Bildung im Auge der Gesellschaft 2 (MuD09)
Inhaltsverzeichnis
Spannung Erfahrungswissenschaften – Geisteswissenschaften
über Protestwille und unterschiedliche Bildungsvorstellungen
Mit 20. Oktober 2009 begannen die österreichweiten Proteste Studierender verschiedenster Fachrichtungen gegen die, Ihrer Meinung und der Meinung vieler anderer, unhaltbaren Zuständen an den österreichischen Universitäten. Ausgehend von der Akademie der Bildenden Künste wurde das Audimax der Universität Wien besetzt. Mehr als achtzig Universitäten haben sich europaweit bisher zumindest Teilweise diesem Protest angeschlossen.
Auffällig erscheint, dass hauptsächlich geisteswissenschaftlich orientiere Studierende (=goS) an der Initialzündung der Uni-Proteste beteiligt waren. „Deren“ Universitäten waren im chronologischen Verlauf der Protestbewegung hervorstechend früh beteiligt („Beteiligung“ reicht hierbei von Hörsaalbesetzung, über öffentliche Demonstrationen bis hin zu Flashmobs), erst etwas Zeitverzögert schwappte die Protestwelle auf erfahrungswissenschaftlich orientierte Studierende (=eoS) und deren Universitäten über. Wie ist diese Feststellung zu erklären? Haben diese beiden Fachrichtungen einen derart unterschiedlichen Zugang zu Bildung, als dass nur goS die skandalösen Zustände an den Universitäten bemerken? Es ist nicht anzunehmen, dass auf erfahrungswissenschaftlich orientierten Universitäten bessere Zustände herrschen. Lassen sich eoS einfach mehr gefallen?
- Der spannende Unterschied
Zunächst Grundsätzliches zum Wissenschaftsbegriff: Eine übliche Darstellung vom System der Wissenschaft gibt folgende Strukturierung:
[[1]]
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wissenschaft
Ohne auf die einzelnen Bereiche genauer einzugehen soll hiermit ein Überblick über die verschiednen Wissenschaften möglich gemacht werden. Im Folgenden soll eine Konzentrierung auf das Spannungsfeld innerhalb der Realwissenschaften, konkret dessen zwischen Erfahrungs- und Geisteswissenschaften folgen:
Unter Erfahrungswissenschaften einerseits versteht man allgemein die Beschreibung (Deskription) und den Versuch der Voraussage (Prognose) natürlicher Geschehnisse und Abläufe in der Umgebenden Umwelt [eigene Definition]. Die vertiefende Aufschlüsselung in Naturwissenschaften (z.B.: Beschreibung der Flugbahn der Erde um die Sonne, Wachstum und Niedergang eines Ökosystems,...) und Sozialwissenschaften (z.B.: Beschreibung volkswirtschaftlicher Auswirkung durch Steuererleichterung für Bürger, Abschätzung politischer Wahlausgänge,...) sei hier hinten angestellt.
Geisteswissenschaften andererseits untersuchen allgemein die Bereiche mit sozialem, geschichtlichem, politischen, medialen, geistigen oder kulturellem Hintergrund. Da es dabei oft zumindest im weitersten Sinne um menschliche Interaktionen geht, betreibt die Geisteswissenschaft im in gewissem Sine auch Anthropologie.
Hierbei soll kurz Wilhelm Diltheys „Begründung der Geisteswissenschaften“ erwähnt werden. Dilthey, ein deutscher Philosoph und Psychologe des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts unterschied diese beiden Bereiche durch die beschreibenden Schlagworte
- Erfahrungswissenschaften helfen erklären - Geisteswissenschaften helfen verstehen
Folgende Aufzählung kann eine kurze Widergabe seiner Theorie darstellen:
Erfahrungswissenschaften – Erklären
-Gegenstand ist die Natur. Sie kann nur untersucht und beobachtet werden. Über die Ursachen natürlicher Vorgänge werden Annahmen angestellt, ein Nacherleben ist nicht möglich.
-Vorgänge in der Natur werden als Spezialfall eines abstrakten allgemeinen Gesetzes aufgefasst.
-Naturwissenschaftliches Begreifen ist seinem Untersuchungsobjekt gegenüber neutral und für die Persönlichkeitsentwicklung von geringerer Bedeutung.
-Eine Naturwissenschaftliche Erklärung ist verifizierbar.
Geisteswissenschaften – Verstehen
-Sie hat die Erzeugnisse des menschlichen Geistes zum Gegenstand. Diese können, weil sie vom Menschen selbst hervorgebracht sind, verstanden werden.
-Gegenstände geisteswissenschaftlicher Untersuchung werden in ihrem konkreten Zusammenhang aufgefasst.
-Das Verstehen fremden Daseins, vergangener Kulturen und Persönlichkeiten führt zu einer Umformung des Selbst. Fremde geistige Inhalte werden in die eigenen lebendig einbezogen.
-Geisteswissenschaftliche Erkenntnisse können nicht verifiziert werden. Ob etwas gänzlich verstanden ist, lässt sich nie mit Sicherheit feststellen.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Dilthey
Er scheint also durchaus einen Unterschied zwischen goS und eoS zu geben, aber wie kann sich dies auf die Akzeptierung von bzw. den Protest gegen aktuelle Zustände auswirken?
