Seminararbeit (Andreas Rögl)

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Einführung:

Im Zuge der Vorlesung „Einführung in die Medienpädagogik“ von Prof. Mag. Dr. Christian Swertz wurde das Thema heiße und kalte Kulturen, basierend auf der Theorie von Herbert Marshall Mcluhan, erwähnt, wobei bestimmte Medien ob ihrer Temperatur und ihres Detailreichtums klassifiziert werden. Mein Interesse an diesem Thema wurde durch eine vor kurzem von mir angetretene Stelle in einem Wiener Museum als Vermittler für Volksschulkinder geweckt. Im Zuge dessen bzw. des Seminars „Erziehung und Medien“ unter der Leitung von Prof. Swertz kam ich zu der Erkenntnis, dass über das kalte Medium bildende Kunst, insbesondere das gemalte Bild, wenig bis gar keine Literatur oder Forschung im Zusammenhang mit der Vermittlung an und Rezeption von Kindern zu entdecken ist. Des Weiteren kann ich als Interessensgrund angeben, dass ich den pädagogischen und didaktischen Hintergrund der Kunstvermittlung im Kindesalter untersuchen und beobachten möchte. Da leider zu wenig Zeit und Gelegenheit für eine empirische Untersuchung war, verbunden mit einer Unbedarftheit im empirischen Sektor meinerseits, werde ich versuchen die Fragestellung:

Wie beeinflussen kalte Medien am Beispiel des gemalten Bildes im Museum die heute vorherrschende implosive Kultur und wieweit geht der Bildungsanspruch?

unter Zuhilfenahme literarischer Grundlagen, soweit auffindbar, hermeneutisch zu untersuchen. Im Folgenden gebe ich eine kurze Beschreibung des Aufbaues an, um für den Leser eine kleinen Überblick zu schaffen. Zu Beginn der Arbeit möchte ich eine kurze Begriffsbeschreibung der Medienbegriffe, wie sie bei Marshall Mcluhan verwendet werden, geben. Darauf folgend möchte ich kurz die Temperatur des gemalten Bildes im Museum diskutieren sowie den Begriff der kalten Kultur, wie sie meiner Meinung nach heute vorherrscht. Weiters beschäftige ich mich mit Bildung im Museum, auf der Grundlage von Christine Bäumler. Am Schluss versuche ich dann Zusammenhänge herauszufiltern und meine Forschungsfrage zu beantworten.

Medienwirkung nach McLuhan:

Marshall McLuhan gibt in seinem Werk „Die magischen Kanäle“ eine sehr streitbare und oft als unwissenschaftlich bezeichnete Einteilung von Medien an. Diese Einteilung bezieht sich nur auf die physikalische Dimension von Medien und lässt die semiotische und pragmatische Dimension total außer Acht. Grundsätzlich sind Medien durch eine dimensionale Dreifaltigkeit von Physik, Semiotik und Pragmatik gekennzeichnet, die zu einander in Beziehung stehen und sich gegenseitig beeinflussen (vgl. Swertz 2003, S.4f). Es gibt einige Schwierigkeiten eine genaue Begriffsbeschreibung der heißen und kalten Medien und den damit verbundenen Kulturen anzugeben, da McLuhan selbst dies hauptsächlich anhand von Beispielen macht.

Heiße und kalte Medien

Grundsätzlich: Ein heißes Medium schließt aus, ein kaltes Medium schließt ein. Heiße Medien erfordern von den Benutzern nur geringe Eigen- oder Ergänzungsleistung, kalte Medien hohe. Ein heißes Medium erweitert einen einzigen Sinn mit hohem Detailreichtum. Hoher Detailreichtum bedeutet, daß das Medium die komplette Information liefert, ohne daß dafür die intensive Beteiligung des Benutzers nötig wäre. (McLuhan 2001, S. 192).

