Benutzer:Andyka/Mitschriften/WS08-OSP-E02-10 10 08
Inhaltsverzeichnis
Open Source Philosophie – Einheit2: 10.10.2008
- Vortragender: Herbert Hrachovec
gelebte Open-Source-Philosophie
Es freut mich zu berichten, dass die Wiki-Idee schon im ersten Durchgang auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Ich werde die Gelegenheit wahrnehmen, ein paar Worte dazu zu sagen und auch gleich inhaltlich in unser Thema einzuflechten. Wir haben hier einen eklatanten Fall von „Nicht nur über eine Sache reden, sondern sie gleichzeitig machen“ im Zusammenhang von OSP. Ich habe das letzte Mal schon angekündigt, dass wir diese LV auch streamen und in der Philosophischen Audiothek als Download zur Verfügung stellen. Es ist etwas Zweites passiert, was mich ehrlich gesagt ein bisschen sprachlos macht. Es hat Andreas Kirchner, mit dem ich bisher nur Kontakt übers Netz hatte, den ich aber sonst nicht kenne, die Vorlesung vom letzten Mal transkribiert, ich nehme an, mit einer gewissen Software. (AKA: Auf die Idee, eine bestimmte Software zu verwenden, bin ich bisher noch gar nicht gekommen – verwende also zur Zeit nur einen Audioplayer, ein Office-Programm und meine Fähigkeit, schnell zu tippen ;))
Darüber hinaus hat er meinen Redefluss intern organisiert und in eine Struktur gebracht. Auf diese Weise hat er einen inhaltlichen Beitrag zu dem geleistet, was ich hier gesagt habe. Der ist noch gar nicht von der Sache her dominiert, sondern es handelt sich darum, eine Sache, die jemand produziert, auf eine Art und Weise zu überarbeiten.
(Wie) Kann die Verfügbarkeit von (Lehrveranstaltungs-)Inhalten die Qualität verbessern?
Es handelt sich darum, eine Sache, die jemand produziert, auf eine Art und Weise zu remixen; es ist nicht so sehr ein Remixing, sondern eine digitale Überarbeitung (wie wenn man die Qualität von Audioaufnahmen durch Technologien verbessern kann). Dies ist nur so zu verstehen, dass man wechselseitig etwas davon hat, wenn man in zur Verfügung stehende Materialen Arbeit investiert. Und das möchte ich gleich einmal sagen als eine extemporierte Polemik gegen Kolleginnen und Kollegen in der Philosophie, die immer wieder sagen: „Mit diesem ganzen elektronischen Zeug, mit dem Web, mit diesen Lernunterstützungen möchte ich nichts zu tun haben. Ich will denken, Ich will Bücher lesen, usw.“ Alle diese Worte kenne ich und kenne Sie womöglich auch sehr gut oder werden es in diesem Institut noch kennenlernen. Denen möchte ich entgegenhalten, dass die Verfügbarkeit der Quelle, die Verfügbarkeit dessen, was ich hier spreche, dazu führt, dass innerhalb von einer Woche spontan die inhaltliche Qualität von dem, was sich hier ereignet hat, sich um mindestens 1/3 vermehrt. Das hoffe ich, halten Sie im Auge, wenn Sie sich mit dieser Sache beschäftigen.
ad Gedankenremix in einer unbekannten Welt.Oder: Die Stärke des Open Source
Herr oder Frau Enibas hat die Gelegenheit wahrgenommen, auf der Diskussionsseite zum Transkript einige Gedanken mitzuteilen. Die Gedanken beginnen mit „Bin etwas verwirrt“ und das ist wahrscheinlich eine korrekte Formulierung. Diese Kollegin oder dieser Kollege hat offensichtlich einmal so einen Beitrag eingetippt, hat dann aber anscheinend nicht mehr gewusst, wo der Beitrag zu finden ist, und hat dann den Beitrag ein zweites Mal reingestellt. Das sind Live-Erfahrungen mit einem solchen E-Learning-Tool, in der folgenden Art und Weise:
- Wiki ist eine Open Source, bedeutet, dass jeder an jedem Artikel mitschreiben kann. Das wird irgendwo im Quellcode dann auch mitprotokolliert (so genau kenne ich mich da nicht aus – wer tut´s). Jeder kann sein „Wissen“ einbringen, und all die grauen Lemminge, die abrufen, glauben es - oder verbessern/verändern den Eintrag. So lange bis eine Art intersubjektive Wahrheit entsteht. Wikis sind (scheinbar) Konsens-betont. Reicht das?