- Eine mögliche Erklärung unterschiedlicher Bildungsansichten
Es stellt sich die Frage: Inwiefern prägen die Unterschiede dieser beiden Wissenschaftswelten die Ansichten von Bildung? Gibt es überhaupt einen Unterschied? Wenn ja, warum gibt es ihn?
Betrachten wir zunächst eoS und deren Studienumgebung etwas genauer: Im Studium von Erfahrungswissenschaften geht es allgemein darum (im weitesten Sinn) natürliche Prinzipien zu erkennen, (mathematisch) zu beschreiben und einen (praktischen) Nutzen daraus zu ziehen. Es geht darum alterprobte Techniken und Methoden zu erlernen, ebenso wie Grundprinzipen des jeweiligen wissenschaftlichen Teilbereiches zu verstehen und anzuwenden. Beim Studium dieser Wissenschaften ist vor allem am Anfang ein beständiges Anerkennen der Fakten eine Grundbestandteil. Natürlich kann (fast) alles in verständlichen Modellen erklärt werden, dennoch geht es grundsätzlich um das AKZEPTIEREN von außen festgesetzten Regeln. Eine kritische Hinterfragung der genannten Prinzipien ist üblicherweise erst nach einer langjährigen und sehr intensiven Beschäftigung mit dem Wissenschaftsgebiet möglich. Weiters sei auch die Notwendigkeit des „Geleitet werdens“ in diesem Wissenschaftsbereich hervorgestrichen. Viele neue und bisher unbekannte Techniken, Programme, Rechenmethoden, ... müssen erlernt und angewendet werden. Es braucht also die Bereitschaft sich für einen nicht unerheblichen Teil seines Studiums in eine Wissenschaft (ein) FÜHREN zu lassen. Ein akzeptieren der somit systemimmanenten geschaffenen Strukturen erscheint deshalb eher wahrscheinlich.
Betrachten wir im Vergleich dazu die allgemeinen Studienbedingungen goS. Diese haben die wichtigsten Werkzeuge für deren Studienverlauf bereits mit erreichen der Hochschulreife erlangt. Gewiss gibt es auch hier gewisse Methodiken die eingelernt werden müssen – keine Frage. Dennoch – und das ist der entscheidende Punkt – müssen sich goS bei jeder intensiven Betrachtung Ihres Fachgebietes stets die Frage stellen: „Was bedeutet das für MICH?“. Selbstreflexion, so scheint mir, ist ein integraler Bestandteil im Studium geisteswissenschaftlicher Fachbereiche. Diese ständige Neuinterpretation ist auch der Quell neuer Erkenntnis in diesem Wissenschaftszweig. Daraus folgt aus der Natur der Sache, dass goS sich eher und schneller unzufrieden zeigen mit Bedingungen, die unzumutbar sind für beide goS und eoS. Weil goS aber immer schon darin geübt und bestärkt werden sich Gedanken darüber zu machen was sie selbst von einer Sache halten, scheint es nur natürlich, dass diese als Auslöser der Protestwelle maßgeblich beteiligt waren.
- Ich konnte im Herbst die Reaktionen der Studierenden in meinen zwei Studien - Philosophie und Mathematik - auf die Protestbewegung vergleichen und da hat sich gezeigt, dass die Philosophen deutlich aktiver waren. In diesem Fall kann das aber wirklich an den Studienbedingungen liegen, die mir auf der Mathematik aufgrund der geringeren Studierendenzahlen besser erscheinen. Interessant wäre ein Vergleich mit einem "überlaufeneren" naturwissenschaftlichen Fach, wie etwa Biologie.
- Eine andere Bemerkung zum Aspekt der Kritik: Die Gegenüberstellung von Philosophie und Mathematik ist hier nicht ideal, ich möchte sie aber trotzdem machen. Während Philosophie noch einigermaßen gut in das Konzept der goS passt, ist es bei Mathematik fraglich, ob es da um Erfahrung geht. Du sprichst aber im Zusammenhang der eoS von mathematischer Beschreibung und meiner Meinung nach ist gerade die Mathematik ein paradigmatisches Beispiel für ein Fach, in dem man am Anfang viel "Handwerkzeug" lernen muss. Sei also Mathematik für einen Augenblick ein Beispiel für die eoS-Sparte.
- Es gab in meinen fast drei Semestern Mathematikstudium kaum einen Vorlesungstag, an dem nicht ein Vortragender von einem Studierenden ausgebessert, d.h. konstruktiv kritisiert wurde. Es ist (zumindest an dem Punkt, an dem ich jetzt stehe) zwar nicht die Aufgabe der Mathematik, ihre Prinzipien, d.h. Axiome zu hinterfragen (die sind dafür da, dass man sich einigt, worüber man redet), sobald diese Axiome aber gesetzt sind, ist der Raum für Kritik offen. Und ein ganz wesentlicher Teil der mathematischen (Aus-)Bildung ist, dass man die vorgetragenen Inhalte (und natürlich die Übungsbeispiele) selbst durchdenkt und berichtigt, wenn es Probleme gibt.
