Open Culture - Versuch einer Begriffsdefinition

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Konzept/Grundlage von Open Culture

Güter (Produkte wie auch Dienstleistungen) können materiell oder immateriell sein. Beispiele für vorwiegend materielle Güter sind Autos, Computer-Hardware, Getränke etc. Sie werden im Laufe ihrer Lebenszeit abgenutzt oder verbraucht. Immaterielle Güter hingegen (z.B. Software, Bildung, Ideen) können an sich nicht verbraucht werden, wenn auch deren wirtschaftlicher Nutzen variiert.

Immaterielle Güter haben eine besondere Eigenschaft. Sie können mithilfe neuer Informations- und Kommunikationstechnologien (Internet, Computer) ohne nennenswerten Aufwand reproduziert und verbreitet werden und stehen damit potenziell unbegrenzt zur Verfügung.

Im Laufe der Geschichte stand die Gesellschaft immer wieder vor der Frage, wie sie mit jenen Überschüssen umgehen soll, die mit immateriellen Gütern einhergehen. Die Grundfrage lautet in diesem Zusammenhang: "Sollen überschüssige Güter künstlich verknappt werden, um deren geistige Urheber zu schützen oder sollen diese Güter in den "Besitz" der Allgemeinheit übergehen, um deren Verbreitung und Weiterentwicklung zu fördern?"

Das Open Culture Konzept ist eine mögliche Antwort auf diese Frage.

Geschichtlicher Rückblick

Vor dem Aufkommen eines funktionierenden, durchschlagskräftigen Justiz- und Exekutivsystems war die Frage irrelevant, ob immaterielle Produkte geschützt werden sollen oder nicht. Schließlich war es ohnehin unmöglich, solche Besitzansprüche geltend zu machen. Ideen Anderer wurden beliebig kopiert und einfach für die eigenen Zwecke übernommen.

Vor Bits und Bytes

1.1 Filippo Brunelleschi erhielt als erster Mensch Patentschutz für seine Erfindung

Im Florenz des 15. Jahrhunderts änderte sich dieser Zustand. 1421 gewährte die Stadt dem angesehenen Ingenieur Filippo Brunelleschi ein dreijähriges Monopol auf die Nutzung einer von ihm für den Transport von Marmorblöcken erfundenen Hebevorrichtung. Andere Bürger, die dieses Recht durch unrechtmäßige Kopien verletzten, wurden bestraft. Einige Jahrzehnte später erließ Venedig 1474 das weltweit erste allgemeine Patentgesetz.

Ähnliches geschah einige Zeit später in Großbritannien. Lange galt dort als ungeschriebenes Gesetz, dass, wenn sich jemand das Recht an einem Werk erkaufte, er dieses auf unbestimmte Zeit behielt. Doch erst 1710 erließ das britische Parlament tatsächlich ein entsprechendes Gesetz. Das "erste Copyright", die Statute of Anne war geboren.

Das Gesetz legte das Copyright auf ein Werk für 14 Jahre fest, die doppelte Dauer der damaligen Lehrausbildung. Für Werke vor 1710 gab es eine Sonderregelung, diese stellte ab 1710 zusätzliche 21 Jahre zur Rechtesicherung zur Verfügung. Dieses Gesetz wurde für den gesamten Commonwealth erlassen, fand jedoch lange Zeit keine Anwendung, da sich niemand darum kümmerte.

William Shakespeare schrieb Romeo und Julia 1595. Die erste Veröffentlichung wird auf 1597 datiert, daraus folgt, dass das Copyright 1731 abgelaufen war. 1774 dachten jedoch die meisten, dass das Recht weiter bei einem Verleger namens Jacob Tonson liege, der wiederum zur Verlegergruppe Conger gehörte, die den Britischen Buchmarkt kontrollierte und somit auch die Preise bestimmte.

Der Schottische Verleger Alexander Donaldson begann in diesem Jahr Shakespeares Stücke zu drucken und nach England zu exportieren. Er verkaufte sie zu einem niedrigeren Preis als Tonson. Da sich Tonson im Recht glaubte, erhob er Einspruch gegen die Statute of Anne, wurde jedoch zurückgewiesen. Damit gingen die Rechte an den Stücken Shakespeares für immer in den Besitz der Allgemeinheit über.

Ab den 1950er Jahren

In den 50er und Anfang der 60er Jahre gab IBM mit dem Mainframe (Großrechneranlage) den Ton auf dem "weltweiten" Computermarkt an. IBM selbst hatte nur Interesse am Verkauf der teuren Hardware. Die dazugehörige Software (inklusive Quellcode) wurde kostenlos mitgeliefert. IBM rief sogar dazu auf die Software weiterzuentwickeln und weiterzugeben, denn, so war die Annahme, je mehr gute Software verfügbar sei, desto mehr Hardware könne die Firma verkaufen.

