Diskussion:Kant und Hegel (IH)
Doppelpass
Das Beispiel im Blog illustriert, was eine Idee ist.
Zuerst: Was ist ein "Doppelpass"? Die Bestimmung in der Vorlesung : Ein Spielzug im Spiel "Fussball". Seine Bedeutung erschließt sich, wenn das Spiel in dem er vorkommt er/bekannt ist. Durch die von dieser "leitende Idee", es handelt sich um eine Welt, die ein Fussballspiel ist, wird Wahrnehmung geordnet, wird eine Struktur - ein Allgemeines - im zu beobachtenden Faktenchaos aus laufenden bunt gekleideten Menschen eines Geschlechtes, Gras, einem Ball etc. - eben ein schöner Doppelpass, erst sichtbar. Damit erschliesst sich also nicht nur seine Bedeutung, sondern er tritt überhaupt erst durch die Kräfte des Spiels in Erscheinung. Seine Existenz ist die Konsequenz aus den Regeln und Gegebenheiten des Spiels.
Zur Terminologie des "Doppelpass": (Voran ein kleine Ablenkung aus der Internetrecherche: http://content.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/1786630 In diesem Zeitungsartikel geht es um zwei Pässe im Sport - meint tatsächlich Identitätsnachweis mit Ausweis der Staatsbürgerschaft, den "Doppel-Pass". Ok, das mag sprachliche Spielerei sein, aber die Frage, mit der ich die Recherche angefangen habe, nämlich ob ein Doppelpass nur im Fussball vorkommt oder auch zB beim Basketball, verschiebt die Analyse der Vorstellung der "leitenden Idee". In Wikipedia heisst es auf einer Verzweigungsseite unter der Kategorie Begriffsklärung zum Doppelpass (http://de.wikipedia.org/wiki/Doppelpass):
• einen zweifachen Ballwechsel im Sport, siehe Pass (Sport) • umgangssprachlich eine mehrfache Staatsbürgerschaft, siehe Staatsbürgerschaft#Mehrfache Staatsbürgerschaft • eine Fernsehtalkshow des deutschen Senders Sport1, siehe Doppelpass (Fernsehsendung) • ein Dokumentarfilm des Schweizer Regisseurs Gregor Frei, siehe Doppelpass (Film)
Und unter dem Eintrag Sport: http://de.wikipedia.org/wiki/Pass_%28Sport%29#Der_Doppelpass Der Doppelpass [Bearbeiten] Ein Doppelpass ist eine im Fußball angewendete Spielweise, bei der zwei Mitspieler sich mehrfach den Ball – meistens schnell und direkt – zuspielen. Diese kann angewendet werden, um einen gegnerischen Spieler effektiv und schnell zu umgehen. Dabei spielt der ballführende Spieler A einen Mitspieler B („Wandspieler“) an und läuft sofort in eine günstige Position weiter, um den Ball dann direkt wieder zugespielt zu bekommen. Oft wendet sich der Abwehrspieler nach dem ersten Pass dem neuen Ballbesitzer B zu, wodurch A es leichter hat, sich freizulaufen; der Pass zurück zu A überrascht die Abwehr. Der Doppelpass wird meist in prekären Spielsituationen (Lösen aus einer Abwehrsituation und schneller Aufbau eines Konters) sowie zum Erreichen einer günstigen Torschussposition angewendet.
Gut im deutschen Wiki gibt es den Doppelpass also nur im Fussball. Aber so schnell geben wir nicht auf. Im Englischen, so weiß dict.leo.org, heisst Doppelpass give-and-go (die fehlende Möglichkeit zur Bildung von zusammengesetzten Hauptwörtern macht in dieser Sprache ein schönes und aussagekräftiges Wortgebilde aus unserem Doppelpass, aber immerhin braucht man nun nicht mehr zwei Staatsbürgerschaften…). Nun erneut gesucht und schon finden sich hübsche Grafiken (z.B. http://www.google.at/imgres?imgurl=http://www.guidetocoachingsports.com/images/2_man_plays1.gif&imgrefurl=http://www.guidetocoachingsports.com/twoman_plays3.htm&usg=__-oeh3S6H1mErqA7eY4HkA-c3cdE=&h=255&w=287&sz=8&hl=de&start=2&um=1&itbs=1&tbnid=9cV4jOfSPitVsM:&tbnh=102&tbnw=115&prev=/images%3Fq%3Dgive-and-go%2Bbasketball%26um%3D1%26hl%3Dde%26newwindow%3D1%26client%3Dfirefox-a%26sa%3DX%26rls%3Dorg.mozilla:de:official%26tbs%3Disch:1) und Spielanalysen (z.B. http://coachingbetterbball.blogspot.com/2008/02/pittsburghs-late-game-inbounder-give.html) für diesen Spielzug - in der Welt des Basketball.