- Hier sehe ich eine sehr interessante Spannung zwischen einem "Geleitet-Werden" und einer fast handwerklichen Ausbildung auf der einen Seite und dieser allgegenwärtigen Notwendigkeit der Kritik (dem "Üben des Kritik-Übens") auf der anderen Seite. Ich habe nur sehr selten Tage erlebt, an denen in Philosophievorlesungen so viel sinnvolle und interessante Kritik von Seiten des Publikums gekommen ist, wie das an einem durchschnittlichen Mathematik-Tag der Fall ist.--Paul Wedrich 22:42, 7. Jan. 2010 (UTC)
- "Es geht darum alterprobte Techniken und Methoden zu erlernen" - das ist kein gutes Unterscheidungsmerkmal. Einerseits muss man das auch in des goS tun: Sprachen lernen (künstliche und natürliche), Analysemethoden, geschichtliche Horizonte, disziplinäre Traditionen. Und andererseits geht es in den eoS immer auch um Neuigkeiten und Innovationen. Der Punkt Paul Wedrichs ist wichtig: Kritik ist kein Globalbegriff, mit dem man Wissenschaftstypen unterscheiden kann, sondern abhängig von Rahmenbedingungen. Wenn man eine (axiomatische oder experimentelle) Umgebung definiert, ermöglicht man einen Typus von Kritik, den es in den goS so nicht gibt. Es ist allerdings wahr, dass am Rahmen - in diesem Zusammenhang - nicht gerüttelt wird. Aber ist das in jedem Fall sinnvoll und erwünscht? Man könnte argumentieren, dass die goS ihren "Minderwertigkeitskomplex" gerne dadurch kompensieren, dass sie den eoS ihren spezifischen Kritikbegriff entgegenhalten, der schneller auch die Rahmenbedingungen erfasst. Aber wie schnell kann man diese Rahmen kritisieren? Einerseits geht es sehr leicht, man muss nur ein paar Worte lernen. Aber ist das eine Kritik, die die Mühe lohnt? --anna 06:56, 22. Jan. 2010 (UTC)
Ein weiterer Aspekt der meine Therie stützten kann: eoS erlernen Grundprinzipien die sich meistens relativ lange halten (zB.: Newtonsche Axiome). Ein radikales Umdenken und Umstellen der gesamten Ansichten kommt relativ selten vor. Anders in er Geisteswissenschaft , die – zumindest am Rande – auch immer eine Menschenwissenschaft ist. Der Mensch als zoon politikon passt sich ständig seiner sich ändernden Umwelt an, ebenso wie er sie verändert. Ständige „kleine“ Relativierungen und Anpassungen kommen somit eher den Geisteswissenschaften zu. Es fällt ihnen nicht dermaßen schwer sich von alten Gewohnheiten zu trennen.
- Was folgt daraus?
Lässt sich damit feststellen, dass noS sich prinzipiell alles gefallen lassen? Die aktuelle Tatsache, dass auch viele noS an den Studentenprotesten teilnehmen straft diese Behauptung lügen. Natürlich lässt sich mit meiner Analyse keine strikte Trennung von Protestwilligen und Protestunwilligen Studierenden je nach Studienrichtung vollziehen. Dennoch bleibt zu vermuten, dass goS tendenziell eher sensibilisiert sind und auf die Barrikaden zu steigen, um gegen deren Missstände zu protestieren.
Über Zu- oder Gegenstimmen dieser Ansichten ist der Autor auf jeden Fall erfreut.
PS.: Vielleicht kann man die ganze Frage aber auch anders herum stellen. Vielleicht suchen sich kritischere Menschen eher ein geisteswissenschaftliches Studium? Der Autor hofft, dass dem nicht so ist und ist sich im Klaren, dass er damit gefährlich nah an einem Wespennest herumstochert. Aber dafür ist die Philosophie ja da ...
PPS.: Der Autor ist sich weiters im Klaren, dass der Gebrauch des Wortes „Universität“ im Textzusammenhang dahingehend Widersprüchlich ist, da dieser ja gerade KEINE Unterscheidung von Geistes- und Naturwissenschaften vorsieht. Universität von lat. „universitas“ – das Allumfassende. Auch wenn eine „Auslagerung“ von erfahrungswissenschaftlichen Wissenschaftszweigen von der Universität vor allem in den letzten 100 Jahren stark zu beobachten ist (WU, TU, BOKU, Montanuni Leoben,...). --Klaus Jarosch 21:23, 7. Jan. 2010 (UTC)
Was ist Bildung?
