Diskussion:Negationsformen (T)

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25 peaces

Diese "letzte Abendmahl Parodie" mag zwar kontroversiell aufgenommen worden sein, mich würde jedoch viel mehr interessieren, wie ihr zu den kürzlich verbotenen Plakaten der "25 peaces" steht, die Pornografie und Politik in Zusammenhang bringen? Ist es Toleranz, die "arglosen" Bürger unter Rücksichtnahme auf ihre zarten Seelen vor solchen "Machwerken" zu schützen. Oder umgekehrt: ist es tolerant, jedwede Kunstauffassung anzuerkennen? Zeugt es von Toleranz "über den Dingen zu stehen"?

Und: Wie toleriere ich intolerante Kronenzeitung-Leser? (Talkative, 4.1.2006)


Naja, intolerante Kronenzeitung- LeserInnen zu tolerieren, fällt sicher schwer;-)... Zu den Plakaten glaube ich, dass es zu monokausal ist und den Konflikt nicht wirklich trifft, ihn ausschließlich über die Toleranz- Seite aufrollen zu wollen. Natürlich sieht es in einem konservativen Land wie Österreich, was Toleranz gegenüber Kunst betrifft, auch von PolitikerInnenseite nicht gerade optimal aus und bei vielen Wortmeldungen handelte es sich fraglos um intolerante moralisierende Ereiferungen, mich persönlich (die ich mich nicht als intolerant gegenüber künstlerischer Vielfalt erachte), interessiert aber viel mehr die Frage nach der künstlerischen Aussage der Plakate. Es scheint mir nämlich ein falsches Verständnis von Toleranz zu sein, Kunst nie zu kritisieren, weil mensch ach so tolerant ist- ich halte das Unterleibs- Plakat (weiblicher Unetrleib, EU- Unterhose)schlicht für sexistisch, Sexismus gegenüber bin ich aber "intolerant". -Da fällt mir gerade ein vielleicht relevanter Aspekt von (In-)Toleranz auf: Wenn ich eine "intolerante Kronenzeitungsleserin" zur Oma habe oder sonstwie kenne, werde ich zwar ihre Meinung nicht teilen, aber sie trotzdem weiter mögen. Vielleicht bedingt die Art der Auseinandersetzung bei divergierenden, unvereinbaren Meinungen das (in)tolerante Ergebnis, wie miteinander umgegangen wird: Vielleicht kommt es weit leichter zu Intoleranz, wenn die direkte zwischenmenschliche Auseinandersetzung, der direkte Kontakt fehlt, also einander zwei Haltungen und nicht direkt zwei Menschen gegenüberstehen? Diese Frage ist vielleicht im Zusammenhang mit dem Umgang mit Konflikten interessant.- Jedenfalls (und um wieder zu meinem Thema zurückzukehren) scheint es mir zu einseitig zu behaupten, die Kronenzeitung hätte die Nation gespalten zwischen einer starren PRO- und CONTRA- Haltung, ich glaube schlicht, auch von politischer Seite wurden teilweise andere Probleme mit diesen Plakaten verbunden, so dürfte die Regierung (bzw. v.a. die ÖVP) während der RatspräsidentInnenschaft Österreichs ein Interesse daran haben, sich als EU- Musterschülerin zu präsentieren, kritische, gegenüber der EU bzw. wichtigen Personen innerhalb der EU (Chirac etc.)respektlose heimische "Kunstwerke" sind da nur lästig.

Schließlich stellt sich mir die Frage nach dem künstlerischen Wert der Plakate: Du scheinst davon auszugehen, dass hier ernsthaft versucht wurde, einen Zusammenhang zwischen Politik und Pornografie (den ich sehr interessant und diskutierenswert finde!)zu behandeln. Das kann ebenso gut sein, wie es auch nicht sein kann- nicht jede pornografische Darstellung, auch, wenn sie von KünstlerInnen gemacht wurde, ist eine Kritik an Pornografie. Und dass die 25 peaces- KünstlerInnen nicht immer besonders geschmackvoll sind, hat ja die inszenierte, "super-realistische" Bombennacht gezeigt, die jene Menschen, die echte Bombennächte erlebt haben, sicher gefreut haben dürfte...! --Sophie 18:18, 12. Jan 2006 (CET)


Ich finde deine Frage gut und wichtig und hab mir auch selbst dazu einige Gedanken gemacht. Die Überlegung von der Toleranz, die daraus entsteht, wenn ich 'über den Dingen stehe' würde ich auf jeden Fall verneinen. Ich glaube tolerant kann ich nur gegenüber Dingen sein, auf die ich mich (zumindest gedanklich) einlasse. Und dann ist Toleranz eventuell immer abhängig vom eigenen Standpunkt. Bei dem Beispiel oben wäre das wohl: Ich bin dafür jedwede Kunstauffassung anzuerkennen, folglich bin ich dann tolerant, wenn ich bereit dazu bin anzuerkennen, dass andere nicht dieser Meinung sind. Da das aber genauso umgekehrt gilt kommt für mich die Frage auf, ob die Toleranz sich durch ihre Zweiseitigkeit nicht bis zu einem gewissen Grad selbst nichtet?

