Übertragung

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Sigmund Freud bezieht sich in seiner Studie Zur Auffassung der Aphasien mehrmals auf Adolf Kussmaul. Es liegt daher nahe, Elemente von Freuds Auffassung der Sprache auch bei Kussmaul zu suchen. Als Berührungspunkte sind in dem von uns gelesenen Abschnitt folgende Momente aufgetaucht:

das Unbewusste

die Unterscheidung von Äußerung und Geäußertem

die Triebe

die Beliebigkeit




Simon Malzer zu

F. de Saussure, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft

Frage 1

In der Darstellung der „assoziativen Beziehung“ (150) gibt Saussure einige Beispiele, in welcher Weise solche Assoziationsketten gebildet sein können: sie können nach Übereinstimmung in den Prä- oder Suffixen, nach Ähnlichkeit der Bedeutung, durch Verbindung in einem gemeinsamen Stamm, oder nach Ähnlichkeit ihrer Lautbilder gebildet sein (siehe 150). Mir stellt sich beim Nachvollzug der Auswahl dieser Beispiele die Frage, warum sie alle nach einem sie leitenden Prinzip funktionieren, d.h. alle Reihen können nach einer definierbaren Regel gebildet werde, sie unterliegen einem sie beherrschenden Grundgesetz, dass, sobald dieses verstanden ist, eine Fortsetzung einer solche Reihe, eben diesem Gesetz folgend, erlaubt. Zwar ist nicht bestimmt, welche Anzahl an Gliedern, diesem Prinzip nachkommend, gebildet werden können, aber jedes neue Glied erhält durch die leitende Regel einen Platz und seine Anfügung kann nach Einsicht der Regel rational nachvollzogen werden. Warum fehlt hier eine Assoziationsreihe die keinem reglementierenden Prinzip untersteht? Eine Reihe, welche der je eigenen Geschichte des Betroffenen entspringt und deren Nachvollzug auch mit einer genauen Kenntnis dieser faktischen Vergangenheit des Betroffenen nicht einsichtig wird; eben eine Reihe im Sinne dessen, was ich mir laienhaft unter einer freien Assoziation in der Psychoanalyse vorstelle. Gibt es einen Grund warum diese freie Assoziation in dieser Auflistung nicht auftaucht, obwohl sie beim Vernehmen eines Wortes oder bei der „Suche“ nach einem Wort auch am Werk ist? Wäre es eine Gefahr für dieses Saussursche System, wenn mit dieser freien Assoziation dem Unkontrollierten und Unkontrollierbaren Zugang verschafft würde?

Frage 2

Saussure geht in seiner Darstellung von einem schon existierenden Sprachsystem aus und kann von diesem Punkt aus erklären wie dieses funktioniert. Wie kann man sich aber die Genese dieses Systems vorstellen? Vor allem der zweiten Absatz der Seite 135 erscheint mir in diesem Zusammenhang problematisch: „Die Beliebigkeit des Zeichens läßt uns auch besser verstehen, warum nur der soziale Zustand ein sprachliches System zu schaffen vermag.“ (135) Wie geht dieses „schaffen“ eines „sprachlichen Systems“ vor sich? „Die Gesellschaft ist notwendig, um Werte aufzustellen, deren einziger Daseinsgrund auf dem Gebrauch und dem allgemeinen Einverständnis beruht.“ (135) Wie stellt die Gesellschaft Werte auf? Muss sie um derartiges leisten zu können nicht immer schon mit Sprache operieren, d.h., das sie um, wie es dieser Textabschnitt suggeriert, Werte aufzustellen, in einem auf Übereinkunft beruhenden Akt, immer schon Sprache voraussetzt. Es wird daher nicht klar wie diese sprachliche Genese vor sich geht. Auch die Ablehnung einer onomatopoetischen Erklärung der Wortentstehung („Da es kein Lautbild gibt, das besser als ein anderes dem entspricht, was es auszusagen bestimmt ist“ (141)) macht es nicht leicht eine Erklärung der Entstehung der Sprache nach diesem Modell zu denken. Und vor allem bei Worten welche eine onomatopoetische Entstehung vermuten lassen (siehe die erste Fußnote bei Kussmaul Seite 8) erscheint seine strickte Trennung des Lautbildes von der Bedeutung nicht aufschlussreich.