Nun ich will den Begriff Bildung nicht ohne weiteres benutzen, ohne mir über seine Bedeutung klargeworden zu sein. Ich will zu erläutern versuchen: die Grenzen von Bildung; Wie Bildung im Verhältnis zu Erfahrung und Weisheit steht; was Bildung mit Wahrnehmung zu tun hat; Wie man zu dem im Alltag verwendeten Begriff der Bildung kommt
Bildung hat auf jeden Fall Eigenschaften eines Prozesses. Es wird etwas gebildet – eine Bildung findet statt. Somit muss eine Bildung auch eine Veränderung von etwas sein. Nun das scheint vielleicht trivial, aber durchaus nützlich. Ich gehe davon aus, dass es grundsätzlich in der Natur der Dinge liegt, dass alle Möglichkeiten, die vorhanden sind durchgespielt werden wollen; dass irgendetwas geschieht, sich also verändert (die Frage nach der besten bzw. schlechtesten Welt erübrigt sich damit, da sie ja beide in den Rahmen des potentiell Möglichen fallen. Interessant würde hierzu sein, zu klären ob denn dann nicht auch die Nicht-Weiter-Veränderung eine der Möglichkeiten sein müsste. Nun mit Unendlichkeiten spielt man nicht). Kürzer gesagt heißt das bis jetzt, dass jede Veränderung eine Bildung von etwas ist, nämlich eine Bildung eines Anders-als-vorher-Seins. Wenn man somit die unterste Schranke für die menschliche Bildung sehen wollte, dann würde ich diese als das bloße Wachsen bezeichnen, geeigneter aber sehe ich die Wahrnehmung von etwas dafür zu nehmen. Wahrnehmung lässt sich zweifelsfrei als Prozess verstehen, der als aktiv gesehen werden soll (Überhaupt benutze ich den Begriff der Wahrnehmung hier eher als aktive bewusste Implementierung einer Sinneserfahrung in die Gedankenwelt). Auf jeden Fall passiert irgendetwas, wenn ich wahrnehme (sei es aktiv oder passiv). Die Konsequenz ist dann vielleicht eine Erinnerung, neuronale Vernetzung wenn man z.B. das Gehirn betrachtet. Es bildet sich etwas. Es ändert sich etwas.
- "Kürzer gesagt heißt das bis jetzt, dass jede Veränderung eine Bildung von etwas ist". So würde ich nicht anfangen. Dann ist auch das Abtropfen eines Eiszapfens eine Art von Bildung. Es gibt einen gewissen Sprachgebrauch, der hier "verführerisch" wirkt: "Gebirgsbildung", "es bilden sich gewisse Muster heraus". Das sind Entwicklungs- und Dekompositionsprozesse, das ist schon richtig. Aber wie bekommt man von hier die Kurve zur "menschlichen Bildung"? Da überzeugt der nächste Absatz nicht. Was ist der Unterschied zwischen der Schuppenbildung auf meinem Kopf, der Einbildung, ich könnte Tiefseetauchen und einer gebildeten Konversation? --anna 07:08, 22. Jan. 2010 (UTC)
- "Eigentlich wollte ich genau darauf hinaus, das Abtropfen ist eine Art von Bildung. Ich sehe schon ein, dass das hier nicht klar gemacht wurde, aber beispielsweise ist genauso das Fallenlassen des absoluten Zeitbegriffs etwas, das sicherlich zur menschlichen Bildung gezählt werden kann, oder? Ich wollte ja grundsätzlich zeigen, was es mit dem Begriff der Bildung an für sich auf sich hat. Die Überleitung zur "Bildung" des menschlichen Geistes habe ich fürwahr stümperhaft und unausreichend gestaltet. Ist für dich das Wort Bildung denn mit Schulung gleichzusetzen?; "eine gebildete Konversation" ist für mich eine seltsame Konstruktion, denn wer entscheidet (siehe unten) darüber was "gebildet" ist. Dass Wörter, hinsichtlich ihrer eigentlichen Bedeutung, oftmals falsch verwendet werden, ist doch nichts Neues!? Darum geht es mir hier auch, ich habe versucht einen Weg zu finden den Begriff Bildung zu "destillieren". Ich denke es ist leider ein häufig anzutreffendes Problem, Begriffe zu benutzen, ohne sich über den "Sinn" oder besser gesagt den Zweck im Klaren zu sein. Dieses Vergesellschaften von Wörtern ist seltsam. Alle benutzen Begriffe, jeder "weiß", was gemeint ist, bis keiner mehr weiß was gemeint ist.(Bsp. Reform, Informationsgesellschaft, zukunftsfähig, Wissensgesellschaft, Quantensprung, etc.) Dieses Problem aufzuzeigen ist mir anscheinend nicht gelungen. Schade, aber ich arbeite daran. --Samohtdersaibot 15:26, 28. Jan. 2010 (UTC)
Ich will mich auf die menschliche Bildung beziehen. Wie ich vorher schon erwähnt habe, sehe ich die Wahrnehmung als ersten bestätigbaren Schritt des zum Anders-Sein-Übergehens. Somit unterliegt jeder Mensch mit Sinnesorganen schon mal einer Bildung, sozusagen aufgezwungen von der Natur. Nun würde man im alltäglichen Leben wohl kaum davon sprechen, dass jemand gebildet ist, der besonders viel wahrgenommen hat. Nun ganz richtig ist das nicht. Das, was man im Alltag als Bildung bezeichnet, ist aktive Wahrnehmung, nur in einer genau definierten normierten und konzeptionierten Form.(Mathematik, Sprache, ..) Dieser stehen gewisse Themengebieten zur Verfügung, welche zugleich die Grenzen definieren, was in den Begriff Bildung fällt und was nicht. (Mir ist aber grundsätzlich unverständlich, wie man je dazu gekommen ist, manche Gebiete in den Club der „offiziellen Bildung“ aufzunehmen, und andere nicht.) Zum Beispiel ist es mir unverständlich die Beherrschung eines Handwerks oder den Einsiedler, der in Einklang mit seiner Umgebung lebt, nicht als gebildet zu bezeichnen. Man könnte die Absicht unter der man sich bildet, als Kriterium dafür nehmen welchen Bereich wir als Bildung bezeichnen. Wenn man von jemandem als gebildet spricht, dann ist das meist jemand, der freiwillig Dinge aus den vorgegebenen Themengebieten in seine Gedankenwelt versucht zu implementieren, und zwar vor allem solche, die bereits in der Gedankenwelt entstanden sind, das Ganze auch noch wissentlich und vor allem vorsätzlich. Der Handwerker gehört nicht dazu, wohl aber jemand der die passendsten Zitate auf Lager hat. Fortsetzung folgt..hoffentlich mit Hilfe --Samohtdersaibot 22:32, 7. Jan. 2010 (UTC)
Führt mehr Bildung zu einer besseren Welt?