Um eine theoretische Erklärung zu versuchen, lässt sich sagen, dass McLuhan nicht direkt zwischen heißen und kalten Medien unterscheidet, sondern eine relationale Differenz aufzeigt. Es geht nur darum, ob ein Medium heißer als ein anderes ist. Somit kann jedes Medium „heiß“ und „kalt“ zugleich sein, entscheidend ist die Beschaffenheit des zu vergleichenden Mediums. Aber was sind nun die Entscheidungsmerkmale für ein heißes bzw. kaltes Medium? Wie im obigen Zitat schon angegeben lässt sich aufgrund des Detailreichtums eine Differenz herausfiltern. Je mehr Details pro Raum in einem Medium bestehen bzw. vom Benützer durch die Erweiterung eines Sinnes ergänzt werden, desto heißer ist es. Eng damit zusammenhängend ist dann auch die Sinnesbeanspruchung. Grundsätzlich gilt: Je mehr Sinne angesprochen werden, desto kälter ist ein Medium, wird bei zwei Medien nur ein Sinn, wie z.B. nur das Auge angesprochen, entscheidet wiederum der Detailreichtum. Ein gemaltes Bild ist also kälter als eine Fotografie, denn bei beidem wird nur ein Sinn beansprucht, das Bild hat aber eine geringere Auflösung als das Foto und lässt dem Betrachter mehr Möglichkeit die Botschaft des Mediums zu ergänzen.

In einem kalten Medium sind die Benutzer aktiver Bestandteil der Seh- und Hörerfahrung. Ein Mädchen, das Netzstrümpfe oder eine Sonnenbrille trägt, wirkt »cool« und sinnlich, denn das Auge ergänzt wie eine über sie streichende Hand deren unvollständiges Bild. Wie auch immer, die überwältigende Mehrheit unserer Technologien und Unterhaltungsformen seit der Einführung der Drucktechnologie war heiß, fragmentiert und schloß eine eigene Beteiligung aus, aber im Zeitalter des Fernsehens registrieren wir eine Rückkehr zu »coolen« Werten und zu der von ihnen geförderten intensiven Beteiligung und Eigeninitiative. Das ist natürlich ein weiterer Grund dafür, warum das Medium die Botschaft ist: Wichtiger als der Inhalt eines speziellen Fernsehbildes ist eben die Eigenart des Fernsehens selbst, durch die man gezwungen wird, aktiv zu werden, und die sich unsichtbar und unauslöschlich in unsere Haut einschreibt. (McLuhan 2001, S. 192f)

Für McLuhan ist klar, dass nicht das Medium die Botschaft nur transportiert, sondern sie selbst sogar ist. „Das Medium ist die Botschaft“ bedeutet, dass der bloße Gebrauch und die Gewöhnung an ein Medium die Gesellschaft beeinflusst und damit die transportierte Botschaft oder der Inhalt zweitrangig wird. Der Inhalt eines jeden Mediums ist immer ein anderes Medium, wie zum Beispiel, „der Inhalt der Schrift (...) Sprache [ist], genauso wie das geschriebene Wort Inhalt des Buchdrucks ist und der Druck wieder Inhalt des Telegrafen ist“ (McLuhan 1994, S. 22). Ein weiteres Merkmal zur Unterscheidung von heißen und kalten Medien ist die Serialität im Unterschied zur Individualität. Das bedeutet, dass ein Medium immer auf die gleiche Weise reproduzierbar ist, wie zum Beispiel der Buchdruck. Im Vergleich mit dem gemalten Bild, das (fast) immer als Einzelstück betrachtet werden kann und nicht so leicht und schon gar nicht auf die gleiche Weise reproduzierbar ist, lässt sich konstatieren, dass der Buchdruck eindeutig heißer ist. Als letztes Merkmal gibt McLuhan noch die Linearität im Unterschied zur Parallelität an. Das Fernsehen z.B. ist ein paralleles Medium, da Handlungsabfolgen gleichzeitig dargestellt werden, wo hingegen in einem Buch Szenen nur nach und nach erzählt werden können, das heißt in eine sequentielle Anordnung gebracht werden. (vgl. McLuhan 1994, S.125; vgl. Swertz 2003, S. 7).
»Tonight« kann nicht auf vielerlei Weisen geschrieben werden, aber Stanislawskij ließ seine jungen Schauspieler dieses Worte (sic!) immer auf fünfzig verschiedene Weisen aussprechen und betonen, während die Zuhörer aus der Ausdrucksweise die verschiedenen gefühls- und bedeutungsmäßigen Nuancen schriftlich festhielten. (McLuhan 1994, S. 125)