Ende der 60er Jahre wurde in den Bell Labs von Ken Thompson und Dennis Ritchie das Betriebssystem UNIX entwickelt. Das UNIX Entwicklungsteam hatte sich die Aufgabe gestellt ihr Betriebssystem auf möglichst vielen Plattformen laufen zu lassen. UNIX war bis 1981 ohne Lizenz, d.h. ohne Zahlungen, oder besser gesagt nur für die Kosten der Datenträger zu haben. Ab 1981 begannen jedoch AT&T (Muttergesellschaft von Bell Labs), SCO und diverse andere Firmen, die in die Entwicklung des Betriebssystems investiert hatten, Lizenzgebühren einzuheben.

1.2 Ein Hack von MIT-Studenten

In der gleichen Zeit erlebte die Hackerkultur ihren Aufschwung. Als Hacker wurden jene Menschen bezeichnet, die für ihren kreativen Umgang mit Technik (nicht nur Computer) bekannt waren. Der Begriff Hacker, sowie die Hackerkultur, entstanden im Umkreis des MIT Eisenbahner Clubs. Es entstand eine eigene Hackerphilosophie, die Hackerethik, basierend auf den folgenden Prinzipien.

  • Der Zugang zu Computer sollte unbegrenzt sein
  • Alle Informationen sollten frei sein
  • Misstraue Autoritäten – fördere Dezentralisierung
  • Computer können Kunst und Schönes schaffen
  • Computer können dein Leben verbessern

=== Freie Lizenzen - Copyleft ===

1.3 Das Copyleft-Logo

1984 läutete ein Druckerproblem den Anfang von Freier Software ein. Der Drucker am MIT gab keine Rückmeldung, ob ein Papierstau vorlag oder ihm Papier fehlte. Richard Mathew Stallmann (RMS) von der Universität bat daraufhin die Herstellerfirma Xerox um den Quelltext, um den Fehler in der Druckersoftware beheben zu können. Xerox weigerte sich jedoch diesen herauszugeben. Damit war klar, die Zeit der offenen Kooperation, wie sie in der Anfangszeit der Computerära vorherrschte, war endgültig vorbei.

Als Konsequenz gründete Richard Stallmann, der zuvor bereits das GNU Projekt (GNU's Not UNIX – ein freies UNIX-Derivat) ins Leben gerufen hatte, die Free Software Foundation (FSF). Diese versteht sich als Plattform und Gegenmodell zur kommerziellen, proprietären Softwareverwertung, mit dem Ziel, die freie Verfügbarkeit von Quellcodes zu gewährleisten. Zu diesem Zweck wurde die GNU General Public License (GPL) ins Leben gerufen. Eine der bekanntesten Software, die unter dieser Lizenz veröffentlicht wurde, ist der von Linus Torvald entwickelte Kern des freien Betriebssystem GNU/Linux.

Eine ähnliche Initiative zur Entwicklung freier Lizenzen startete im Jahr 2001 der Jurist Lawrence Lessig. Die daraus entstandene Creative Commons License (CCL) bietet eine Reihe verschiedener Lizenzmodelle, mit denen Produzenten ihre digitalen Inhalte je nach Bedarf, jedoch stets frei zur Verfügung stellen können. Die Auswahl reicht vom völligen Vorbehalt der Rechte an der eigenen Produktion bis zur völligen Freigabe. Anders als die GPL beschränkt sich die CCL nicht auf wenige Werkstypen wie z.B. Software, sondern ist für alle beliebigen Werke, seien es Texte, Bilder, Videos oder Musik anwendbar.

Durch Creative Commons, GPL und andere freie Lizenzen wurde Kooperation institutionalisiert und legitimisiert. Der freie Tausch nutzt nun nicht mehr die Schwäche des Rechtssystems, sondern schafft sich seine eigene rechtliche Basis. Damit liegt es an den Menschen selbst, wie sie mit den von ihnen produzierten (leicht vervielfältigbaren und damit prinzipiell unbegrenzten) Gütern verfahren wollen.

Open Culture (Begriffsdefinition)

Neue Informations- und Kommunikationstechniken erlauben es dem einzelnen Menschen am Prozess der Bewertung, Einordnung und Hierarchisierung von Informationen mitzuwirken. Damit vollzieht sich ein Paradigmenwechsel, weg von einem elitären System, in dem Wissen durch Experten gehortet und an Wenige weitergeleitet wird, hin zur einer demokratischeren, kollektiven Konstruktion, Sammlung und Verteilung von Wissen basierend auf einer möglichst großen Anzahl von Beteiligten. Intellektuelle Resourcen werden dadurch in bisher nicht gekanntem Maße mobilisiert.