Ich lasse das Mal so stehen und frage mich noch einmal, was ein Doppelpass ist. Die Verzweigungsseite im wikipedia formuliert "ein zweifacher Ballwechsel im Sport" - das kann aber so nicht sein - erstens kann der Ballwechsel öfter Stattfinden steht in der genaueren Definition (kann er?), zweitens kommt er nicht in jedem Sport vor. Nicht einmal alle Ballsportarten kennen ihn.Die englische Wikipedia übernimmt einen deutlich präziseren Wörterbucheintrag, der zB in der Bezeichnung des Spielobjektes gleich darauf hinweist, dass auch Eishockey den Doppelpass kennt: http://en.wikipedia.org/wiki/Give-and-go. Aber wir verwenden das Wort auch als Metapher, um zB die Kooperation zweier Teilnehmer an einer Diskussion in größerem Rahmen zu bezeichnen (Heute haben wir uns gut die Bälle zugeworfen, ein echter Doppelpass …)? Was meinen wir damit? Aus der Beschreibung, die in der deutschen wikipedia lässt sich ablesen, was ein Doppelpass eigentlich ist - Die kooperative Umgehungsstrategie einer Verteidigung. Die "leitende Idee" des Doppelpass ist also weniger das Fußballspiel als vielmehr "(Wett)Kampf, Gegner, Angriff, Verteidigung und vor allem "Kooperation" von zwei Spielerinnen (männlichen Geschlechts müssen die Ausführenden ja nicht sein damit ein Doppelpass ein Doppelpass ist, auch wenn das meistens so ist).
Nun tauchte in der Vorlesung kurz die Frage auf, wie es denn wäre, wenn der Spielzug "Doppelpass" privatisiert werden könnte, dh. aus der "public domain", dem Bereich des Allgemeingutes in den Bereich des privaten Eigentums verlagert würde. Die Antwort war: Geht nicht, dieser Spielzug ist zu allgemein, das Spiel wäre kaputt, wäre so etwas grundlegendes für eine Einzelne monopolisierbar.
Lassen wir dieses "utilitaristische" Argument einmal beiseite und Fragen uns noch einmal, was ein Doppelpass ist und wie wir den Doppelpass eigentlich beschreiben könnten um ihn ihn schützen zu lassen. Die Formulierung "zweifacher Ballwechsel im Sport", vielleicht formalisiert mit ein paar Skizzen und formelartigen Beschreibungen? Oder das allgemeine Prinzip der Umgehung gegnerischer Spieler… ? Oder die Figur aus dem Spiel … gegen …. ? Ich hantle mich weiter: Wäre der Schutz dieses Spielzuges eine Frage des Patentrechtes oder eine des Urheberrechtes? Oder des Copyright? Melden wir beim Patentamt an oder bei - ja wo? Die AKM wird es nicht sein, die LiterarMechana auch nicht. VBK, VAM, VBT, etc? Oder doch eher LSG, schließlich geht es um eine beachtliche Leistung? Und was wären die Folgen, würden wir den Doppelpass tatsächlich zu unserem Eigentum machen? Als patentrechtlich geschütztes Prinzip dürfte niemand ohne Lizenz den "Mechanismus" eines Doppelpass anwenden - egal wie er im Detail ausgeführt wäre. Bei einem Verständnis des Doppelpasses als urheberrechtlich geschütztes Werk ginge es wohl um die spezifische Ausformulierung des konkreten Doppelpasses von ….. an … , den niemand diesem in genau der Form nachmachen dürfte. Und wenn jemand eine Bearbeitung machen wollte, müsste … vorher zustimmen, dass das ok geht. Im Falle des Copyrights hätte …. seine Rechte an den Club verkauft, der von nun an als sein Verleger auftritt und exklusiv dieses Doppelpasswerk verbreiten und handeln dürfte - also die Spieler von … dürften, alle anderen Mannschaften nicht, außer sie hätten eine Lizenz erworben.