Implosive und explosive Kulturen:

Marshall McLuhan unterscheidet nun weiter welche Auswirkungen die jeweiligen Temperaturen auf die Gesellschaft und Kultur haben und benennt diese explosiv bzw. implosiv. Explosive Kulturen werden von heißen Medien bestimmt und beeinflusst, implosive Kulturen von kalten oder kühlen Medien. Die Kultur wird von der Temperatur des Leitmediums bestimmt. So ist zum Beispiel eine Vorlesung das passende Medium für eine explosive Kultur, da sie heiß ist und vom Zuhörer Ergänzung verlangt, ein Seminar bindet dafür den Besucher mehr ein und lässt weniger Interpretationsmöglichkeit, weshalb es kalt ist und passend für eine implosive Kultur. Diese implosiven Kulturen lassen sich durch Dezentralisierung, Koordination von Wissen und sowie einer eigenen Art von Gemeinschaftlichkeit charakterisieren. Explosive Kulturen sind zentralistisch, individualistisch, man kann beinahe sagen pragmatischer (vgl. McLuhan 1994, S. 46ff/ Swertz 2003, S.8f). Stößt nun ein heißes Medium auf eine implosive Kultur, so wird diese nur mit Unverständnis betrachtet. Man kann sagen, dass heiße Medien eine Kultur abkühlen, weshalb man in diesem Zusammenhang von eine kalten Kultur sprechen kann. Wenn nun eine kalte Kultur wie die heutige, die durch das Fernsehen abgekühlt ist, auf ein kaltes Medium wie das Buch stößt, herrscht Ablehnung. Der Rezipient versucht sich Ganzheitlich auf das Medium einzulassen und wird zwangsläufig enttäuscht, da nur ein Sinn angesprochen wird und wenig geboten wird, was einbindet. Man könnte sagen die Phantasie soll angeregt werden, der Betrachter weiß allerdings nicht, wie er das mit seiner Erfahrung vereinbaren soll und ist überfordert. Irgendwann ist, so McLuhan eine Grenze erreicht, an der ein Temperaturwechsel stattfindet. Dies passiert dadurch, dass ein Leitmedium aufheizt oder abkühlt und somit eine bestimmte Eigenschaft hat. Mit dem Aufkommen neuer Medien wird, wenn es nicht schon vorher so war, ein Medium Inhalt eines anderen. Aus dem Fernsehzeitalter ist das Computerzeitalter geworden, was die heutige kalte Kultur allmählich wieder aufheizt. Es entwickelt sich vom heißen Medium Fernsehen hin zum vergleichsweise kalten Medium PC bzw. Computer und heizt die kalte Kultur wieder auf. (vgl. McLuhan 1994, S. 69ff)
Mit der Implosion ist die doppelte Bedeutung von McLuhans bekanntem Satz „Das Medium ist die Botschaft“ deutlich: Zum einen ist gemeint, dass es auf die Wirkung der physikalischen Dimension von Medien und nicht auf die semiotische Dimension (den Inhalt) ankommt. Zum anderen ist gemeint, dass ein Medium ein anderes enthält. (Swertz 2003, S. 9)

Das kalte Medium Bild:

Wie oben schon erwähnt bin ich der Meinung, dass heutzutage eine kalte Kultur, ausgehend vom Leitmedium Fernsehen, vorherrscht. Seit einigen Jahren lässt sich dabei natürlich wieder ein Wandel hin zum kalten Medium Computer und weiters zum Internet beobachten, was aber im Zuge meiner Fragestellung außer Acht gelassen wird. Wie verhält es sich aber mit dem im Museum präsentierten Medium Bild? Aufgrund des hohen Anspruches der Eigeninterpretation und sei es auch nur bei figurativer realistischer Kunst lässt sich das Bild eindeutig als kaltes Medium klassifizieren. Es ist immer schwierig den Inhalt und die Botschaft „einfach so“ herauszulesen und verlangt hohe Beteiligung vom Betrachter. Wenn man nun annimmt, dass die heutige Kultur eine kalte ist, ist umso interessanter, dass gerade in letzter Zeit Medien entstehen und mittlerweile sogar ausgestellt werden, die so gar nicht in die vorausgesetzte Temperatur dieser Gesellschaft hineinpassen. Als Beispiel möchte ich nur das aufkommende Interesse an der Graffiti-Kunst nennen. Vielleicht ist das ein weiteres Zeichen für eine Systemänderung in der Kultur, ausgelöst durch den Computer, das Internet und im speziellen durch Web 2.0, welches nun schon eine hohe Selbstbeteiligung vom Benützer verlangt und somit wiederum ein kaltes Medium im Vergleich zum Fernsehen darstellt. Gerade hier ist die Temperaturbestimmung schwierig und es wird klar, dass McLuhan dies nur in vergleichender Hinsicht angeben konnte, denn am Beispiel Web 2.0 kann man auch feststellen, dass wenig ergänzt werden muss, allerdings trotzdem Linearität vorliegt und, wie gesagt, eine hohe Selbstbeteiligung. Somit ist es im Vergleich zum Buch ein heißes Medium, im Vergleich zum Fernsehen ein kaltes.

Bildung im Museum:

In diesem Abschnitt möchte ich erklären, warum man im Museum von Bildung sprechen kann und welche Qualität diese Bildung besitzt. Als Grundlage dafür soll mir der Text von Christine Bäumler: „Bildung und Unterhaltung im Museum“ dienen, der aufgrund seiner Einteilung sehr gut geeignet ist den Bildungsanspruch eines Museums darzustellen und wenig Veränderung meinerseits bedarf, um dieses Thema auf die von mir gestellte Fragestellung anzuwenden. Grundsätzlich lässt sich die Frage formulieren ob Museen überhaupt als Bildungsinstitutionen in Betracht gezogen werden können. Was und wie lernt man in einem Museum? Die Antwort ist, dass der Bildungsbegriff im Zusammenhang mit der Institution Museum ein sehr unspezifischer ist und daher sehr universell gebraucht werden kann. Dieser Umstand bedeutet auch, dass der „museale Bildungsauftrag“ mehr als eine „schlichte Weitergabe von abfragbarem Wissen“ (Bäumler 2004, S. 17) ist und vielleicht deshalb vielen museumsnahen Pädagogen oder, wie Bäumler sie nennt, „museale Akteure“ die Möglichkeit oder sogar Macht gibt eine exklusive Bildung im Museum anzubieten. Im Folgenden möchte ich nun drei „funktionale Verwendungsdimensionen des musealen Bildungsbegriffs“ (Bäumler 2004, S. 17f) aufzeigen und erläutern, die darstellen sollen, warum im Museum von Bildung gesprochen werden kann. Im Anschluss daran werde ich zwei eng mit dem Kulturraum Museum zusammenhängende Bildungsdimensionen diskutieren.

Das Museum als Wahrnehmungsschule:

Wer ins Museum geht kann unter dem Anspruch sich „ästhetisch“ zu bilden seine Sinne schärfen. Ästhetik in dem Sinne der „aisthesis“ wird verstanden als Lehre der sinnlichen Wahrnehmung oder der „Gesetzmäßigkeit und Harmonie in Natur und Kunst“ (vgl. Duden Fremdwörterbuch7 2001, Dudenverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich). Dem Besucher werden originale Gegenstände zur Betrachtung angeboten, das heißt die Lust des Sehens gefördert. Unter Anleitung kann man sein Auge schulen und dadurch zu ästhetischer Selbsttätigkeit gelangen. Durch die Fixierung auf Gegenstände in einem Museum erhält der Besucher ein physisches Objekt, das er mit dem Auge abtasten kann und in weiterem Sinne „durch den Körper gehen lassen“ kann. Das bedeutet, dass er rein durch Imagination seine Sinne insofern schult, dass er sich vorstellt wie gewisse Dinge sich anfühlen, welche Geräusche sie bei der tatsächlichen Verwendung machen, vielleicht sogar wie sie riechen. Dadurch wird die Erkenntnis des Besuchers durch das Museum und seine Exponate gesteigert und gefördert. Der Besucher hat sogar die Möglichkeit neue Erfahrungen zu sammeln und in sein persönliches Leben einzuknüpfen, denn das Museum bietet ihm sozusagen Erfahrungen aus erster Hand anhand authentischer Objekte, vergleichbar mit dem Erkenntnisgewinn in der Schule, nur auf physischer und nicht theoretischer Basis. Durch die Besonderheit und Rarität der im Museum zur Schau gestellten und oft, im wahrsten Sinn des Wortes, ausgefallenen Objekte bekommt der Mensch einen neuen Blickpunkt auf Technik und in der Auseinandersetzung mit dieser neuen Erfahrung Inspiration für seine eigene Welt. (vgl. Bäumler 2004, S. 18ff) Dies ist der erste Beweis für Bildung im Museum geht man zuerst von der Bildungsforderung von Humboldt aus, die eine Auseinandersetzung mit sich Selbst, der Welt und der Gesellschaft verlangt. Durch das Verständnis vergangener Kulturtechniken setzt der Mensch sich mit der Welt und meist sogar mit einer ihm vorangegangenen Gesellschaft auseinander und erlangt mehr Identität in der Gesellschaft und sich Selbst. Wird er sich nun dieser neuen Erkenntnis in Bezug dieser Dreifaltigkeit des Humboldt'schen Bildungsanspruches bewußt, erfüllt er sogar die erweiterte Auslegung der Bildung von Meder, der ein reflexives Verhältnis dieser drei Komponenten zu sich Selbst, der Welt und Gesellschaft konstatiert. Somit werden die Sinne des Menschen erweitert.
Wenn eine Technik, sei es von innen oder außen, in eine Kultur eingeführt wird und wenn sie dem einen oder anderen unserer Sinne ein neues Gewicht oder einen neuen Auftrieb gibt, dann verschiebt sich das gegenseitige Verhältnis aller unserer Sinne. Wir fühlen uns nicht mehr als dieselben, und auch unsere Augen, Ohren und anderen Sinne bleiben nicht mehr dieselben. (McLuhan 1962, S. 37).

Das Museum als Sinnsicherer:

Die Institution Museum bietet dem Besucher wie bereits an anderer Stelle erwähnt Einblicke in verschiedene Kulturen durch die Darstellung bestimmter Gegenstände und Kunstwerke. Der Betrachter erhält somit Einblick in die Welt wie sie war und ist. In diesem Sinn kann man dem Museum „durch die Produktion von Bedeutungen einen Teil zum kulturellen Gedächtnis und zur historisch verankerten Sinnsicherung einer Gesellschaft beizutragen“ (Bäumler 2004, S. 22) zuschreiben. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen die Kuratoren so genannte Musealisierung (vgl. Bäumler 2004, S. 22) betreiben. Das bedeutet eine gezielte Auswahl zu treffen, was für den Besucher und in weiterer Folge die Gesellschaft relevant und kultursichernd gilt. Dieser Vorgang geht mittlerweile soweit, dass Gegenstände, die vor zehn oder zwanzig Jahren den Alltag bestimmten bzw. ein Teil davon waren, und die die Gesellschaft als Wegwerfprodukt handhabt, hochstilisiert werden und zum Teil aus reiner Nostalgie ihren Weg ins Museum finden. Begründet wird das mit dem Argument, ein Museum sei der Ort an dem vergangener Kultur gedacht und an sie erinnert wird. Dies ist durchaus von kulturellem Wert und bietet dem Besucher einen Einblick in Vergangenes und Vergessenes. Durch die schnelle Technologisierung entstehen immer kürzere Abschnitte, in denen die einzelnen Gegenstände und Kulturtechniken in Vergessenheit geraten. Bäumler gibt ein sehr anschauliches Beispiel des Westfälischen Freilichtmuseums Detmold an, die für ein Projekt im Jahr 2000, Kinder- und Jugendzimmer mit ihrer Original-Einrichtung kauften und zur Besichtigung freigaben, um bei einer Neueröffnung der Ausstellung 2020 sehen zu können, wie in dieser Zeit die Kinder- und Jugendkultur aussah und welche Alltagsgegenstände damals gebraucht wurden. An diesem Beispiel sieht man das Dilemma der Musealisierung deutlich, da offenbar die Tendenz zu scheinbar immer banaleren Gegenständen als Ausstellungsstück geht. Diesem Problem sind am meisten die Kuratoren und Museumsbediensteten, oder wie Bäumler sie nennt „museale Akteure“ (Bäumler 2004, S. 16) unterworfen, die eine scheinbar subjektive Auswahl treffen müssen. Trotzdem gilt es zu beachten, was das derzeitige Verständnis von Bildung beinhaltet. Das bedeutet, dass die Auswahl sowohl aus subjektiv bildungsrelevanter Sicht geschieht als auch aus wirtschaftlichen Aspekten zusammengesetzt wird. Diese wirtschaftlichen Gründe entstehen aus der Nachfrage der Besucher und den derzeitigen Vorstellungen einer Gesellschaft über Kulturgüter. Also nach außen hin scheint eine objektive und konsensgeleitete Auswahl vorzuherrschen, die im Inneren eine subjektive Wertung enthält. Anzumerken ist dabei, dass solche subjektiven Wertungen in jeder Bildungsinstitution bestehen und wahrscheinlich nicht vermeidbar sind. „Museen zeigen Ausschnitte von Welt, sie erzeugen Abbilder von Kultur“ (Bäumler 2004, S. 25) und keinen anderen Anspruch kann ein Querschnitt haben. (vgl. Bäumler 2004, S. 22ff) Der Sinnsicherung wird dabei kein Abbruch getan, da ein Einblick in eine einem selbst vorangegangene Kultur geboten wird, um die eigene Stellung in der Gesellschaft und Zeitgeschichte zu sichern. Der Bildungsanspruch besteht also darin, dass der Mensch über seine kulturelle Herkunft und in diesem Zuge geistigen Entwicklungen mehr erfährt, als in der Schule oder Familie möglich ist, er „betont die geistige Bildung des Menschen und definiert die Aneignung kulturellen Erbes als einen wesentlichen Bestandteil von Bildung“ (Bäumler 2004, S. 27).

Das Museum als Ort des Bedeutungslesens:

Der dritte Aspekt von Bildung im Museum ist der, der wohl am ehesten der Medienpädagogik entspricht. Ganz im Sinne von McLuhan „Das Medium ist die Botschaft“ (vgl. McLuhan 2001) transportieren die Exponate bestimmte Bedeutungen. Diese lassen sich als Förderung kultureller Partizipation in Fähigkeit und Entwicklung deuten. Grundlegend dabei ist der Gedanke, dass Kultur nicht einfach nur angelesen werden kann, sondern auch einer „ikonischen Aneignung“ (Mollenhauer 1987, S. 8) bedarf. Das Ansehen und gleichzeitige oder darauf folgende Interpretieren von Gegenständen und Bildern beschreibt einen Schulungsprozess, der einen Erfahrungsgewinn mit sich zieht und genauso lehrt Zeichen zu verstehen. In diesem Sinne haben die Arrangements von Museen eine Bildungsfunktion, die der des Buches in der frühen Neuzeit entspricht. (...) Die Glas-Vitrine symbolisiert diese Funktion: (...) sie fordert zu intellektueller Tätigkeit auf, zur Anstrengung, aus den einzelnen Ding-Zeichen oder Zeichen-Dingen (...) den bedeutungsvollen Zusammenhang zu konstruieren. Es ist wie beim Lesen von Büchern: Nur wer auch einen geschriebenen oder gedruckten komplexen Satz versteht, ist alphabetisiert (Mollenhauer 1987, S. 8). Dieser Bildungsauftrag der Museen soll den Besucher dazu befähigen selbstständig Objekte zu identifizieren und zu deuten. Der Unterschied zur Schule ist die Gegenstandsbezogenheit, also eine gewisse Praxisnähe im Gegensatz zur schulischen Theorie und des Fremdverstehens. Natürlich benötigt es dazu im Museum auch einer gewissen Anleitung und Beschreibung. Jedes Objekt hat mehrere Anwendungsgebiete und mit etwas Schulung ist Besucher selbst in der Lage diese Gebiete herauszufinden und zu verstehen. Dazu ist eben die oben erwähnte Alphabetisierung des Gegenstandslesens notwendig. „(...) die Weitergabe gesellschaftlichen Wissens, das über den Bereich der Schrift hinaus auch für Zeichen, Bilder und Objekte existiert, kann als ein grundlegender Bestandteil eines Kulturraums ausgemacht werden“ (Bäumler 2004, S. 30). Weil diese Interpretation immer einen subjektiven Charakter hat, da sie vom Vorwissen des Betrachters abhängig ist, hat sie zur Folge, dass der Aspekt dieser Bildungsbedeutung sich auf das Selbst bezieht und nicht vordergründig eine Beziehung zur Gesellschaft herstellt. Erst in weiterer Folge, nachdem der Mensch diese Sinneserweiterung verarbeitet hat, kann sie Auswirkungen auf die Gesellschaft haben.

