Kartographie des Freiheitsbegriffs (FiK)
Dieser Abschnitt soll einen kurzen (und damit notwendigerweise unvollständigen) Aufriss über verschiedene Konstruktionen, Konzeptionen, Einwände und Positionen zum Thema Willensfreiheit geben. Er soll eine erste Orientierung ermöglichen. Es folgt zum Auftakt ein literarisches Beispiel, in dem implizit einige für unser Thema charakteristische Probleme angesprochen werden, ehe die Debatte vertieft und verbreitert wird. Dabei kommen einige typische Vertreter zu Wort.
Da der Begriff Willensfreiheit traditionell und in der Sache mit den Begriffen Selbst, Selbstbewusstsein und Subjektivität verbunden ist, muss zunächst auf diese eingegangen werden.
Den Anfang machen Vertreter skeptischer Positionen, welche die Vorstellung von einem monolithischen, substanziellen Selbst für eine Illusion halten. Ihrer Ansicht nach liegen dem fertigen kohärenten Bild, das unserem Bewusstsein zugänglich ist viele unbewusste vorgeschaltete Prozesse zugrunde. Dennett sieht das Ich zusätzlich sehr stark durch die kulturelle und soziale Situation bedingt, in der wir leben. Metzinger spricht von mentalen Modellen und greift seinerseits auf Arbeiten von Johnson-Laird zurück. Die Einwände dieser Denker sind der Sache nach durchaus berechtigt und stürzen die traditionelle Vorstellung vom Selbst, als selbständiger Entität, in eine tiefe Krise.
Der Begriff Subjektivität dient in der wissenschaftlichen Diskussion in der Regel als Oberbegriff für alle jene Begriffe, welche das Selbst und das Selbstbewusstsein betreffen. Es umfasst also einzelne Akte des Selbstbewusstseins ebenso wie ein über einen gewissen Zeitraum stabiles Selbst oder Selbstkonzept. Nimmt ein Individuum Bezug auf seine eigenen geistigen oder körperlichen Vorgänge, so spricht man von einem Akt des Selbstbewusstseins. Die Gesamtheit der zeitlich stabilen Selbstzuschreibungen bezeichnet man als Selbst, Selbstkonzept oder empirisches Ich.
Henrich und Frank, zwei Vertreter der Heidelberger Schule geben einen anderen Einwand gegen die klassische Konzeption. Ihnen zufolge ist die Konstitution des Selbst durch Selbstzuschreibungen logisch widersprüchlich, weil man dazu immer schon eine zumindest rudimentäre Vorstellung des Selbst haben muss. Sie postulieren daher ein präreflexives Bewusstsein, das in der ursprünglichen Einheit des Ich mit sich selbst begründet und nicht durch Wissen vermittelt ist.
Tugendhat wiederum versucht überhaupt vom Begriff des Selbst als einem Substantiv abzusehen. In der Praxis geht es stets darum, Aussagen über sich selbst zu machen. Die Beziehung des Ich zu seinen Zuständen ist dabei immer unmittelbar. Das von den Vertretern der Heidelberger Schule angesprochene Problem tritt daher bei Tugendhat erst gar nicht auf.
Nachdem nun in schnellen Strichen das Wichtigste über das Selbst gesagt worden ist, wollen wir zu unserem eigentlichen Hauptthema kommen: der Willensfreiheit.
Als wesentliche Charakteristika für Freiheit gelten zwei Prinzipien: das Autonomieprinzip und das Urheberprinzip. Autonom zu sein bedeutet für ein Individuum, dass es unabhängig von äußeren (und je nach Fassung auch inneren) Faktoren sein muss. Das Urheberprinzip besagt, dass eine jede Handlung, die als frei gelten kann, auf ein handelndes Individuum mit dessen Charaktereigenschaften zurückführbar sein muss. Durch das Autonomiepostulat wird die Handlung vom Zwang und durch das Urheberprinzip von bloßem Zufall abgegrenzt.