Open Culture bezeichnet in diesem Zusammenhang ein gesellschaftliches System, in dem Informationen möglichst frei zirkulieren und von allen Menschen beliebig verwendet, verarbeitet und weitergegeben werden können und dürfen. Folgende Bereiche können unter dem Sammelbegriff Open Culture subsummiert werden:

  • Freie Software (Open/Free Software)
    darf im Gegensatz zu proprietärer Software ausdrücklich für jeden Zweck genutzt, beliebig kopiert, studiert, verändert und weitergegeben werden. Zudem ist der Quelltext frei zugänglich, und muss auch frei zugänglich bleiben.
    Im Gegensatz zu Open Software lehnt Free Software jegliche Form von geistigen Eigentumsrechten ab und stellt den besonderen philosophischen Anspruch, wonach jede Form von immateriellen Gütern (v.a. Software) zu jeder Zeit frei zugänglich sein sollte. Open Software hingegen orientiert sich stärker an pragmatisch-praktischen Überlegungen. Hier steht v.a. der Nutzen von Open Software für den einzelnen Menschen im Vordergrund. So kann etwa Open Software unter bestimmten Bedingungen auch mit proprietärer Software kombiniert verwenden, während dies bei freier Software nicht möglich ist. Für den Anwender ergeben sich aus dieser Unterscheidung keine großen Unterschiede, weshalb auch vielfach der Metabegriff FLOSS (free libre open source software) gebraucht wird, da er beide Lager unter einem Dach vereint. Beispiele für FLOSS sind: Linux, Mozilla Firefox, Sendmail und der Apache Server.
  • Freie Inhalte (Open/Free Content)
    Datei:120px-Wikipedia-logo.png bezeichnen Schriftstücke, als auch Bild- und Tondokumente, deren Weiterverbreitung ausdrücklich gewünscht und erlaubt ist. Neben dem bekanntesten Beispiel einer Platform für Freie Inhalte, der freien Enzyklopädie Wikipedia fallen hierunter auch das Project Gutenberg und das Open Directory Project.
    Im Rahmen der Open Access Initiative wird zudem angestrebt, sämtliche wissenschaftlichen Daten und Publikationen frei zugänglich zu machen. Darauf aufbauend können wiederum z.B. freie Medikamente entwickelt werden.
  • Freie Medien bzw. Medienkanäle (Freies Publizieren)
    Unter freien Medien(-kanälen) versteht man Kommunikationsnetzwerke, die dezentral von der Community selbst gesteuert werden. Darunter fallen etwa BitTorrent-Netzwerke und P2P-Dateitauschbörsen (Gnutella, Emule...), sowie Blogs, Weblog-Nachrichtenticker, freie Radios, freie Fernsehsender (Okto Community TV, Sonovista) und freie Funknetze (z.B. funkfeuer.at).
    Weiters kann unter dieser Kategorie das freie Publikationswesen angeführt werden. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass jeder völlig unzensiert Artikel veröffentlichen kann. Die Bewertung erfolgt erst im Nachhinein durch die Leser.
  • Kollaborative Produktion (open work)
    bezeichnet die gemeinschaftliche Produktion und Verarbeitung von Informationen. Die prominentesten Beispiele sind opentheory.org, wikicities.com und die Online-Softwareentwicklungsplattform GIT.
  • Freie Hardware
    1.5 OpenCola
    Vereinzelt wird auch versucht nach Open Source Prinzipien materielle Güter, sogenannte Freie Hardware herzustellen. Darunter sind Güter zu verstehen, deren Herstellungsverfahren (Bauplan, Design) unter einer freien Lizenz öffentlich zugänglich sind. Dadurch können diese von Interessierten nachgebaut und weiterentwickelt werden. Auf diese Weise wurden im Rahmen des Opencore-Projekts bereits einige freie Microprozessoren entwickelt. Erfolgreich ist auch das in Indien gegründete Simputer-Projekt. Dahinter verbirgt sich ein kostengünstiger Handheld-Computer. Das OsCar-Projekt geht noch einen Schritt weiter. Dessen ehrgeiziges Ziel ist es ein kompletes Open-Source-Auto zu entwickeln. Nach jahrelanger Inaktivität wurde das Projekt vor wenigen Monaten neu gestartet. Das erste und zugleich erfolgreichste "freie" Konsumgut ist jedoch OpenCola, ein dem CocaCola sehr ähnliches Getränk, dessen Rezept für Hobbyproduzenten als auch Firmen frei zur Verfügung steht. Bis 2004 wurden davon bereits über 150.000 Dosen verkauft.

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