--Lucia 14:17, 8. Jan 2006 (CET)


"Ich glaube tolerant kann ich nur gegenüber Dingen sein, auf die ich mich (zumindest gedanklich) einlasse.
"Und dann ist Toleranz eventuell immer abhängig vom eigenen Standpunkt."
!!!
Fremde Gründe. Das heisst: argumentierbar und gar nicht, oder schwer nachzuvollziehen. Eine Herausforderung für das eigene Argumentationssystem, aber nicht dessen Aushöhlung. Wer etwas ihm Unverständliches als Grund dafür nimmt, das eigene Verständnis zu negieren, bleibt ohne Gründe zurück. Das ist kein Plädoyer für die Immunisierung gegenüber fremden Gründen.

--anna 09:06, 13. Jan 2006 (CET)

Ich weiß nicht genau wie es bei den 25 peaces damit steht, aber ich hatte immer eher den Eindruck, als ob diese Aktion eher im Bereich der Aufrtragskunst anzusiedeln ist. Hab gerade den großen Gott Google um Wissen angebetet, und hab die Projekthompage gefunden, 25 peaces, und da steht dazu nichts genaueres, es steht nur, sie wurden "Eingeladen, sich Gedanken zu machen".
Wenn dem so ist, wie ich bisher vermutet habe, dann versteh ich die große Aufregung nicht so wirklich und auch nicht die "Zensur Zensur" Rufe. Wenn es dem, der es in Auftrag geben hat nicht gefällt kommts weg, aus. Man kann ja nur von Zensur reden, wenn sich das auf dem freien Kunstmarkt abspielt. Naja das führt aber glaube ich ein wenig zu weit weg von der Toleranz, denn auch davon kann man in der Auftragskunst nicht wirklich reden, würde ich sagen. Das ganze steht und fällt natürlich damit, ob meine Ausgangsüberlegung, dass es sich um Auftragskunst handelt, richtig ist. Weiß jemand genaueres ?



Kunst und Toleranz

Du hast einen Teil deines Posts nochmal in mein font tag geschrieben, ich hoff es ist ok wenn ichs zwecks übersichtlichkeit weg tue ;)
jedenfalls: Die Rhetorik ist die Kunst, den schwächeren Logos zum Stärkeren zu machen. Klar kam dann die abgrenzung der Philosophen "Die Sophisten überreden, wir überzeugen", so weit das Platon im Dialog Gorgias ja noch die Rhetorik in all ihren Formen als schlecht dargestellt hat, späer aber diese harte Aussage wieder zurück zog - ich erzähle dir bestimmt nichts neues aber: Rhetorik ist in ihren Gründzügen schon von diesem beiden Polen her definiert: Überredung und Überzeugung.
Ich finde aber nicht, dass das schon eine Misskreditierung darstellt, wenn die Begriffsgeschichte einfach so ist.
Und der bold text - auf was war der genau bezogen ? --Uschebti 19:16, 17. Jan 2006 (CET)


Ich danke dir, für die "font-Korrektur", Uschebti! (so weit bin ich in die Mysterien der virtuellen Diskussion noch nicht eingedrungen. Ein Versäumnis, das ich dringend aufholen sollte, wenn ich mich - rhetorisch klug - positionieren möchte ;-)) Ich fürchte, die hermeneutische Diskussion über Rhetorik müssen wir auf einen anderen Schauplatz verlegen, denn ich kann deine Meinung leider nicht teilen.


Der fettgedruckte Text bezieht sich auf die ganze zuvor geführte Diskussion über die Anwendungsbereiche für Toleranz:

- Politik habe Standpunkte und (v.a.!) Macht u. Interessen zu vertreten – keine Toleranz!

- Gewisse Themen z.B. aus Politik, Religion dürfen Aufweichungen der Standpunkte nicht zulassen – keine Toleranz!

- Kunst wird vom Markt bestimmt (wer beauftragt bestimmt) – keine Toleranz


Toleranz, Toleranz – ich höre immer nur Toleranz. Na hoffentlich! :-D

Wir sollten uns, denke ich, nicht darin versteigen, dass wir aufgrund der gegenwärtigen Gepflogenheiten keine Toleranzakte finden. Das ist schon klar, dass wir Menschen, wenn wir über Kunst oder Politik diskutieren, leichter auf den Tisch hauen können, wenn Konsensorientierung fehlt. Die Frage ist, ob das das Ziel sein sollte.

