitgenössischen fiktionalen Werk auseinandersetzt, in dem man deutliche Parallelen zum Höhlengleichnis sehen kann (vor allem im Science-Fiction-Bereich), dreht sich der Plot meistens darum, daß die Ausgangssituation eben kein "herkömmlicher" / "natürlicher" / "normaler" / "selbstverständlicher" Zustand ist. Platon setzt die Höhle einfach voraus, wenn aber in einer Erzählung eine metaphorische ähnliche Höhle vorkommt, dann geht es meist nicht nur um die Frage, wie die Protagonistin da rauskommt, sondern auch, wie sie und die anderen Leute dort hineingekommen sind.
Im vorigen Semester wurden, glaube ich, bereits bekannte Filme wie Truman Show oder Matrix als Beispiele genannt. Ein anderer Streifen, der mir in diesem Zusammenhang eingefallen ist, ist der wenig bekannte, aber von vielen Cineasten hoch gelobte Film Dark City von Alex Proyas. (Den Film würde ich mir gerne genauer ansehen, aber eine gute DVD-Ausgabe scheint schwer zu finden zu sein.) (Hinweis für Interessierte: Anscheinend ist es ratsam, nach dem Director's Cut Ausschau zu halten. Den Amazon-Rezensionen zufolge wurde dort u.a. der einleitende Monolog aus dem Off weggelassen, der im Prinzip schon den ganzen Film verrät.) Aber ich nehme an, daß sich dazu eine Fülle anderer Bezüge finden läßt. Auf der Ebene der Erzählung ist das auch bei Platon nicht anders. Die Menschen stecken gefesselt in einer Höhle, sie können nur in eine Richtung sehen - was ist das für ein Urzustand?
Verbindung mit der IF
Für uns bedeutet das: Wenn wir einen "aus einer Höhle entkommen"-Plot entwickeln, dann ist es durchaus naheliegend, die Höhlenhaftigkeit des ursprünglichen Zustands zu hinterfragen, und eventuell könnten wir das ausnützen, um das Höhlengleichnis an sich zu problematisieren. Um einen solchen Ansatz mit dem zu verbinden, was wir bisher über den platonischen Staat konzipiert haben, müßte der Staat in einem höhlenhaften Zustand sein. Das könnte sich machen lassen, denn für Platon scheint ja tatsächlich das ganze Volk mit Ausnahme der Philosophenkönige in der Höhle zu stecken. Darüber hinaus operiert sein Staat ja auch gezielt mit Staatsgeheimnissen und Fehlinformationen. (Das Besondere bei Platon ist natürlich, daß sich das kaum vermeiden läßt und daß es zwangsläufig nur eine kleine Gruppe sein wird, die es schafft, sich loszureißen.)
Etwas, das Platons Staat von zeitgenössischen Erzählungen fundamental unterscheidet, ist, daß bei ihm der Weg über die Höhle eine Erziehungssache ist und staatlich gelenkt wird, während sich die moderne Protagonistin den Weg nach außen immer gegen die Machthaber erkämpfen muß. Allerdings liegt das daran, daß Platon eben den utopischen perfekten Staat beschreibt. In seiner eigenen Wirklichkeit stand ja die Staatsgewalt dem Weg zur Erkenntnis durchaus nicht positiv gegenüber. Aber die pädagogische Vorstellung zieht noch andere Eigenheiten nach sich. Platon scheint sich die Sache so vorzustellen, daß die Kinder durch irgendeine Art von Nachweisreaktion ausgewählt und dann auf ihre Rolle hin erzogen werden. Eine Sci-Fi-Heldin dagegen löst sich eher als Erwachsene aus einer Rolle, in die sie bereits hineingewachsen ist. Wie auch wahrscheinlich ein platonischer Protagonist in einem nichtplatonischen Staat.
Platons Entgegnung
Platon könnte hier vor allem eines einwenden: Zwar ist es schwer möglich, eine Metapher zu finden, die das, was er sagen will, ausdrückt, ohne Mißtrauen zu erregen, aber das spricht nicht unbedingt gegen seine Aussage. Eher zeigt es, daß der naturgegebende Zustand eben nicht der optimale ist, und das ist nicht von vornherein undenkbar. (NB: Über den Unterschied zwischen Naturzustand und optimalem Zustand habe ich schon einmal in Zusammenhang mit Buch 1 etwas notiert. Allerdings nur in losem Zusammenhang.) Platon sagt, daß die Menschen in der Welt der Sinneswahrnehmungen gefangen sind wie in dieser Höhle (517b, n. Wikipedia), und daß es dafür keine Metapher gibt, die nicht abstrus klingt, liegt an der Abstrusität der Situation, nicht an der Abstrusität seiner Meinung, und vielleicht hätte er, wenn er eine bessere Metapher gefunden hätte, diese bewußt nicht verwendet, um die bizarre Natur des Menschen in der Sinneswelt zu unterstreichen.
Wenn wir uns diesem Vorwurf stellen wollen, müssen wir wohl irgendwie erkenntnistheoretisch argumentieren, bzw. über den Zusammenhang zwischen Erkenntnis und richtigem Handeln (schließlich will er ja nicht nur behaupten, daß die Sinneswelt ein Gefängnis ist, sondern auch, daß sich einzelne davon befreien können, sei es ganz oder teilweise, und vor allem, daß diese einzelnen einen Staat besser lenken können). Zum Beispiel irgendwie konstruktivistisch, daß wir vielleicht nur einen Schatten des Dings an sich sehen, daß uns unser Bild aber von vornherein genug über die Außenwelt sagt, um gute Entscheidungen treffen zu können. Dann kann man immer noch seine Wahrnehmung der Außenwelt verfeinern, aber die Unterschiede sehen schon wesentlich weniger dramatisch aus.
Die Möglichkeiten, mit dieser Spannung im Höhlengleichnis umzugehen, sind im Wesentlichen:
- Das Höhlengleichnis als Ganzes weglassen.
- Das Höhlengleichnis unhinterfragt einbauen. (Abgesehen davon, daß das mit unseren Konzepten kollidieren könnte, wird es wohl ziemlich fad werden.)
- Das Gleichnis bringen, einen Einwand vorbringen und Platons Entgegnung formulieren.
- Gleichnis, Einwand, Platons Argumente und unsere Gegenargumente.
und last not least
- Das Gleichnis bringen und auf die Problematik hinweisen, ohne auf Platons Entgegnung weiter einzugehen. Das ist polemisch und eigentlich hinterhältig, aber es ist ein einem erzählenden Medium entsprechendes Vorgehen. Weil sich die Argumentation implizit ausdrücken läßt. Man stellt die Situation so dar, daß sie dem Publikum nicht geheuer vorkommt. Das stelle ich mir als eine lohnende Sache vor. Die weiteren Auseinandersetzungen könnte man vielleicht in einem späteren Erzählschritt nachreichen.
Ausblick
Soviel jedenfalls fürs erste zu meinem neuesten Einfall. Das bedeutet für mich natürlich, daß ich die Bücher 6 und 7 durchgehen muß. Und den Text von Ranciere. Ich hoffe, daß ich über die Ferien dazu komme, und vielleicht schaffe ich es auch noch zu einem guten Film. Und zu einem Philip-K.-Dick-Roman.