Zwischenergebnisse (Code)
Ich versuche auf dieser Seite einen zusammenfassenden Überblick zu den bisherigen Beiträge zur Diskussion im Wiki. --anna 09:58, 14. Nov. 2007 (UTC)
Inhaltsverzeichnis
Code und Verantwortung
Die Ausgangssituation: ein (mittlerweile) alltäglicher Ablauf (Homepage) wird gestört. Es erscheinen "sonderbare" Zeichen, die als Computercode zu erkennen sind. Zwei Ebenen der Mitteilung sind im Spiel. Das Beispiel sollte verdeutlichen, wie computertechnisch wirksame Zeichensequenzen auffällig werden können und wie sie damit in den Bereich der Humanwissenschaften hineinspielen.
Daran knüpfte sich die Frage: Wo liegt die Fehlerquelle? Wer ist schuld? Einerseits ist die Frage durch die Themenstellung provoziert. Die Pointe besteht ja in einer Störung. Andererseits ist es doch bemerkenswert, dass gleich nach Verantwortung gesucht wird. (Das lag allerdings auch in meiner Darstellung: Ich wurde gefragt: Können Sie da nicht etwas machen?) Es läßt sich aber auch eine mehr systemorientierte Betrachtungsweise anwenden. Ein praktischer Verstehenszusammenhang wird durch eine technische Auffälligkeit durchkreuzt. So beschrieben ist es vergleichbar mit den Spuren, die ein Wasserrohrbruch auf der Wand erzeugt.
Damit sind wir bei einem ersten Streitpunkt. Es gibt Störungen durch "höhere Gewalt", durch maschinelle Fehlfunktionen und durch menschliche Absicht. Also Erdbeben, Wasserrohrbruch, Bombenanschlag. (Diese Punkte lassen sich auch kombinieren.) Es ist für unsere Praxis oft wichtig, diese Faktoren passend auseinander zu halten. Das Beispiel des php-Codes führt vor Augen, dass wir damit in einen mehrschichtigen Bereich kommen. Die Zeichensequenzen sind unverständlich und sinnvoll. Für die einen sind sie "wirres Zeug", für die anderen enthalten sie wichtige Informationen. Das ist von einer Situation zu unterscheiden, in der z.B. ein Hardwaredefekt eine Buchstabensuppe erzeugt. Damit sind wir bei einer zentralen Eigenschaft von Code. Richardd formuliert es so:
- Die Fehlermeldung erscheint deshalb, weil ein gewisser Vorgang eine Regelwidrigkeit hervorruft und einen "Überschuss" an Information erzeugt, der mit dem Sprachvorrat des jeweiligen Systems nicht fassbar ist. Einziger Anhaltspunkt bleibt die Tatsache, DASS ein Übertritt vorgekommen ist und in einem Idealfall weiß man noch, an welcher Stelle im "sequentiellen" Ablauf der Fehler auftrat.
Das ist ganz auf der "systemtheoretischen" Ebene ausgedrückt:
- ein Vorgang, der sich mit Hilfe eines "Sprachvorrats" realisiert (Webabfrage)
- eine Überlastung der Ausdruckskapazität dieses Vorgangs (Irritation)
Der interessante Punkt ist nun, dass diese Überlastung sich in auffälligem Code ausdrückt, also in Zeichenketten, die aus dem homogenisierten Ablauf "herausfallen" und dennoch nicht einfach ein "breakdown" sind, wie etwa ein kaputter Schaltkreis. Wir stehen vor fremdartigen Sprachausdrücken, d.h. wir haben eine verstehende Voreinstellung, die gleichzeitig auf dem Prüfstand steht. In dieser Konstellation spiegelt sich eine grundlegende Beschaffenheit moderner Gesellschaften: das Alltagsablauf beruht auf Sprachen, die nicht allgemein verständlich sind.
Hier tritt ein wichtiger Unterschied auf: einerseits Vorgänge wie der Klimawandel oder die Entwicklung einer Tumorzelle. Das sind keine sprachlichen oder sprachgesteuerten Vorgänge. (Sie können verbal analysiert und auf dieser Basis beeinflusst werden.) Und andererseits etwas wie Diplomatie oder Kaufverträge, also konstitutiv sprachliche Abläufe. Das menschliche Leben ist weitgehend hybrid aus beiden Dimensionen zusammengesetzt. Um ein beliebiges Beispiel zu nehmen: ein Busunfall. Und hier ergibt sich auch leicht die Frage: Ist jemand schuld?
Verantwortung hängt an Kommunikationssystemen. Sie hängt daran, dass in sprachgesteuerten Umgebungen Alternativen thematisierbar und wählbar sind. Dass Menschen sich bestimmter Mechanismen (Werkzeuge) bedienen, ist im Kontext zu sehen. Johanna: " Werkzeuge sind höchstens so gut wie die Menschen, die diese verwenden." So wird deutlich, dass "Maschinensprache" eine Herausforderung ist. Sie scheint in beide Richtungen zu oszillieren: als Maschinenprodukt steht sie auf der Seite der Cola-Automaten, als Sprache auf der Seite der Verständigung. Mein Anfangsbeispiel gibt einen Schnappschuss, in dem die Maschine gleichzeitig in Verständigung integriert ist und sie durchkreuzt.
