Welche Bedeutung haben unsere Befunde für Willenshandlungen im Allgemeinen?

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Können wir annehmen, dass andere Willensakte als der einfa­che, den wir untersucht haben, dieselben zeitlichen Beziehungen zwischen unbewussten Gehirnprozessen und der Erscheinung des bewussten Handlungswillens haben? Es ist bei wissenschaftlichen Forschungen üblich, dass man aus technischen Gründen auf die Untersuchung eines Prozesses in einem einfachen System beschränkt ist; und dass man dann feststellt, dass das grundsätz­liche Verhalten, das man in dem einfachen System entdeckt hat, tatsächlich ein Phänomen darstellt, das auch in anderen ver­wandten und komplizierteren Systemen erscheint. Beispiel-weise wurde die Ladung eines einzelnen Elektrons von Millikan an einem isolierten System gemessen, sie gilt aber für Elektronen in allen Systemen. Tatsächlich haben andere Forscher gefunden, dass die BPs anderen, komplexeren Willenshandlungen, wie bei­spielsweise dem Beginn des Sprechens oder Schreibens, vorausgehen; sie untersuchten jedoch nicht den Zeitpunkt des Auftre­tens der bewussten Absicht, solche Handlungen einzuleiten. Wir können uns deshalb gestatten, die Frage zu betrachten, welche allgemeinen Implikationen unsere experimentellen Befunde haben, wenn wir sie als Eigenschaft von Willenshandlungen im Allgemeinen betrachten.

Wir sollten außerdem zwischen den Überlegungen bezüglich der Frage, welche Handlung gewählt werden soll (einschließlich einer vorherigen Planung des Handlungszeitpunkts nach einer solchen Wahl), und der endgültigen Absicht, »jetzt zu handeln«, unterscheiden. Schließlich kann man den ganzen Tag über eine Entscheidung nachdenken, ohne jemals zu handeln. In diesem Fall gibt es keine Willenshandlung. Bei unseren experimentellen Untersuchungen fanden wir, dass bei manchen Versuchen die Versuchspersonen bewusst vorher planten, wann sie ungefähr handeln sollten (etwa in der nächsten Sekunde). Aber selbst in diesen Fällen berichteten die Versuchspersonen Zeitpunkte des bewussten Wunsches, »jetzt zu handeln«, die bei ungefähr -200 ms lagen: Dieser Wert lag sehr nahe bei den Werten, die bei ganz spontanen Willenshandlungen ohne vorherige Planung berichtet wurden. In allen Fällen lag der Beginn des unbewussten Gehirnprozesses (BP) für die Vorbereitung der Handlung deutlich vor der endgültigen bewussten Absicht, jetzt zu handeln.

Diese Befunde wiesen darauf hin, dass die Abfolge der Willensprozesse, die in die Absicht, jetzt zu handeln, einmünden, für alle Willenshandlungen gilt, ungeachtet ihrer Spontaneität oder Vorgeschichte bewusster Überlegungen. Unabhängig von der Gegenwart oder Abwesenheit vorgängiger Überlegungen oder Planungen entsteht der vorbereitende Prozess für das »jetzt handeln« unbewusst, etwa 400 ms vor dem Erscheinen des bewussten Willens, jetzt zu handeln. Der Prozess des »Jetzt-Handelns« scheint unabhängig und gesondert von den Prozessen des Überlegen und Planens zu sein.




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