- Am Beispiel Diego Milito kann man gut sehen, warum sich die hier spezifizierten Abläufe nicht zum Patentieren oder zum Copyright eignen. Diese spezielle Ausprägung kann niemand nachmachen. Das ist eher wie ein Kunstwerk. Man kann es "nachspielen", aber dabei geht die Einzigartigkeit verloren. --anna
So weit so gut. Aber: ist der Doppelpass (verstanden als "Mechanismus") überhaupt eine Idee im Sinne von eigenständiger Innovation - und wenn ja, von wem? Wir gehen also zum Patentamt mit unseren Formeln, Grafiken und Beschreibungen - und werden abgelehnt. Wir haben nichts Neues eingereicht weil:
Die Strategie, nach der sich die Spielerin auf dem Feld verhält wäre vielleicht so zu beschreiben:
- A Versuche dich so frei zu stellen (dh keine gegnerische Spielerin ist dir nahe), dass der Ball dich ohne Zwischenfall erreichen kann
- B Wenn du dich mit dem Ball nicht bewegen kannst, spiele zu einer Spielerin ab, die vom Ball ohne Zwischenfall erreicht werden kann
- C Bewege dich nach vorne, so dass A
Oder so ähnlich.
Wenn jede Spielerin das macht, kommt unvermeidlich in bestimmten Spielsituationen ein Doppelpass heraus. Ein Doppelpass ist also gar keine eigenständige Idee.
(Kurz fiel in einer Frage der Begriff der "Werkhöhe" als Voaraussetzung der Schützbarkeit. Hierzu ist der Wiki-Eintrag http://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6pfungsh%C3%B6he von Interesse. Insbesondere das Konzept von "Sweat of the Brow" - im Schweiße des Angesichts" - was auf eine Doppelpass mit Sicherheit zutrifft… Und auch jener der "Kleinen Münze". http://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6pfungsh%C3%B6he#Begriff_der_.E2.80.9Ekleinen_M.C3.BCnze.E2.80.9C Würden wir nicht nach Patentrecht sondern nach Urheberrecht vorgehen wirft sich die Frage auf, wie stark sich die einzelnen Doppelpässe/Spielzüge in einem Match, in der Gesamtheit aller Matches wohl unterscheiden mögen, um eine Schützbarkeit zu behaupten?)
Nun sind in dem Clip die Menschen im Zuschauerraum eindeutig aus dem Häuschen. Weil es nicht nur ein Tor, sondern ein besonders schönes Tor war? Sie haben jedenfalls einen super Doppelpass gesehen. Kann es sein, dass zwar die Spielerinnen nur ein einfaches Regelset ausführen, die Zuschauer aber eine viel schönere Idee davon haben was "eigentlich" vorgeht - der Doppelpass also eine Frage der Perspektive und der Interpretation ist? (Was erklären könnte, dass Menschen die ihre Ideen in das Betrachten des Spiels hineinlegen mehr, jene die bloß - aber durchaus in Kenntnis der Spielregeln - hinschauen dagegen weniger an Fussball interessiert sind…)
Betrachten wir nun das Beispiel des Doppelpasses nicht als Illustration dafür, was wir unter einer "Idee" verstehen könnten, sondern schauen wir, ob mit der Struktur des Doppelpasses und seiner Definition als Spielzug unter der Leitidee eines Spiels für die andere Hälfte im der Wortpaarung "Geistiges Eigentum" - also für den Eigentumsbegriff etwas gewonnen werden kann.