Man unterscheidet zwischen Handlungs- und Willensfreiheit. Handlungsfreiheit besteht dann, wenn es der Person möglich ist, gemäß ihres Willens zu handeln. Bei der Willensfreiheit dagegen, geht es um die Frage, ob die Person autonom über die eigenen Willensakte entscheiden kann. Dies ist unserem Alltagsverständnis nach bei diversen neurotischen Erkrankungen (z.B. Zwangshandlungen wie Waschzwang, Tourette-Syndrom, Spielsucht, etc.) nicht der Fall. In diesen Fällen wird das Individuum nicht durch äußere, sondern durch innere Faktoren, in seiner Autonomie beschränkt.
Eine wichtige Idee ist auch das Prinzip der alternativen Möglichkeiten. Eine Handlung/ein Wille ist dann frei, wenn sie/er unter sonst identischen Bedingungen auch hätte unterlassen werden können bzw. wenn man sich anders hätte entscheiden können. Dieses Prinzip deckt sich gut mit unserem alltäglichen Verständnis von Freiheit.
Überlegen wir uns nun, wie dieses Prinzip sich mit der Vorstellung eines Determinismus verträgt. Determinismus bedeutet, cum grano salis, dass jedes Ereignis aus einem vorangegangenen Komplex anderer Ereignisse hervorgeht. Wenn aber jede Handlung in diesem Sinne vorausbestimmt ist, wie kann es dann alternative Möglichkeiten geben? Dazu gibt es zwei Positionen. Die Inkompatibilisten sagen, dass in einer determinierten Welt kein Platz für Willensfreiheit bleiben, während die Kompatibilisten meinen, dass das doch möglich ist.
Kompatibilistische Ansätze verfolgen Moore und Frankfurt. Moores Idee besteht kurz gesagt darin, zu sagen: "Ich hätte mich anders verhalten können, wenn ich mich anders entschieden hätte." Zwar konnte ich mich möglicherweise nicht anders entscheiden, weil meine Entscheidung ein Produkt einer Unzahl vorangegangener Faktoren war, aber wenn ich mich anders entscheiden hätte können, dann... Frankfurt argumentiert mit seiner Theorie von Volitionen höherer Ordnung auf ähnlicher Weise. Er meint, es gäbe so etwas wie höherrangige Wünsche. Das bedeutet, ich kann wollen, dass ich etwas will.
Die Frage ist nun, wie stark man Urheberpostulat und Autonomiepostulat fassen soll/kann. Nagel und Strawson haben etwa gezeigt, dass sich eine zu strenge Fassung beider widerspricht. Daher ist es sinnvoll, die Voraussetzungen etwas abzuschwächen und lediglich personale Freiheit zu verlangen.
Inhaltsverzeichnis
Determiniert, oder ein Leben hinter dem Spiegel
Lewis Caroll gibt in seiner Nonsense-Satire Through the Looking Glass. And what Alice found there eine eingängige Beschreibung des Phänomens einer streng determinierten Welt, mit Alice als allmächtiger, etwas unbeholfenen und vorschnellen (ersten) Bewegerin.
Selbst, Selbstbewusstsein, Subjektivität
nach Michael Pauen: Grundprobleme der Philosophie des Geistes, Eine Einführung,³2002. III. Subjektivität und Willensfreiheit, Seite 236-297
Zusammenfassung
Vertreter skeptischer Positionen halten die Vorstellung von einem monolithischen, substanziellen Selbst für eine Illusion. Ihrer Ansicht nach liegen dem fertigen kohärenten Bild, das unserem Bewusstsein zugänglich ist viele unbewusste vorgeschaltete Prozesse zugrunde. Diese Prozesse stammen in der Regel nicht aus einer einheitlichen Quelle, sondern widersprechen sich oft genug. Das Selbst wäre dann das Ergebnis der widerstreitenden und Koalitionen bildenden unbewussten „Agenten“ – der Ausdruck stammt von Minsky. Dennett sieht das Ich sehr stark durch die kulturelle und soziale Situation bedingt, in der wir leben. Metzinger spricht von mentalen Modellen und greift seinerseits auf Arbeiten von Johnson-Laird zurück. Die Einwände dieser Denker sind in der Sache durchaus berechtigt und stürzen die traditionelle Vorstellung vom Selbst, als selbständiger Entität, in eine tiefe Krise. Das Hauptargument ist, dass es ein Objekt mit den Eigenschaften, die dem Selbst klassischerweise zugesprochen werden, in der Welt nicht geben kann.
