Diskussion:Das Demokratiedilemma (OSP)
Da Hans Blumenberg an anderer Stelle schon genannt ist, erscheint es mir interessant hier einen Zusammenhang zwischen Rhetorik und Wahrheit zu erwähnen, den er in einem seiner Bücher aufzeigt (ich habe im Moment leider nicht im Kopf welches Buch das war). Es ist keineswegs die Ebene des die Dualität Gerechtigkeit/Ungerechtigkeit konterkarierenden Schattenspiels, die die Redekunst als Übung einnimmt, sondern vielmehr eine Form Wahrheit zu qualifizieren.
Montage oder doxische Erfahrung?
Ein anderer Ansatz könnte hier natürlich auch die Beleuchtung des Remixens als Aufbruch unleistbarer Eindeutigkeit sein. Der Bedeutung eines Gesagten nachzugehen, die jemandem "im Munde umgedreht" wurde, projiziert möglicherweise eine Scheinobjektivität auf die Sprache (oder das Besprochene) oder beruft sich zumindest auf eine habituelle Klarheit, die meiner Meinung nach nicht gegeben ist, schon garnicht z.B. in einem Wahlkampf.
Seltsam dass noch kein Politiker den Weg über die Theorie versucht hat, eine Rede über das Reden, ein Metawahlprogramm oder die Thematisierung von Strukturen. Meistens bleibt sowas ja auf einer Ebene der Wahrhaftigkeit und des Anschwärzens hängen: etwa das Klagen über das "politische Klima" oder ein Pochen auf Einhaltung mancher Gepflogenheiten.
So gesehen ist ja das Montieren von Aussagen anderer Personen auch wieder interessant. --Richardd 23:08, 9. Okt. 2008 (CEST)
- Falls wir nun, fuhr ich fort, seiner Rede gegenüber die unsrige Punkt um Punkt entfalten, wie viele Vorteile andererseits das Gerechtsein hat, und dann wieder er, und dann wieder wir, so wird man die Vorteile zusammenzurechnen und zu messen haben, die wir beide an beidem angegeben haben, und wir werden dann irgendwelche Richter zur Entscheidung nötig haben, wenn wir aber, wie vorhin, bei der Untersuchung den Weg der gegenseitigen Verständigung einschlagen, so werden wir selbst zugleich Richter und Redner sein. (Politeia, 348 a,b)
Besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der Darstellung der Redekunst im Gorgias und der sokratischen dialogischen Praxis selbst? Liegt in der auffassenden und wendenden Unwissenheit ein Hang zur Sinnmontage? --Richardd 09:28, 10. Okt. 2008 (CEST)
ad Thrasymachos im peer review
Das finde ich interessant. Hab mir vor einigen Tagen dieselbe Stelle gekennzeichnet. In der Reclam-Ausgabe findet sich folgende Übersetzung:
- "Wenn wir nun", sagte ich, "Rede gegen Rede setzen und dabei die Vorteile des gerechten Lebens anführen, und wenn er dann antwortet und wir ihm, dann werden wir die Vorteile zählen müssen und abmessen, wieviel wir ein jeder anführen, und dazu brauchen wir wohl etliche Richter zur Entscheidung. Wenn wir jedoch wie früher uns jeweils während der Untersuchung verständigen, sind wir zugleich Richter und Sprecher."
Ich hab es mir so paraphrasiert: "Wir halten während der Analyse Dialog!"
Ich finde, dass das Verfahren, das hier vorgeschlagen wird, noch etwas radikaler als das Peer Review ist, da Sokrates ja kein externer Gutachter, sondern ein im Gespräch involvierter Freund oder Kollege ist, der im Moment, während das "Endprodukt" sich sozusagen noch in der Produktion befindet, die Aussagen Thrasymachos' durch Fragen erschüttert. Und dann formuliert Thrasymachos die Aussage anders, um auf die Fragen Sokrates einzugehen - denn er will ja Recht behalten. Sokrates zeigt ihm dann, durch welche Folge von Aussagen (die er alle bejahen musste) man genau zu der gegenteiligen Aussage, die Thrasymachos vertrat, kommen kann und Thrasymachos muss seine ursprüngliche Überzeugung fürs Erste aufgeben. Ist ein tolles Verfahren und z.B. einem Wiki, wo das Endprodukt auch immer wieder in Frage gestellt werden kann, nicht ganz unähnlich.--Andyk 23:18, 12. Okt. 2008 (CEST)