Die Debatte in der edition suhrkamp
Ottfried Höffe
"Der entlarvte Ruck. Was sagt Kant den Gehirnforschern"
Ottfried Höffe ist Professor für Philosophie an der Universität Tübingen und ist der Verfasser von dem Text„Der entlarvte Ruck. Was sagt Kant den Gehirnforschern“ denn ich als nächstes erörtern werde. Der Text ist zu finden in Christian Geyers Buch mit dem Titel „Hirnforschung und Willensfreiheit“ Höffe behandelt in diesem Aufsatz den Freiheitsbegriff Kants und erklärt die Feiheit außerhalb der Erfahrung für denkmöglich. Höffe meint dass die Gehirnforscher die Kausalität voraussetzen, wenn sie meinen dass dem Willensruck ein Bereitschaftspotenzial voraus ging und hätte ihnen insofern Recht gegeben, als jedes Ereignis, und jede Handlung, sich auf Ursachen hinterfragen lässt. Die Notwendigkeit in der Kausalität ließe die Freiheit als unmöglich erscheinen, aber in der Dialektik der KrV entpuppe sich dieser Anschein als veritabler Schein. Kant entlarve die angebliche Entlarvung der Freiheit als eine Illusion.
Die dritte Autonomie stelle zunächst zwei fundamental verschiedene Gesetzmäßigkeiten fest: Kausalitätsgesetze der Natur und Gesetze der Freiheit die entscheidend für das Handeln zuständig sind. Stelle sodann deren frontalen Gegensatz fest, der schließlich in einem dritten Argumentationsschritt aufgelöst wird.
Da man die Ursachenfrage nicht von sich weisen könne, sei folglich jedes Ereigniss potentiell determiniert. Weiters meint Höffe dass man eine methodische Einschränkung unterschlägt wenn man aus dem „methodischen Determinismus jenen dogmatischen Determinismus ableitet, der die Freiheit für Unmöglich erklärt. Ereignisse sind nur so weit determiniert wie man sich im Umkreis möglicher Erfahrung bewegt.“ Außerhalb der Erfahrung sei die Freiheit zumindest denkmöglich! Höffe betont dass man das was man im Hirn beobachtet mehr als ganzes deuten müsste als „ bloß die Orte maximaler Aktivität zu erfassen, zumal so anerkannte Wissenschaften wie Mathematik und Physik dynamische Prozesse über ein Fixpunktverhalten aufschlüssseln, so dass, hirnphysiologisch, „Orte des Schweigens“ wichtig sind.“
Die Experimente seien Kurzvorgänge und psychische Prozesse langzeitig sind, wie z.b. Entscheidungen Jahre zu ihrer Entwicklung brauchen.
Als nächstes erörtert Höffe den Begriff der Freiheit: 1. eine Bewegung ist frei, „die wie der freie Fall nicht von außen gehemmt ist.“ 2. „ein Handeln, dass nichts aus äußerem Zwang erfolgt, sondern vom Handelnden selbst ausgeht.“ 3. dazu gehört ein Wissen. „In Sophokles Tragödie erschlägt der Titelheld Ödipus freiwillig einen Menschen, aber unfreiwillig seinen Vater.“
Nun kommen wir zum Hauptanliegen Höffes, nämlich zum Freiheitsbegriff Kants. „Je nach deren Antriebsart unterscheidet Kant verschiedene Stufen, denen drei Stufen der Freiheit entsprechen: die technische, auf irgendein Zweck bezogene Freiheit, die pragmatische, im Dienste des eigenen Wohlergehens bestehende Freiheit, schließlich die moralische Freiheit. Die für Kant entscheidende Willensfreiheit, die vielzitierte Autonomie des Willens, besteht in einer Selbstbestimmung der dritten Stufe. Kant versteht unter dem Willen der Freiheit, sein Handeln an der Vorstellung gewisser Gesetze auszurichten. Frei ist dieser Wille sofern er sich das Gesetz (Nomos) selbst gibt. Da selbst auf griechisch „Autor“ heißt, spricht Kant von Auto-nomie. Schon auf den niederen Freiheitsstufen folgt man einem Gesetz, das aber nicht aus dem Willen selbst stammt, sondern von woanders herkommt, weshalb Heteronomie vorliegt. Nicht aus den Libet-Experimenten (aus atomaren Handlungen) sondern von der Art des zugrunde liegenden Gesetzes entscheide sich die Frage der Willensfreiheit. Deshalb der Vorwurf das man thematisch die Willensfreiheit verfehlt hat.
Kant: „Er urteilt also, dass er etwas kann, darum, weil er sich bewusst ist, dass er es soll, und erkennt in sich die Freiheit , die ihm sonst ohne das moralische Gesetz unbekannt geblieben wäre.“
Höffe zweifelt darüber ob die Hirnforschung en experimentum eine entscheidende Frage für diese Art Freiheit formulieren kann.