(Hildegard Köhler)
Ein Wunsch
Voranstellen möchte ich meinen Ausführungen zum Thema "Bildung im Auge der Gesellschaft", dass ich den gesellschaftlichen Fokus auch in dem "Bildung wozu" sehe. Deshalb habe ich den Titel gewählt
Einleitung
Vor kurzem meinte der Wissenschaftler Anton Zeilinger in einem Interview in Ö1 auf die Frage, welche Maßnahmen im österreichischen Bildungssystem er als wichtig erachtet, dass er vor Jahren auf dieselbe Anfrage von ministerieller Seite antwortete, an jedem Standort ein humanistisches Gymnasium zu errichten. Dazu merkte er weiters an, er sei sich nicht sicher, ob dies nicht als Scherz aufgefasst worden war, er hatte es allerdings ernst gemeint. In seinem Buch "Theorie der Unbildung" bezieht sich Konrad Paul Liessmann auf die Perspektive des Humboldt´schen Bildungsbegriffs, unter dem dieser "Bildung schlechthin als das Programm der Menschwerdung durch geistige Arbeit an sich und an der Welt" umschreibt und dass demnach die "Idee der Wissenschaft als die geistige Durchdringung der Welt um der Erkenntnis willen von der emphatischen Idee von Bildung nicht zu trennen ist". Nur durch Bildung ist die Welt zu erkennen, zu verstehen und zu begreifen, und darum würde es gehen. Vielleicht wäre damit auch ein Teil der Einschränkung bis hin zu Gefährlichkeit von zu speziellem Wissen gelöst, sogenannte Fachexperten, die von immer weniger immer mehr wissen, entlarvt. Damit meine ich (anschließend an die Diskussion in den Übungen zur Ringvorlesung), dass die Verschmutzung unseres Planeten auch der Wissenschaft zuzurechnen ist. Zum Beispiel die alleinige Erforschung der Herstellung und der exzessive Einsatz von Kunstdünger mag zwar kurzfristig Ertragssteigerungen bringen, führt jedoch langfristig und mannigfach zu großen Schäden des Ökosystems.
Höhere Bildung könnte oder würde zu besserer Lebenspraxis beitragen, die Informationen an der Universität könnten so wirksam werden, dass sich das Leben ändert und ein Prozess in Gang gesetzt wird, wie in der Übung zur Ringvorlesung am 27.11.2009 als ein mögliches Ideal von Bildung herausgearbeitet wird. Explizit drückt dies Peter Sloterdijk in seinem Buch "Du musst dein Leben ändern" aus. Dieses Zitat entnimmt Sloterdijk dem Rilke-Gedicht "Archaischer Torso Apollos", den er als Hinweis auf eine Vollkommenheit sieht, "die um so verbindlicher und mysteriöser zu sein scheint, als es bei ihr um die Perfektion eines Bruchstücks geht". Selbst räumt der Autor in seinem Buch dem Übungsaspekt eine größere Bedeutung ein, dieser ist jedoch von der Bildungsaneignung zumindest nicht wirklich zu trennen. Unsere Zeit, unsere Gesellschaft scheint einig darüber zu sein, dass Bildung wichtig und wertvoll ist – mit Einschränkungen allerdings, die Mode und Zeitgeist unterworfen scheinen, auf die ich folgend näher eingehen möchte, nämlich auf
- Ökologische Gesichtspunkte – der Nützlichkeitsaspekt
- Spaß
- Frühstücksbuffet oder Mensa
- Bewertung von Bildung
1. Ökologische Gesichtspunkte – der Nützlichkeitsaspekt Was ist nützlich zu lernen und wenn ja, wofür? Dieser Aspekt ist berechtigt und wichtig. Auf die Perspektive kommt es an und deren gibt es viele. Jedenfalls setzt sich im österreichischen Bildungssystem z.B. seit längerem die Sichtweise durch, dass sogenannte "tote" Sprachen wenig nützlich sind für´s tägliche Leben, bzw. die harte Berufswelt nach der Schule. Altgriechisch ist nur mehr an wenigen Gymnasien zu finden. Latein wird erfolgreich zumeist auf die 4 Jahre Oberstufe beschränkt, geworben wird für die naturwissenschaftlichen Zweige. Die "lebenden" Fremdsprachen werden vorgezogen.
