"Aesthetics and the environment"

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Carlson sieht Ästhetik als ein Teilgebiet der Philosophie, welches sich mit der individuellen Wahrnehmung der Welt und deren Wertschätzung beschäftigt. Meistens wird von Ästhetik gesprochen, wenn das Objekt der Wahrnehmung einen angenehmen Eindruck bei dem Individuum hinterlässt und somit spielen Kunstobjekte eine wichtige Rolle. Jedoch, meint Allen Carlson, dass die menschliche ästhetische Wertschätzung nicht auf diese Objekte limitiert ist, sondern, dass die gesamte, uns umgebende Welt, ästhetisch wahrgenommen werden kann. Diese, uns ständig umgebende Welt, in der Menschen leben und arbeiten, ist das Fundament auf der die Umweltästhetik basiert.

Die Texte, welche in dem Buch enthalten sind wurden in einer Zeitspanne von etwa zwanzig Jahren erarbeitet und geben einen Einblick in den fortwährenden Arbeitsprozess von Allen Carlson. Viele der Kapitel wurden schon vor einigen Jahren in Fachzeitschriften oder anderen Büchern publiziert, sind aber 2000 gesammelt und überarbeitet in diesem Buch erschienen. Das Buch lässt sich in zwei etwa gleich lange Teile gliedern. Wobei jeweils die ersten Kapitel jedes Teils als eine Art Einführung, beziehungsweise Hinführung zum Thema gesehen werden kann. Der erste Teil beschäftigt sich mit der Ein- und Wertschätzung der Natur. Der zweite Teil des Buches beleuchtet das Thema von einem etwas anderen Blickwinkel und stellt verschiedene Landschaftsformen, Kunst und Architektur in den Mittelpunkt.

„Aesthetics and Environmet“ spiegelt die Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas wieder, da von verschiedenen Standpunkten und Blickpunkten kritisch hinterfragt und geforscht wird. Er gibt dem Leser einen historischen Überblick der Umweltästhetik, beleuchtet das Thema sehr allgemein und geht dann auf spezifische Beispiele, wie etwa die Ästhetik der Japanischen Gärten oder die Wertschätzung von dem Landschaftsbild von Anbauflächen ein.


Welche Umwelt ist ethisch Schützenswert?

Die Idee, dass Kunst die unendliche Schönheit und Vielfältigkeit der Natur widerspiegelt ist so alt wie die Kunst an sich. Seit jeher sehen Künstler die Natur als eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration für ihre Kunstwerke. Die Natur gibt sozusagen den Rahmen und die Ideen der Kunst vor und kann als Imitation der Wirklichkeit gesehen werden. Diese Idee findet man schon bei Platon, der die Kunst immer als eine Beschreibung einer Erscheinung des Seienden sieht und für den jede Form von Kunst Mimesis ist. Im Gegensatz dazu, ist die ästhetische Wertschätzung der Natur an sich ein Gedanke der sich erst später entwickelte und einen eher episodischen Verlauf aufweist. (Carlson 2000: 3) Der Prozess der Anerkennung und Wertschätzung der Natur, kann als ein Emanzipationsprozess gesehen werden, bei dem die Natur von Funktionen befreit wird und somit die Natur„um der Natur willen“ gesehen und gewürdigt wird.