Willensfreiheit
Noch schwieriger als das Problem der Subjektivität scheint das Problem der Willensfreiheit zu sein. Für den Monisten? sind seine Handlungen und Gedanken an sein Gehirn und damit an Naturgesetze geknüpft. Diese determinieren dann sein Verhalten vollständig, bzw. wenn man wie die moderne Physik annimmt, dass die Naturgesetze nur innerhalb gewisser Wahrscheinlichkeiten gelten, so bleibt ein Spielraum für Zufälle. Jedenfalls kann es unter diesen Umständen keine freien intentionalen Handlungen geben, denn das würde bedeuten, dass man selbst auch anders hätte handeln können und nicht bloß, dass die Ereignisse zufällig auch anders hätten ausfallen können.
Begriffliches
Was ist überhaupt gemeint, wenn man von Freiheit spricht? Eine einheitliche Antwort gibt es nicht, daher sollen zunächst einmal einige wichtige Begriffe festgelegt werden.
Nach genauerer Überlegung stellt sich heraus, dass für den Freiheitsbegriff vor Allem zwei Grundsätze bedeutsam sind. Dies sind das Autonomieprinzip und das Urheberprinzip. Unter dem Autonomieprinzip versteht man grob (wird an späterer Stelle noch genauer diskutiert) die Autonomie des handelnden Individuums, also dass die Handlung nicht von externen Determinanten bestimmt ist. Das Urheberprinzip besagt, dass es möglich sein muss, die Handlung auf ein handelndes Subjekt zurückzuführen. Das Autonomieprinzip grenzt Freiheit gegen äußeren Zwang ab, während das Urheberprinzip sie gegen bloßen Zufall abgrenzt. Beiden Prinzipien gerecht wird die Konzeption von Freiheit als SELBSTBESTIMMUNG DES HANDELNDEN INDIVIDUUMS.
Handlungsfreiheit und Willensfreiheit
Man unterscheidet zwischen Handlungs- und Willensfreiheit, wobei die Willensfreiheit weiterreichend ist und einen anderen logischen Typ einnimmt. Die Handlungsfreiheit ist (vgl. Philosophen wie Locke, Hobbes, Hume, Schlick) dann gegeben, wenn es der Person möglich ist, so zu handeln, wie es ihrem Willen entspricht. Dabei ist der Urheber das wollende Subjekt und die Autonomie ist durch die Unabhängigkeit von äußeren Determinanten gewährleistet. Eine bereits ausgeführte Handlung war dann frei, wenn sie auch hätte unterlassen werden können, wenn ein anderer Wille bestanden hätte.
Ein typisches Beispiel für eine eingeschränkte Handlungsfreiheit wäre der Gefangene, der seinen Willen die Zelle zu verlassen auf Grund von physischen Zwängen (den Gitterstäben) nicht realisieren kann. Für die Handlungsfreiheit ist nicht essentiell, ob überhaupt ein entsprechender Willensakt stattgefunden hat. Der Gefangene ist auch dann in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt, wenn er gar nicht den Wunsch hat, das Gefängnis zu verlassen, weil er es eben nicht könnte, selbst wenn er wollte. Unerheblich für das Konzept der Handlungsfreiheit ist, ob die Willensentscheidung selbst frei war, denn die Übereinstimmung von Wille und Handlung liefert ja gerade erst das Kriterium für (Handlungs-)Freiheit. Die Frage, ob der Willensentscheid frei war ist daher innerhalb dieses Paradigmas unerheblich.
