Die Ordnung des Velazquez lang (SH)
Foucault – Die Ordnung der Dinge / Las Meninas
Womit ich mich kurz beschäftigen möchte ist eine Problematik, auf die wir bei der Besprechung der „Spiegelmöglichkeiten“ gestoßen sind: wir reden ja über Foucault, nicht über Velázquez!, hat Alex bemerkt. Dann stellte sich die Frage: was hat denn diese kunsthistorische Betrachtung mit dem Œuvre Foucaults zu tun, steht das in einem direktem Zusammenhang? Foucault (1926 – 1984) ist ja heutzutage eine Art Popstar der Philosophie, der Soziologie, der Medienwissenschaften, vielleicht der Wissenschaft im Allgemeinen. Die Schlagworte sind Machttheorie, das Dispositiv, die Diskurstheorie, der Diskurs an sich, die Episteme etc.
Das Buch Die Ordnung der Dinge ist jedoch ein frühes Werk Foucaults, bei dem diese bekannten Positionen noch nicht ausgearbeitet waren; es erschien 1966 und brachte ihm nationale und internationale Beachtung, eine universitäre Karriere und hohe Auflagen. Es ist sicher ein Schlüsselwerk Foucaults, und es ist wohl eines der schwierigeren Werke. (Die Methode dieser Diskurstheorie wurde erst drei Jahre später in Archäologie des Wissens beschrieben; das wohl bekannteste Werk, Überwachen und Strafen, erschien erst 1975.) Laut Franz Hartmann (http://homepage.univie.ac.at/frank.hartmann/seminar/Foucault.html [Quelle: Internet, Zugriff: 12.04.2010]) war der Text über Las Meninas nicht von vornherein als Einstiegskapitel vorgesehen – somit kann es eigentlich nicht als Ausgangspunkt der Überlegungen angesehen werden, sondern als nachträglich vorangestelltes Beispiel. Aber als Beispiel wofür?
Foucaults Überlegungen – die ihm wilde Anfeindungen und Kritiken, auch von Satre, der ihm Antihumanismus vorwarf, und den er mit diesem Buch als „Staatsphilosoph Frankreichs“ beerbte – müssen ja wohl in irgendeiner Art mit diesem Bild, mit der verwirrenden Art der Repräsentationen, der Spiegelungen, der Brechungen zu tun haben.
Foucault beschreibt in Die Ordnung der Dinge (Les Mots et les Choses) Transformationsprozesse von Systemen. Diese sich verändernden Systeme sind nach Foucault eine Form von wissenschaftlichen Diskursen, keineswegs Wahrheiten. Er arbeitet im Buch zwei große Brüche heraus:
- den Übergang von der Renaissance ins Klassische Zeitalter und - den Übergang vom Klassischen Zeitalter in die Moderne.
Wobei hier das Klassische Zeitalter in Frankreich eine „in Frankreich übliche Bezeichnung für die Epoche, die grob den Zeitraum von Mitte des 17. Jahrhunderts bis 1800 umfasst“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Michel_Foucault [Quelle: Internet, Zugriff: 12.04.2010, Punkt 2.4]) ist. Mit Renaissance (Wiedergeburt) wird allgemein die Epoche von 14. - 17. Jahrhundert bezeichnet, die Moderne bedeutet nach Foucault also die Zeit von 1800 bis Mitte des 20. Jhdts. Damit hat er einen eher weiten Begriff von Moderne, und hängt ihn an die französische Revolution (1789-1799) und an den Beginn der Nationalstaaten auf.
Es soll aber nicht etwa erklärt werden, wie Wissenschaftler zu bestimmten Zeiten gedacht haben und dann nicht mehr, oder welche Einzelpersonen oder Geschehnisse Veränderungen herbei-geführt haben. Foucault versucht viel mehr eine bestimmte Art zu Denken aufzudecken (i.S.v. archäologisch zu untersuchen), die über verschiedene wissenschaftliche Themen (namentlich drei: Biologie, Ökonomie, Philologie) parallel ablaufen und diese Gebiete stärker beeinflussen als die eigene Geschichte der Gebiete selbst. Wobei wir beim Begriff der Episteme sind.