Herbert Helmrich
„Wir können auch anders: Kritik der Libet-Experimente“
Herbert Helmrich ist Rechtsanwalt, und seine Spezialgebiete sind Rechtstheorie, Evolution des Rechts, Biologie-Recht sind. Sein Text befindet sich ebenfalls in Christian Geyers „Hirnforschung und Willensfreiheit“
Helmrich beschäftigt sich mit der Frage ob die aus der Gehirnforschung stammenden Schlussfolgerungen ausreichen, um wie es Roth macht, die Rechtfertigung des Strafrechts zu bestreiten.
Für Helmrich hat der Proband ,der an einem solchen Experiment wo er sein Finger auf ein Knopf drücken soll, die Entscheidung schon gefällt, indem er sich dazu bereit erklärt daran teilzunehmen.
„Das Bereitschaftspotenzial ist eine Voraktivierung und enthält nach Birnbaumer/Schmidt „unterschiedliche Aspekte der Planung, Entscheidung und Ausführung“. „Der letzte Willensruck ist nur Teil einer vorgeplannten feiwilligen Handlung und Entscheidung . Die von Libet u.a. gemessenen Teilaspekte sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Gesamt von Handlungsentscheidungen und Ausführung.“
Helmrich beschäftigt sich mit der Veto-Situation. Er sieht zwischen dem Aufbau des Bereitschaftspotenzials und der Ausführung noch ein „Veto“ die die Ausführung der Handlung stoppen könnte, wobei sich diese Möglichkeit für Roth nur theoretisch zeigt, da entsprechende Veto-Ereignisse bisher nicht gefunden seien. (Für Libet ist das Veto auch ein Schlupfloch für de freien Willen)
Hier gibt er ein Beispiel dafür, wo ein Mann der auf sein Fahrrad steigen möchte, einen Bekannten sieht und sich anders überlegt, indem er sein Bein wieder vom Fahrrad runter tut, sich es dann aber wieder anders überlegt und auf das Fahrrad steigt. Helmrich erklärt „dass der Aufbau der Bereitschaftspotenziale, die sich in gut einer halben Sekunde aufbauen können, um die veränderten Reaktionen des Beins vorzubereiten, den schnellen freien Umentscheidungen folgen kann.“
Helmrich sieht im Vorhandensein des Bereitschaftspotenzials keine „Indikat“ dafür nicht willentlich anderes handeln zu können und „durch selbstständige Vorentscheidungen des Gehirns determiniert sind.“ Determiniertes Verhalten ist für Helmrich z.b. das Atmen, das nur für Momente unterdrückbar ist. Das Bereitschaftspotenzial bei Steuererklärungen oder derartiges nichts aussagt, „da sie aus eine Fülle von kleinen und kleinsten Teilhandlungen zusammengesetzt sind, die sich über mehr als einen Tag verteilen. Die meisten Detailhandlungen werden durch Bereitschaftspotenziale voraktiviert.“ Für Höffe macht die Existenz des unbewussten Bereitschaftspotenzials den Menschen nicht unfrei. Auch er kritisiert die Libet-Experimente mit Blick auf ihre Kurzvorgänge, bzw. kleine Willensakt. Keine vollständige Willensentscheidung im Sinne einer Wahlhandlung. Auch ihm reichen die Experimente nicht aus um den freien Willen beim Menschen auszuschließen.
Erkenntnistheoretische Kritik
Für mich ist die ganze Debatte ein erkenntnistheoretisches Problem. Auch habe ich einige Schwierigkeiten mit der Interpretation der Experimente um die Willensfreiheit.
Denn etwas dass man nicht abbilden kann, kann und darf man nicht zu Illusion erklären. Das heißt, alles was nicht Abbildbar ist, ist nicht zu akzeptieren für die Naturwissenschaften.
Die Hirnforscher machen einen kategorialen Fehler wenn sie eine Idee zu lokalisieren versuchen. Diese dann nicht zu finden und zu Illusion zu erklären ist natürlich eine notwendige Handlung für die Szientisten, sonst stellt sie sich als Wissenschaft automatisch in Frage. Aber die Ergebnisse haben einmal mehr bewiesen dass Freiheit kein Gegenstand der empirischen Forschung ist.
Die Freiheit ist als eine Idee zu fassen, genauso wie Gefühle und Stimmungen - die keine Gegenstände sind. Man darf nicht außer Acht lassen dass der Erfahrungsbegriff immer nur ein methodisch vermittelter ist. Beispielsweise stellt sich auch die Frage ob wir das Denken durch die Darstellung der Funktionen des Organs erklären lassen dürfen? Die Naturwissenschaft zergliedert alles so weit, dass man sie nicht mehr einheitlich denken oder begreifen kann. Es stellt sich die Frage, worauf die Konzepte der Hirnforschung beruhen? Es stellt sich die Frage ob die Hirnforschung eine eigene Methodenlogik entwickelt hat. Wobei nicht zu vergessen ist, dass wir erst seit 150 Jahren Physiologie-Institute haben.
