Levi’s Jeans
Die hinteren Taschen der Jeans, welche die Firma Levi produziert, tragen als Markenzeichen gesteppte Doppelbögen, die an vereinfachte Darstellungen eines Mövenflugs erinnern. [Abbildung 1] Das Prestige des Unternehmens ist so stark, dass mehrere Konkurrenten daran mitnaschen wollen. Die New York Herald Tribune vom 29..20071 illustriert Variationen des Doppelbogens auf einigen Jeans anderer Hersteller. [Abbildung 2-52 ]. Sie reichen von kleinen Änderungen, wie einer Zusatzschleife, bis zu einer freien Improvisation über das vorgegebene Thema, die mit dem Original nur mehr locker verbunden ist. Die Anwälte für Levi’s Jeans sehen das anders. Sie klagen jeden, der sich einer Abwandlung ihres „trademarks“ bedient. Mit dem Symbol verbindet sich Information über die Hersteller und ein bestimmtes Kaufverhalten. So wie Verkehrszeichen vor Schleudergefahr warnen, kann der Markt als Umgebung gesehen werden, die entlang eindeutiger Signale zu navigieren ist. Soweit der Beitrag des „Wissens“ (i.e. bestimmter Kenntnisse) zum Betriebserlös3 . Aber im Unterschied zum Verkehrszeichen ist das Logo umstritten. Das Wissen, welches es exemplifiziert, ist sowohl definitiv als auch unscharf4 . Spätestens wenn das Gericht über das Kennzeichen zu urteilen hat, wird der Unterschied deutlich. Wie wird festgestellt, dass die Naht auf einer Hosentasche Instanz eines Markenzeichens ist? Verbreiteter ist ein anderer Konflikt: Die Auseinandersetzung um (etwa) eine gefälschte Rolex dreht sich darum, ob ein Markenzeichen legitim verwendet wird. Hier geht es um die Frage, wie weit die Variationsbreite eines Markenzeichens reicht. Der umstrittene Gegenstand (das Logo) ist eine Konstruktion zweiter Ordnung, ein Musterbild als Vorgabe für materielle Exemplare, die einem solchen Design folgen. Der Interessenskonflikt um das Logo bricht die quasi-automatische Oberfläche des Sich-Auskennens und verweist auf die kognitive Infrastruktur der Zuordnung von Hosen und Marken. Levi’s reklamiert ein Recht darauf, die eigenen Produkte mit einem Logo zu markieren. Das Logo ist selbst ein Produkt und muss gegen Abweichungen gesichert werden. Geschäftsinteressen induzieren Reflexion.
Der Spielraum liegt zwischen einer produktionstechnisch definierten Schablone für eine Steppnaht und der Idee eines Doppelbogens in der Mitte der hinteren Jeanstaschen. Ein gleitender Zusammenhang verbindet Identifikationszeichen und Begriff. Sehen wir zu, wie ein Prädikat („...ist ein Doppelbogen“) im Unterschied zu einer Marke (Levi’s Doppelbogen) gehandhabt wird. Die gängige Erklärung reicht auf die Griechen zurück. Eigenschaften sind ideelle Beschaffenheiten der Welt, welche Dingen anhaften und von ihnen in Urteilen prädiziert werden können. Anders als habitualisiertes Sich-Auskennen evozieren Stellungnahmen Gründe. Die Zugehörigkeit zu einem Begriff ist diskutierbar. Die Hosennaht unterliegt also zwei verschiedenen Verfahren, einer eingespielten Reaktionskette (als Logo) und einer Bewertung als Ausdruck einer Eigenschaft (Doppelbogen, Levi’s Jeans). Und es ist offenbar, dass Unstimmigkeiten im ersten Fall zum zweiten überleiten können. Was hat es mit Stellungnahmen und Erklärungen auf sich?
Für die Tradition ist das Zutreffen von Aussagen in der Wirklichkeit verankert. Menschliche Vernunft erfasst die begriffliche Gestalt der Welt. Durch Argumentation wird der Zusammenhang dieser Beschaffenheit entfaltet. Wissen als begründeter, wahrer Glaube greift auf eine metaphysikhaltige Wahrheitstheorie zurück, in welcher sich Sprach- und Denkformen mit Dingen, Eigenschaften und Sachverhalten der Welt korrelieren lassen. Die Rahmenvoraussetzungen dieser Konzeption überzeugen nicht mehr. Sie sind in den letzten hundert Jahren Philosophiegeschichte gründlich zerpflückt worden5 . Der anspruchslose Wahrheitsbegriff der benachbarten Beiträge ist eine Folge dieser Entwicklung. Hier ist nicht der Platz, sie aufzurollen; die Kritik der metaphysischen Wahrheitstheorie sei zugestanden. Allerdings heißt das nicht, dass Wahrheit nur als Floskel oder Orientierungshilfe übrig bliebe. Die zeitgenössische Philosophie hat Überlegungen entwickelt, die das Zutreffen von Urteilen nicht aus einer Begegnung von Denken und Sein herleiten. Sie halten an Verpflichtungen fest, für Sätze Rede und Antwort zu stehen und bilden ein Gegengewicht zu Tendenzen, diese Funktionalität in ein Moment der Sozialsteuerung einzuschleifen. Im Hintergrund des Logos – ohne Justizsystem gibt es kein Markenzeichen – steht immer noch das Urteil.
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