In dem Aufsatz "Die angelsächsische Diskussion: Eigentum zwischen 'Ding' und 'Bündel' " (In "Was ist Eigentum? Philosophische Positionen von Plato bis Habermas" - siehe den Eintrag in zotero.org) unterscheidet Markus Stepanians zwischen der "naiven" Auffassung von Eigentum als Person/Ding-Beziehung und der "wissenschaftlichen" Auffassung von Eigentum als Person/Person-Beziehung. Als "naiv" ist das Verständnis aufgefasst, Eigentum würde die Herrschaft einer Person über eine Sache bezeichnen - so als ob Robinson ohne Freitag auf jener einsamen Insel so etwas wie Eigentum begründen könnte. Wissenschaftlich wäre das Modell, dass Eigentum ein Bündel an Rechten beschreibt, das Personen einander einräumen. Und auch Kant sieht das Eigentum als Recht zwischen Personen.
Eigentum ALS Doppelpass: Verstehen wir also den Eigentumsbegriff als "Spielzug" von mindestens zwei Spielerinnen (die Sache, die gehabt wird ist in diesem Bild der Ball - Ballbesitz eben), kooperativ insofern als wechselseitig Einverständnis über Zu- und Abspiel, Kauf und Verkauf, Eigentum und Anerkennung von Eigentum herrscht, so stellt sich die Frage, welches Spiel hier gespielt wird, in dem ein solcher Spielzug einen Sinn hat. Welche Verteidigungslinie/welcher Widerstand soll überwunden, welches Tor, welcher Korb getroffen werden? Was ist die Idee?
- Ein wunderschöner Doppelpass mit meinen Überlegungen. :-) --anna 07:40, 4. Jun. 2010 (UTC)
Buch und Verbrechen
Im Lichte der Diskussion über die Frage, inwieweit "Arbeit" als Grundlage für den Erwerb "geistigen Eigentums" eine Rolle spielt und was eigentlich im Namen des Schutzes von Ideen tatsächlich geschützt wird, möchte ich noch einmal auf das Kant-Beispiel zurückkommen.
Erstens, weil Kant einen anderen Eigentumsbegriff als Locke hat. (Ich würde überhaupt vorschlagen,wir diskutieren Geschichte, Form und Inhalt des Eigentumsbegriffs etwas genauer) Zweitens weil seine Ausführung darüber, was ein Buch ist sowie sein Artikel "Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks" ( http://www.flechsig.biz/V04Kant.pdf ) im Zusammenhang mit der Legitimation "geistigen Eigentums" gern - aber wie ich meine falsch - zitiert werden.
Eigentum bei Kant: "Das Rechlich-Meine (meum iuris) ist dasjenige, womit ich so verbunden bin, daß der Gebrauch, den ein anderer ohne meine Einwilligung von ihm machen möchte mich lädieren würde. die subjektive Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs überhaupt ist der Besitz." (§1 Metaphysik der Sitten, S353, F. a. M 1977)
Den Begriff Besitz trennt er auf in den "sinnlichen Besitz" und den "intelligiblen Besitz". Zweiterer ist die Voraussetzung, dass etwas, dass ich nicht physisch in Besitz habe (wie den Apfel in meiner Hand) trotzdem mein Eigentum sein kann. (Die Wendung "geistiges Eigentum" wäre nach Kant also ein Pleonasmus?)