Außerhalb der engen Grenzen dieses Paradigmas kann die Frage nach der Willensfreiheit aber durchaus Sinn machen. Dann ist die Autonomie des Handelnden eben nicht nur durch äußere Determinanten gefährdet, sondern auch durch innere psychische Zwänge. Es geht also nicht primär um die Übereinstimmung von Wille und Handlung wie bei der Handlungsfreiheit. Man denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an die verschiedenen Formen von neurotischen Zwangshandlungen als ein extremes Beispiel dafür, wie das Individuum durch innerpsychische Zwänge in seiner Handlungsautonomie eingeschränkt sein kann. Willensfreiheit ist dann gegeben, wenn die Person autonom über die eigenen Willensakte entscheiden kann. Eine bereits vollzogene Handlung ist mit der Willensfreiheit vereinbar, wenn man auch anders gewollt haben könnte..
Innere Zwänge können zufällig entstehen oder durch beabsichtigte Manipulation von außen herbeigeführt sein. Ersichtlich ist das Konzept der Willensfreiheit ein anderes, als das der Handlungsfreiheit. Damit ist gemeint, dass das Autonomiepostulat strenger gefasst ist, weil nicht nur äußere Determinanten berücksichtigt werden. Die Idee dahinter ist, dass die Verantwortung für ein Ereignis nicht am Ende sondern am Anfang der Kausalkette steht. Verantwortlich für den Mord ist etwa nicht die Kugel, sondern die bewusste Entscheidung des Mörders abzudrücken. Für seine Strafmündigkeit entscheidend ist dabei klarerweise, ob er auch anders hätte wollen können, was uns zum Prinzip der alternativen Möglichkeiten führt.
Das Prinzip der alternativen Möglichkeiten
Das Konzept stammt von Harry Frankfurt aus dem Jahre 1969 und beruht auf Überlegungen von G.E. Moore. Frei ist eine Handlung dann, wenn unter sonst identischen inneren und äußeren Umständen auch eine alternative Wahl getroffen werden konnte. Diese Möglichkeit muss zumindest an einer Stelle des Entscheidungsprozesses bestanden haben. Behindert wird diese Fähigkeit zu alternativen Möglichkeiten nicht nur durch innere psychische Zwänge, sondern auch durch erlernte Verhaltensweisen, Überzeugungen und Charaktermerkmale. Jeder dieser Umstände ist für sich allein genommen möglicherweise nicht stark genug, um keine andere Alternative zuzulassen, zusammengenommen können sie das aber sehr wohl sein. Treibt man diesen Gedanken auf die Spitze, wie etwa Schopenhauer es getan hat, dann sieht es für die Freiheit in der Tat schlecht aus. Die Handlung darf nur regellos aus den Bedingungen hervorgegangen sein und die Wahl zwischen zwei diametral entgegengesetzten Optionen muss gleich (un-)möglich sein.
Einstein über Willensfreiheit. Audio einfügen?
Determinismus
Unter (strengem) Determinismus versteht man die Vorstellung, dass alle Ereignisse auf Komplexe von Ursachen zurückführbar sind, aus denen nach den Naturgesetzen notwendig das jeweilige Ereignis folgt. Es handelt sich also gerade um den Laplaceschen Dämon: Aus der Kenntnis aller Zustände im Universum zu einem bestimmten Zeitpunkt und der vollständigen Kenntnis der Naturgesetze lassen sich alle Zustände zu allen Zeiten extrapolieren – zumindest theoretisch. Sollte das zutreffen, so ist es sehr fraglich ob dann noch Platz für Willensfreiheit ist.
