Tragen Realityformate (Supernanny) tatsächlich dazu bei, Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen?
Spigel Lynn: Fernsehen im Kreis der Familie. Der populäre Empfang eines neuen Mediums. In: Ralf Adelmann u.a. (Hg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Konstanz 2001, S. 214-252.
Der Aufsatz von Spigel bezieht sich auf die verschiedenen Familienverhältnisse in Bezug auf den Fernsehapparat in der Nachkriegszeit. Anhand verschiedener Zeitschriften, Artikel und diversen Magazinen, analysiert Spigel die Einführung, den Verlauf und den Umgang des Mediums Fernseher in der Familie.
1. Der populäre Empfang des neuen Mediums Begonnen wird mit der Einführung des Fernsehappartes, hier wird vor allem darauf eingegangen, wie eine Familie diesen, welcher zur Familienzusammenführung beiträgt, in der eigenen Wohnung integriert werden kann. Desweiteren werden im ersten Teil des Aufsatzes die Vor- und Nachteile der Stellung des Fernsehers diskutiert Vergnügen vs. Warnung.
2. Die vereinte Familie Der Begriff „togetherness“ zeigt, welch hohe Relevanz, der Einheit der Familien in der Nachkriegszeit beigemessen wurde. Die Organisation der Haushaltsräume werden hier näher betrachtet und in Zusammenhang mit dem Fernsehgucken gestellt. In welchem Raum fügt sich eine Familie zusammen, wo fühlt sie sich am wohlsten und wo positioniert man den Apparat um Probleme mit Hilfe des Fernsehers zu bewältigen? Der Fernseher wurde zum kulturellen Symbol des Familienlebens. Die Hauptaussage war, dass der Fernnseher die Familienmitglieder zusammenführt und zur Stärkung der Familienbande beiträgt. Diverse Magazine machten sich diese Aussage zu Nutze und entwarfen neue Raumaufteilungen “Doppelzweckraum: Familien-Fernsehraum“. Anzeigen legten nahe, dass der Ferseher ein Katalysator für die Rückkehr in eine neue Welt häuslicher Liebe und Zuneigung sei. Der Fernseher galt auch als Heilmittel privater Probleme, die Ehe.
3. Ärger im Paradies Haushaltsmodernisierung = Schlüsselrolle / Frauenmagazine untersuchten die Beziehung zwischen Familie und Maschine. Es herrschte ein zwiespältiges Verhältnis was die Auswirkungen der Mechanisierung anging. In der Nachkriegszeit kam es zu einer ambivalenten Haltung gegenüber der Technik, sprich einer Skepsis gegenüber der gesamten technischen Entwicklung (Grund = Gebrauch von Fernseher im 2.Weltkrieg). Die US-amerikanische Kultur war der Ansicht, dass die technische Entwicklung der Grund für die Arbeitslosigkeit sei “Maschinenmenschen“. Fragen traten auf ob der Fernseher nicht Herrscher geworden sei und die Familie seine unwilligen Untertanen. Aus diesem Misstrauen heraus versuchten die populären Diskurse den Menschen die Furcht vor dem Fernseher zu nehmen, indem sie versuchten den Fernseher in ein glanzvolles Möbelstück zu domestizieren oder den Apparat zu vermenschlichen und ihn als Familienmitglied zu benennen (neugeborenes Baby, Familienfreund, Krankenschwester, Familienhaustier). Passivität, Aggression und Suchtverhalten, vor allem bei Kindern, wurden mit dem Fernseher verbunden, gutes Sozialverhalten und gute Erziehung würden durch den Fernseher zerschlagen werden. Der Verband der Fernsehsender versuchte gegen diese Horrorgeschichten zu wirken, indem er die positiven Aspekte benannte und diese veröffentlichte. Ratgeber für Familien mit Tipps und ganze Pläne erläuterten den richtigen Umgang mit dem Fernseher und bestärkten die Eltern in ihrer Macht gegenüber ihren Kindern. Später wurde den Eltern diese Macht aber wieder aberkannt und die Medien rissen die Autorität wieder an sich. Vor allem das Bild des Vaters wurde durch das Fernsehen verunstaltet. Der Vater galt als Maus im Haus, stümperhaft, wohlmeinenden Idioten, Spielball seiner Frau und Kinder. Schuld an der Verweichlichung des Mannes trugen, nach Ansicht der Medien die Frauen, welche auch in Verbindung mit dem Begriff Massenkultur gebracht wurden.
