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Ich habe jetzt mal eine eigene Seite angelegt, wo ich Notizen sammle, nicht sehr wissenschaftlich formuliert:


1. Das Argument bezüglich primärer Erfahrung versus sekundärer Erfahrung, dass Mr.S. anführt ist aus mehrern Gründen nicht ganz stichhaltig. Sicherlich wird niemand abstreiten, dass primäre Erfahrungen für Kinder (oder alle Menschen) wichtig sind. Dennoch ist das, was wir eben unter Kultur verstehen, zu einem großen Masse medial vermittelte Erfahrung, mediale Inhalte, die man auch erst verstehen lernen muss. Dazu gehören auch Bilderbücher. Das Beispiel mit den 3D Bilderbüchern hinkt, denn auch ein 3D Bilderbuch vermittlet eine mediale Erfahrung, keine "echte". Eine Türe im Bilderbuch aufzumachen, ist nicht ein Ersatz für eine echte Türe, ein bisschen Plüsch zu streicheln, ist nicht dasselbe wie ein echtes, lebendges Tier zu streicheln. Auch ein Leuchtlämpchen in einem Bilderbuch über Glühwürmchen (mein Sohn hatte dieses Bilderbuch) ist nicht dass gleiche, wie echte Glühwürmchen in einer lauen Sommernacht zu erleben.

Jackie Marsh, Prof für Education is Sheffield schrieb aktuell in ihrem Blog, in einem anderen Zusammenhang:

"Education in the early years has focused almost exclusively on the off-line bounded setting and there needs to be consideration of the potential role that mediated online environments can have. This creates an interesting tension in relation to one of the cornerstones of early years education, the value of 'first hand experience'. I was once told by an early years/ literacy consultant (who will remain nameless!) that my work with young children using laptops to create animated films was not good early years practice because it wasn't 'first-hand experience'. I would like to contest the notion that first-hand experiences in the off-line world should be privileged in early years education; this position needs re-thinking in the digital age. Of course, children often experience online what are in fact representations of the off-line world, so in that sense they are second, not first-hand, but this does not mean that those experiences are intrinsically of less value to children's social, emotional, cognitive and linguistic development, nor does it mean that they are less 'real' experiences, in my view.

Und Angela Thomas in ihrem neuen Buch "Youth online, Identity and Literacy in the Digital Age" führt ausführlich aus wie wir auch sogenannte "virtuelle" Erfahrungen, zB Gefühle ja nicht virtuell, sondern in unseren Körpern erleben.

Über das Problem der sekundären Erfahrung haben sich schon viele Leute, vor allem Künstler Gedanken gemacht, bei Goethe ist da der entscheidende Begriff Anschauung, "Die Didaktik beginnt mit der Anschauung"[1]. "Für Johann Wolfgang Goethe versteht sich gerade der Begriff der Anschauung als dem bloßen intellektuellen Verstehen entgegengesetzt und wohl überlegen: versucht doch der Blick, das Ganze in seinem organischen Zusammenhang zu fassen, während das Verstehen – das ein Hören oder Hören als Lesen ist – stets nur ein Bearbeiten des Partikularen sein kann, dass der Sache nicht gerecht wird."(aus Wikipedia [2])

In der Literatur oder beim Film wurde und wird kritisiert, wenn sich ein Werk quasi nur auf andere Werke, dh auf sekundäre Erfahrungen bezieht und aus ihnen schöpft, was dann eben zu Klischees, Stereotypen, Kitsch etc. führt.

Das ist aber etwas anderes beim lernenden Kind und Jugendlichen - sei es beim Malen oder Schreiben, immer werden zuerst andere Stile, Autoren etc imitiert, auch um die Techniken zu erlernen, später dann entwickeln manche eben eine "authentische Stimme" oder "Handschrift" oder "Stil", wobei hier echten primären Erfahrungen auf neue Art und Weise Ausdruck gegeben wird. Dass heisst aber dennoch noch immer nicht, dass nicht auch hinter Klischees und Kitsch authentische Erfahrungen oder Gefühle stehen können (eine fertige Weihnachtskarte zu kaufen und zu verschicken, heisst ja nicht unbedingt, dass ich das nicht meine, was ich damit ausdrücken will.)

Um wieder auf Mr.S zurückzukommen, diese frühen medialen Erfahrungen, seien es Bilderbücher oder Fernsehsendungen bedeuten ein frühes "Lesen" lernen, zB von Bildern oder bewegten Bildern, nur weil das scheinbar so natürlich vor sich geht, und nicht extra wie das Schreiben in der Schule gelernt werden muss, wird übersehen, dass das Bilderlesen so wie das Sprechen auch eine allmählich erworbene Fertigkeit ist (Literacy), und zwar gleichzeitig kognitiver Prozess aber auch ein Prozess der Sozialisation.