Ein weit verbreiteter Irrtum liegt jedoch in der Begrifflichkeit eines Naturgesetzes. Moritz Schlick (Fragen der Ethik, Wien 1935 (1. Auflage 1930), Kapitel VII, wiederabgedruckt als "Wann ist der Mensch verantwortlich?" in: Seminar: Freies Handeln und Determinismus. Ed. Ulrich Pothast. Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. 257. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1978. 157–168) weist im Anschluss an Ludwig Wittgenstein auf die problematische Verwechslung des Charakters von Naturgesetzen mit denen von Staatsgesetzen hin. Man unterscheidet zwei Bedeutungen von Gesetz. 1. Staatsgesetze, mit dem Charakter des "Du sollst (nicht)" und 2. Naturgesetze die eher einem "immer wenn A, dann B" funktionieren. Während erstere Vorschriften darstellen und mit entsprechenden Sanktionen verknüpft sind, beschreiben Naturgesetze Erscheinungen, Vorgänge etc..
- "Die beiden Arten von »Gesetzen« haben nur das einzige gemeinsam, daß beide durch eine Formel ausgedrückt zu werden pflegen. Sonst haben sie wirklich absolut nichts miteinander zu tun, und es ist höchst beklagenswert, daß man für zwei so verschiedene Sachen dasselbe Wort gebraucht — noch beklagenswerter allerdings, daß die Philosophen [und heutzutage auch die Hirnforscher; a.d.V] sich durch den Wortgebrauch zu so schweren Irrtümern verführen ließen. — Da Naturgesetze nur Beschreibungen dessen sind, was geschieht, so kann bei ihnen von einem »Zwange« gar keine Rede sein. Die Gesetze der Himmelsmechanik schreiben den Planeten nicht vor, wie sie sich zu bewegen haben, gleich als ob die Planeten sich eigentlich ganz anders bewegen möchten und nur durch diese lästigen Keplerschen Gesetze genötigt würden, in ordentlichen Bahnen zu bleiben: nein, diese Gesetze »zwingen« die Planeten in keiner Weise, sondern sagen nur aus, was Planeten tatsächlich tun."(S. 160)
- "Man wende dies auf den Willen an, und sofort wird einem ein Licht aufgehen, noch bevor die übrigen Verwechslungen aufgedeckt sind. Wenn wir sagen, der Wille »gehorcht psychologischen Gesetzen«, so sind das keine Staatsgesetze, die ihm bestimmte Entschließungen »aufzwingen«, ihm Wünsche diktieren, die er eigentlich gar nicht haben möchte; sondern es sind ja Naturgesetze, die nur formulieren, welche Wünsche der Mensch unter bestimmten Umständen tatsächlich hat, sie beschreiben die Natur des Willens, nicht anders als die astronomischen Gesetze die Natur der Planeten beschreiben. »Zwang« liegt vor, wo der Mensch an der Erfüllung seiner natürlichen Wünsche gehindert wird – wie könnte die Regel, nach der diese natürlichen Wünsche aufsteigen, selbst auch wieder als ein »Zwang« angesehen werden?" (a.o.O)
In weiterer Folge erklärt Schlick das Probelm der Unvereinbarkeit von Determinismus und Willensfreiheit zu einem Scheinproblem, da es sich um eine Verschiebung der Begriffe handelt. Folgende Tabelle soll dies versanschaulichen. An stelle der links stehenden Begriffe werden fälschlicherweise die rechten gesetzt. So ergibt sich eine widersprüchliche Argumentationskette.