Im angegebenen Zitat "Was ist ein Buch" weist er auf die Verwechslung Sachen- und Personenrecht hin. Nach seiner Eigentumstheorie heisst das: Vergl zB http://de.wikipedia.org/wiki/Metaphysische_Anfangsgründe_der_Rechtslehre
-Sachenrecht: Ursprünglicher Erwerb einer Sache - Persönlichkeitsrecht: Abgeleiteter Erwerb einer Sache = Vertrag
Im "Sachenrecht" vertritt er die "Okkupationstheorie" (Vergl §14 a.a.O) - also nicht Arbeit, sondern die "ursprüngliche Besitznahme von Grund und Boden" ist der metaphysische Anfang von Eigentum - das steht gegen Locke. Während die Rückführung von ursprünglichem Eigentumserwerb auf Arbeit einen Menschen allein in die Lage versetzte, Eigentum an einer Sache zu erwerben, also das Verhältnis "Mensch-Sache" betrifft (siehe mein Posting zum Doppelpass - das wäre er "naive Eigentumsbegriff") braucht es bei Kant immer eine Andere: "Es ist aber klar, dass ein Mensch, der auf Erden ganz allein wäre, eigentlich kein äusseres Ding als das Seine haben, oder erwerben könnte; weil zwischen ihm als Person, und allen anderen äußeren Dingen, als Sachen es gar kein Verhältnis der Verbindlichkeit gibt. Es gibt also eigentlich und buchstäblich verstanden, auch kein (direktes) Recht in einer Sache sondern nur dasjenige wird so genannt, was jemandem gegen eine Person zukommt, die mit allen anderen (im bürgerlichen Zustande) im gemeinsamen Besitz ist." (§11 Was ist ein Sachenrecht) Eigentum kann also niemals "eigensinnig" erspielt werden, wie es in der Fußballwelt hieße, sondern immer nur im Teamspiel, ist eben gebaut wie der Doppelpass. Die letzten Nebensätze bei Kant beziehen sich darauf, dass erst in bürgerlicher Verfassung eine solche erste Erwerbung an Grund und Boden = Privatisierung aus der "ursprünglichen Gemeinschaft des Bodens"erfolgen kann - erst also, wenn die Fußballregeln die Fußballwelt konstituiert haben. (Die Rolle des Staates ist entscheidend und wäre ebenfalls im Zusammenhang mit dem Eigentumsbegriff zu diskutieren - wir sprechen ja dann auch von "Volkswirtschaften" und "Nationenwettbewerb" in der Globalisierung - wie zuletzt bei der Praxis der Patentbewilligungen)
Als "Personenrecht" bestimmt er im wesentlichen Verträge.
Wenn er nun im Zusammenhang mit dieser Theorie des Eigentums gegen den unerlaubten Nachdruck von Büchern argumentiert, wendet er sich so wie ich das lese explizit gegen eine Vorstellung von "geistigem Eigentum" :
"Diejenigen, welche den Verlag eines Buchs als den Gebrauch des Eigenthums an einem Exemplare (es mag nun als Manuscript vom Verfasser, oder als Abdruck desselben von einem schon vorhandenen Verleger auf den Besitzer gekommen sein) ansehen und alsdann doch durch den Vorbehalt gewisser Rechte, es sei des Verfassers, oder des von ihm eingesetzten Verlegers, den Gebrauch noch dahin einschränken wollen, daß es unerlaubt sei, es nachzudrucken, - können damit niemals zum Zwecke kommen. Denn das Eigenthum des Verfassers an seinen Gedanken (wenn man gleich einräumt, daß ein solches nach äußern Rechten statt finde) bleibt ihm ungeachtet des Nachdrucks; und da nicht einmal füglich eine ausdrückliche Einwilligung der Käufer eines Buchs zu einer solchen Einschränkung ihres Eigenthums statt finden kann1, wie viel weniger wird eine bloß präsumirte zur Verbindlichkeit derselben zureichen?" Kant, "Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks")
Ganz klar wird das in der folgenden Passage:
"Wenn man indessen das Buch eines andern so verändert (abkürzt oder vermehrt oder umarbeitet), daß man sogar Unrecht thun würde, wenn man es nunmehr auf den Namen des Autors des Originals ausgeben würde: so ist die Umarbeitung in dem eigenen Namen des Herausgebers kein Nachdruck und also nicht unerlaubt. Denn hier treibt ein anderer Autor durch seinen Verleger ein anderes Geschäft als der erstere und greift diesem also in sein Geschäfte mit dem Publicum nicht ein; er stellt nicht jenen Autor als durch ihn redend vor, sondern einen andern. Auch kann die Übersetzung in eine andere Sprache nicht für Nachdruck genommen werden; denn sie ist nicht dieselbe Rede des Verfassers, obgleich die Gedanken genau dieselben sein mögen." (a.a.o.)
Was hat es aber mit dieser "Rede" auf sich?
