Lessing über geoffenbarte Religion

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Version vom 28. Oktober 2005, 07:57 Uhr von Anna (Diskussion | Beiträge) (ÜBER DIE ENTSTEHUNG DER GEOFFENBARTEN RELIGION (Aus dem Nachlaß))
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ÜBER DIE ENTSTEHUNG DER GEOFFENBARTEN RELIGION (Aus dem Nachlaß)

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Einen Gott erkennen, sich die würdigsten Begriffe von ihm zu machen suchen, auf diese würdigsten Begriffe bei allen unsern Handlungen und Gedanken Rücksicht nehmen: ist der vollständigste Inbegriff aller natürlichen Religion.

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Zu dieser Religion ist ein jeder Mensch, nach dem Maße seiner Kräfte, aufgelegt und verbunden.

Das klingt wie eine Tatsachenfeststellung, ist aber eine "absolute" (ethische?) Forderung. Sie impliziert unter anderem eine strategische Individualisierung des Gottesverhältnisses.

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Da aber dieses Maß bei jedem Menschen verschieden, und sonach auch eines jeden Menschen natürliche Religion verschieden sein würde: so hat man dem Nachteile, welchen diese Verschiedenheit, nicht in dem Stande der natürlichen Freiheit des Menschen, sondern in dem Stande seiner bürgerlichen Verbindung mit andern, hervorbringen konnte, vorbauen zu müssen geglaubt.

Nach Lessing schließen sich freie Individuen in der bürgerlichen Gesellschaft zusammen und "sozialisieren" damit auch die Religion. Sie vereinbaren gewisse Regeln.

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Das ist: so bald man auch die Religion gemeinschaftlich zu machen, für gut erkannte; mußte man sich über gewisse Dinge und Begriffe vereinigen, und diesen conventionellen Dingen und Begriffen eben die Wichtigkeit und Notwendigkeit beilegen, welche die natürlich erkannten Religions-Wahrheiten durch sich selber hatten.

Die "Dekonstruktion" der geoffenbarten Religion beginnt mit der Selbstverständlichkeit der natürlichen Religion und erklärt den praktizierten Glauben als nachträgliche Angleichung an diesen Standard.

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Das ist: man mußte aus der Religion der Natur, welche einer allgemeinen gleichartigen Ausübung unter Menschen nicht fähig war, eine positive Religion bauen: so wie man aus dem Rechte der Natur, aus der nämlichen Ursache, ein positives Recht gebauet hatte.

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Diese positive Religion erhielt ihre Sanktion durch das Ansehen ihres Stifters, welcher vorgab, daß das Conventionelle derselben eben so gewiß von Gott komme, nur mittelbar durch ihn, als das Wesentliche derselben unmittelbar durch eines jeden Vernunft.

In dieser Deduktion ist die Rolle der "Offenbarung" im Vergleich zu den Glaubensaussagen der geoffenbarten Religion prinzipiell und polemisch umgestellt.

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Die Unentbehrlichkeit einer positiven Religion, vermöge welcher die natürliche Religion in jedem Staate nach dessen natürlicher und zufälliger Beschaffenheit modificiert wird, nenne ich die innere Wahrheit derselben, und diese innere Wahrheit derselben ist bei einer so groß als bei einer andern.

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Alle positiven und geoffenbarten Religionen sind folglich gleich wahr und gleich falsch.

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Gleich wahr: in sofern es überall gleich notwendig gewesen ist, sich über verschiedene Dinge zu vergleichen, um Übereinstimmung und Einigkeit in der öffentlichen Religion hervorzubringen.

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Gleich falsch: indem nicht sowohl das, worüber man sich verglichen, neben dem Wesentlichen besteht, sondern das Wesentliche schwächt und verdrängt.

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Die beste geoffenbarte und positive Religion ist die, welche die wenigsten conventionellen Zusätze zur natürlichen Religion enthält, die guten Wirkungen der natürlichen Religion am wenigsten einschränkt. ---




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