Naturgesetz | Staatsgesetz |
Gesetzmäßigkeit (Kausalität) | Zwang |
(Allgemeingültigkeit) | (Notwendigkeit) |
Gesetzlosigkeit (Zufall) | Freiheit |
(Keine Ursachen) | (kein Zwang) |
Kompatibilismus und Inkompatibilismus
Verfechter des Inkompatibilismus behaupten genau das, nämlich dass in einer determinierten Welt kein Platz für Willensfreiheit sei. Ihrer Ansicht nach sind Determinismus und Willensfreiheit inkompatibel während sie für die Verfechter des Kompatibilismus durchaus vereinbar (kompatibel) sind. Für Kompatibilisten sind also freie Handlungen auch in einer durchgängig bestimmten Welt denkbar. Schauen wir uns dazu einige kompatibilistische Positionen an:
Kompatibilistische Ansätze
Konditionalanalyse: G. E. Moore
Moore weist auf die Mehrdeutigkeit des Wortes „können“ hin. Diese Mehrdeutigkeit kommt etwa zum Ausdruck, wenn man die beiden Sätze „Ich hätte heute zwei Kilometer in einer halben Stunde gehen können.“ und „Ich hätte heute zwei Kilometer in drei Minuten laufen können.“ Der erste Satz drückt eine Alternative zu dem aus, was tatsächlich an diesem Tag getan worden ist. Wenn man gewollt hätte, hätte man das tun können. Beim zweiten Satz verhält es sich anders. Dieses „können“ übersteigt die Leistungsfähigkeit des menschlichen Körpers und ist daher auf Grund der Unmöglichkeit der Aussage keine wirkliche Alternative. Moore übersetzt das „Ich hätte anders handeln können“ aus dem Prinzip der alternativen Möglichkeiten mit „Ich hätte anders handeln können, wenn ich mich anders entschieden hätte“. Das ist genau die Struktur die auch im ersten Satz auftritt. Moore glaubt damit, die tiefe Kluft zwischen Determinismus und Willensfreiheit überwunden zu haben. Zwar hätte ich nicht anders handeln können, es war durch vorangegangenen Ereignisse bestimmt, aber ich HÄTTE anders handeln können, HÄTTE ich mich anders entschieden. Dies klingt zunächst einmal recht vernünftig und es scheint, als wäre Moore das Kunststück gelungen, den Determinismus in einer zudem sehr strengen Variante mit der Willensfreiheit zu versöhnen. Bei näherer Betrachtung ergeben sich jedoch Probleme. Die Möglichkeit, die das „Ich hätte anders handeln können“ zu bringen scheint, wird durch die darauf folgende Einschränkung „wenn ich mich anders entschieden hätte sofort wieder relativiert. Schließlich ist keineswegs klar, ob man sich anders hätte entscheiden können. Vielmehr spricht manches dafür, dass zumindest bei bestimmten psychischen Erkrankungen eine solche alternative Entscheidung eben nicht möglich ist. Moore versucht dieses Problem zu lösen, indem er seine Idee nicht nur auf die Handlungsebene, sondern auch auf die Willensebene anwendet und gerät so zu Entscheidungen zweiter Ordnung: „Ich hätte mich anders entschieden, wenn ich den Entschluss gefasst hätte mich anders zu entscheiden.“ Da die Anzahl der Ordnungen beschränkt ist, und nach Bateson mehr als drei Ordnungen (0.,1. und 2. Ordnung) für den Menschen nicht sinnvoll denkbar sind, erweist sich der Ansatz als sehr hilfreich.
Volitionen zweiter Ordnung: Harry Frankfurt
