Festrede Bildungsministerium (BD)
Festrede anlässlich der Gründungsfeier der Pädagogischen Hochschulen
(Es gilt das gesprochene Wort!)
Sehr geehrte Damen und Herren!
Rapide Globalisierung, rasanter Wissenszuwachs und eine Fülle an Informationen, die durch die neuen Technologien verfügbar sind, werden das Bildungswesen verändern. Lebenbegleitendes Lernen, so lautet eine These der Delphi - Studie zur Zukunft der Bildung, wird zu einem Grundprinzip im zukünftigen Bildungswesen.
Worum geht es in der Bildung der Zukunft? Die Vermittlung von Lernstrategien wird zunehmend wichtiger. Die Kompetenz, sich selbstständig Wissen anzueignen, ist die Voraussetzung für den lebenslangen Prozess des Lernens. Und diese Voraussetzung muss das Bildungswesen der Zukunft schaffen.
Der ganzheitliche Bildungsbegriff steht dabei für den lebensbegleitenden Entwicklungsprozess des Menschen, bei dem er seine geistigen, kulturellen und lebenspraktischen Fähigkeiten und seine personalen und sozialen Kompetenzen erweitert.
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Foto: Haslinger
Nach Daniel Goeudevert ist Bildung
„ein aktiver, komplexer und nie abgeschlossener
Prozess, in dessen glücklichem Verlauf eine selbstständige und selbsttätige, problemlösungsfähige und lebenstüchtige
Persönlichkeit entstehen kann“.
Bildung kann daher auch nicht primär auf Wissen reduziert werden: Wissen ist nicht das Ziel der Bildung, aber sehr wohl ein Hilfsmittel. Darüber hinaus setzt Bildung Urteilsvermögen, Reflexion und kritische Distanz gegenüber dem Informationsangebot voraus.
Die Aufgaben der Schulen liegen als vermittelnde Instanz zwischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und den einzelnen Individuen in der Förderung von Sach-, Selbst- und Sozialkompetenzen.
Während Schulqualität bis heute schülerseitig meistens am Leistungskriterium gemessen worden ist, wurde sie bisher seltener am Zustand der Identitätsentwicklung bestimmt. Weiterführende Schulen und Wirtschaft bedürfen aber selbständiger, reifer Persönlichkeiten.
Die gesellschaftliche Entwicklung erfordert autonome Menschen mit eigenen Standpunkten.
Die Herausforderungen der Zukunft liegen im Detail, meine sehr geehrten Damen und Herren: denn das Stichwort ist „mehr Vielfalt“, wie ich sie zum Beispiel in die Neue Mittelschule implementieren möchte.
Ich spreche in diesem Zusammenhang von mehr Herausforderung im Sinn einer neuen Leistungsschule, in der verstärkt auf Begabungen und Talente eingegangen wird. Schülerinnen und Schüler werden entsprechend ihren individuellen Möglichkeiten bestmöglich gefordert, aber nicht überfordert. Lehrerinnen und Lehrer sind dazu angehalten, Begabungen zu erkennen, Chancen zu eröffnen und Leistungen differenziert zu bewerten.
Ich spreche von mehr Förderung in einer Schule, in der achtsam mit Benachteiligungen und Schwächen umgegangen
wird. Gezielte Förderung durch stützende pädagogische Maßnahmen hilft, Defizite auszugleichen und Fähigkeiten und
Neigungen zu stärken.
Ich spreche von mehr Miteinander in einer modernen Bildungsgesellschaft in einer
neuen Ära, in der alle Kinder gemeinsam die Schule besuchen. Eine Schule, in der Kinder unabhängig von Herkunft,
Einkommen und sozialem Hintergrund miteinander lernen und leben, fördert auch die soziale Kompetenz in der
Gesellschaft.
Ich spreche aber auch von mehr Motivation für alle Lehrenden, die die ganze Bandbreite
ihres pädagogischen Wissens anwenden können.
Gesellschaftliche Veränderungen - sehr geehrte Damen und
Herren - und neue Technologien schaffen auch neue Herausforderungen an Lehrende in unserer Bildungsgesellschaft.
Eine moderne Ausbildung für Lehrerinnen und Lehrer soll daher Pädagoginnen und Pädagogen auf die
vielfältigen Anforderungen und Möglichkeiten des Bildungssystems vorbereiten.
Integration,
Qualitätssicherung, individuelle Förderung und politische Bildung sind Schwerpunkte in der Ausbildung. Sowohl fachlich
als auch didaktisch und pädagogisch sind Lehrerinnen und Lehrer in Zukunft aufgefordert, stets auf dem aktuellen Stand
zu sein. Nur so kann die Qualität im Bildungsbereich dauerhaft gewährleistet werden.
Bildung spielt in
der Wissensgesellschaft - mehr denn je - eine Schlüsselrolle: Sie bietet persönliche Orientierung, lässt an der
Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens teilhaben und ist der Schlüssel zum Arbeitsmarkt.
