Benachteiligte Jugendliche (JsB)
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Benachteiligte Jugendliche
Erklärung des Begriffs „Benachteiligte Jugendliche“
Die Gruppe von Jugendlichen, die nach der Pflichtschule keine weitere Ausbildung genießen, stellt für alle Länder ein mehr oder weniger großes Problem dar. Dabei ist deren Bilanz in Österreich weder besonders positiv oder negativ hervorzuheben.
Diese Thematik ist aber bedenklich, im Anbetracht der Tatsache, dass der Arbeitsmarkt unse-rer heutigen Gesellschaft und besonders in der Zukunft, auf gut qualifizierte junge Menschen angewiesen ist. Im Hinblick auf die demografische Entwicklung und die Geburtenrückgänge der letzten Jahrzehnte scheint daneben auch die Weiterbildung von Erwerbspersonen essen-tiell.
Der Synthesebericht des CEDEFOP zur Maastricht-Studie (CEDEFOP 2004, Berufsbildung- der Schlüssel zur Zukunft, Lissabon- Kopenhagen- Maastricht: Angebot für 2010, Synthese-bericht des CEDEFOP zur Maastricht-Studie, Thessaloniki) lässt erkennen, dass rund 80 Mil-lionen Eu-BürgerInnen zur Gruppe der gering qualifizierten Arbeitskräfte zählen. Dem ge-genüber stehen Schätzungen, dass bis 2010 für ca. 50% der neuen Arbeitsplätze ein tertiärer Bildungsabschluss und für ca.40% ein sekundärer Schulabschluss nötig sein wird. Daraus folgt die Annahme, dass eine Steigerung des niedrigen Bildungsniveaus zukünftig mit einer Steigerung der Arbeitslosenrate verbunden sein wird.
Was sind also nun die Auslöser bzw. welche Faktoren begünstigen eine Steigerung des niedrigen Bildungsniveaus?
Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Aspekten eines Ausbildungsverzichtes, eines ver-zögerten oder misslungenen Überganges und eines Ausbildungsabbruches.
Außerdem gibt es Unterschiede zwischen Jugendlichen, die wegen struktureller Bedingungen keinen Ausbildungsplatz finden oder denen, die aufgrund persönlicher Voraussetzungen kei-nen gelungenen Übergang schaffen, oder diesen vielleicht gar nicht versuchen.
Strukturelle Effekte können bestimmte Gruppen benachteiligen oder ausschließen.
Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen oder Defiziten müssen hinsichtlich des Ausbil-dungsplatzmangels besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Durch Arbeitsmarkt- und bildungspolitische Initiativen muss versucht werden, dem struktu-rellen Ausbildungsplatzdefiziten entgegen zu wirken. Probleme dabei sind zum einen die fi-nanzielle Abdeckung und zum anderen die Identifikation zukünftiger Fachrichtungen.
Jugendliche, die aus verschiedenen Gründen aus dem herkömmlichen Angebot von Lehrplät-zen, Lehrgangs- oder Kursmaßnahmen herausfallen oder nicht einzubinden sind, brauchen besondere Maßnahmen. Diese variieren bezüglich der verschienen Zielgruppen und Ebenen:
- Berufsorientierung und Bildungsmotivation
- Übergangsbegleitende Maßnahmen
- Ausbildungsbegleitende Maßnahmen
- Valorisierung, Validierung (Identifizierung und Bewertung von Kenntnissen und Fertigkei-ten, die nicht durch Zeugnisse etc. belegt sind) und Zertifizierung von Kompetenzen
(vgl. DORNMAYR, H., SCHLÖGL, P., SCHNEEBERGER, A., WIESER, R. 2006, S. 13-17)
Definition Benachteiligte Jugendliche
Um den Begriff „Benachteiligte Jugendliche“ genauer zu definieren benötigt es vorerst ein allgemeines Verständnis des Begriffs der „Jugendphase“. Bislang gab es viele verschiedene Ansätze diesen Begriff genauer zu definieren bzw. festzulegen. Die Jugendphase stellt einen Übergang vom Kindes- zum Erwachsenenalter dar. Die Europäische Union hat das Jugendal-ter auf unter 25 Jahre begrenzt. Arbeit und die damit verbundene ökonomische Selbstständigkeit spielen eine wesentliche Rolle im Übergang zum Erwachsenenalter, da unsere Gesellschaft sich über Arbeit und Er-werbstätigkeit definiert. In der Jugendphase soll künftiges selbstständiges leben und arbeiten erlernt werden. Durch Individualisierung von Lebenswegen, zunehmender Entstrukturierung und dem Unvermögen der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes alle Arbeitssuchenden aufzu-nehmen, kommt es zu einer Verlängerung der Jugendphase. Bildung und Erwerb von zusätzlichen Qualifikationen gilt inzwischen als wesentlicher Zu-gangsregulator zu Arbeitsplätzen und zur damit verbundenen Selbstständigkeit.
