Verlagsprobleme (tphff2015)
In Diskussion:Unvorhersehbare_Entwicklungen_(tphff2015) beschreibt und analysiert Euphon die Situation, in der ein junger Wissenschaftler sich finden kann, wenn ein Verlag ihm anbietet, seine Diplomarbeit zu veröffentlichen. Ich habe weiter recherchiert und beziehe mich im Weiteren auch auf Ausschnitte aus Euphons Text, die in Anführungszeichen gesetzt werden.
--anna (Diskussion) 13:08, 29. Apr. 2015 (CEST)
Geschäftsmodell
Der AV Akademikerverlag gehört zur Verlagsgruppe Omni Scriptum, die sich auch auf Facebook und Google+ präsentiert.
Der Eintrag OmniScriptum Publishing Group in der deutschen Wikipedia beschreibt die Strategie, deren Adressat auch Euphon geworden ist:
- Akquisemitarbeiter suchen im Internet und an Universitäten nach in Frage kommenden Autoren und schicken diesen per E-Mail ein Publikations-Angebot.[8][9] Buchcover, Klappentext etc. werden vom Autor über ein Onlineformular selbst gestaltet. Die OmniScriptum Publishing Group sagt von sich selbst, jährlich mehr als 25.000 neue Titel zu publizieren und damit „eines der führenden Verlagshäuser für akademische Forschung“ zu sein
Einschlägige Erfahrungen sind hier dokumentiert: 1, 2, 3, 4. Eine ausführliche Darstellung der Entstehung der Verlagsgruppe, die 2002 in Düsseldorf als Verlag Dr. Müller gegründet wurde, findet sich in der englischen Wikipedia.
Eine Übersicht über die wichtigsten Einzelverlage der Gruppe findet sich auf http://website.informer.com: OmniScriptum Marketing DEU GmbH (Dominik Berdin)].
Am 13.4.2015 berichtete Spiegel online über die Praktiken des Verlages:Veröffentlichte Abschlussarbeiten: Fette Fehler? Schlechte Note? Egal!
Euphons Überlegungen (Auszüge)
- "Mein Urteil war: Es handelt sich hier wohl um eine Abzockerfirma, die Geld an der Arbeit von anderen verdient. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, auf das Angebot nicht zu reagieren. Ein stiller Protest. Zudem dachte ich aber auch, es sei nachteilhaft im Dunstkreis eines solchen Verlages aufzutauchen. Vielleicht würde ich in Zukunft einmal anstreben, einen gelungenen Text über einen angesehenen Verlag vertreiben zu lassen. Wäre es dann nicht unangenehm, mit einer naiven Entscheidung wie der, einer Veröffentlichung durch den „AV Akademikerverlag“ zugestimmt zu haben, konfrontiert zu werden, die einem vielleicht nachhängt? Man will sich nicht so recht abholen lassen von solch verwegen wirkenden Zeitgenossen wie dem "AV Akademikerverlag", der vielleicht nicht ohen Grund zum Verwechseln ähnlich heißt wie ein recht angesehener Verlag..."
Dass Firmen "Geld aus der Arbeit von anderen verdienen" ist genau genommen noch nicht Abzocke. Ein Restaurantführer beruht auf dem Betrieb von Restaurants, die auch die entsprechenden Informationen bereitstellen. Der Postkartenverkauf beruht darauf, dass jemand die Landschaft pflegt oder das Gebäude errichtet hat. Das ist eine neue Aussicht, die sich in der Informationsgesellschaft ergibt: die Verwertbarkeit nicht nur von Rohstoffen, sondern auch von immateriellen Produkten wie z.B. Modetrends oder Kaufverhalten.
Aus einem Einladungsbrief:
In the course of a research on the Internet, I came across a reference to your work in the field of Geography.
We are an International publisher whose aim is to make academic research available to a wider audience.
LAP Publishing would be especially interested in publishing your dissertation in the form of a printed book.