Die Verschiebung unserer Sinnesverhältnisse, die durch eine Veräußerlichung unserer Sinne zustande kommt, stellt uns aber nicht vor eine Situation, der wir hilflos ausgeliefert sein müssen. Computer können heute für jede mögliche Art von Sinnesverhältnis programmiert werden. Wir können dann genau erkennen, welche kulturellen Annahmen in den Künsten und Wissenschaften sich aus einem solchen neuen typischen Sinnesverhältnis, wie es zum Beispiel das Fernsehen erzeugt, ergeben würden. (McLuhan 1962, S. 249).

Dies lässt auch die Vermutung zu, dass die Befähigung verschiedene Medien auch abseits des Museums zu lesen und deren Botschaft zu verstehen aus der Verschiebung des Sinnesverhältnisses entsteht. Kurz wir verstehen das Medium, das bekanntlich die Botschaft ist.

Bildungsdimensionen:

Hier unterscheidet Bäumler in zwei relevante Dimensionen von Bildung, und zwar der institutionelle und der idealisierte Bildungsbegriff. Die Darstellung der beiden scheint mir wichtig für die Fragestellung zu sein, da hier deutlich wird, welche sozialen Schichten Bildung im Museum in der Vergangenheit und heute anspricht, was in weitere Folge der Frage nach der Rezeption von Kindern Unterstützung leistet. Die institutionelle Bildung im Museum wurde lange Zeit als Faktum gesehen, das sich keiner Kritik stellen muss. „´Das, was in Museen geschieht, bildet`“ (Bäumler 2004, S. 35) war lange Zeit Gesetz. In den 70er Jahren wurde dann versucht eine Öffnung für und Interesse bei allen gesellschaftlichen Schichten zu schaffen. (vgl. Bäumler 2004, S. 35ff) Vielleicht fand genau dadurch, dass diese Art von Bildung, die bisher nur den bildungsprivilegierten Erwachsenen vorbehalten war und vielfach nur unter diesen Anklang fand, eine Zuschreibung statt, die den Bildungswert außer Frage stellte. Wenn die scheinbar klügsten Köpfe auf diese Art von Zeitvertreib setzen, dann muss das Bildung sein, zumindest sagt doch die öffentliche Meinung so. Erst durch die Diskussion und die eigene Erfahrung jedes Einzelnen mit dem gesammelten Medienraum Museum lässt sich diese unreflektierte Bildungsdimension abschütteln und die darin enthaltene Tautologie beseitigen und der wahre Bildungsgehalt feststellen, ohne einer Instanz oder gesellschaftsübergreifenden Meinung, die das ungeprüft voraussetzt. Der idealisierte Bildungsbegriff ist dem institutionalisierten sehr ähnlich, da er auch von einem Selbstverständnis von Bildung auf Seiten der Besucher ausgeht. Allerdings scheint er unreflektierter zu sein und nicht genügend auf die Umstände zu achten. Sein Argument ist das Vorurteil, dass ein Museum auf bildungsbürgerlichen Werten basiert und für breite Bevölkerungsschichten unzugänglich und deshalb mit einem Negativimage besetzt ist. (vgl. Bäumler 2004, S. 37ff) Um ohne Erklärung und Anweisung in einem Museum den Erkenntnisgewinn sicher zu stellen, ist eine gewisse Vorbildung nötig, zumindest der eigentliche Bildungssinn sich selbstständig weiter zu entwickeln. Dem wird aber durch diverse Angebote fast jedes Museums Abhilfe geleistet. Im Speziellen durch Angebote, die auf einzelne Gruppen abgestimmt sind, wie zum Beispiel spezielle Kindergarten- und Volksschulführungen, wird dem elitären Bildungsanspruch eines Museums vorgegriffen. Besonders zu beachten ist hierbei die natürliche Neugier und Fragelust von Kinder, die gerade erst die Welt entdecken und somit zumindest potentiell diesen „elitären“ Bildungsstand einnehmen können.

