Die arbeitsorientierte Gesellschaft (JsB)
Inhaltsverzeichnis
- 1 Die Reaktion der heutigen Jugend auf die Arbeitsorientierte Gesellschaft
- 1.1 Rückblick auf die Jugendphase und Eingliederung in die Arbeitsgesellschaft – Entgrenzung der Jugendphase
- 1.2 „Normalbiografie, Normalarbeitsverhältnis“?!
- 1.3 Die Phase des „jungen Erwachsenenalters“
- 1.4 Suche nach Identität und Entwicklung neuer Eigenschaften
- 1.5 Biografische und soziale Auswirkungen der Entgrenzung der Jugendphase auf junge Erwachsene
- 1.6 Bewältigungsmilieus
- 1.7 Wandel der Bedeutung von Erwerbsarbeit - Idealbild von Erwerbsarbeit vs. Erwerbsarbeit in der heutigen Realität
- 1.8 Entwicklung neuer Arbeitsverhältnisse
- 1.9 Gründe für Entstehung struktureller Massenarbeitslosigkeit
Die Reaktion der heutigen Jugend auf die Arbeitsorientierte Gesellschaft
Die Themen in der Jugendforschung haben sich mit dem Strukturwandel in der Arbeitsgesellschaft gewandelt. In den 80er Jahren stand das Freizeitverhalten der Jugendlichen im Vordergrund, wohingegen heutzutage das Hauptaugenmerk auf Jugend im Zusammenhang mit Arbeit, Beruf und Beschäftigung liegt! (vgl. OEHME 2006, S.23)
Rückblick auf die Jugendphase und Eingliederung in die Arbeitsgesellschaft – Entgrenzung der Jugendphase
Der industriegesellschaftliche Jugendbegriff, in dem Jugendliche durch entsprechende Entwicklung und Qualifizierung auf die Arbeitswelt vorbereitet worden sind, um dann mit den neuen Qualifikationen wieder in die Gesellschaft eingegliedert zu werden, wird von dem Begriff des sogenannten „institutionalisierten Lebenslauf“ abgelöst.
Dabei handelt es sich um die unterschiedlichen gesellschaftlichen Erwartungen unserer modernen Industriegesellschaft, die an die verschiedenen Altersstufen herangetragen werden. Diese Erwartungen spiegeln die Funktionsanforderungen für den industriegesellschaftlichen Prozess wieder: Identitätsentwicklung in Kindheit und frühen Jugend, Qualifikation in mittleren und späten Jugendphase, Erwerbstätigkeit im Erwachsenenalter, Entberuflichung im Alter. (vgl. KOHLI 1985;1991; zit. n. OEHME 2006, S. 24)
In dieser Form der Entwicklung bildeten Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen ein Gefüge von vorstrukturierten Bildungswegen, die einen bestimmten Platz in der Gesellschaft zuwiesen, und damit eine strukturelle Integration ermöglichten.
Der heutige Arbeitsmarkt kann nicht mehr alle zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte beschäftigen, dabei entsteht das Problem der strukturellen Integration. (vgl. BÖHNISCH/ARNOLD/SCHRÖER 1999; OEHME 2006, S.24)
Die Jugendphase wird „entgrenzt“, die Ausbildung verlängert und die Erwerbsarbeit rückt als eine „Schlüsselfrage der Identitätsarbeit“ in den Mittelpunkt. (vgl. KEUPP u.a.2002; OEHME 2006, S.25)
„Normalbiografie, Normalarbeitsverhältnis“?!
Martin OSTERLAND gibt in Bezug auf die Arbeitsgesellschaft einen Einblick auf die „Normalbiographie“ und das „Normalarbeitsverhältnis“.
Dabei stellt er fest, dass die Bedeutung dieser Begriffe im Entschwinden zu sein scheint, und dass zu der Zeit, wo diese „Normalität“ von Arbeitsverhältnissen und Lebensverläufen noch davon ausgegangen werden konnte, dies eher unbemerkt blieb. (vgl. OSTERLAND 1990, S.351)
Wenn hier von einer Zeit gesprochen wird, wird von der Nachkriegszeit gesprochen, in der ein verlässlicher Lebenslauf möglich war.
Folgende Punkte, die ein „Normalarbeitsverhältnis“ charakterisieren hat OSTERLAND folgendermaßen zusammengefasst:
- arbeits- und sozialrechtlich abgesichert
- im Einklang mit tarifrechtlichen Vereinbarungen stehend
- kontinuierlich, auf Dauer angelegte Vollzeitbeschäftigung
- einen hinreichenden Lohn, der es erlaubt die Reproduktion der Familie zu sichern
(vgl. OSTERLAND 1990, S.351)
Trotz alledem ist diese Auflistung auch in Verbindung der Zeit, die damit in Verbindung gesetzt wird, als Fiktion zu sehen, weil es immer schon davon abweichende Arbeitsverhältnisse gegeben hat. (vgl. OSTERLAND 1990, S.351)
„Sowohl der Staat als auch Unternehmen und Gewerkschaften orientieren sich unausgesprochen daran und legen sie bei der Regelung ihrer Beziehungen zugrunde.“ (OSTERLAND 1990, S.351)
Wenn OSTERLAND unter den genannten Punkten auch die Reproduktion impliziert, ist klar ersichtlich, dass das „Normalarbeitsverhältnis“ als Voraussetzung für die „Normalbiographie“ gesehen wird. Dabei wird von den männlichen „Normalarbeitsverhältnis“ gesprochen.