Keine dieser Aussagen ist falsch. Aber sie sind auch ein Musterbeispiel dafür, wie abhängig die Bedeutung und Bewertung von Sprachausdrücken in unterschiedlichen Kontexten sein kann. Julia Wittgenstein (!) gibt sich als Mitarbeiterin beim Verlag zu erkennen und spricht von einem fairen Angebot. Das wirft ein Schlaglicht auf die Frage, um welche Komponenten es sich in diesem Tauschgeschäft handelt.
ich arbeite für den AV Akademikerverlag (ein OmniScriptum-Partnerverlag) und beantworte gern alle aufgekommenen Fragen.
Es stimmt, dass wir viele Absolventen ansprechen. Wenn der kontaktierte Absolvent Interesse an einer Publikation hat, erhält er die Details zur Veröffentlichung und kann uns das Manuskript unverbindlich zusenden. Erst hier können wir sehen, ob sich die Arbeit tatsächlich zur Publikation eignet. Ist das der Fall, erhält der potentielle Autor ein Angebot zur kostenlosen Publikation. Alle anfallenden Kosten (z.B. für die ISBN und die Listung in allen wichtigen Katalogen) trägt der Verlag. Die Druckqualität war tatsächlich früher ein Problem, ist aber inzwischen sehr hochwertig.
Unser Angebot ist sehr fair, es entstehen dem Autoren keine Kosten (auch keine versteckten). Natürlich wird man mit der Veröffentlichung wissenschaflticher Literatur in der Regel nicht reich, da möchten wir keine Illusionen machen, aber in anderen Verlagen muss man für eine Publikation (z.B. einer Dissertation) als Autor bezahlen (und das oft nicht wenig).
Deshalb ist unser Angebot sehr beliebt, auch wenn unsere Vorgehensweise, aktiv auf potentielle Autoren zuzugehen, ungewöhnlich ist.
- "Hier soll nur gesagt werden, dass die Abschlussarbeit zwar nur die ersten zaghaften Gehversuche einer Jungwissenschaftlerin enthalten mag, sie aber dennoch - wie man heutzutage so schön in Bezug auf Artefakte sagt – „wertig“ ist, aufgeladen mit Wert durch die Partizipation anderer Akteure und Institutonen, die an der Verfassung beteiligt waren. Und eben diesen Wert schöpft der AV Akadmeierverlag" ab, weil das sonst niemand tut."
Es bleibt nur das persönliche Abwägen. Bei mir schlägt der Zeiger wie gesagt auf die ablehnende Seite aus, aber damit entscheide ich mich für die staubigen Fachbereichsbibliothekenkeller. Eigentlich ist diese Überzeugung revisionsbedürftig, denn eine gewisse Offenheit ist eindeutig realisierbar. Es geht dann immer um die Mittel wie das passiert. Offenheit hat verschiedene Facetten. Eine Tür ist nicht nur entweder offen oder zu, sie kann eine Briefschlitz haben, was bedeutet, dass Anrufe von außen auch durch die den Durchgang blockierende Tür hindurch zu uns durchkommen können. In meinem Fall war der Anruf eine email, die als eine Art Preis von einem Gewinnspiel, bei dem ich nie mitgemacht habe, getarnt war, die aber im Inneren einen Mechanismus verborgen hatte, der die Kompetenzen aufsaugt, die durch die an mich gerichtete Hilfestellung meiner Betreuerin für ihn zugänglich werden. Der Verlag stellt so ein Dreieck her, in dem es verschiedene Trajektorien gibt: 1. Der Anruf an mich, 2. Das Herstellen der Verbindung zur Kompetenz meiner Betreuerin, wenn ich der Publikation zusage und 3. Die Übertragung der Kompetenz meiner Betreuerin auf den Verlag. Mit meiner Entscheidung steht und fällt das Gerüst, denn meine Betreuerin hat hier kein Mitspracherecht, obwohl der Verlag hauptsächlich von ihrer Kompetenz profitiert. Der Verlag sucht sich die schwächste Stelle in dieser Kette, mich, und benutzt diese als Einstieg; wie ein Trojaner. – Das Problematische ist immer der Vermittler, in dem Fall des „AV Akademikerverlags“ werde ich, der Verfasser der Diplomarbeit, vom Zweck (die Abschlussarbeit macht mich zum Magister) zum Mittel degradiert (der Vermittler, der instrumentalisiert wird, um an die Kompetenz meiner Betreuerin zu gelangen). Der Zweck für den Verlag sind Selbsterhaltung und Wachstum. Der Verlag ist wie eine Blattlaus, die über die Kraft des Baumes die Energie der Erde anzapft.