Das ist eine sehr lockere und vermutlich korrekte Darstellung von dem, was man sich so denkt und an Möglichkeiten im Auge hat, wenn man von dieser Sache noch gar nichts gehört hat. Es ist ein erster Einstieg und ich verwende diesen Einstieg, um Ihnen noch eine zweite Themenstellung nahe zu bringen, die ebenfalls deutlich etwas mit OS zu tun hat. Im Falle der überarbeiteten Vorlesungsmitschrift handelt es sich offensichtlich um jemanden, der weiß wovon er redet und der auch weiß, wie man mit dem Wiki umgeht. Außerdem hat er zu allem Überfluss zu der „Ich bin etwas verwirrt“-Botschaft einige Abschnitte dazugeschrieben, die zeigen, wie man damit umgeht. Das erscheint mir deswegen Speziell interessant, weil jedes Mal, wenn eine „elektronische Angebotssituation“ da ist, wo Leute aufgefordert werden, teilzunehmen, kommt sofort der Widerstand: Das ist zeitaufwendig, das ist für Viele nicht ganz intuitiv, das muss man erklären, dazu braucht man eine Einschulung, usw“. Auf der anderen Seite gibt es Leute die sagen: „Bitte lass mich in Frieden mit dieser Einschulung, ich kann damit schon selbst umgehen“. Das ist einer der Gründe, warum ich normalerweise etwas lécher mit den entsprechenden Einschulungen umgehe. Zugegebenermaßen habe ich diesmal etwas versäumt, Ihnen mit dem Rotstift vorzuzeichnen, wie sie da vorgehen sollen. Was hier passiert, und das ist nach meiner Auffassung die günstigere Art und Weise: Wenn jemand nicht weiter weiß, kann man „on demand“, also während es sich ergibt, den Hinweis machen: „Schau dort und dort und dort hin, wenn du mehr wissen willst“. Das kostet vielleicht 10 Minuten. Und wieder mache ich denselben Punkt wie vorher: In der bisherigen Philosophie –und Lehrsituation an Universitäten schaut es so aus, dass jemand, wenn er sich bei einer Mitschrift nicht auskennt, den Nachbarn fragt: „Kennst du dich da aus? Was hat er da gemeint?“. Das wird geflüstert oder gesprochen von 1 zu 1 oder von 1 zu 3. Was an dieser Stelle der Effekt ist, ist dass Sie es alle lesen können. Alle die möglicherweise auch „etwas verwirrt“ sind, können sich danach orientieren. Der Punkt, auf den ich hinaus will ist der, dass in einer solchen Kooperationsumgebung, die Differenzen von Kompetenzniveau, die man normalerweise ansetzt, sozusagen nicht in derselben Weise funktionieren. Ich werde mich hüten, Sie aufzufordern, einen ähnlichen Gedankenmix zu produzieren wie das, was Sie in diesem Beitrag lesen können. Das entspricht nicht dem, was hier meine Aufgabe ist. Meine Aufgabe ist, auch wenn ich Gedanken mixe, eine nachprüfbare, halbwegs vertretbare, stabile Struktur vorzulegen und nicht, mich aus 25 Textquellen inspirieren zu lassen. Das würde Sie wahrscheinlich relativ bald langweilen.