Allen Carlson meint, die Entstehung der ästhetischen Wahrnehmung und deren Wertschätzung, in der westlichen Welt, basiere gleichermaßen auf zwei Säulen. Einerseits entstand sie durch die, vom technischen und wissenschaftlichen Fortschritt geförderte, Objektivierung der Natur aber ebenfalls durch die, von der Kunst geförderten, Subjektivierung der Natur. (Carlson 2000: 3). Die wissenschaftliche Erkenntnis und objektive Sichtweise der Natur ist nicht erst in den letzten Jahren ein Thema. Diese Sichtweise entstand schon im 18. Jahrhundert, als Britische Ästhetiker erstmals auf einen Zusammenhang der ästhetischen Wertschätzung und der wissenschaftlichen Objektivität verweisen. Joseph Addison und Francis Hutcheson betrachteten die Natur, viel mehr als die Kunst, als das ideale Objekt der ästhetischen Erfahrung. Addison vertrat die Ansicht, dass die Sinne selbst die Quelle ästhetischer Empfindungen seien. Mit den Wahrnehmungen verbänden sich unmittelbar jene Gefühle, auf denen ästhetische Urteile beruhen und somit wirkt Schönheit unmittelbar durch die Sinne auf unseren Geist (1). Ausgehend von dieser Grundlage entstand im 18. Jahrhundert weitere Ansichten und Ideen zur ästhetischen Wahrnehmung der Natur, wie zum Beispiel die „Idee des pittoresken“ Uvedale Price, definierte 1794 das Pittoreske als Bereich zwischen der "variety" des Schönen und der sublimen Reduktion auf das großartige Eine (2). Für William Gilpin war Natur dann schön und vollkommen, wenn sie in diesem Sinn als „pittoresk“ erschien. Das heißt, wenn sie erschien als wäre sie gemalt. (Carlson 2000: 4) Diese Sichtweisen des pittoresken erhielten sich teilweise bis heute. Dazu zählt die Vorstellung, dass Natur schön und deswegen schützenswert ist, wenn sie unberührt von menschlicher Tätigkeit, wild aber dennoch geordnet ist.

In den vergangenen Jahrhunderten haben Ästhetiker und Philosophen wie Kant, Hegel, Thoreau und Muir unser Verständnis von der  Schönheit der Natur geprägt und finden auch heute noch Anerkennung. Im zeitgenössischen Diskurs nimmt Ronald W. Hepburns Schrift „Contemporary Aesthetics and the Neglect of Natural Beatuy“ eine wichtige Stellung ein, und dient als Grundlage für den Naturethischen Diskurs des 20. Jahrhunderts. Im Bezug darauf entstanden verschiedene Modelle, welche das wesentliche der ästhetischen Wahrnehmung der Natur auf verschiedenen Grundlagen und mit verschiedenen Schwerpunkten erfassen. Es wird versucht die Verbindung zwischen Mensch und Natur und zwischen Kunst und Natur herzustellen und aufzuzeigen. Allen Carlson betont, dass ethische und ästhetische Werte eng miteinander verbunden sind und verweist immer wieder auf die kontroverse Beziehung zwischen Wissenschaft und Natur. Die Natur wird nicht als ein Konstrukt gesehen, dass er Mensch schafft und formt, sondern als etwas Eigenständiges .Etwas was an sich und ohne einen Zweck ästhetisch betrachtet und geschätzt werden kann. 


Auf welcher Grundlage kann die Schützenswürdigkeit der Umwelt beruhen?

Seit Jahrhunderten leben Menschen, mehr oder weniger, im Einklang mit der Natur. Sie ist unser Lebensraum und alleine deswegen schon schützenswert. Es wird plädiert die Natur als Mitwelt und nicht nur als Ressourcen spendende Umwelt zu betrachten. Wir wurden nicht in eine Welt; die uns alleine zusteht geboren, sondern wir leben mit vielen anderen Lebewesen in einem komplexen Wechselspiel zusammen auf dieser Erde. Das erfordert von uns Respekt und Achtsamkeit um unsere Natur, den Lebensraum für uns und viele andere Lebewesen und Pflanzen zu schützen und zu erhalten. Hans Jonas meint, dass wir Menschen gegenüber unserem Lebensraum und auch gegenüber anderen Lebewesen eine „Treuhändlerrolle“ haben und er wirft die Frage auf ob nicht die Natur „so etwas wie einen moralischen Anspruch an uns hat – nicht nur um unseretwillen, sondern auch um ihrer selbst willen und aus eigenem Recht”. (Jonas 1979: 29).

