Verstehen 3 (LWBT)
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Inhaltsverzeichnis
- 1 Das Verstehen als Korrelat einer Erklärung
- 1.1 Verstehen erfordert zwei Sprachen
- 1.2 Der Inhalt von Sätzen ist gefragt. Ihre Bedeutung ist die Antwort
- 1.3 Aber die Erklärungen treffen doch das wirkliche Verstehen nicht!?
- 1.4 Das Gemeinte ist nur über Frage und Antwort erreichbar. Bedeutung ist kein Gegenstand
- 1.5 Erklärung verträgt sich mit Gebrauch
Das Verstehen als Korrelat einer Erklärung
Verstehen erfordert zwei Sprachen
Verstehen", damit meine ich ein Korrelat der Erklärung, nicht einer - etwa medizinischen - Beeinflussung. Mit dem Worte "Mißverständnis" meine ich also wesentlich etwas, was sich durch Erklärung beseitigen läßt. Eine andere Nichtübereinstimmung nenne ich nicht "Mißverständnis". Verständnis entspricht der Erklärung; soweit es aber der Erklärung nicht entspricht, ist es unartikuliert und geht uns deswegen nichts an; oder es ist artikuliert und entspricht dem Satz selbst, dessen Verständnis wir beschreiben wollten.
Der Inhalt von Sätzen ist gefragt. Ihre Bedeutung ist die Antwort
Wissen, was der Satz besagt, kann nur heißen: die Frage beantworten können "was sagt er?". Den Sinn eines Satzes kennen, kann nur heißen: die Frage "was ist sein Sinn" beantworten können.. Denn ist hier "Sinn haben" intransitiv gebraucht, so daß man also nicht den Sinn eines Satzes von dem eines anderen Satzes unterscheiden kann, dann ist das Sinnhaben eine, den Gebrauch des Satzes begleitende, Angelegenheit, die uns nicht interessiert. Das Triviale, was ich zu sagen habe, ist, daß auf den Satz "ich sage das nicht nur, ich meine etwas damit" und die Frage "was?", ein weiterer Satz, in irgend welchen Zeichen, zur Antwort kommt.
Aber die Erklärungen treffen doch das wirkliche Verstehen nicht!?
Aber man kann fragen: Ist denn das Verständnis nicht etwas anderes als der Ausdruck des Verständnisses? Ist es nicht so, daß der Ausdruck des Verständnisses eben ein unvollkommener Ausdruck ist? Das heißt doch wohl, ein Ausdruck, der etwas ausläßt, was wesentlich unausdrückbar ist. Denn sonst könnte ich ja einen bessern finden. Also wäre der Ausdruck ein vollkommener Ausdruck. --- Es ist eine häufige Auffassung, daß Einer gleichsam nur unvollkommen sagen kann, ob er verstanden hat. Daß er gleichsam nur immer aus der Ferne darauf deuten, auch sich ihm nähern, es aber nie mit der Hand ergreifen kann. Und das Letzte immer ungesagt bleiben muß. Man will sagen: Er versteht zwar ganz, kann dies aber nicht ganz zeigen, da er sonst schon tun müßte, was ja erst in Befolgung des Befehls geschehen darf. So kann er also nicht zeigen, daß er es ganz versteht. D.h. also, er weiß immer mehr, als er zeigen kann. Man möchte sagen: er ist mit seinem Verständnis bei der Ausführung, aber die Erklärung kann nie die Ausführung enthalten. Aber das Verständnis enthält nicht die Ausführung, sondern ist nur das Symbol, das bei der Ausführung übersetzt wird.
Das Gemeinte ist nur über Frage und Antwort erreichbar. Bedeutung ist kein Gegenstand
Die Schwierigkeit ist, die Grammatik des Wortes "meinen" klar zu sehen. Aber der Weg dazu ist nur der über die Antwort auf die Frage "welches ist das Kriterium dafür, daß wir etwas so meinen" und welcher Art ist der Ausdruck, den dieses "so" vertritt. Die Antwort auf die Frage "wie ist das gemeint" stellt die Verbindung zwischen zwei Sprachen her. Also fragt auch die Frage nach dieser Verbindung. Der Gebrauch der Hauptwörter "Sinn", "Bedeutung", "Auffassung" und anderer Wörter verleitet uns zu glauben, daß dieser Sinn etc. dem Zeichen so gegenübersteht, wie das Wort, der Name, dem Ding, das sein Träger ist. So daß man sagen könnte: "Der Pfeil hat eine ganz bestimmte Bedeutung, ist in einer ganz bestimmten Weise gemeint, die ich nur faute de mieux wieder durch ein Zeichen ausdrücken muß". Die Meinung, die Intention wäre quasi seine Seele, die ich am liebsten direkt zeigen möchte, aber auf die ich leider nur indirekt durch ihren Körper hinweisen kann. - Wenn ich: "ich meine diesen Pfeil so, daß man ihm durch eine Bewegung in der Richtung vom Schwanz zur Spitze folgt", so gebe ich eine Definition (ich setze ein Zeichen für ein andres), während es scheint, als hätte ich sozusagen die Angabe des Pfeils ergänzt. Ich habe den Pfeil durch ein neues Zeichen ersetzt, das wir statt des Pfeiles gebrauchen können. - Gebrauchen können - . Während es scheint, als wäre der Pfeil selbst wesentlich unvollständig, ergänzungsbedürftig, und als hätte ich ihm nun die nötige Ergänzung gegeben. Wie man eine Beschreibung eines Gegenstandes als unvollkommen erkennt und vervollständigen kann. Als hätte der Pfeil die Beschreibung angefangen und wir sie durch den Satz vollendet. - Auch so: Wenn ich, wie oben, sage "ich meine diesen Pfeil so, daß ...", so macht es den Eindruck, als hätte ich jetzt erst das Eigentliche beschrieben, die Meinung; als wäre der Pfeil gleichsam nur das Musikinstrument, die Meinung aber die Musik, oder besser: der Pfeil, das Zeichen - das heißt in diesem Falle - die Ursache des inneren, seelischen, Vorgangs, und die Worte der Erklärung erst die Beschreibung dieses Vorgangs. Hier spukt die Auffassung des Satzes als eines Zeichens des Gedankens; und des Gedankens als eines Vorgangs in der Seele, oder im Kopf.
Erklärung verträgt sich mit Gebrauch
Was die Erklärung des Pfeiles betrifft, so ist es klar, daß man sagen kann: "Dieser Pfeil sagt nicht, daß Du dorthin (mit der Hand zeigend) gehen sollst, sondern dahin[." - Und ich würde diese Erklärung natürlich verstehen. "Das müßte man aber dazuschreiben".