Kant spaltet das "Buch" - in Hinblick auf Eigentum und Besitz - zweimal: Zuerst trennt er den materiellen Träger vom Inhalt - dieser ist eine Schrift auf Papier. Jener eben eine "Rede" - die wiederum von den "Gedanken, die sie ausdrückt, unterschieden ist. In unserer Frage, ob man eine Idee "haben" kann ist der Einschub Kants "Wenn man gleich einräumt" dass ein Eigentum an Gedanken "nach äußerem Recht stattfinde". Gibt es eine "Okkupation" von Gedanken? Was wäre dann der Allgemeine Besitz, die "Gedankenwelt", um in der Analogie zu bleiben? Wenn nein - alle anderen Rechte sind abgeleitete Vertragsrechte - mit wem hätte dann eine Autorin kontrahiert, ihre Gedanken denken zu dürfen? Noch einemmal möchte ich hervorheben, dass Besitz und Eigentum unterschiedliche Formen von "Haben" sind, unterschiedliche "Bündel von Rechten" - nicht nur nach Kant, sondern auch im aktuellen Recht.
Die Frage der Veräußerung von Gedanken, die z.B. Diderot umtreibt wenn er gegen Nachdrucke angehen will umgeht Kant also elegant. Eine Vollmacht geben um in jemandes Namen ein Geschäft zu führen ist nicht problematisch. Die "Rede" wird dadurch nicht vom Autor abgetrennt oder veräußert. Wir sind im persönlichen Recht der wechselseitigen Rechteeinräumung. Das "Verbrechen" des Nachdruckers liegt also folgerichtig in der Lädierung des Verlegers, der um die Früchte seines Eigentums gebracht wird, das in dieser Vollmacht besteht, in diesem im gehörenden Vertrag der ihm erlaubt, im Namen des Autors zu "Reden".
Fazit:
Nach heutiger Diktion vertritt Kant das angelsächsische "Copyright", das anders begründet und ausgestaltet ist als das kontinentale "Urheberrecht. Geschützt wird bei Kant aber weder "Arbeit" noch "Idee" , wenngleich der Aufwand des Verlegers zur Verbreitung der Rede von Kant bedacht ist - sondern das Eigentum an einem Vertrag . Damit natürlich implizit die Früchte, die aus diesem Eigentum erwachsen und die in der "Anreiztheorie" ja die Hauptrolle spielen. Nicht bedacht ist von Kant die Frage, wie der Vertrag zwischen Autorin und Verlegerin zustande kommt - ungleiche Verhandlungsmacht und die daraus resultierend offene Frage zur Verteilungsgerechtigkeit der Vorteile aus der Verbreitung der Rede zwischen Autor und Verleger spricht er nicht an. In seinen Überlegungen zur Aufklärung spielt das Buch aber auch noch eine ganz andere Rolle für die Vernunft, nämlich bei der Herstellung von Öffentlichkeit (vergl zB http://www.capurro.de/leipzig.htm - hier auch kurz der Hinweis auf Plato-Sokrates. Für die Figur des Sokrates ist es entscheidend, dass er für seine Lehren keine Entgelt bekommt oder verlangt. Sonst wäre er ja ein Sophist.) Spätestens mit dem Aufkommen von e-books stellt sich die Frage, was ein Buch ist, neu. Die Kantische Definition mit dem materiellen Träger ist obsolet geworden (genauso wie die UNESCO-Definition ( http://www.uis.unesco.org/ev.php?ID=5096_201&ID2=DO_TOPIC). Die Autorin gibt es trotzdem weiterhin - wenn auch in anderem Verständnis - siehe zB die Plagiats-Debatte um Helene Hegemann. Wie aber steht es aber um Funktion des Verlegers und die Herstellung von Öffentlichkeit?
Kants Bestimmungen von Eigentum und seine Position zum "geistigen Eigentum" jedenfalls werden von seiner Vernunftethik und dem kategorischen Imperativ geleitet. Die Frage wäre weiters, ob das heutige "Copyright" mit dieser vereinbar ist, ob das Urheberrecht besser ist oder vielleicht ganz etwas anderes angemessen wäre. (PMR)