Das soll aber tendenziell nicht in jene Richtung zielen, die ich jetzt beschreibe: Diese Aufgabe, die ich als ein sozusagen Experte in dem Bereich habe, lässt sich nur allzu leicht so ergänzen: „Na gut, wenn ich der Experte bin, was sind dann Sie? Sie sind die Nicht-Expertinnen, oder jene, die erst zu Experten werden sollen. Sie sollen zuerst einmal zuhören, bis sie alles gelernt haben oder bis Sie fast so reden können wie ich. Bevor Sie das können, haben Sie kaum einen Beitrag in diesem Zusammenhang.“ Das ist eine Dualisierung zwischen Expertinnen und Laien, die Sie alle kennen und die – wie ich argumentieren werde – für die sokratische Philosophie – von großer Wichtigkeit ist. Das was Sie hier sehen, ist eine Gegenbewegung zu dem. Wir können an dieser Stelle demonstrieren, dass die Beiträge – sagen wir einmal des assoziativen Remix – eine ganze Reihe von produktiven Effekten auf die ganze Community haben – die sich mit diesem Themen beschäftigt: Zum Beispiel: Jemand hat diesen Gedankenremix geschrieben und gesagt, er kennt sich nicht aus. Darauf hat er Antwort bekommen. Damit ist man bereits unterwegs zu gemeinsamer Arbeit. Oder: Ich habe zwei Tippfehler korrigiert und darauf hingewiesen, dass der Link zu YouTube nicht mehr funktioniert, da er wegen Verstoß der Nutzungsbedingungen entfernt wurde. Was lernen wir daraus: Wenn wir solche Diskussionen führen, muss man sich vorsehen gegen diese Form von plötzlichem Ausfall. Soviel zunächst zur Diskussionssituation. Ich werde nun mit den Präliminarien fortsetzen.
Was ist der Unterschied zwischen Free Software und Open Source?
Die Videoclips vom letzten Mal haben die allgemeine Idee des Remixing illustriert, die ich bei Lev Manovich aufgenommen habe. An dieser Stelle, weil Lev Manovich das mit ins Remixing hineinnimmt, etwas über die Verbindung dieser kooperativen Neugestaltung im Audio-&Videobereich und dem Thema der SW-Entwicklung und der Open Source gesagt. Daran anschließend hat sich eine Wiki-Diskussion ergeben. Es haben 01 – wenn man über diese Sachen spricht, wird es notgedrungen so, wie wenn man über einen ScienceFiction-Zusammenhang redet – und „OpenSource“ das sind die Nicknames, den diese beiden Personen verwenden, etwas, worauf Daniel Schmied in der Vorlesung bereits hingewiesen hat, nochmals thematisiert. Und zwar wollten sie sagen, dass ich mich auf eine Weise nicht politisch nicht korrekt ausgedrückt habe. Es gibt auch an dieser Stelle politische Korrektheit, und zwar im Hinblick auf den strategischen und prinzipiellen Einsatz dessen, was in der Freien-Software oder Open-Source-Bewegung stattfindet. Der politisch korrekte Ausdruck, wo man nicht aneckt, ist FOSS (Free and Open Source Software). Worum handelt es sich kurz: Die beiden Hauptbezugspunkte, die ich in der ersten Einheit gebracht habe, waren Kernel und Lizenz. Linux und GPL. Hinter diesen beiden Hauptpunkten verstecken sich sowohl zwei unterschiedliche Personengruppen als auch politische Philosophien. Richard Stallman ist jemand, der die Sache sehr prinzipiell nimmt und der in der GPL ein Hauptinteresse daran hat, ein Maximum an Freiheit der einzelen Person zu gewährleisten. Prinzipienüberlegungen stehen bei Stallman also ganz deutlich im Zentrum. Die Entwicklung des Linux-Kernels wäre überhaupt nicht möglich gewesen, ohne die Voraussetzung der GPL, ist aber nicht in gröberer Weise von prinzipiell-philosophischen Überlegungen beeinflusst, sondern man hat kooperiert. Die Schwierigkeit, die sich in dieser Konstellation begeben hat ist, dass – wenn man so etwas extrem effektives und attraktives wie einen alternativen Betriebssystemansatz im Softwarebereich produziert bei einer Marktistuation, wo kommerzielle Systeme dominieren - man sehr schnell auf folgende Schwierigkeit kommt:
- Was passiert mit Arbeit, von der Leute leben wollen die nicht ausschließlich im Linux-Bereich ist? Wenn Leute Geld nehmen wollen für das was sie tun, auch wenn sie diese als Open Source zur Verfügung stellen? Wenn Leute das, was sie tun, anbieten müssen oder wollen, in einem Bereich, der ebenfalls kommerziell betrachtet worden ist? Das ist ein „unsauberer“ Überschneidungs-Bereich zwischen „Du kannst mit dem, was ich dir gebe, machen was du willst“ und „Du musst für das zahlen“.