4. Ein geteiltes Haus Der Fernseher drohte die Familie zu splitten, da die patriarchale Autorität untergraben wurde. Viktorianische Ästhetik von Wohnungsentwürfen versuchten soziale Raumtrennung und häuslichen Zusammenhalt zu verbinden. Ein weiterer Versuch den Apparat sinnvoll und nicht schädigend in der Familie zu integrieren. Anfangs galt das Fernsehgucken als integrierende Tätigkeit später als Trennung zwischen den einzelnen Familienmitglieder. Man versuchte also einen Kompromis zu finden um beides zu vereinen, sprich das Zusammengehörigkeitsgefühl und den eigenen Raum zur Entspannung.
Baudrillard Jean. „Jenseits von Wahr und Falsch oder die Hinterlist des Bildes“ In: Bildwelten – Denkbilder. Bachmayer, Hans Matthäus/Van de Loo, Otto Rötzler, Florian (Hg.). München: Boer 1986, S. 265 - 268
Verhältnis zwischen Bild, Realität und Imagination. Baudrillard meint, dass die Bilder nicht die Realität zeigen, sie schaffen sich ihre eigene Realität. Wir glauben, dass die Realität abgebildet wird, jedoch diese Realität existiert gar nicht. Durch unseren Glauben wird diese Realität geschaffen. Soziologisches und politisches Äquivalenz zu dem Bild in diesem Sinne wäre das Massenverhalten. Die Masse folgt den Modellen, die man ihnen vorschlägt, vorsetzt und spiegelt diese Zielvorstellungen wieder nur um sie dadurch aufzusaugen und zu nichte zu machen. Baudrillard meint, dass das Bild weder pädagogisch noch ästhetische Wirkung besitzt. Zusätzlich besitzt es keine Kritikfähigkeit und lässt keine Dialektik zu. Der Unterschied zwischen Realem und Bild ist nicht wahrnehmbar, dieser Zusammenstoss ist so subtil, dass man ihn kaum wahrnehmen kann, sowie unterscheiden kann.
Weitere Literatur:
Baudrillard Jean. „Jenseits von Wahr und Falsch oder die Hinterlist des Bildes“ In: Bildwelten – Denkbilder. Bachmayer, Hans Matthäus/Van de Loo, Otto Rötzler, Florian (Hg.). München: Boer 1986, S. 265 - 268
Friedrich, P.: Von Spielleitern als Testleitern, Unfällen und Gesichtern in Fernsehshows – Verhaltensmikroskopie als Unterhaltungskunst. In: Rolf Parr Matthias Thiele (Hg.): Gottschalk, Kerner & Co. Frankfurt a. M. 2001, S. 102-131
Luth Diane. Hilfen zur Erziehung. Das Konzept von Super Nanny – geeignet? Ev. Hochschule für Soziale Arbeit Dresden (FH) grundständiger Studiengang Soziale Arbeit. Dresden 2005-2006.
Lücke Stephanie. Real Life Soaps. Ein neues Genre des Reality TV. Medien- und Kommunikationswissenschaft Band 2. LIT Verlag Dr. W. Hopf, Berlin 2002.
Rössler, B.: Schnittstellen. Öffentlich/Privat. In: Dies.: Der Wert des Privaten. Frankfurt a. M., S.305-344
Wahl Klaus, Hees Katja (Hrsg.) Helfen „Super Nanny“ und Co.? Ratlose Eltern – Herausforderung für die Elternbildung. Beltz-Verlag, Weinheim und Basel 2006.