Frage 3

Auf Seite 134 heißt es: „Die Sprachwissenschaft arbeitet also auf dem Grenzgebiet, wo Elemente von zweierlei Naturen sich verbinden; diese Verbindug schafft eine Form, keine Substanz.“ (134) Was heißt hier Form? Was heißt Substanz? Später im Text (auf Seite 144) schreibt er jedoch: „sowie man das Zeichen als Ganzes in Betracht zieht, hat man etwas vor sich, das in seiner Art positiv ist.“ (144) Und etwas weiter unten: „Obgleich Bezeichnetes und Bezeichnung, jedes für sich genommen, lediglich differentiell und negativ sind, ist ihre Verbindung ein positives Faktum.“ (144) Unter „positives Faktum“ verstehe ich etwas auch materiell Gegebenes, sowie ich überhaupt die Zusammenführung von Bezeichnetem und Bezeichnendem im Zeichen auch als eine durchaus substanzielle Manifestation verstanden habe. Es muss auf der Ebene des Zeichens auch so etwas wie eine Substanzhaftigkeit geben und nicht nur, wie im Zitat von Seite 134, aus der Verbindung von Lautbild und Vorstellung eine Form entstehen. Vielleicht liegt in dieser Frage das Problem aber bei meinem zu kurz oder verkehrten Verständnis der Form/Substanz Unterscheidung.

--Uk 11:38, 21. Okt. 2007 (UTC)




Es ist nach wie vor die Frage offen, als was wir sprachliche Figuren wie den Schuster, der keinen Leisten hat, auffassen wollen....


Der Leisten

Georg Kreisler


Von allen Wörtern hört man heut am meisten das Wort: Ein Schuster bleibt bei seinem Leisten. Doch sagt das jemand mir, sag ich: Was schreist'n? Ich kann mir meinen Leisten nicht mehr leisten. Und außerdem - und das kommt noch dazu - lässt folgende Idee mich nicht in Ruh:

Was mach' ich, wenn ich keinen Leisten hab, bei dem ich bleiben kann, und hinter meinem Ohr zuwenig Platz, wohin ich schreiben kann? Und wenn ich nicht zwei Übeln hab, dass ich das klein're wählen kann, und niemals eine Reise tat und deshalb nix erzählen kann? Was mach ich, wenn ich tanzen will und keinerlei Vulkan besitz', und weder einen Pudelskern noch eine schiefe Bahn besitz'? Ich hab auch kein Kolumbus-Ei, ob das mich nicht zu Schaden führt?, und kenne einen Weg, der statt nach Rom nach Baden-Baden führt. Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei, was werd'n die Leute sag'n, was werd'n die Leute sag'n? Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei, die Leute tuscheln schon, das kommt davon.

Ich suche Eulen überall, die ich Athen verehren darf, und wohne im Hotel, wo ich vor meiner Tür nicht kehren darf. Ich trank im Gasthaus fünf Glas Bier mit Schäumen, die nicht Träume war'n, und habe einen Wald gesehn, obwohl dort lauter Bäume war'n. Mit Weile eilen kann ich nicht, vom Brot hab ich allein gelebt, und hab mich in Neapel statt zu sterben bestens eingelebt. Hoch klingt das Lied vom Radio, nur leider singt's a schlimmer Mann. Auch hab ich eine Axt im Haus, und wer kommt doch? Der Zimmermann. Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei, was werd'n die Leute sag'n, was werd'n die Leute sag'n? Ach, ich bin so verzweifelt, eieiei, die Leute tuscheln schon, das kommt davon.