Wo also ansetzen? 1. Es gibt nicht nur Blattläuse, sondern auch andere Tiere, 2. Pflanzen können sich verteidigen (z. B. Tabakpflanze) und 3. Alles entsteht aus der Energie der Erde.
1. Es ist schade, dass schwarze Schafe die Debatte färben; schwarz macht immer alles undurchsichtiger. Eigentlich zeigt das Beispiel des „AV Akademikerverlags“ ja, dass eine Alternative zu den staubigen Kellern möglich wäre. Leider ist es ähnlich wie in der Politik: das, was man über einzelne Politiker hört, bildet eine öffentliche Meinung, die Menschen, die dazu geeignet wären die beanstandeten Verhältnisse zu ändern, davor zurückschrecken lässt, sich in die Politik zu begeben. Ob sich das für politische Belange in einer Demokratie jemals ändern wird, weiß ich nicht, aber was den öffentlichen Zugang zu mit einer Qualitätssicherung versehenen Texten anbelangt, bin ich von einer Änderung überzeugt. Grund für diese Annahme ist das Vorhandensein der Technologie, die den freien Austausch möglich macht. Das Beispiel des „AV Akademikerverlags“ zeigt, dass diese neuen Technologien und die Innovationen, die damit verbunden sind, weder als Heilsbringer angesehen, noch völlig verteufelt werden dürfen – das bedeutet eine Perspektive, in der Schwachstellen auszunutzen und auf Kosten der akademischen Welt die eigenen Taschen zu füllen nicht so leicht ist und in der endlich anerkannt wird, dass die Kanäle des freien Forschungsaustausches in den letzten Jahren durch das Internet, das der "AV Akademikerverlag" nutzen muss, da seine Publikationen von vielen Bibliotheken nicht angeschafft werden, erheblich ausgebaut wurden, was die Zugänglichkeit zu Texten massiv erhöht hat. 2. Um eine solche Mittelposition zu finden bedarf es der oben angesprochenen Verteidigungsmechanismen. Erziehung und Bildung sind hier gefragt. Kritisches Bewusstsein allein, wie in meinem Fall, in dem mich die Kritik zur negativen Entscheidung gebracht hat, hilft nicht, ich schlage vor, Erziehung und Bildung als Fähigkeit zur Kontextualisierung von Sachverhalten zu sehen, die bestimmte Handlungsorientierungen zeitigen. Es ist etwas seltsam nun von mir selbst zu sprechen, aber nachdem ich das Beispiel die ganze Zeit durchgezogen habe möchte ich dabei bleiben. So bescheiden wie möglich möchte ich behaupten, dass ich in der Hinsicht gut erzogen worden bin, weil ich sofort als ich die Anfrage vom „AV Akademikerverlag“ bekommen habe, alle notwendigen Informationen versammelt habe, um den Sachverhalt zu identifizieren und ich muss zugeben, dass mir der Verlag das nicht schwer gemacht hat. Zudem habe ich aber auch, wahrscheinlich wieder aufgrund von gewissen Lern- und Bildungsleistungen, gemerkt, dass die Sache selbst nicht verwerflich ist, nur die Ausführung. Um zu solch einer Minimalkompetenz zu gelangen braucht es an und für sich nicht viel, sie ist zu einem Teil aus den Leistungen von guten Erziehern und zum Teil aus meinen gewohnten Handlungsorientierungen und den Erfahrungen, die ich damit mache, zusammengesetzt, die zu einem guten Teil mit dem Internet zu tun haben. Es scheint also nicht illusorisch anzunehmen, dass es ohne großen Aufwand möglich ist, zu solch einer Versammlungsfähigkeit von Aspekten von Belang zu gelangen. Um dem Vorwurf entgegenzuarbeiten, ich würde das was mir gelingt von allen anderen