Das Unbewusste
Die Rede von der "Sprache des Unbewussten" ist ähnlich suggestiv und problematisch, wie "Maschinensprache". Das Unbewusste kennt keine Behauptungen und Schlussketten, aber es "meldet sich" mit sprachlich fassbaren "Mitteilungen". Träume, Fehlleistungen können als kodierte Zeichenfolgen aufgefasst werden. In dieser Linie lassen sich die Gehirnvorgänge mit bewussten Zuständen in Beziehung setzen. Ebenso kann es mit Computern und Internet versucht werden. Das wirre Auf und Ab von Elektropotenzialen ist konstruierbar als ein Sprachgeschehen. Ein bestimmtes Feuern bzw. eine Hemmung der Neuronen signalisiert Aggression, eine Chipladung signalisiert: "You have Mail".
Das führt geradewegs in einen Prinzipienstreit. Soll man die Welt so sehen, dass sie sich aus miniaturisierten materiellen Bestandteilen aufbaut, oder machen die überhaupt nur Sinn, wenn man aus größeren Zusammenhängen herkommt? Sowohl das Unbewusste, als auch die informatische Infrastruktur enthalten ein Potenzial der Beunruhigung. Sie lösen bisweilen Störungen in konventionellen Abläufen aus. Die "Götter" (Silvia), die in diesen Bereichen wohnen, besitzen eine eigenartige Macht über das Menschenleben. Und wie es schon in solchen theologischen Denkformen ist, ihre Existenz und Beschaffenheit ist durch zumindest drei Eigenheiten charakterisiert. Sie sind
- unergründlich, unfassbar, völlig fremd
- integriert in Welt und Gesellschaft
- prekär integriert, adressierbar und bewegbar durch spezielle Vermittlungsformen
Verhältnis Code und Sprache
- ich würde sagen, dass es ja auch sehr sehr viele Arten gibt, das Wort "Code" aufzufassen. In vielen und besonders populären Auffassungen stellt der Code eigentlich eine bloß technische "Geheimverschlüsselung" dar. Anhand eines Schlüssels kann also die "richtige" Nachricht nachvollzogen werden.
- Diese Verständnisart hat es mit dem trivialen Sprachverständnis gemein, die eigentlichen Dinge als hinter den Worten befindlich aufzufassen. Das Wort ist so immer bloß ein Bezeichner für etwas, der (in seiner spezifischen Ausformung) willkürlich auf ein Bezeichnetes (das eigentliche "Ding") angewendet wird. Sprache ist in diesem Sinne also bloßes Kommunikationsinstrument. Ebenso ist der Code im Trivialverständnis ein bloßes Instrument auf ein Wort dahinter hinzuweisen, mit der Beschränkung, dass es eben nurnoch eingeweihten Personen möglich ist den "Inhalt" nachzuvollziehen.
- Somit könnte man also sagen, dass Worte dieser Auffassung zufolge keine Bedeutung hätten, würden sie nicht auf irgendetwas hinweisen.
- Sehr oft hört man ja auch, z.B. in Kinofilmen (ich will jetzt auf keinen bestimmten hinweisen), dass das, was wir sehen, nichts ist als ein bloßer Schleier, also eine Form von Codierung, die uns das Eigentliche verdeckt. Etwaige Anklänge an Schiller und Novalis kann man sich in diesem Zusammenhang abschminken.
- Ein etwas "elaborierterer" Ansatz des Sprachverständnisses löst sich nun allerdings von der traditionellen Bezeichner-Bezeichnung-Bezeichnetes Verbindung und versteht die Sprache nichtmehr bloß als Instrument, sondern als unhintergehbares "Medium" der Wahrnehmung. (Ich bin mir dessen bewusst, dass die Worte "Medium" und "Wahrnehmung" einen soeben ausgeschlossenen instrumentellen Gebrauch scheinbar wieder einführen)
- Nun gibt es eine Vielzahl an Theorien, die ein solches Sprachverständnis forcieren --> Benjamin; Heidegger; Derrida; Luhmann; --Richardd 17:21, 23. Okt. 2007 (UTC)
"Sprache" ist im Vergleich zu "Code" ein viel umfangreicher und "schwammigerer" Begriff. Sie kann zum "Haus des Seins" (Heidegger) erklärt werden, zur Muttersprache, zur Lebensform etc. Code ist dem gegenüber ein technischer Begriff, der dabei ansetzt, dass sprachliche Äußerungen in unserer Kultur alpha-numerisch notiert werden und in Folge zwischen solchen Notationen übersetzt werden können. Dazu ist eine reglementierte Semantik nötig, die es in der traditionellen Metaphysik und Sprachphilosophie (Hamann, Humboldt, Hegel) nicht gibt. Wenn man sich ansieht, wie seit Sokrates nach dem Wesen gefragt wird, hat das zunächst nichts mit Fragen der Sprachnotation zu tun. Aber da steckt natürlich mehr dahinter.