Dass das Lateinische eine nützliche Basis bildet für die Erlernung weiterer Fremdsprachen, und aus diesem Grund in vielen Gymnasien z.B. in Deutschland gerade als erste Fremdsprache vor den anderen Sprachen unterrichtet wird (dann allerdings oft nur 2 Jahre), wird dabei außer acht gelassen. Wissen wünsche ich mir als Beitrag zu Erkenntnis und Förderung für eigenständiges Denken und nicht als sture Einseitigkeit in der Argumentation von Sichtweisen. Mehr Wissen ist zu verwenden als Beitrag für eine umfassende Einsichtnahme in Gesamtzusammenhänge der Welt. Die Herstellung von Kunstdünger ist per se keine schlechte Sache, um (Kunst)Dünger vernünftig und nachhaltig einzusetzen, muss eine Fülle an ökologischen und ökonomischen Zusammenhängen gewusst und mitbedacht werden. In diesem wie in vielen anderen Beispielen scheint der Aspekt der Wirtschaftlichkeit überbewertet. Dieser ist nicht außer Acht zu lassen, wie sich am Beispiel der Bildungsdiskussion an Hochschulen zeigt, sollte allerdings nicht der vorherrschende sein. Darauf werde ich in Punkt 3. näher eingehen.
2. Spaß Bei vielen Begegnungen mit Menschen, in Gesprächen und in meinem beruflichen Kontext als Psychotherapeutin scheint mir der Aspekt des Spaßes eine übergroße Bedeutung bekommen zu haben. Dass etwas Spaß machen muss wird oft als vordringlich gesehen. Wenn etwas keinen Spaß macht, scheint dies für viele Grund genug zu sein, dies insgesamt abzuwerten bis hin, es als Fehlentscheidung zu interpretieren. Dies gilt für berufliche und private Situationen und natürlich in hohem Ausmaß im Bildungsbereich (Schule und Universität). Bisweilen ist dies begründet in persönlichen Werdegängen, in denen Druck und Zwang in einem schädlichen Ausmaß eine große Rolle gespielt haben. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass sich andererseits dieses "es muss mir doch Spaß machen" verselbstständigt hat aus einem kurzfristig und kurzsichtig gewünschten Lustgewinn. Unter diesem Blickwinkel können langfristige Ziele nicht wahrgenommen werden oder etwas, das über Anstrengung (oder Übung) gewonnen werden würde, kann nicht als sinnvoll erachtet werden.
3. Frühstücksbuffet oder Mensa In einer treffenden Metapher beschreibt Herbert Hrachovec in einer Übung zur Ringvorlesung die frühere Organisation des Studiums der Philosophie mit einem Frühstücksbuffet. Die Auswahl ist reichlich, hier steht alles bereit, also bitte bediene dich. Zugegebenermaßen finde ich die Vorstellung gar nicht so schlecht, im Gegenteil hat sie etwas äußerst reizvolles, weil die Überforderung, die darin enthalten ist, ob der Fülle der Auswahl, zuerst einmal nicht wahrgenommen wird. Ob ich mich gleich zurechtfinden würde sei dahingestellt, und dies ist, bzw. war auch sicher nicht ideal gelöst. Ein Kollege meint daraufhin weiters, ob im Unterschied dazu die jetzige Regelung des Studiums eher wie der Gang durch die Mensa aufzufassen sei: Du nimmst dein Tablett und gehst den Gang entlang und bekommst der Reihe nach vorgesetzt. Manche würden die Neuordnung im Bachelor-Studium wohl eher als genauen Diätplan bezeichnen, der nun jedem aufgezwungen wird, egal ob und wie er oder sie dies verträgt und wie das passt. Beim gutbestückten, reichhaltig angerichteten Buffet ist die Voraussetzung, um nützlich und gedeihlich voranzukommen, eine umfassende und ausreichende Vorinformation. Um in der Metapher zu bleiben, müsste ich einerseits ernährungswissenschaftlich ausreichend gebildet oder ausgebildet sein und andererseits die Verträglichkeiten meines Organismus gut genug kennen, damit ich das Richtige und Passende wähle. Eine der größten Problematiken am derzeitigen Bildungssystem an den Universitäten scheint mir zu sein, dass bei uns die persönliche Orientierung in den ersten Semestern des Studiums passiert und nicht vorneweg. Da kann ich mir leicht den Magen verderben. Und es kostet viel Geld, wenn Einführungssemester und -vorlesungen von hochqualifizierten Lehrenden letztendes bei einem hohen Prozentsatz der Studierenden dazu führen, dass sie erkennen, dass ihnen genau dies nicht bekommt. Die ersten Semester dienen sozusagen der Studienberatung. Eine Lösung oder Milderung dieses Problems ist, die Information über die Studien noch mehr und weiter dem Studium selbst voranzustellen, vom Studium jedenfalls auszulagern. Die noch differenziertere Betrachtung der einzelnen Studienrichtungen ist ebenfalls von Bedeutung.