Auf die Frage, wie wir unsere Schulen auf lebenslanges Lernen vorbereiten können, kann ich Ihnen – sehr geehrte Damen und Herren – eine klare Antwort geben: "Indem sie die Kinder und jungen Menschen das Lernen als jetzt lustvoll erfahren lassen."
Denn während in unserem Alltagsdenken und -handeln der Bildungsbegriff stark mit Begriffen wie „Belehrung“, „Wissensvermittlung“ und Ähnlichem verbunden ist, haftet seit Wilhelm von Humboldt in der Theorie und in der Programmatik „dem Wort Bildung das Moment der Selbständigkeit, also des Sich-Bildens der Persönlichkeit“ an.
Nach Humboldt ist Bildung
die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über
die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen.
Und obwohl der Begriff der Bildung von Begriffen wie Wissen, Intellektualität und Kultiviertheit, mit denen er
umgangssprachlich oft synonym verwendet wird, abzugrenzen ist, schließt er meiner Meinung nach Facetten aller drei
Begriffe mit ein. Außerdem besteht eine gewisse Nähe zum Begriff Reife, die ja für die Erreichung eines bestimmten
Grades innerhalb einer Entwicklung steht.
Meine Grundhaltung ist, dass Bildungspolitik
Gesellschaftspolitik ist. Es geht darum, Bildung ins Zentrum der öffentlichen Debatte und des politischen Handelns zu
rücken. Im Mittelpunkt stehen unsere Kinder und unsere Zukunft.
Aufgabe von Schule und damit
einhergehender Bildung ist für mich deshalb, einerseits einen Wissensfundus anzubieten und zu vermitteln. Und – wir
befinden uns heute an einem Ort, der dies mit seinem Wissensbestand eindrucksvoll bestätigen kann.
Darüber hinaus muss sich die Schule aber als lernende Organisation begreifen, um auf die neuen Anforderungen angemessen reagieren zu können, ja sie auch mitzugestalten.
Vor allem die Vermittlung von Werten, wie Integrität, Zivilcourage, Verantwortung und von Kompetenzen, wie
Kreativität, Flexibilität, Kommunikations-, Konflikt- und Teamfähigkeit sowie das soziale Lernen erfordern eine
Weiterentwicklung der Lernkultur an Schulen. Das Menschenbild, das Lehrende vertreten, ist dabei entscheidend.
Individuelle Förderung statt zu frühe Selektion, ist meine Devise.
Hans Margolius, ein deutscher
Philosoph schrieb,
dass der Wille zu lehren, auch ein Wille zu schenken sei.
Unter diesem Aspekt soll Bildung der Zukunft ebenso attraktivere Arbeitsplätze für Lehrerinnen und Lehrer
schaffen. Denn für die Lehrenden bietet dies Möglichkeiten, ihre eigenen vielfältigen Begabungen und Kompetenzen
optimal und im Team zu entfalten.
So wird auf Basis hoher pädagogischer Eigenverantwortung durch
entsprechende Aus- und Weiterbildung, sowie durch vielfältige Kooperationen im Lehrerteam, aber auch mit Fachleuten
außerhalb der Schule eine neue Lernkultur auf hohem, professionellem Niveau begünstigt.
Heute leben wir in einer Welt – und ich bin aus tiefsten Herzen dankbar daran teilhaben und aktiv mitarbeiten zu
können – wo Investitionen in die Bildung unserer Jugend als Investitionen in die Zukunft unseres Landes angesehen
werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal auf die zentrale Rolle der
Lehrerinnen und Lehrer in einem innovativen Bildungssystem zurückkommen.
„Die Aufgaben und Anforderungen an die Rolle der Lehrerin / des Lehrers haben sich verändert,
österreichische Lehrerinnen und Lehrer sind sehr wissensorientiert, aber oftmals nicht gut vorbereitet auf die
Verschiedenheit ihrer Schülerinnen und Schüler und deren Bedürfnisse.“
Diese Aussage stammt
aus einem OECD-Bericht zur Untersuchung der Situation der Lehrerinnen und Lehrer in Österreich aus dem Jahr 2003.
In einer Zeit, in der die Halbwertszeit von Wissen immer kürzer wird, müssen wir uns vom Primat der Fachkompetenz verabschieden, der pädagogisch bildungspolitische Teil der Rolle von Lehrerinnen und Lehrern ist heute ungleich stärker gefordert.
Wie Klaus Otto Scharmer so fasse auch ich den Lehrberuf als eine hochprofessionelle Tätigkeit von Bildungsexpertinnen und Bildungsexperten auf, welche die Verantwortung für individuelle und gesellschaftliche Lern- und Bildungsprozesse tragen. Als künftige Architektinnen und Architekten der Zukunft lernen sie – in enger Verschränkung von Lehre und Praxis – zuzuhören, zu inspirieren, experimentieren, motivieren und Möglichkeitsräume aufzuzeigen.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen Professionalität der Lehrerinnen und Lehrer neu denken und umsetzen. So wie Hartmut von Hentig eingefordert hat, Schule neu zu denken, müssen wir es auch mit der Lehrerinnen- und Lehrerbildung halten. Deshalb war es mir so wichtig, die Pädagogischen Hochschulen in meinem Haus zu behalten und als wesentlichen Teil meiner Reformarbeit zu definieren.