Zum geschichtlichen Hintergrund des Begriffs Benachteiligung: 1975 erscheint Begriff zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum als „soziale“ Benachteili-gung durch Schelsky. (Fischer Claudia (2002): Überflüssige Jugend?: Auswertung eines Lehrgangs der Jugendberufshilfe. Dissertation Universität Kiel) Damals bezog sich der Begriff auf Jugend aus bäuerlichen Verhältnissen, denen der Zugang zu Berufswahl verschlossen blieb. Bald wurde Forschung über solche „sozial benachteiligte“ Gruppen betrieben, die aber wei-terhin ein soziokulturelles Bild von Schichten unterstellte. In der psychologischen Forschung entstand die Ansicht, dass soziale Benachteiligung ein starkes subjektives Erleben von Diskriminierung und Vernachlässigung einher bringe. In der Bildungssoziologie betrieben Milieustudien gewannen an Bedeutung.
Jugendliche haben je nach ihrem Herkunftsmilieu verschienen Erwartungshaltungen zu ent-sprechen. Wenn diese aufgrund verschiedener Gründe nicht erfüllt werden können, kann es zu einem individuellen Gefühl persönlichen Versagens kommen. Walter Heinz nennt dies die „Personalisierung struktureller Effekte“. (Bolder, Axel 2001, Deutsch soziale Polarisierung im Feld beruflicher Weiterbildung: Erfüllung einer Bringschuld?, in: DIE Zeitschrift 2001/2, S.23-25) Es kann aber auch ein Emanzipationsakt eines Jugendlichen sein, vorherrschenden Erwartun-gen nicht zu entsprechen.
Benachteiligung kann also auf der einen Seite als struktureller Effekt auf gesellschaftlicher oder Milieuebene und auf der anderen Seite, im Gegensatz dazu, als individuelles Gefühl, unabhängig von objektiven Gegebenheiten betrachtet werden. (vgl. DORNMAYR, H., SCHLÖGL, P., SCHNEEBERGER, A., WIESER, R. 2006, S. 13-17)
Projekt "Benachteiligte Jugendliche"
Drei Regionen Österreichs wurden im Laufe des Projekts „Benachteiligte Jugendliche“ untersucht. Dieses Projekt wurde vom ABI (Arbeitsmarktforschung und Berufsinformation) in Zusammenarbeit mit dem AMS (Arbeitsmarktservice) im Jahr 2005 durchgeführt. Bei diesen drei Regionen handelt es sich um Wien, Zell am See in Salzburg und Murau in der Steiermark. In einer Diskussionsgruppe, bestehend aus mehreren Fachspezialisten aus diesen Regionen, wurden Themen wie eine Verbesserung des Zusammenwirkens der Institutionen, die mit und für Jugendliche arbeiten, Wettkampf der Jugendlichen um Qualifizierungen für Ausbildungsangebote, Ausbildungsabbrüche, sowie Ressourcenknappheit von Qualifizierung und Beratung, besprochen. Diese Punkte sind von Region zu Region von unterschiedlicher Wichtigkeit. Während die letzten beiden Punkte, Ausbildungsabbrüche und Ressourcenknappheit von Qualifizierung und Beratung eher in Wien eine große Rolle innehalten, sind die anderen Punkte in der ländlichen Gegend wichtiger.