4. Bewertung von Bildung Dazu fällt mir ein Bonmot ein aus dem amerikanischen Sprachraum. Wenn in Amerika jemand z.B. Albert Camus nicht kennt, wird ihm nicht etwa mangelnde Bildung vorgeworfen, sondern der Vorwurf geht an Camus selbst, es nicht geschafft zu haben, ausreichend (oder eben mir) bekannt zu sein. Diese Tendenz, die in der Wirtschaft und auch in der Politik eine große Rolle spielt, zielt genau ab auf das Gegenteil der Haltung, Wissen als "Form der Durchdringung der Welt zu sehen oder dass nach Hegel "Bildung, Reflexion, wissenschaftliches Wissen und Erkennen überhaupt Begriffe sind, die erst im Bezug aufeinander ihren Sinn ergeben" . Hier gilt das als richtig, wichtig und wertvoll, was am lautesten herausgeschrieen wird und damit anderes übertönt. Dies wird unreflektiert übernommen. Damit wird Werbung und Medien viel Macht gegeben.
Abschluss
Führt mehr Bildung zu einer besseren Welt? Zweifel Hätte dies nicht schon längst passieren müssen? Brauchen wir mehr Bildung, um dies zu erreichen? Wollen wir das überhaupt? "Wie könnte man leben?" führt Klaus Puhl in der Ringvorlesung die Frage für die Neuzeit im Spiegel der Philosophie Nietzsches, Wittgensteins, Foucaults e.a. an. Peter Sloterdijk meint, wir müssten mehr üben, damit "wir mit unseren zerstörerischen Riten und unheilvollen Marotten brechen" können und um "unser Zusammenleben friedfertiger und zukunftsfähiger" gestalten zu können. Rebecca Rispoli zitiert in ihrem Beitrag den Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in dem es u.a. heißt "Bildung ist eine Grundvoraussetzung für die Verbesserung der Lebensqualität" und verweist auf die Problematik der Nutzung eines selbst so qualitätsvollen Bildungssystems wie z.B. in Österreich, in Europa – im Gegensatz zu vielen Entwicklungsländern, wie Talitha Tvarocska in ihrem Beitrag erwähnt - , das eben nur gut funktionieren kann, wenn alle Beteiligten Verantwortung übernehmen und zusammenarbeiten. Es fällt mir angesichts der Fülle an Material und der sehr weiten Diskussion schwer, eine Schlussfolgerung zu finden. Dies würde auch der notwendigen permanente Suche nach guten Lösungen und Anpassung an auftretende Herausforderungen, denen Bildungssysteme unterworfen sind, nicht gerecht werden. Ein Ausblick Der Aspekt des Zusammenwirkens mit dem Ziel eines guten Zusammenlebens zusammen mit einem hohen Maß an Verantwortungsübernahme jedes Einzelnen scheint mir letztendlich zwar oft erwähnt, gefordert und bestätigt, doch immer von zentraler Wichtigkeit zu sein und jedenfalls ausbaubar. Für Foucault waren vor allem Überlegungen wichtig, "wie Menschen ihre Freiheit zum "selbstbestimmten Existenzenwurf" verlieren, indem durch soziale Herrschaft ihnen das Wissen darum genommen wird" . Bildung als Basis einer Gesellschaft leistet einen wichtigen Beitrag zu dieser Freiheit. --Hildegard--Hildegard Köhler 20:34, 13. Jan. 2010 (UTC)
- Der Terminus "Bildung" spielt eine wichtige Rolle in einem gesellschaftlichen Konflikt. Er wird gerne dazu verwendet, das Spezifikum der "Geisteswissenschaften" zu beschreiben und ihnen Gewicht gegen die - als erfolgreich, aber unkritisch charakterisierten - "Erfahrungswissenschaften" und natürlich die technischen Wissenschaften zu verleihen. Zeilinger und Liessmann beteiligen sich prominent an diesem Spiel. Bildung ist dann ein Kürzel für humanistische Werte. Dazu muss man sagen: das Bedürfnis, genügend zu essen zu haben ist ebenso "human", wie der Wunsch, die Essensgewohnheiten ökologisch angemessen zu gestalten. Und mit einer solchen Zielvorstellung sind wir im platonische Schema. Dort gibt es die Philosophen und die (wäre-ich-gerne) Nobelpreisträger, welche die überlegenen Ideen vertreten. Eine kleine Anmerkung dazu: die Formelhaftigkeit der Devise ""Bildung schlechthin als das Programm der Menschwerdung durch geistige Arbeit an sich und an der Welt" wird dabei nicht zum Thema. Versuchen wir: "Bergsteigen schlechthin als Programm der Menschwerdung durch körperliche Arbeit an sich und an der Welt". --anna 07:43, 22. Jan. 2010 (UTC)
Wozu Geisteswissenschaften?