Die Objekte in der Natur die Menschen schön und ästhetisch finden sind so vielfältig wie die Menschen und die Natur an sich. Ein Blick auf eine verschneite Berglandschaft, auf einen feuerroten Sonnenball der langsam im Meer verschwindet auf einen menschenleeren weißen Sandstrand ist etwas was uns in einem angenehmen Art und Weise berührt und somit sofort das ein Gefühl in uns evoziert, dass diese Umwelt erhalten werden muss. Es reicht aber nicht aus die Dinge schützen zu wollen, die einzelne Individuen schön finden. Bei der Schützenswürdigkeit der Natur geht es nicht um individuelle Bestrebungen oder darum Individuen zu schützen, sondern es geht darum die gesamte Natur zu erhalten, da die Natur an sich das Ästhetische Objekt darstellt. Wenn wir uns in unserer Welt bewegen, bewegen wir uns innerhalb des Ästhetischen Objekts und somit verändern wir mit jedem Schritt die Beziehung zu ihm und somit wiederum das Objekt an sich. Da wir uns ständig in diesem Umfeld bewegen trifft das ästhetische Objekt immer und immer wieder auf unsere Sinne, so dass wir ständig davon umgeben sind, es sehen, spüren oder hören können und somit ist die Erfahrung und Begegnung mit der ästhetischen Beurteilung total und allgegenwärtig. Das führt dazu, dass wir uns ständig in einem Bewertungsprozess befinden, bei dem wir uns Urteile über die ästhetische und moralische Natur bilden. Bei dieser Bewertung wird der Natur eine Art „Eigenwert“ zugeschrieben. Dieser alleine rechtfertigt schon die Schützenswürdigkeit der Umwelt.

Jedoch kann die Basis der Schützenswürdigkeit differenziert betrachtet werden. Im Zeitgenössischen Diskurs werden verschiedene Modelle der Naturästhetik vorgeschlagen, anhand welcher man die Schützenswürdigkeit mit verschiedenen Argumenten und Schwerpunkten begründen kann. Die Vertreter des „Objekt models“ plädieren dafür, die Natur ähnlich wie eine Skulptur zu sehen. Wobei das zu betrachtende Objekt aus seinem Kontext herausgenommen und auf seine formalen Eigenschaften betrachtet und beurteilt wird. Das „Landscape model“ besagt dass wir die Natur ähnlich die die Bilder einer Landschaft wertschätzen. Das setzt voraus dass wir die Umwelt eher als eine zweidimensionale Szene wahrnehmen und wiederum nur auf die formalen Aspekte achten. Beide diese Modelle weisen jedoch Lücken auf, da sie den Charakter der Natur außer acht und somit bilden sie keine genügende Basis zur Begründung der Schützenswürdigkeit. Einmal wird die Natur in eine Szene „gedrückt“ und einmal wird sie aus dem Kontext gerissen – aus der Wertschätzung die Menschen der Kunst entgegenbringen lassen sich also keine Modelle für die Wertschätzung der Natur ableiten. Das „Natural environmental model“ verzerrt nicht, wie die beiden anderen die Natur. Der Mensch, schätzt die Natur durch sein Vorwissen, dass er von der Natur hat. Die intellektuelle und kognitive Leistung des Menschen ist dafür verantwortlich, dass wir unsere Umwelt als Schützenswürdig empfinden. Das „Engagement model“ bildet eine Gegenposition zum natural environmental model. Es betont vor allem die kontextuelle Dimension der Natur und unsere Sinneswahrnehmung davon. Das Multisensorisches Erleben der Natur bildet den Kernpunkt dieses Modelles. Wir lassen uns voll und ganz auf die Natur ein, tauchen darin ein und fühlen somit kaum eine Distanz zwischen uns und der Natur. „aesthetic experience is staken to involve a total immersion of appreciator in the object of appreciation.“ Diese unmittelbare Nähe die wir zwischen uns und der Natur spüren veranlasst uns dazu unsere Umwelt wichtig und schützenswert zu finden. Allen Carlson verweist in seinem Buch auf weitere Modelle, wie das „arousal model“, „mystery model“, „postmodern“ oder „pluralistic model“ und verweist darauf, dass jedes unterschiedliche Sichtweisen vertritt und somit die Schützenswürdigkeit der Umwelt auf einer anderen Basis festlegt.


Fußnoten:

(1) Vgl. Burke (1757), S. 92, 112

(2) Vgl. Thomas Dreher


Literatur:

Carlson, A., Aesthetics and the environment, the appreciation of nature art and architecture. Routledge, London 2000.

Dreher, T. Robert Smithson: Land Reclamation und das pittoreske Sublime. http://dreher.netzliteratur.net/6_LandArt_Smithson2.html, Zugriff: 29.12.08

Jonas H. Das Prinzip Verantwortung. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1979.

Price, U. An Essay on the Picturesque, as Compared with the Sublime and the Beautiful, London 1792.