Dieser Ansatz von Harry Frankfurt aus dem Jahr 1993 ist wohl der wichtigste dieser Art für die neuere Diskussion. Frankfurt versteht unter Willensakten bewusste, handlungswirksame Wünsche. Mein Wunsch etwa, heute dieses Exzerpt fertig zu schreiben, ist dann ein Willensakt, wenn er dazu beiträgt, dass ich die Handlung auch wirklich vollbringe. Unbewusste Wünsche sind für Frankfurt keine Willensakte. Willensakte dienen der Realisierung allgemeiner Sachverhalte. Diese Sachverhalte können sich auf äußere Dinge beziehen oder es tritt der Spezialfall ein, dass sich Willensakte auf andere Willensakte beziehen. In diesem Fall spricht Frankfurt von Volitionen zweiter Ordnung. Eine Volition zweiter Ordnung ist etwa der Wunsch, kein weiteres Glas Wein zu wünschen, weil man seinen Alkoholkonsum verringern will. Volitionen erster Ordnung sind eher situationsspezifisch und beziehen sich mehr auf die primären Bedürfnisse. Dagegen spielen bei Volitionen zweiter Ordnung Überzeugungen und Dispositionen eine wichtige Rolle. Die Fähigkeit zu Volitonen zweiter Ordnung ist daher den Menschen vorbehalten. Frankfurt hat nun folgenden Gedanken: ist die Handlungsfreiheit definiert als die Freiheit so zu handeln, wie man es möchte (also eine Stufe höher), so liegt es nahe, Willensfreiheit zu definieren als die Fähigkeit das zu wollen, was man auf höherer Ebene für gut befindet. Diese höhere Ebene bilden die Volitionen zweiter Ordnung. Dabei ergibt sich allerdings ein ganz ähnliches Problem wie bei Moores Ansatz. Schließlich ist nicht gesagt, dass die Volitionen zweiter Ordnung nicht von äußeren Umständen herrühren und so ist es nicht ausgeschlossen, dass man wiederum auf Volitionen dritter Stufe zurückgreifen muss. Frankfurt gesteht ein, dass der Willensbildungsprozess nicht mit Volitionen der zweiten Stufe beendet sein muss, ist aber der Meinung, dass sich Personen ihrer Volitionen zweiter Ordnung vollkommen bewusst sein können. Durch die Zulassung von Volitionen höherer Ordnung ist streng genommen kein eindeutiges Kriterium mehr für die Freiheit gegeben, aber es ist auch nicht angängig auf die höheren Volitionen zu verzichten, denn dann käme wieder obiges Argument zu tragen, dass die Volitionen zweiter Ordnung von außen induziert sein könnten. Dem widerspricht allerdings die Vorgabe, dass ich mir meine Volitionen zweiter Ordnung vollständig bewusst machen kann. Auf das Beispiel mit dem Glas Wein bezogen hieße das, dass mein Wunsch keinen Wein mehr zu wollen wohl ein Ergebnis meiner rigiden Erziehung sein kann, ich mir dessen jedoch bewußt werden kann und damit die Möglichkeit zur freien Entscheidung gewonnen habe. Daher ist diese Theorie höchst einflussreich, insbesondere bei den Autoren, die dem Kompatibilismus anhängen.
Inkompatibilistische Ansätze
Den Glauben an den Kompatitibilismus kann etwa Peter van Inwagen nicht teilen. Für ihn ist in einer deterministischen Welt im oben skizzierten Sinn kein Platz für Freiheit. Ihm zufolge stehen unsere Handlungen bereits vor unserer Geburt fest, was seiner Ansicht nach klar das Prinzip der alternativen Möglichkeiten verletzt.
Dieser Auffassung gemäß kann in einer deterministischen Welt kein Platz für Willensfreiheit sein. Anders sieht es hingegen aus, wenn der Determinismus Lücken hat. Dann wäre es denkbar, dass diese Lücken dem subjektiven Willen ermöglichen, in den physischen Geschehensablauf einzugreifen. Diese Vorstellung liegt den ansonsten sehr verschiedenen Auffassungen von Karl Popper und John C. Eccles (1989), Roderick Chisholm (1982), Ulrich Pothast (1987), Eduard Dreher (1987) oder Gottfried Seebaß (1993) zugrunde. Diese alle stimmen Inwagen zu und halten die Kompatibilität von Determinismus und Willensfreiheit für gescheitert, glauben jedoch wie Popper sagt, an die „Offenheit der physischen Welt“.