Die Epistemologie ist einerseits generell die Erkenntnistheorie, andererseits gibt es eine spezifisch französische Tradition zwischen Erkenntnistheorie und Épistémologie zu unterscheiden: letztere untersucht die Wissenschaft unter Ausschluss „traditioneller philosophische-weltanschaulicher Grundannahmen“.(http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%89pist%C3%A9mologie [Quelle: Internet: 13.04.2010]) Für Parallelen in der Geschichte verwendet Foucault nun episteme, die gegen eine positivistische Geschichtsschreibung auftreten und die Diskontinuitäten der Geschichte hervorheben; sie sind eine Art von historischen Apriori des Wissens.(Michel Foucault (1965/2009): Die Ordnung der Dinge. Suhrkamp, Frankfurt a. M., S. 24: „Eine solche Analyse gehört, wie man sieht, nicht zur Ideengeschichte oder zur Wissenschaftsgeschichte. Es handelt sich eher um eine Untersuchung, in der man sich bemüht festzustellen, von wo aus Erkenntnisse und Theorien möglich gewesen sind, nach welchem historischen Apriori und im Element welcher Positivität Ideen haben erscheinen, ... “ ; vgl. auch S. 261: „Die Geschichte des Wissens kann nur ausgehend von dem gebildet werden, was ihm gleichzeitig war, und nicht in Termini gegenseitiger Beeinflussung, sondern in Termini von Bedingungen und in der Zeit gebildeter Apriori.“)
Diese ganze Problematik der Episteme ist sicher keine einfache, was jedoch deutlich auszumachen ist: in der Renaissance war das menschliche Denken nach Foucaults noch von Ähnlichkeiten und Verwandtschaften unter den Dingen gekennzeichnet. Im Klassischen Zeitalter ändern sich dann diese Episteme, denn es geht nicht mehr um die Frage der Ähnlichkeiten, sondern vielmehr um die der Identitäten und der Unterschiede. Mit dem Ende dieser Vorherschaft der Repräsentation in der Klassik, mit dieser Transformation, die sich eben im Übergang vom Klassischem Zeitalter hin zur Moderne vollzieht, taucht nach Michel Foucault nun eine neue epistemologisch Denkfigur auf: der Mensch.(vgl: http://www.die-grenze.com/buecher_foucault_ordnung_dinge.html [Quelle: Internet: 13.04.2010]) Die Repräsentation hat also mehr oder weniger ausgedient; der Mensch wird der wichtigste Bezugspunkt oder Anker in den Wissenschaften, er rückt als Begriff in den Vordergrund. Das bedeutet nun auch - deshalb der Vorwurf des Antihumanismus -, dass der Mensch als Begriff nach dem Ende der Moderne ausgedient hat.
Für Diego Velázquez (getauft 6. Juni 1599 in Sevilla; † 6. August 1660 in Madrid) bedeutet das: er, der er im Übergang von der Renaissance zur Klassik lebte, läutete nach Foucault symptomatisch das Ende der einen und den Anfang der anderen Ära ein. (Man könnte auch Barock, oder Spätbarock dazu sagen, aber diese Epoche kommt bei Foucault gar nicht vor.) Er befindet sich nicht mehr wirklich in der Welt der Vergleiche, sondern eben in der Welt der Repräsentationen, der Spiegelungen. Der Mensch als direktes Subjekt und als alleiniger Gegenstand der Betrachtung ist ihm aber noch völlig verwehrt, so dass er die einzige Nicht-Repräsentation - das Königspaar - erst wieder nur in einer Repräsentation, vielleicht sogar in einer doppelten oder dreifachen, darstellen kann. (ml)