erwarten, was das, was ich sagen möchte, unverständlich machen könnte, stelle ich die allgemeine These auf, dass mittlerweile so vieles außerhalb des designierten Bereichs der angesehenen Verlage zugänglich ist, dass sich eine Auseinandersetzung mit Fragen betreffend der Qualität von Informationen von niemandem mehr vermeiden lässt. Zumindest von niemandem, der Wikipedia, Twitter oder Reddit kennt. Es ist, so behaupte ich, in unsere Disposition eingegangen, dass wir durch Netzwerke Kontexte in Betracht ziehen. Das Vorhandensein der Netzwerke allein reicht aus, um uns zum Kontextualisieren zu bringen. Das Treibgut, das sich dabei ansammelt ist nichts anderes als das Treibgut in unserem Gedächtnis; beide erweitern sich durch die Netzwerke, die unsere Lebenswelt manifestiert. 3. Und diese Lebenswelt lässt sich nur mit Gewalt reduzieren. Eine Legitimation für die reduzierende Gewalt ist schnell gefunden. Im Fall des „AV Akademikerverlags“ ist es das betrügerische Potential des Modells, vor dem schwache Vermittler bewahrt werden sollen. Das ist aber wie wenn man einen Apfel wegschmeißt, nur weil er eine braune Stelle hat. Was ist denn das Schlimmste, das passieren könnte, wenn Diplomarbeiten zugänglich gemacht werden? Das Schlimmste ist nicht, dass Halbwahrheiten und (vorläufig) falsche Schlussfolgerungen zirkulieren, welche die Leser verwirren, denn das kommt in den Wissenschaften schon länger vor und ist sogar ein essentieller Teil derselben. Das Schlimmste ist, dass man sich durch einen Wust an Texten arbeiten muss, die halt nur „nett“ sind und keine genialen Meisterwerke. Das „Nette“ von heute kann aber zu Innovationen von morgen führen; das von Atari veröffentlichte „Pong“ war „nett“ und heute machen Videospielhersteller mehr Gewinne als alle Filmproduktionsfirmen in Hollywood zusammen. Der Vergleich mit der Videospielindustrie soll auf noch etwas hinweisen: Es gibt neben Mainstream- auch immer mehr Indie-Hersteller von Spielen. Plattformen wie „kickstarter.com“ helfen dabei, innovative Projekte zu finanzieren und zu verwirklichen. Es gibt also eine Alternative zu den angesehenen Entwicklern, die immer erfolgreicher wird. Natürlich gibt es hier Vorteile und Nachteile; Wenn jemand ein Projekt kickstarten lässt, um sich damit eine Eigenfinanzierung zu ersparen, dann ist das abzulehnen, aber nicht unvermeidbar.
Wenn ich also die richtige Plattform finden würde, die zwar nicht zu den angesehenen Verlagen zu zählen ist, die aber ein rundum weitgehend faires Modell für alle Betroffenen anbietet, dann würde ich nicht zögern, auch meine Diplomarbeit - vielleicht nur als Anregung, wie das von mir behandelte Thema nicht zu interpretieren ist, was ebenso zu eigenen Überzeugungen führen kann wie eine Interpretation, die mit der Publikation durch einem angesehenen Verlag vergleichbar ist, wenn es darum geht Kontextualisierungen anzuregen – zur Veröffentlichung bereitzustellen. Es scheint mir nur schwierig, wirklich alle Beteiligten gleichberechtigt einzubeziehen, weil sich damit immer Fragen ergeben wie die, welche Interessen nun welche übertrumpten, z. B. wenn die Betreuerin selbst nicht einverstanden ist, dass sie mit einem bestimmten Verlag in Zusammenhang gebracht wird.
Wie seht ihr die Thematik?
Euphon (Diskussion) 21:06, 27. Mär. 2015 (CET)