Akteurskausalität
Exemplarisch für diese Auffassung nehmen wir den Ansatz von Chisholm heraus. Soll von Freiheit die Rede sein, so muss das Subjekt der Ausgangspunkt von Kausalketten sein, ohne selbst von solchen abzuhängen. Die Position als erstes autonomes Glied einer Kette solcher kausaler Zusammenhänge vergleicht Chisholm mit der Rolle Gottes: der Mensch tritt auf als unbewegter Beweger. Hier tritt das Autonomiepostulat in besonders strenger Weise auf. Zusätzlich zu den bereits weiter oben beschriebenen Bedrohungen der Autonomie sind hier auch die eigenen Wünsche, Überzeugungen und Bedürfnisse eine potentielle Gefahr für die Autonomie. Zusammengefasst versteht man unter Akteurskausalität, die Fähigkeit eines Urhebers (Akteurs), aus sich selbst heraus eine völlig neue Kausalkette zu beginnen. Dabei ist der Akteur autonom gegenüber sämtlichen Einflussfaktoren, einschließlich seiner eigenen Wünsche und Überzeugungen. Eine bereits vollzogene Handlung ist frei gemäß der Akteurskausalität, wenn der Handelnde sie unter identischen inneren und äußeren Bedingungen hätte unterlassen können.
Nagel und Strawson
Chisholm scheint davon auszugehen, dass freie Handlungen im Sinne der Akteurskausalität, wenn vielleicht auch nicht in unserer Welt mit den entsprechenden Naturgesetzen, doch zumindest prinzipiell möglich sind. Nagel und Strawson gehen nicht auf die empirische Seite des Problems ein, sondern fragen sich vielmehr, ob eine so streng gefasste Freiheit nicht schon in theoretischer Hinsicht unmöglich ist. Sie orten eine prinzipielle Unverträglichkeit zwischen dem strengen Autonomieprinzip und dem Urheberschaftsprinzip. Das Autonomiepostulat, wie es von den Vertretern der Akteurskausalität gefasst wird, besagt wie oben ausgeführt, dass die Handlung weder von äußeren noch inneren Zwängen determiniert sein darf. Dagegen besagt das Urheberprinzip, dass sich die Handlung auf einen Urheber zurückführen lassen muss. Das bedeutet aber, dass Einstellungen und Charaktereigenschaften des Handelnden in die Entscheidung eingehen müssen, wenn es sich nicht um bloßen Zufall handeln soll. Einerseits muss die Entscheidung also vollkommen autonom sein, also auch unabhängig von den eigenen Einstellungen, Charaktermerkmalen, etc., andererseits darf sie es eben nicht sein, weil sonst das Urheberprinzip verletzt ist. In den Augen von Nagel und Strawson schließen sich diese beiden Forderungen aus.
Personale Freiheit
Die Argumentation von Nagel und Strawson ist schwer zu kritisieren. Fraglich ist jedoch, ob ihre Schlussfolgerung so unausweichlich hingenommen werden muss und ob die Willensfreiheit nicht doch irgendwie beschrieben werden kann. Eine dahingehende Idee ist die Vorstellung einer personalen Freiheit. Hierbei handelt es sich in erster Linie um Selbstbestimmung. Das Autonomiepostulat wird weniger streng gefasst und die Selbstbestimmung wird lediglich von der Fremdbestimmung abgegrenzt. Das Selbst tritt dabei als Urheber auf. Damit sind Autonomie- und Urheberprinzip versöhnt. Voraussetzung für einen solchen Ansatz ist allerdings die Existenz eines Selbstkonzepts. In den Erörterungen zum Selbst wurde gezeigt, dass die empirischen Untersuchungen nach dem heutigen Stand die Existenz eines solchen keineswegs widerlegen, wenn sich auch traditionelle Vorstellungen als unhaltbar erwiesen haben. Die Merkmale des Selbstkonzepts werden im Folgenden als „personale Merkmale“ bezeichnet. Eine Handlung muss nach dieser Auffassung nicht autonom gegenüber sämtlichen handlungsbestimmenden Faktoren sein. Gefordert wird lediglich die Unabhängigkeit gegenüber den nicht-personalen Merkmalen. Wir sprechen von PERSONALER FREIHEIT. Unklar ist zunächst noch, welche Merkmale als personale Merkmale zu gelten haben. Die Antwort auf diese Frage ist sehr schwierig und nur mit Hilfe der Empirie (und auch dann nie umfassend) zu klären.
Vom Wildwuchs zum Nutzgarten (FiK)
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Freiheit im Kopf (Seminar Hrachovec, 2006/07)
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