„Frauen arbeiten dagegen noch immer nicht nur seltener, sondern oft in Beschäftigungsverhältnissen, die davon abweichen und häufig von den Schutzregelungen und sozialen und tariflichen Regelungen des Normalarbeitsverhältnisses ausgeschlossen sind.“ (OSTERLAND 1990, S.352)
Kurz skizziert wird die „Normalbiographie“ wie folgt beschrieben:
- Ablösung vom Elternhaus
- Eintritt ins Erwerbsleben
- Gründung einer Familie
- Ausscheiden aus dem Erwerbsleben mit dem Wechsel in den Ruhestand
(vgl. OSTERLAND 1990, S.352)
Lösen sich nun die „Normalarbeitsverhältnisse“ zunehmend auf, prägt das auch die individuellen Lebensentwürfe entscheidend. (vgl. OSTERLAND 1990, S.353)
Die Phase des „jungen Erwachsenenalters“
Seit den 90ern wir der Begriff des jungen Erwachsenenalters eingeführt, der von dem der Jugendphase unterschieden wird. (vgl. STAUBER/WALTHER 2002; OEHME 2006, S.25)
Das junge Erwachsenenalter ist die Phase zwischen Jugend- und Erwachsenenphase, die aber noch deutlichen Übergangscharakter hat, aber allerdings schon status- und einkommensorientiert ist.
Andreas OEHME spricht von jungen Erwachsenen, wobei er die Ablösung aus dem Elternhaus, die Zugehörigkeit in einer Gleichaltrigengruppe und das Ringen um Anerkennung und Orientierung in der Welt nennt. (vgl. OEHME 2006, S.123)
Diese Sozialisationsphase ist am umfassendsten vom strukturellen Wandel der Arbeitsgesellschaft geprägt.
Suche nach Identität und Entwicklung neuer Eigenschaften
Ein Großteil junger Erwachsener spürt, dass die Arbeitswelt nicht an transparente Übergangs- und Erreichbarkeitsstrukturen gebunden ist. Der Eintritt in diese Lebensphase ist oft der Beginn eines „dauerhaft- transitorischen Zustands“ oder einer „permanenten Zwischenposition“. (CASTEL 2000, S.377, vgl. auch GALUSKE 2002; OEHME 2006, S.26)
Besonders in der Phase des jungen Erwachsenenalters werden die Vorstellung eines selbstorganisierten Arbeitslebens und die Möglichkeit nach neuen Beschäftigungs- und Lernarrangements offen angenommen. (vgl. WAHLER/TULLY/PREISZ 2004; OEHME 2006, S.26)
Gleichzeitig zeigt sich in dieser Lebensphase, ob die Vorstellung einer abgesicherten, selbstständigen Existenz biografisch verwirklicht werden kann.
Bei der Suche nach ihrer Identität sind oft die Jugendlichen ganz auf sich allein gestellt.
Diese Identitätsfindung ist ebenfalls zu der Frage der Entwicklung von Geschlechtsidentität geworden: Bin ich ein richtiger Mann, wenn ich keinen Job habe und eine Familie nicht ernähren kann? (vgl. KRAFELD 2000, S.51)
Für die Frauen ist die Frage nicht so drastisch, weil es zum berufsspezifischen Lebenslauf noch immer Alternativen gibt (Hausfrau und Mutter).
Verbunden mit der Suche einer neuen Identität entwickeln sich laufende Eigenschaften:
- Orientierungslosigkeit als Tugend
- Erschaffung von täglich neuen Formen von Miteinander
- eine neue Kultur der Arbeit: z.B. den Vorteil an ungewöhnlichen Arbeitszeiten erkennen und den Reiz jederzeit den Job auch hinschmeißen zu können (Mut zeigen)
- Veränderung mit dem Umgang von Zeit
Es zeigt sich ein subjektzentrierter Lebensziel, indem der Wunsch eine interessante und qualifizierte Arbeit ausüben zu können existiert, aber trotzdem daneben mehr Zeit für sich selbst zu haben. (vgl. KRAFELD 2000, S. 57)
Dabei entwickelt sich eine Wertverschiebung zwischen materiellen und immateriellen Gütern.
Die erwerbszentrierte Lebensführung verliert an Bedeutung, und die Suche nach Selbstverwirklichung verlagert sich auf andere Gebiete als die der Arbeit.