Christoph Hubig: Wissensmanagment und Kommunikation in der E-Economy (BW)

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Exzerpte aus Christoph Hubig: Wissensmanagment und Kommunikation in der E-Economy. Zum Widerspruch zwischen Rationalisierung und Kompetenzerweiterung. In: U. Frank (Hrsg.): Wissenschaftstheorie in Ökonomie und Wirtschaftsinformatik. WIesbaden 2004. S. 211ff.


Die Entwicklung zur E-Economy - Ein Optimierungs- und Rationalisierungsprozess?

Sprechen wir zunächst über Veränderungen im Objektbereich. Es existiert eine ganze Reihe von Diagnosen zur E-Economy, die auf den ersten Blick triftig erscheinen, wel­che den Prozess der Informatisierung des Wirtschaftens als Optimierungs- und Ratio­nalisierungsprozess einschlägiger Mittel-Zweck-Verbindungen erachten. Zweifellos lässt sich beobachten, dass von den EntwicklungsprozessenlPrototyping über Logistik und Distribution bis hin zu Nutzung und Entsorgung durch die neuen Möglichkeiten des Informationstransfers Ressourcen besser genutzt werden, Transaktionskosten ge­senkt, ferner im Zuge einer Verminderung des Aufwands an Informationsbeschaffung und erhöhte Transparenz Opportunitätskosten gemindert werden können u.v.a. mehr. Beschränkt man sich auf diese Sichtweise, dann entgehen der Analyse vier weitere wesentliche Entwicklungstendenzen mit einschlägigen Konsequenzen, gerade ange­sichts der Herausforderungen eines Ubiquitous Computing, also den neuen Interakti­onsmöglichkeiten mit einer bereits informierten „intelligenten" Umwelt.

Da wären erstens die neu eröffneten und zunehmend erweiterten Möglichkeiten einer Substitution ganzer Workflows durch Delegation dieser Prozesse an die Systeme, wodurch eine in diesen Systemen implementierte Rationalität, deren Operationalisierung dem natürlichen Bewusstsein versagt bleibt, in die Prozesse importiert wird. Wenn die Lösung von Optimierungsproblemen maschinell erledigt wird, werden einerseits Defi­zite menschlichen Problemlösens überwunden, andererseits, worauf noch einzugehen sein wird, bestimmte Handlungsdimensionen, die sich einer entsprechenden Rationali­sierung entziehen, nicht mehr entscheidungsprägend. Sind das dann nur noch Soft-Factors? Zweitens wird ermöglicht, dass tradierte und in bestimmten Bereichen bewährte Handlungsvollzüge und ihre Koordination übertragen werden auf neue Berei­che: Typisches Beispiel ist eine Radikalisierung des Marktgeschehens nach dem Vor­bild des Börsenhandels oder Auktionen, welches sich auf alle möglichen Produkte erstrecken kann, die nunmehr entsprechend Angebot, Nachfrage, Qualitätsverfall etc. dynamisch ihre Preise anpassen. Drittens werden neue Act-Types im Bereich ökono­mischen Handelns überhaupt ermöglicht. Eine neue Flexibilität sowohl in der Ent­wicklung und Produktion als auch in der Nutzung kann realisiert werden im Zuge der bereits in der „Magna Charta des Informationszeitalters" beschworenen „Entmassung" der Produktion und Nutzung durch individualisierbare Serienfertigung on demand, Si­lent CommercelZahlung lediglich noch für die Nutzung bis hin zur Anpassung von Versicherungsprämien in Abhängigkeit vom registrierbaren Risikoverhalten des Ver­sicherungsnehmers. Damit geht auf Seiten der Anbieter die Möglichkeit einer „Insze­nierung von Marktbedingungen an der Basis" der Produktentwicklung und Produktion einher mit einer damit verbundenen Flexibilisierung von Unternehmensstrukturen auf sich selbst organisierendes Projektmanagement etc. Viertens werden in neuer Weise höherstufige Koordinationsstrategien realisierbar, indem über die Kommunikations-und Informationssysteme die Interaktion der Nutzerinnen und Nutzer mit diesen Sys­temen einschließlich des damit verbundenen ökonomischen Handelns unter systemstrategischen Gesichtspunkten optimiert wird im Zuge der - wie die Soziologen sagen - „anonymen Vergemeinschaftung". Anonym deshalb, weil über die direkte Interakti­on mit dem System den Nutzern der Einblick in die dadurch ausgelöste Umstrukturie­rung der Binnenaktivität des Systems versperrt bleibt. Gerade diese letzteren vier As­pekte der E-Economy-Entwicklung lassen es problematisch erscheinen, diesen Prozess als bloßen Rationalisierungsprozess zu erachten, wenngleich Effizienz- und Effektivi­tätsgewinne damit einhergehen. Es verändert sicher aber hier der Gegenstandsbereich des Wirtschaftens und der damit verbundenen Act-Types- und Handlungsstrategien und gerade hierin liegt eine Provokation zur Reflexion [Hubi03]. Denn der Ertrag der BWL soll doch Rationalisierung i. S. eines Effektivierens der Marktprozesse sein.

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Diese Seite entstand im Kontext von: Besser Wissen (Vorlesung Hrachovec, 2006/07)