Wenn sich bei Konflikten die Standpunkte verhärten, bewegt sich nichts; Polarisierung entfremdet die Kontrahenten doch noch weiter. Wenn ich auf der anderen Seite den Wahrheitsanpruch der Meinungsgegner evaluiere trete ich in den Dunstraum der Toleranz – und das kann den Prozess von Veränderungen einleiten.

Geschmack ist subjektiv und Subjekte sind diskursiv erzeugt. Andere Subjekte haben andere geschichtliche und gesellschaftliche Hintergründe. Kunst ist vielleicht die beste Schule für Toleranz, denn nur weil ich etwas nicht verstehe, heißt es nicht, dass es keine Daseinsberechtigung haben kann. Es kann hinterfragt werden, ja. Aber nicht verdammt.

Mir gefällt das Beispiel das Jakob in der Diskussion Recht/Verstehen/Mehrheit/Macht gebracht hat sehr gut: die Hausparteien, die sich ob des Hunde-Grillens im Hof überwerfen. Wir meinen, dass uns Traditionen Rechte verleihen, dass das, was sich in der Vergangenheit bewährt hat, für alle Zukunft Bestand haben müsse. Und es gibt nicht nur eine Tradition, nicht zwei, sondern eine Vielfalt, ja eine Unendlichkeit von Althergebrachtem!

Wenn ich Toleranz anwende, kann das im Rahmen meiner Machtposition sein oder weil es für mich eine ethische Notwendigkeit darstellt Aber ich denke, es bleibt doch immer die subjektive Handlung des einzelnen, die es möglich macht, mit tradierten Normen zu brechen und tolerantere Wege zu beschreiten. Das hat nur bedingt mit psychischer Disposition zu tun. Es ist das Erkennen von gesellschaftlichen und persönlichen Sedimentierungen und die kognitive Entscheidung, Einzementiertes aufzubrechen.

--Talkative 10:56, 18. Jan 2006 (CET)


"Kunst ist vielleicht die beste Schule für Toleranz, denn nur weil ich etwas nicht verstehe, heißt es nicht, dass es keine Daseinsberechtigung haben kann. Es kann hinterfragt werden, ja. Aber nicht verdammt."

Ohne eine Diskussion über Kunst lostreten zu wollen, möchte ich hier dennoch einmal behaupten, dass "Kunst an sich" noch nie das Problem war. Intoleranz in Bezug auf Kunst war immer dann gegeben, wenn die in der Kunst transportierten Inhalte auf die eine oder andere Art und Weise Anstoß erregten.

- Es wäre doch wunderbar, wenn jeder dazu in der Lage wäre, "gesellschaftliche und persönliche Sedimentierungen" zu erkennen bzw. Einzementiertes aufzubrechen. Allerdings würde das bedeuten (und ähnliches wurde schon weiter oben diskutiert) die eigene Position aufzugeben, zumindest graduell. Ich stimme dir natürlich in dem Punkt, dass es wichtig ist, die eigene Meinung zu hinterfragen, zu. Wenn ich aber im extremsten Fall meine Identität auf unverrückbaren Grundsätzen aufgebaut habe, deren Übertretung durch andere für mich nicht akzeptabel ist...das ist nur ein Gedankenspiel, aber meiner Meinug nach nicht allzu weit weg von der Realität. Wie gesagt, Menschen können sich in Situationen befinden, in denen das Abrücken oder kritische Hinterfragen der eigenen Position wenn schon existenzbedrohend, dann zumindest unmöglich zu sein scheint (aus welchen Gründen auch immer). Die Frage der Toleranz wird erst dann akut, wenn ich eben nicht von meinem Standpunkt anbrücken kann oder will. - Ismael 18. Jan 2006 14:30


Kunst an sich war noch nie das Problem, Intoleranz war immer gegeben, wenn die Inhalte Anstoß erregten

... ist mir tatsächlich zu absolut formuliert, Ismael. Kein Mensch interessiert sich dafür, was Nitsch mit seinen Schüttbildern ausdrücken möchte. Und auch im Fall der gegenständlichen 25-peaces-Werke erregen doch die Darstellungen den öffentlichen Unmut. – Ich vermute, über den Inhalt ließe sich relativ leicht Einigkeit erreichen.

Betreffend deinem Extremfall, dass deine Identität auf unverrückbaren Grundsätzen aufgebaut seien: Nun, in diesem Fall würde ich klar meine Motive darstellen und ehrlich und nachvollziehbar meinen Standpunkt argumentieren – und so dem anderen die Tür zur Toleranz aufstoßen :) Vielleicht bietet bei unverrückbaren Positionen auch nur ein Kuhhandel einen Ausweg (ich kann hier nicht anders, aber ich biete dir dort das an). Wenn ich etwas möchte (und sei’s auch nur meine heilige Ruh’) muss ich eben auch etwas hergeben.