--anna 17:33, 22. Okt. 2007 (UTC)
Ich denke zwar auch, dass Sprache wesentlich unmfassender ist, denn selbst wenn uns unsere Muttersprache beispielsweise als sehr vertraut erscheint, ist sie letztendlich doch ein "komplizierter Code". So wie der Code, ist auch die Sprache eigentlich ein Zeichensystem, das letztendlich zur Kommunikation und Speicherung von Wissen dient. Der Mensch hat außerdem nicht nur die Sprache,sondern er ist insgesamt ein "symbolisches Wesen". Auch Codes können in gewisser Weise vielleicht als "Symbole"? bezeichnet werden- Symbole für eine andere "Wirklichkeit". Es ist das Verhältnis von Code-Sprache-Mensch meiner Meinung nach eine sehr interessantes Thema, das im Rahmen der nächsten Vorlesung hoffentlich ausführlich behandelt wird.
--Benutzer:Conny 17:33, 22. Okt. 2007 (UTC)
Ich möchte auf die Wissenschaft der Linguistik verweisen und betonen, dass Sprache schon als Code bezeichnet werden kann. Wenn Kommunikation nach dem "Sprecher-Kanal-Hörer-Modell" aufgebaut wird, dann heißt dies, eine Botschaft oder Information mit Hilfe von Sprache zu übermitteln. Dieser Austausch erfolgt durch eine den "Kanalbedingungen" gemäße Codierung. Die Codierung enthält außerdem soziale und semantische Implikationen, weiters encodiert der Sender die Botschaft, was vom Hörer einen Decodiervorgang auf mehreren Ebenen abverlangt. Er muss die Codierung übersetzen und aus diesem dann die Informationen ableiten, welche sprachlich codiert worden sind. Das beste Ergebnis wäre natürlich, wenn der Sender dasselbe aussendet, was der Hörer versteht. Dann wäre die Vermittlung mit Hilfe der Sprache als Code gelungen. Leider kommt es oft zu (De)Codierungsfehlern (Missverständnisse). Eine Behandlung des Themas Sprache und Code in der nächsten Vorlesung wäre wünschenswert.
--Angi 17:41, 24. Okt. 2007 (UTC)
Das Unbewusste und der Computer
Eignet sich die Metapher des Unbewussten in Bezug auf das Computerprogramm? Die Annahme des Unbewussten subjektiviert das "noch" Unbekannte, welches, übertragen auf ein größeres Feld, eine Allmacht simuliert. Angewendet auf einen Computer träfe das also zu, wenn jemand, der nicht Programmierer ist, ein Programm benutzt und die ausgegebene Humansprache als "eigentliche" Sprache festsetzt, das Wirken und Werken "hinter" der Humansprache, dargestellt vom "unhintergehbaren" Binärcode, aber als "wunderbares" und unbeschreibliches Vorgehen versteht. Diese und andere Fehlinterpretationen entstehen, wenn der Primat der modularen und objektorientierten Sprache, mit seiner charakteristischen Form im Vorgang des "Blackboxing", aufgrund überkommener, mehr "sequentieller" Sprachauffassungen missverstanden wird. Durch die Modularisierung, z.B. des Programmierwesens, wurde die Arbeitsteilung hervorgehoben. Erst über das objektorientierte Design kann, noch ganz unbeschwert von relativ technischen Struktogrammen, das komplexe "Produkt" übersichtlich bleiben. Dass ein Programm zu komplex ist um von einer einzelnen Person wahrgenommen werden zu können, ist kein hinreichendes Merkmal um ihm (dem Programm) ein Unbewusstes zuzuschreiben. Bei der menschlichen Vernunft mit ihren oftmals angenommenen "regulativen" Ideen mag es sich hier ja noch streiten lassen. Das Computerprogramm entzieht sich aber, wenn überhaupt, dann bloß aus pragmatischen Gründen der Wahrnehmung. Im Moment ist das Programm noch "das was es ist". Es geht (noch) nicht über sich hinaus und benötigt solange keine formale Anzeige, wie es sich nicht selbst voraus ist. Natürlich gibt es bereits Funktionen, die sich rekursiv selbst schreiben, doch ist diese Rekursion der Programme noch allzusehr einer "Regionalität" verhaftet, die es dem Menschen einfacher macht die Entwicklungen des Computers zu verfolgen.
Die Absage an das Unbewusste geschieht nicht aus einem Forschungsglauben, der jede Festlegung dieser Art nur einer wissenschaftlichen Auslegung hinterherhinken sieht, sondern entspringt der Multiperspektivität und der doppelten Konstitution der Wirklichkeit, die, wollten sie solch sperriges psychologisches Begriffsinstrumentarium festhalten, sich vor Unbewusstheiten überbevölkert sähen. --Richardd 17:33, 2. Nov. 2007 (UTC)
Kontext: Code: Kommunikation und Kontrolle (Vorlesung Hrachovec, 2007/08)