- Als Antwort auf die Stallman-Prinzipien-Erklärung hat sich herausgestellt, dass es eine wichtige Initiative gegeben hat, die sich damit beschäftigte, welche unterschiedlichen Lizenzen, welche Zwischen-Lösungen zwischen „Frei“ und „Bezahlt“ man nehmen könnte und die den Augenmerk nicht auf die prinzipielle Freiheit gelegt haben. Das ist die Gruppe, die den Ausdruck „Open Source“ erfunden hat als einen Kontrastausdruck zu „Free Software“ und die mit diesem Term eine etwas andere Strategie verfolgt wie die von R. Stallmann.
Und in welche Richtung schlagen Sie sich nun?
In keine. Der Grund, warum ich Open Source verwenden, ist tatsächlich ein Inner-Philosophischer und gliedert sich in zwei Teile:
- Die von mir dargestellte Opposition zwischen Prinzipienfreiheit und Faktisch-Pragmatischer Kompromissbildung erscheint mir für die Philosophie als zu aufgelegt. Instinktiv ist man in jeden Fall für prinzipielle Freiheit und Stallmann. Man kann zwar darauf hinweisen, dass er fünfmal das Wort Philosophie in seiner Deklaration verwendet, doch das wollte ich nicht als den Einstiegspunkt nehmen.
- Ich möchte dort beginnen, wo die Freiheit eine operative wird. Wo sie greifbar wird, und wo sie einen Bereich genauer definiert, abgesehen von dem Prinzipienbereich, wo wir sagen „Wir wollen so leben können“. Der Bereich, indem die Freiheit operativ wird (AKA: und sich zeigt) ist genau jener Bereich, wo Quellcode zur Verfügung steht und wo die Bearbeitung und Neuentwicklung zugelassen ist unter der Bedingung, dass auch diese Modifikationen wiederum unter denselben Bedingungen zur Verfügung stehen, wie der Quellcode selber. Das ist nichts anderes als die GPL, das ist schon klar. Der wichtige Punkt ist an dieser Stelle nicht: Freiheit abstrakt, sondern ist diese Form von Kooperationsmöglichkeit in Zusammenhang mit textmäßig verfassten Abschnitten von Wissen und Softwareentwicklung in Hinblick auf weitere Arbeit.
Das war mein wichtiger Punkt und ich hoffe das ich das nun entsprechend verständlich gemacht habe.
Alles, was ich bisher gesagt habe ist der Versuch zu verarbeiten, was sich in der letzten Woche ergeben hat. Nun geht es mit der inhaltlichen Linie weiter, wo noch viele wesentliche Anknüpfungspunkte wichtig sind, damit sie sich nicht wundern, wo wir denn stehen mit diesen Videoclips vom US-Wahlkampf.
Was soll die Sache mit dem Lippenstift im US-Wahlkampf?
Sie haben also gesehen, dass es diese Redewendung „Lipstick on a Pig“ gibt und haben sich wahrscheinlich gefragt, was diese Redewendung soll, da könnte man ja mit jedem Beliebigen beginnen. Sie werden vielleicht gemerkt haben, dass dieses Video nur ein erster Teil für eine andere Form von Remix sein soll. Dieser Remix, der auch über YouTube läuft, handelt auch von diesem „Lipstick on a Pig“-Thema, der diesmal jedoch kein meditatives kleines Stück über die Gefährdungen der Konsumentengesellschaft, sondern ein für 14 Tage sehr aktuelles, dramatisches und aggressives Unternehmen aus dem US-Wahlkampf ist. Die allgemeine Linie, die mir an dieser Stelle wichtig ist, ist: In einer TV-Werbung von McCain haben Sie einen Zusammenschnitt von einer Reihe von Ausgangsmaterialien, die frei im Internet verfügbar sind.