Mir ist schon klar, dass das so nicht funktionieren muss und es gibt oft Situationen in denen ein handfester Interessenskonflikt unvermeidlich ist. Aber viele Geplänkel, Hahnenkämpfe oder andere Aneinander-vorbei-Reden sind eben gelenkt von Strategien oder undurchsichtigen Interessen und nicht von ehrlichem Offenlegen von Beweggründen. Und die Modewörter der Moderne wie Gleichbehandlung, Intergration, künstlerische Freiheit oder Toleranz bleiben aufgesetzte Polit-Phrasen.

--Talkative 23:50, 18. Jan 2006 (CET)


"Die Frage der Toleranz wird erst dann akut, wenn ich eben nicht von meinem Standpunkt abrücken kann oder will."
Dieser Satz spiegelt genau wieder, was ich mir bisher unter Toleranz vorgestellt habe. Deshalb auch meine Verwunderung darüber, dass Politik nicht der Ort für Toleranz ist - meiner Meinung nach ist er genau der Ort.
In der Politik ist es doch am schwersten, einen Standpunkt zu verändern. Wenn man in seinen Ansichten öffentlich schwankt wird einem das im Imagekampf sofort als "Umfaller" angerechnet. Das spielt schon in der Liga der von Ismael angeführten Existenzbedrohung. Dem entsprechend könnte man Toleranz als Begegnung zweier unverrückbarer, kollidierender Standpunkte betrachten, die aber nicht von gegenseitiger Geringschätzung geleitet wird. Das prinzipielle 'relativieren können' der eigenen Ansicht steht für mich hier nicht so im Vordergrund, wie das praktische 'nicht können' aufgrund der Umstände.
Das ist mir bisher ein paar mal aufgefallen, das ich nicht glaube, dass Toleranz in so einem theoretischen Rahmen alleine ausgeschöpft werden kann. Das tolerieren der "fremden und nicht nachvollziebahren Gründe" klingt in der Theorie ja auch sehr gut, aber das tangiert ja noch garnicht, was das für die Lebenspraxis heißt - denke ich mir zumindest.
Ohne die Kunstdebatte weitertreten zu wollen: Ich finde, dass die Inhalte, die anstoß erregen können wesenhaft (zumindest zur Modernen) Kunst gehören.

@talkative: ich will mich jetzt ja nicht rausreden: Ich hab diese Definition Wurzeln der Rhetorik bei Prof Vetter in der Geschichte der Philosophie I gehört und hoffe einfach mal, dass er uns nicht systematisch belogen hat ;D
Ich weiß aber auch auf der anderen Seite nicht, wie alleinstehend diese Sichtweise ist und ob es noch andere dazu gibt. --Uschebti 23:11, 18. Jan 2006 (CET)

... und ich werd mich hier sicher nicht mit Prof. Vetter anlegen! :-)) --Talkative 23:55, 18. Jan 2006 (CET)

Zu meiner Aussage: „ Politik ist nicht der Platz für Toleranz“, stehe ich, möchte aber diese These gerne noch begründen:

• Zu den Negationsformen: Bei der Politik geht es um Negationsformen wie „bezahlt/nicht bezahlt“. • Toleranz, im Bereich der Politik angewendet, stünde Toleranz meiner Meinung nach zu nahe an Machtausübung. „Da ich, (die Politik), ach so mächtig bin, kann ich es mir leisten gegen dich,(du armes Schwein), tolerant zu sein“. In der Politik sollte es um Akzeptanz gehen. Eine Staatspolitik kann liberal sein, indem sie z.B. Minderheiten mit ihren individuellen Lebensweisen akzeptiert. Es sollte aber immer um Akzeptanz gehen und nicht um Toleranz. • Toleranz ist für mich ein „Privatbegriff“, der im Bereich des Mentalen anzusiedeln ist, etwa bei Vertrauen, Verständnis, Liebe….“ (Magdalena, 19.1.06)


Ah verstehe, ich hab etwas anderes gemeint. Ich meinte, dass wenn 2 Politiker aufeinader treffen, die verschiedene Standpunkte haben, auch in öffentlichen Kundgebungen, schon Toleranz im Bezug auf die Standpunkte walten lassen können.
Wenn mans so nimmt, dass 'Politik' dem Volk gegenüber steht, hast du mit der angebrachten Akzeptanz vollkommen recht. Obwohl das Wort 'akzeptieren' auch irgendwie das Moment des duldens in sich hat so a la "Ich akzeptier dich halt, aber wirklich müssen tu ich nicht". Mir schwebt da vielleicht eher die Wertschätzungs-Konzeption von Forst vor... --Uschebti 20:30, 19. Jan 2006 (CET)