Jetzt endlich hab ich Schluß gemacht, ich schau die andern Leute an, und tu, was ich nicht lassen kann: Ich passe mich dem Heute an. Mein Partner wird a Wilder, der sich seitwärts in die Büsche schmeißt. Ich übe Treu und Redlichkeit und hab an Koch, der Hunger heißt. Was schert mich Weib, was schert mich Kind, sie werd'n doch zu Hyänen nur, ich füll mein Danaidenfass und ess mein Brot mit Tränen nur und grabe andern Gruben, in die ich mich dann alleine werf' und sitz in einem Glashaus, nur damit ich keine Steine werf'. Doch jetzt bin ich verzweifelt, eieiei, die Leute loben mich, die Leute lieben mich, und ich bin so verzweifelt, eieiei, ich bin genau wie sie, das wollt ich nie! Das wollt ich nie! Das wollt ich nie!

--Uk 08:57, 31. Okt. 2007 (UTC)




Eddie Siblik zu Georg Kreislers LeistenBruch :-)

Es handelt sich um ein schönes Beispiel von Resignifikation bzw. um die Metapher einer Metapher zum Zweck einer Kritik sozial vereinbarter Platzhalter zur Beschreibung von Lebenssituationen und Verhaltensregeln - die Kritik bezieht sich auf die allgemein akzeptierte Sichtweise der beschriebenen Lebenssituationen/Verhaltensregeln und auf die Tatsache die allgemein verständliche Metapher benutzen zu müssen um verstanden und als soziales Subjekt anerkannt zu werden. die humorvolle Neubewertung der verwendeten Metaphern ist ein Weg beides zu erreichen - Kritik und Verständnis.

--Silber 08:01, 5. Nov. 2007 (UTC)

Ich bin zur Hälfte einverstanden: die Kritik an sozial vereinbarten Platzhaltern ist zweifellos das Thema. Diese sozial vereinbarten Platzhalter nennen wir aber üblicherweise Sprichwörter. Sind Sprichwörter Metaphern?

--Uk 18:28, 6. Nov. 2007 (UTC)

Meiner Meinung nach - Ja. Sprichwörter stellen ein Ensemble an Situationsbeschreibung und Verhaltensregeln dar. Als solches handelt es sich um eine Art Metapher 2.Ordnung welche sich so weit entwickeln kann, dass nur die verkürzte Form "Schusterleisten" die Assoziationskette auslösen kann - insofern eine Metapher. Oder?

--Silber 21:02, 6. Nov. 2007 (UTC)

Der Leisten des Schusters, der Schusterleisten, ist ein Handwerksgegenstand. Wenn wir den Ausdruck "Schusterleisten" verwenden, verbindet sich, je nach individueller Kenntnis des Handwerks, folgendes Bild damit:

Schusterleisten.JPG

Dass der Ausdruck "Schusterleisten" Ausgangspunkt von Assoziationsketten werden kann, macht aus ihm noch keine Metapher. Das bedeutet freilich nicht, dass in den von Kreisler verwendeten Idiomen nichts Metaphorisches ist. Bloß in einzelnen Ausdrücken wie "Schusterleisten" kann ich das Metaphorische nicht sehen.

--Uk 19:12, 7. Nov. 2007 (UTC)

Paul Ricoeur: Die Metapher und das Hauptproblem der Hermeneutik

Fragen von Simon Malzer

Der Einstieg in den Text bringt eine Reihe von Entgegensetzungen, die alle nicht so trennscharf sind, wie sie von Ricoeur dargestellt werden. Sowohl diejenigen von „Werk und Wort“ (358) und „Erklärung“ und „Interpretation“ (356) als auch alle, welche in der Charakterisierung des Diskurses aufgezählt werden. Dies zu zeigen würde einiges an Platz beanspruchen und da ich auch nicht genau weiß, worauf mich das stoßen könnte, belasse ich es bei dieser Andeutung. Ein Problem bezüglich des Begriffes „Diskurs“: Mir wird ein Begriff der aus diesen sehr konstruierten Entgegensetzungen zusammengestückelt ist nicht wirklich verständlich. Was soll der Diskurs dann sein? Aber Ricoeur weist selbst auf die Unvollständigkeit dieser Charakterisierung hin. Doch bleibt die Frage, ob durch das Anfügen eine gewissen Anzahl von weiteren Polaritäten und als deren endgültige Summe, der Begriff des Diskurses verständlicher würde, oder ob der Versuch, ihn in einer Summierung von Oppositionen zu bestimmen, in einem dingontologischen Verständnis verhaftet bleibt, das annimmt, der Diskurs hätte die Seinsweise eines Gegenstandes und würde in der Zusammenstellung von Polaritäten, wie ein Haus aus Ziegeln, zusammengesetzt sein.