Resümme:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das eindeutig kalte Medium Bild gerade für die Kinder der heutigen kalten oder implosiven Kultur ein schwer zu erfassendes Bildungsmittel ist, da durch die Dominanz des Fernsehens eine persönliche Beteiligung an der Interpretation von Bildern erschwert wird. Besonders für Kinder, die viel fernsehen und durch diese Technologie gewissermaßen sozialisiert wurden, stellt es eine Schwierigkeit dar, die Geschichten hinter Bildern zu erkennen und anzunehmen, was die Bildungsaufnahme erschwert. Abhilfe leistet hierbei vielleicht ein speziell auf Kinder ausgerichtetes Führungsangebot von Seiten des Museums, welches in den meisten schon seit Jahren besteht, das durch Beanspruchung mehrerer Sinne (Sehen, Hören, ev. Tasten) die Kinder einbindet und das Interesse erweckt. Es geht um eine didaktische Aufbereitung des Seherfahrung, die durch auditive Ergänzung vom Vermittler in Zusammenhang gebracht wird und somit den Zugang für Kinder erleichtert, da mehrere Sinne beansprucht werden, aber dennoch genügend Raum lassen die Phantasie und somit die eigene Beteiligung der Kinder zu fördern. Im besten Falle lässt sich dadurch die Entwicklung, wie oben beschrieben, so beeinflussen, dass durch ständige Systemwechsel die Kultur egal, ob heiß oder kalt, immer neue Formen von Kunst entwickelt, die die Gegenwart und Vergangenheit, vielleicht sogar die Zukunft beschreiben. Immerhin hat das heiße Medium im Museum auch schon seit längerem, zumindest in der modernen Kunst, Einzug gehalten. Eingedenk des Museums als Sinnsicherer, Wahrnehmungsschule und Ort des Bedeutungslesens kann das Museum bei jedem unter der richtigen Anleitung Bildung, Wissen und Verstehen von Medien lehren. In weiterer Folge wird durch die Dominanz visueller Reize ein Bewusstsein und Bedeutungslesen, in einer Kultur, die auf mehrere Sinne fixiert ist und ganzheitliche und dezentrale Ansprüche verfolgt, also eine implosive Ausrichtung darstellt, geschult, was für Kinder, besonders in frühen Jahren, wichtig und bildungsfördernd ist. Dadurch wird auch die Fähigkeit geschaffen, die Welt als Ganze zu sehen, verstehen, deuten und in sich aufzunehmen, was dem klassischen Bildungsverständnis sehr nahe kommt bzw. es sogar erfüllt. Es wird damit Bildung allen Menschen aller Schichten zugänglich macht, solange sie eine Bildungsinstitution besuchen, die die Bildungsangebote der Museen annehmen, was in unseren Breiten (fast) jedem möglich ist.
Der Schöpfungsakt der Kunst bestand in der Vergangenheit, sagen wir seit der Renaissance, im Herausdestillieren von Essenzen. Die Kunst war ein Warenhaus einzigartiger Momente, einzigartiger Wahrnehmungen und nur einem auserwählten Kreis zugänglich. Diese Art von Kunst hat ausgedient, obwohl sie in vielerlei Hinsicht ein preziöses Gut darstellt (...). Man hat begonnen, unsere irdische und außerirdische Welt selbst als Kunstprodukt zu gestalten. (McLuhan 2001, S. 120f)