Mit 1. Oktober werden Pädagogische Akademien zu bologna-konformen Pädagogischen Hochschulen, damit wird die europäische und internationale Vergleichbarkeit in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer erreicht.
Mit der Gründung der Pädagogischen Hochschulen wird einerseits die Tradition der österreichischen Lehrerinnen- und Lehrerbildung weitergeführt, andererseits den neuen Herausforderungen dynamisch angepasst. Mit der Zusammenlegung der Pädagogischen Akademien und der Pädagogischen Institute kommt es auch zu einer Zusammenführung von Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer in einer Institution.
Neue organisatorische Rahmenbedingungen sind wichtig, sehr geehrte Damen und Herren, sie verändern eine Institution aber noch nicht wesentlich, dazu braucht es auch eine entsprechende Haltung, Einstellung und Kompetenz der Verantwortlichen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Institutionen.
Ich sehe es als meine Aufgabe, die Pädagogischen Hochschulen darin zu begleiten und zu unterstützen, dass sie zu den Kompetenzzentren einer modernen Lehrerinnen- und Lehrerbildung werden.
Vielfältige Aufgaben warten auf uns.
Schwerpunktsetzungen in den Curricula zu aktuellen pädagogischen und schulpolitischen Herausforderungen wie etwa Integration, individuelle Förderung, politische Bildung und Qualitätssicherung an Schulen sollen angehende Lehrerinnen und Lehrer auf ihre Aufgaben bestmöglich vorbereiten.
Die fachwissenschaftliche, pädagogisch-didaktisch-methodische und schulpraktische Lehre soll durch wissenschaftlich-berufsfeldbezogene Forschung begleitet und zugleich evaluiert werden. Erkenntnisse der Bildungsforschung müssen Eingang in den schulischen Alltag finden.
Bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Weiterbildungsangebote sollen aktive Lehrerinnen und Lehrer in ihrer beruflichen Entwicklung unterstützen. Um den Unterrichtsausfall im Interesse der Kinder deutlich zu verringern, erwarte ich mir, dass in Zukunft Fort- und Weiterbildung während des Schuljahres in der unterrichtsfreien Zeit angeboten wird.
Mehr Lehrerfortbildung direkt an den Schulen kann dies ermöglichen und gleichzeitig durch Bezugnahme auf die konkrete Situation der Schule einen wesentlichen Beitrag zur Schulentwicklung leisten.
Die Weiterentwicklung des Lehramtsstudiums in Österreich soll in enger Kooperation der Pädagogischen Hochschulen
mit den Universitäten erfolgen. Unter Nutzung der Stärken beider Institutionen soll eine gemeinsame Lehramtsausbildung
mit gemeinsamen Standards entstehen, die sich an den Bedürfnissen der jeweiligen Altersgruppen orientiert.
Das ist ein ambitioniertes Ziel, das gebe ich schon zu. Es stimmt mich aber zuversichtlich, dass
bereits eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Universitäten und Pädagogischen Hochschulen zur Weiterentwicklung der
Lehrerinnen- und Lehrerbildung eingerichtet wurde.
Die Weiterentwicklung der Lehramtsstudien im Sinne der Bologna-Studienarchitektur ist auch eine wichtige Voraussetzung, dass Absolventinnen und Absolventen der Pädagogischen Hochschule ein Masterstudium an den Universitäten anschließen können und damit ihre Berufsperspektiven ausbauen können.
Ein besonderes Anliegen ist mir – und ich lade Sie, sehr geehrte Damen und Herren, herzlich ein, mich dabei zu unterstützten - dass wir gemeinsam daran arbeiten, das Bild von Lehrerinnen und Lehrer in der öffentlichen Meinung zu verbessern.
Es ist hoch an der Zeit, dass Lehrerinnen und Lehrern jene gesellschaftliche Anerkennung erfahren, die der Bedeutung ihrer Rolle als Architektinnen und Architekten der Zukunft unserer Kinder entspricht.
Sehr geehrte Damen und Herren, ergreifen wir gemeinsam die Chance, die sich an den Pädagogischen Hochschulen mit der Zusammenführung der Aus- und Weiterbildung ergibt. Sehen wir es als eine Möglichkeit, die in einer erweiterten Kooperation mit der universitären lehrenden Bildung die Professionalitätsentwicklung unterstützt und fördert, damit Lehrerinnen und Lehrer an der kontinuierlichen Entwicklung einer humanen Schule arbeiten, die Lebenschancen für die Schülerinnen und Schüler optimiert und die Freude macht.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.