Es ist für mich persönlich eine interessante Fragestellung. Zunächst würde ich zwei Bereiche abgrenzen – Geisteswissenschaften für mich und für jeden Einzelnen persönlich, im Sinne von „Sorge um eigene Seele“ und zweitens die Geisteswissenschaften „im Auge der Gesellschaft“ – eigentliches Thema in diesem Forum. Ganz schön finde ich die Überlegungen des Aristoteles in Nikomachischer Ethik zu diesem Thema, auch weil sie, meiner Meinung nach, zur heutigen Situation sehr gut passen. Eine Orientierung an Gewinn (Ökonomie?) lehnt er ab – sie verkehrt die Lebensmittel zu einem Lebenszweck und bringt keine Glückseligkeit. Die „Vita activa“ in der Polis ist schon wesentlich besser, doch den besten Lebensweg stellt die „Vita contemplativa“ dar: das Wissen um das Ganze (also nicht um das Wandelbare – Naturwissenschaften?), um das Göttliche ist die Erfüllung der Vernunft, die vollkommene Glückseligkeit. Die höchste Form, auch deshalb, weil sie sich selbst nutzt, ist also nutz – los!
Als nutzlos, scheint mir, werden die Geisteswissenschaften heute von der Gesellschaft empfunden. Ich habe keine empirische Belege oder Umfragen für diese These, aber ich kann eine persönliche Erfahrung anbieten. Ich habe am Ende der 90er Jahre in Prag Publizistik und Politikwissenschaft an „Fakultät der Geisteswissenschaften“ an der Karlsuniversität studiert. Die Atmosphäre in der Gesellschaft (sicher in allen Staaten des „Ostblocks“) war damals, mit Aristoteles sagen wir, „nach Gewinn orientiert.“ Der damalige Ministerpräsident Klaus wurde durch seine These berühmt, dass wir in der öffentlichen Sphäre nur Wirtschaft – Experten und teilweise Juristen brauchen. Die Naturwissenschaften sind teilweise gut für (begrenzte) Forschung, vor allem zu erforschen, wie die Wirtschaft produktiver werden könnte. Die Geisteswissenschaften sind – nutzlos. Im Unterschied dazu hatten die Geisteswissenschaften an den Universitäten auch zehnmal mehr Bewerber um das Studium als sie aufnehmen konnten. Aber der Vorwurf der Gesellschaft blieb immer präsent: „Was werdet ihr, wenn ihr fertig mit dem Studium seid, eigentlich bringen?“ Mir fallen 2 Antworten ein.
1. Die Gesellschaft ist in der Moderne, definitiv ab dem 19. Jahrhundert, wissenschaftlich orientiert. Unter Wissenschaft werden aber nur die Naturwissenschaften, Technik und Ökonomie gemeint. Anspruch ist eine Humanisierung der Welt und Markt ist der Ort, wo neue Errungenschaften vermarktet werden, Wirtschaft hat immer mehr Priorität. Alles ist schön, aber doch konstatiert Wittgenstein (ich weiß jetzt nicht genau wo, falls ich nicht richtig zitiere, bitte ich um Korrektur): Auch wenn wissenschaftliche Probleme gelöst werden, berührt es unsere Lebensprobleme nicht! Was hat der technische Fortschritt eigentlich mit uns zu tun? Brauche ich unbedingt alles?
- "Wir fühlen, dass, selbst wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort. (Tractatus 6.52)" --anna 07:43, 22. Jan. 2010 (UTC)
Hier sehe ich einen gewissen Spielraum für die Geisteswissenschaften, vor allem in der Zeit der Wirtschaftskrise. Vielleicht könnte jetzt die Gesellschaft auch andere Werte als nur Gewinn und Maximalisierung der Produktion. Aktuell sind auch die ökologischen Fragen, wie auch Hildegard im Aufsatz vor mir schreibt. Eine ökologische Ethik soll darauf aufmerksam machen, dass wir nicht die letzte Generation sind und neue ethische Maximen auch im Zusammenhang mit der Erhaltung des Lebens auf der Erde entwerfen (klassisch zum Beispiel Hans Jonas). Vielleicht könnte „die Gesellschaft“ gerade heute besser zuhören. Eine gewisse Gefahr sehe ich darin, dass auch die GeisteswissenschaftlerInnen einem Messianismus verfallen können und einfach Ideologen werden. „Erhellung einer absoluten Dimension“ oder „Suche nach einer letzten Begründung“ (ich zitiere Prof. Gotz) können die Suchende auch verführen – ich denke jetzt zum Beispiel an Nationalsozialismus oder Kommunismus.
2. Einzelperson gehört zu den Grundlagen der Moderne – dies ermöglicht große Gewinne an Kreativität, aber zugleich rechnet mit vielen Voraussetzungen – Bildung, Werte usw. der Einzelnen. Die modernen Gesellschaften setzen voraus, dass die Einzelnen entscheidungsfähig (vor allem politisch) und gebildet sind. Wenn dieses größerer Teil nicht schafft, kommen sicher große politische Probleme, Populisten usw. „Böckenförde – Paradoxon“ sagt, dass die liberale Gesellschaft (Menschenrechte, Demokratie) von moralischen Ressourcen lebt, die sie selbst nicht erzeugen kann. „Moralische Sockel“ kommen von woanders? Die Werte werden „anderswo“ gelernt – Familie, Institutionen, Kirchen, aber sicher nicht im politischen geschehen. Auch hier sehe ich eine Aufgabe für die Geisteswissenschaften – als eine „Vorausbildung“, Befähigung zu Beurteilung der Politik, einfach einen Beitrag in moralischer Erziehung zu leisten. --Jakub Jirovec 13:54, 21. Jan. 2010 (UTC)