Diskussion:Besuch bei der alten Dame
Zwei Inputs möchte ich zu den Wissenbilanzen anbringen: Auf der Ebene der Bilanzierung für Unternehmen liegen tausende Seiten über richtige Bewertung jeder einzelnen Vermögensposition vor - und das für sehr unterschiedliche nationalstaatliche Grundlagen - eine HGB Bilanz ist demnach anders zu lesen und zu interpretieren als eine nach IFRS oder US-GAAP. Es bedarf eines Heeres von Menschen - auf der einen Seite Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, auf der anderen Seite aber auch die der Analysten, um die in Bilanzen enthaltenen Informationen lesen und beurteilen zu können. Wer wird das bei den Wissensbilanzn der Unis können und auch machen? Und falls dazu nicht genügend Menschen bereitgestellt werden, die ihre Zeit damit verbringen - welchen Sinn und welche information werden die aufgelisteten Daten dann haben, so sie nicht national und international vergleichbar sind?
Das wäre ein praktisches Problem, das sich zumindest theoretisch lösen ließe. Schwieriger scheint mir der Umstand, dass Universitäten auch die Aufgabe einer Gesellschaftskritik zukommt. Diese ist (nicht zuletzt Dank der bis vor kurzem - aus meiner sicht seltsamen - Hochschulpolitik, die sich lediglich im Zurverfügungstellen von kostengünstigen Skripten verstand) in Österreich zwar schwach ausgeprägt, kommt den Unis aber sehr wohl zu. Ähnlich wie der Kunst, die einerseits öffentlich finanziert wird, andererseits aber denjenigen, der sie finanziert auch kritisiert und ihm oft einen Spiegel vorhält, indem Dinge zu sehen sind, die dem zahlenden oft gar nicht Recht sind, müssen Universitäten gesellschaftliche Vorgänge reflektieren, kritisch dazu Stellung beziehen - nicht selten geht von Studenten eine Initialzündung für weitreichende Gesellschaftsproteste aus. Diese Aufgabe wäre in einer bilanz so etwas wie eine Störvariable, eine Art Katastrophe, die nicht nur ungewollt ist, für denjenigen, der mit der Bilanz um Gelder bitten muss - viel mehr wäre es aus bilanzieller Sicht am besten, sich gegen derartige Katastrophen zu versichern - denn wo käme man den hin, wenn die Studierenden und womöglich auch noch Lehrende zu antistaatlichen Demos aufrufen?
Eine Bilanz, die dazu dient, Mittel zu lukrieren - kann diese "Vermögensposition" einer Uni wohl kaum beinhalten. Somit muss befürchtet werden, dass entweder die Bilanz falsch sein wird (aus meiner Sicht die immer noch bessere Altenative) oder aber diese Funktion der Uiversitäten stillschweigend verschwindet, denn dem Zahler muss sie wohl stets zuwider gewesen sein. bernhard proksch