- Es handelt sich erstens um einen Ausschnitt aus dem Video „Sarah Palin über Lippenstift“, wo sie fragt: „Was ist der Unterschied zwischen einem Pitbull und einer Hockey Mum?“ Sie ist die Hockey Mum. „Lipstick“, sagt sie in einer inspirierten dramatischen Weise. Warum Sie sich mit einem Kampfhund vergleicht, will ich hier nicht weiter kommentieren. Jedenfalls: Ein Unterschied zwischen Kampfhund und ihr ist: Lippenstift. Das hat als Pointe sehr gut gewirkt und ist mehrfach kommentiert worden und über die Medien gegangen.
- 10 Tage später hat Obama in einer Wahlveranstaltung die Phrase „You can put lipstick on a pig, it’s still a pig“im Zusammenhang einer Diskussion der politischen Philosophie von McCain. Sie können sich das ansehen, er spricht ganz klar von John McCain.
- Aus diesen beiden Cutouts dieser Inputs kommen die ersten beiden Teile dieser TV-Werbung. Im ersten Teil wird gezeigt: Sarah Palin: „Lipstick“. Im zweiten Teil wird gezeigt: Obama: „You can put a lipstick on a pig, it’s still a pig“. Der Effekt dieser beiden kurzen Szenen die nebeneinandergestellt werden wird dadurch verstärkt, dass im ersten Teil gezeigt wird „Sarah Palin on Sarah Palin“ und im zweiten Teil „Barack Obama on Sarah Palin“.
- Sarah Palin sagt: „Lipstick“
- Obama sagt: „Sie ist trotzdem ein Schwein“
- Konsequenz: Er impliziert, dass Sarah Palin ein Schwein ist.
- Um das noch zu unterstreichen, kommt im TV-Sport als dritter Teil eine Sequenz aus einem Clip von Kathy Couric, die mittlererweile berühmt ist. (Sie ist eine CBS-Journalistin, die vor 14 Tagen ein langes Interview mit Sarah Palin gemacht hat, das ziemlich desaströse Folgen gehabt hat. Sarah Palin hat sich an dieser Stelle als nicht sehr informiert über wesentliche Dinge gezeigt.) Von diesem Clip wird die Sequenz „Es gab noch nie soviel Sexismus in Werbecampagnen wie in diesem Jahr“ als dritter Teil dazugestellt. Im Ursprungstext bezieht sich dieser Satz auf Reaktionen auf die Hillary-Clinton-Kampagne.
Und was hat das mit dem Thema dieser Vorlesung zu tun?
Diese TV-Werbung stelle ich Ihnen deswegen vor, weil – das ist jetzt der Weg, den ich inhaltlich weiter beschreiben möchte – ich Ihnen nicht nur die schönen Konsequenzen einer freien Remix-Kultur vorstellen wollte, wie beim letzten Mal, sondern auch – wie ich es angedeutet habe – demonstrieren wollte, dass sich nicht nur aber auch auf YouTube der ödeste und aggressivste Schrott befindet. Wir sind in einer Situation, in der wir uns auch damit auseinandersetzen müssen, nach welchen Gesetzlichkeiten diese Art von Interventionen zu behandeln sind und was wir davon halten sollen. Die Argumentation die ich im Auge habe - das sage ich gleich als den nächsten Brückenpfeiler – ist die, dass ich eine Linie ziehen möchte zwischen der Form von quasi-Regellosigkeit, die es möglich macht, dass wir in unserem politischem Diskurs diese Form von Strategien mit oder ohne Erfolg einsetzen können. Die Sitation des „Free-For-All“ in der politischen Auseinandersetzung, die mich beschäftigt, bekümmert und die ich für eine sehr aktuelle und wichtige halte, möchte ich in Verbindung setzen mit der Situation der athenischen Polis, zu der Zeit, in der die Philosophie, so wie wir sie kennen, entstanden ist. Ich möchte plausibel machen, dass diese Art der Philosophie aus einem Entstehungskontext, aus einem politischen „Free-For-All“ in einer gewissen Weise geradezu zu erklären ist. Dadurch ergibt sich die Frage: Wie bestimmt sich die Form der freien Beschäftigung aus der Form von abstrakter Freiheit und wie kann sich – wenn wir eine Open-Source-Intiative berücksichtigen -, diese Form von Freiheit wiederum auf das politische Leben und die Philosophie auswirken.