Beispiel Murau
Die Problemfaktoren in Murau sind:
- Regionale Probleme
- Ausbildungs- und Berufswahl der Jugendlichen
- Zusammenarbeit der Institutionen
- Beratungs- und Betreuungsangebot für Jugendliche
Regionale Probleme
- Problem der mangelnden Anonymität in dem kleinem weitläufigen Bezirk
- Es gibt nur ein eingeschränktes Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln
Ausbildungs- und Berufswahl der Jugendlichen
- Beeinflussung der Entscheidung der Jugendlichen durch ihre Eltern
- Schulen mit Fachzweigen, deren Fachkräfte nicht benötigt werden, wurden eingerichtet
- Ausbildungs- und Berfusinformation der Eltern durch außenstehende Person
- Unrealistische Berufswünsche bzw. –zweige
Zusammenarbeit der Institutionen
- Angebot relativ neu, muss sich erst etablieren
Beratungs- und Betreuungsangebot für Jugendliche
- Ein einziges Jugendzentrum für den ganzen Bezirk
- Betreuung des AMS vor Ort fällt schwer, da es meistens schwierige Jugendliche trifft
- Wechselnde Betreuungspersonen unterstützen die Vertrauensbildung nicht.
- Nur wenig bzw. keine Förderung von gesundheitlich eingeschränkte Jugendliche
(vgl. DORNMAYR, H., SCHLÖGL, P., SCHNEEBERGER, A., WIESER, R. 2006, S. 117-120)
Wichtige Aufgaben des AMS
Bei Auflösung eines Lehrverhältnisses (bspw.: bei Insolvenz eines Betriebes) sucht der AMS nach einem neuen Ausbildungsbetrieb, bzw. ermöglicht den weiteren Besuch der Berufsschu-le. Weiters wird versucht die praktische Berufsausbildung zu überbrücken bzw. den Einstieg in das Berufsleben durch Kursmaßnahmen zu erleichtern. In Murau gibt es das so genannte JUPRO (Jugendprojekt). In diesem Kurs befinden sich Jugendliche ohne feste Anstellung oder nur geringfügig Beschäftigte. Weiters gibt es das ZAM (Zentrales Ausbildungsmanagement, steiermarkweit) mit einer Zweigstelle in Murau. Diese Zweigstelle nennt sich „Frauen für Frauen“ und dient speziell Frauen aller Altersgruppen, denen der Wieder- bzw. Ersteinstieg in den Beruf erleichtert wer-den soll. Hier werden, ebenfalls wie bei JUPRO, Computerprogramme unterrichtet, einfache Bewerbungstipps gegeben und Vorstellungsgespräche geübt. Weiters ist es notwendig im Laufe dieses Kurses ein Praktikum zu absolvieren. Dieser Kurs versucht verstärkt Frauen für technische Berufe zu begeistern. (vgl. DORNMAYR, H., SCHLÖGL, P., SCHNEEBERGER, A., WIESER, R. 2006, S.117-120)
Literatur
DORNMAYR, H., SCHLÖGL, P., SCHNEEBERGER, A., WIESER, R.: Regionale Fokus-Gruppen. In:
HOFSTÄTTER, M. & ROSENTHAL, E. (Hg.): Benachteiligte Jugendliche – Jugendliche ohne Berufs-bildung. Qualitative und quantitative Erhebungen. Arbeitsmarkt- und bildungspolitische Schlussfolgerungen
Wien 2006, S.13-17, S. 117-120