Mit der Einführung der Zentralperspektive im 15.Jhdt. (diese setzt den Standpunkt eines Betrachters der sich sozusagen als unbeteiligter Betrachter versteht voraus), entwickelte sich eine egozentrische Einstellung des Menschen. Der Mensch wird zum Betrachter seiner Welt die er sich zum Gegenstand macht. Man erinnere sich an Descartes, an die Theorie der Zergliederung, alles zu messen was messbar ist (Galilei), und alles messbar zu machen. Die zeit wird mechanisch gemessen, und der Raum geometrisch konstruiert. Ihre Idee, also alles zu messen und zu verorten, sie abzubilden, sie zu zergliedern führt zu Descartes. Die Frage der res extensa und res cogitans , wie beide zusammenhängen, die sich in der Neuzeit stellte, und bis in die Gegenwart durchdrungen ist, ist hier wohl das hauptsächliche Problem der Wissenschaften. Vielleicht versucht man hier jenen Dualismus aufzuheben, indem man versucht den Geist materiell zu erklären.
Descartes hat war ja selbst bemüht, nachdem er das ausgedehnte als Maschine verstand, auch die Funktionen der Körpermaschine bis ins Detail zu erklären, um womöglich den Geist materiell zu erklären. Im 18.Jhdt. haben ja die frz. Materialisten ernsthaft versucht dieses Programm durchzuführen. Im 19.Jhdt ist eine Sinnesphysiologie entstanden, bis hin zu der heutigen modernen Hirnforschung. Die sich zum Ziel gesetzt hat, den Geist mit naturwissenschaftlichen Mitteln zu erklären.
Mit der Erfindung der analytischen Geometrie (1619) liefert Descartes der mathematischen Naturwissenschaft ihre methodische Ausstattung so beginnt man die Natur als Gegenstand der klassischen Physik zu betrachten, diese analytische Geometrie steht im Hintergrund von vier Methoden die er in seinem „Discours de la Methode“schreibt.
1637 „Abhandlung über die Methode der richtigen Vernunftgebrauch“ (verstanden als Methodentraktat)
In dieser Schrift geht es darum eine Methode zu suchen, welche die Vorteile der Analysis, Algebra und der Logik in sich vereinigt.
Im weiteren führe ich die vier Regeln aus, um zu verdeutlichen nach welchem Programm die modernen Naturwissenschaften arbeiten.
1. Niemals eine Sache als wahr anzunehmen die ich nicht als solche sicher und einleuchtend erkenne, d. h. sorgfältig die Übereilung und das Vorurteil zu vermeiden, und in meinen Urteilen nur so viel zu begreifen, wie sich meinem Geiste so klar und deutlich vorstellen würde, dass ich gar keine Möglichkeit hätte daran zu zweifeln.
2. Jede der Schwierigkeiten die untersuchen würde in so viele teile zu zerlegen als möglich und zu besseren Lösung wünschenswert wäre.
3. Meine Gedanken zu ordnen, mit den einfachsten und faßlichsten Objekten zu beginnen, und allmählich und gleichsam stufenweise bis zu Erkenntnis der kompliziertesten aufzusteigen, und selbst solche Dinge irgendwie für geordnet zu halten von denen natürliche weise nicht die einen den anderen vorausgehen.
4.Überall so vollständige Aufzählungen, und so umfassende Übersichten zu machen, dass ich sicher wäre nichts auszulassen.
Dieses Evidenzkriterium , das Kriterium der klaren und deutlichen Erkenntnis ist zugleich ein Wahrheitskriterium und Forschungsprogramm zugleich. So ist alles in Zergliederung und Geometrisierung zu unterwerfen.
Weiters ist auch die Erklärung zu seinem Vorhaben nicht ganz unwichtig, weil sie die Auffassung bestärkt dass alle Objekte der menschlichen Erkenntnisse auf ähnliche weise einander folgen: „Jene langen ketten ganz einfacher und leichter Folgerungen, deren sich die Geometer bedienen und schwierigste Beweisführungen zu Stande zu bringen hatten in mir die Vorstellungen erweckt, das alle möglichen Objekte der menschlichen Erkenntnis auf ähnliche weise einander folgen“. So wird alles Objekt der mathematische Naturwissenschaft. Auch liegt in diesem kartesianischen Ansatz die Konsequenz den Geist, naturwissenschaftlich zu erklären. (wobei bei Descartes war die Welt oder die Natur verstanden als res extensa- bloß ausgedehntes.
Das heißt genauso viel, dass was uns unklar und verworren erscheint, in fassbare Teile zerlegen!
Die idee zur Zergliederung hat sie von Descartes und auch die Methode der Analysis (Zerlegung), wobei die Hirnforschung ihre Methoden weiterentwickeln müsste, und bis dahin darf sie nicht alles zu Illusion erklären.
Weiters möchte ich einige neuere Methoden der Hirnforschung einführen, um zu verdeutlichen auf welche weise sie abbildet und zergliedert. -folgt sobald ich heraus bekomme wie ich Bilder einfügen kann.