Warum ich Ihnen auf so drastische Art den US-Wahlkampf beschreibe hängt daran, dass ich von allen Anfang an vermeiden wollte, gleichsam auf den Wolken schwebend zu sagen: „Es ist schön, dass wir diese Freiheit haben und wir sollen diese Freiheit benutzen.“ Diese Freiheit wird – wenn es sie gibt, nur zu praktizieren und zu erhalten sein in Anknüpfung an diese Art von Beispielen.
Dekontexturalisierung & Rekontexturalisierung im US-Wahlkampf
Bevor ich zu den Griechen komme, möchte ich den Clip von Larry King zeigen und diskutieren:Beim ersten Dialog-Gespräch zwischen Larry King und den vier Frauen gibt es ein Zitat von Marsha Blackburn, die eine republikanische Abgeordnete von Tennessee ist und die relativ gut beschreibt, was ich auch für eine Grundbedingung dieses politischen Diskurses halte und was man ironischerweise in einem gewissen Sinn als das ultimative postmoderne Statement betrachten könnte, gerade bei einer Frau, die sicherlich alles andere als postmodern ist. Aber wenn es darum geht, diese Form von Werbeeinschaltung zu produzieren, wird auch die republikanische Partei plötzlich postmodern:
- "... when you take the remark in the context of the campaign and everything is taken in context in relationship to something else ..."
Das ist ja doch ein amüsantes Statement, das man Beiseiteschieben kann, das man aber auch ernst nehmen kann und das beschreibt, worin sich hier das Problem zusammenballt: Wir haben eine Situation, in der wir zwar wissen, was Kontexte sind. Wir könnten, wenn wir den ursprünglichen Clip von Obama hören und sehen, sagen: „Der spricht klarerweise über McCain“. Wir sind aber in einer Situation, wo wir diese Kontexte auch dekontextualisieren und in andere Kontexte rekontextualisieren können. Die Legitimation, die sie an dieser Stelle braucht, um jemanden zu antworten der sagt: „Schau dir mal an, der spricht doch offensichtlich von McCain und nicht von Sarah Palin“, ist: „Naja, es hängt ja alles mit allem zusammen. Damit haben wir eine Freifahrt im politischen Bereich, die möglichst effektivsten, für unsere Zwecke nützlichsten Clips zu produzieren“.
Für die, die in der Philosophie in etwa ahnen, was meine Absicht ist. Es handelt sich hier um ein Detailbeispiel einer Frage danach, was kann und darf Rhetorik? Rhetorik ist an dieser Stelle die Schnitttechnik, die ich oben beschrieben habe. Diese Form der Schnitttechnik wird eingesetzt im Zusammenhang der öffentlichen Meinungsbildung und der Wahlen, des Demokratieprozesses. Die Frage, die sich an dieser Stelle leicht ergibt, ist die des „Anything Goes“: Kann man, wenn man die klügsten derartigen Remixes produziert, auch beanspruchen, dass man an das Richtige gemacht hat. Ohne aller philosophischen Untertöne kann man fragen: „Ist das in Ordnung?“. Auf diesen Punkt werde ich, wenn es um den Gorgias geht, zu sprechen kommen.
PART 2 – COMING S00N!
Hilfe erwünscht ^^