DALIK, Margarete (Referat2)

Aus Philo Wiki
Version vom 9. November 2008, 18:52 Uhr von S.b. (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: ==Kurzreferat zur Ringvorlesung, gehalten von Prof. Konrad-Paul Liessmann am 30.Oktober 2008 - DISKUSSION== *verfasst von Margarete Dalik; Matr.Nr. 7200559 *Zur Thr...)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu:Navigation, Suche

Kurzreferat zur Ringvorlesung, gehalten von Prof. Konrad-Paul Liessmann am 30.Oktober 2008 - DISKUSSION

  • verfasst von Margarete Dalik; Matr.Nr. 7200559
  • Zur Thrakischen Dienstmagd aus Adriana Cavarero "Platon zum Trotz"


Über den Vortrag von Herrn Prof. Liessmann, in dessen Zentrum die bekannte Fabel von dem Philosophen stand, der beim Betrachten des Sternenhimmels in eine Zisterne gefallen und daraufhin von einer thrakischen Magd verlacht worden war, wurde bereits letzte Woche referiert. Ergänzend dazu soll im Folgenden auf ein bemerkenswertes Buch der italienischen Philosophin Adriana Cavarero hingewiesen werden. Die Autorin lehrt Philosophie an der Universität Verona und zählt zu den wichtigsten feministischen Philosophinnen Italiens. Sie ist Begründerin der Gemeinschaft von Philosophinnen „Diotima“ und veröffentlichte 1990 in der gleichnamigen Schriftenreihe den Aufsatz „Und die Magd lachte“.

In ihrem Buch Platon zum Trotz entwirft sie das Bild eines möglichen anderen Anfangs der Philosophie, in der die Gegenwart weiblichen Denkens spürbar wird. Vier Frauengestalten der Antike, Penelope, die thrakische Magd, Demeter und Diotima leisten dabei gleichsam Geburtshilfe für ein Denken des Unterschiedes der Geschlechter. In der Einleitung weist die Autorin auf die Vielfältigkeit, die symbolische Kraft und Wirksamkeit der Darstellung von besonderen Gestalten in der abendländischen Kultur hin .Gestalten wie Ödipus, Odysseus, Don Juan, wirken in verschiedenen Perspektiven durch die Jahrhunderte (so z.B. Ödipus bei Freud, Odysseus bei Adorno, Don Juan bei Kierkegaard). Der Rahmen, der diese Gestalten gemeinsam trägt, ist folgender: Ein männliches Subjekt, das sich zwar als allgemein oder neutral erklärt, spricht seine eigene Zentralität aus. Der sie umgebenden Welt und den sie umgebenden Gestalten gibt diese Hauptfigur ihren Sinn - nach dem eigenen Maß. Die Darstellung des Weiblichen findet sich nur in ergänzender Weise als Bezugsperson der sie bestimmenden Männergestalt (für Odysseus- Penelope, für Zeus- Hera, für Faust- Gretchen, u.s.w. ). Cavarero fordert in ihrem Buch ein radikales Umdenken, das es ermöglicht, von der Realität der zwei Geschlechter auszugehen. Einem Umdenken, das den Ursprung der Allmachtsträume des männlichen Geistes entlarvt und sich dagegen verwehrt, weibliches Denken als Sonderfall und Beiwerk abzutun. Es geht nicht um bloße Anpassung oder um eine Korrektur des männlich konzipierten Frauenbildes, was nur eine neue Verortung der Frau als funktionale Untergattung des Menschen bedeuten würde (im italienischen: uomo= Mann, Mensch, uomini= Männer, Menschen). Auf die Kraft der Sprache und die damit verbundene Möglichkeit, das Denken nachhaltig in eine bestimmte Richtung zu prägen, wird in diesem Buch immer wieder hingewiesen. Weiters besticht das Werk durch die höchst originelle Weise, an altehrwürdige Denkgebäude heranzugehen. Cavarero bezeichnet ihre Vorgangsweise als einen „Raubzug“ den sie begeht, indem sie antike Frauengestalten aus dem platonischen Denkgewebe herauslöst, um sie symbolisch von der Willkür patriarchalischer Ordnung zu befreien. „Denn hier, im Horizont des Geschlechtsunterschieds, ist der erste Name der Philosophie nicht das EINE, sondern die ZWEI. Und diese ZWEI bringt lebende Menschen zur Sprache.“

Die thrakische Dienstmagd

„Wie auch den Thales, o Theodoros, als er, um die Sterne zu beschauen, den Blick nach oben gerichtet in den Brunnen fiel, eine artige und witzige thrakische Magd soll verspottet haben, dass er, was am Himmel wäre, wohl strebte zu erfahren, was aber vor ihm läge und zu seinen Füßen, ihm unbekannt bliebe.“ Platon, Theaitetos, 174a

Meist wird das Lachen der Thrakerin als Ausdruck der dumpfen Einfalt verstanden und als Gegenteil der kontemplativen Haltung des Denkers gedeutet. Interessant ist der Perspektivenwandel mit entgegengesetzter Wertigkeit, der je nach Autor, die beiden Figuren begleitet. Ist es bei Platon eine junge, hübsche und ausländische Dienerin, so gibt es, je nachdem ob Misogynie oder antimetaphysische Einstellung beim Autor vorherrschen, Variationen von der boshaften, zahnlosen Alten bis zum weisen männlichen(!) Alten, die den Philosophen verlachen. Es zählt somit nicht die Person, sondern die jeweils wichtigen Attribute sind vorherrschend. Cavarero verdeutlicht, dass der Frau das Recht auf einen Ort autonomer Bedeutung abgesprochen wird. Eben jene Unsichtbarkeit des weiblichen Geschlechts stellt die Grundlage jeder möglichen Misogynie dar. Im Weiteren unternimmt die Autorin eine Analyse des Denkens von Thales bis Platon und wendet sich auch eingehend der Philosophie des Parmenides zu. Sie erläutert die Zentralität des Todes in diesen Denkrichtungen und setzt ihr den Begriff der „Natalität“ entgegen, worauf hier aus Zeitgründen nicht genauer eingegangen werden kann. Zusammengefasst kann das Lachen der Thrakerin weit mehr bedeuten, als es vordergründig zeigt. Sie lacht nicht nur über das Missgeschick desjenigen, der im Vertrauen auf die philosophische Annäherung an das Wahre in den Brunnen fällt. Sie lacht im Bewusstsein, dass sie im Himmel dieser Philosophie keinen Ort von eigener Bedeutung findet und holt ihre Kraft aus der Lebenswelt, in der ihre Existenz als Individuum mit einer geschlechtlichen Identität wurzelt.

- von Margarete Dalik