Einige Reduktionismen in Bezug auf das Sprechen: Warum schreibt Ricoeur wie selbstverständlich: „Sprechen heißt doch, etwas über etwas sagen“ (359). „Etwas über etwas“ zu sagen trifft auf den Aussagesatz zu, aber sage ich in einer Frage oder einer Bitte „etwas über etwas“ aus? Warum ist die Referenz in der gesprochenen Sprache immer ostensiv und in der geschrieben nicht mehr? Ich kann doch wohl auch über Dinge sprechen die ich nicht ummittelbar in meiner Umgebung vorfinde und auf die ich nicht zeigen kann.

Zusätzlich zu der an sich bereits problematischen Entgegensetzung von „Ereignis und Bedeutung“ (359) verwendet Ricoeur den Begriff des Ereignisses noch in einer doppelten Bedeutung. In der Auszählung der Grundbestimmungen des Diskurses gebraucht er „Ereignis“ wie mir scheint in der Bedeutung des aktuellen Vollzuges einer Bedeutung, später (367) hat es noch immer diese Bedeutung des Aktuellen, jedoch auch des Neuen, des in einem schöpferischen Akt entstandenen, oder warum betont er extra, dass die Metapher „Ereignis und Bedeutung“ (367) ist. Ist denn nicht jedes Wort, wenn ich es aussage, beides, ein Geschehen und eine Bedeutung?

Die Frage die kommen muss wenn auf Seite 362 von der „toten“ Metapher die Rede ist. Wann stirbt die Metapher? (Daran anschließend die Fragen: Ist die Rede von der „toten Metapher“ selbst eine (tote) Metapher? Bedient man sich in der Beschreibung der Metapher als „Übertragung“ als „’metaphorische Verdrehung‘“ (358) nicht selbst einer (toten) Metapher? Bekommt man sie so jemals zu fassen, oder entzieht sie sich in diesem Zirkel, indem sie für die Beschreibung bereits selbst in Anspruch genommen wird, mit Notwendigkeit?)

Zwei Zitate von Seite 372 (Hervorhebungen von mir S.M.). „Sich selbst angesichts einer Sache, angesichts einer Welt zu verstehen [...] bedeutet, durch das Werk und seine Welt, den Horizont des eigenen Selbstverständnisses zu erweitern.“ „[...] folglich wird der Leser reicher in seiner Fähigkeit, sich selbst zu entwerfen, indem er vom Text eine neue Seinsweise erhält.“ Hört sich so an, als würde der Leser etwas bekommen, durch dessen Aufsummierung er „reicher“ würde. Hier wäre zumindest kritisch nachzufragen, wie das zu verstehen sei. Ob als Addition von „Seinsweisen“ oder nicht eher, sich keiner, aus dem Bereich der „Gegenstände“ genommenen Metaphorik bedienend, als „Horizontverschmelzung“ die keinen größeren, oder besseren Horizont hervorbringt, aber einen anderen, die eine Veränderung bewirkt.

Undurchsichtig bleibt mir auch die anscheinend einzig mögliche Antwort, die Ricoer auf Seite 366 unten gibt. Oben auf dieser Seite führt er aus warum das schöpferische Element, das für eine echten Metapher nötig ist, nicht aus der Summierung von wörtlicher Bedeutung, plus Regeln zu deren Verknüpfung, plus das „System assoziierter Gemeinplätze“ oder der „potentiellen Skala von Konnotationen“, plus „die Skala von Eigenschaften, die bislang noch nicht zur Skala der Konotationen meiner Sprache gehören“ usw. zu erreichen sei. Dann schreibt er: „man muß den Standpunkt des Hörers oder Lesers einnehmen und die Innovation einer neu entstehenden Bedeutung als das – vom Autor stammende – Gegenstück zu der Konstruktion seitens des Lesers auffassen“ (366) Ich verstehe nicht was damit erklärt werden soll.