Diskussion:Die Wissensbilanz und der Cusanus-Club

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Version vom 7. November 2006, 23:04 Uhr von Hofbauerr (Diskussion | Beiträge) (Stellungnahme zum Kommentar von Bernhard Proksch)
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Die weit verbreitete Ablehnung von "Wissensbilanzen" liegt wohl einerseits an der Frage, ob und wie sich Wissen(schaft) messen lässt, andererseits an der Verwendung des Begriffes "Bilanz".

Tatsächlich handelt es sich ja gar nicht um eine Bilanz, nicht einmal in übertragener Wortbedeutung, denn es werden weder Aktiva noch (und das schon gar nicht) Passiva dargestellt, sondern Zielvorgaben und deren Erreichung, an Hand von Indikatoren.

Es handelt sich auch nur zum geringen Teil um wirtschaftliche Indikatoren, sondern großteils um Indikatoren, die im akademischen Betrieb auch bisher eine nennenswerte Rolle spielten. Sie waren nur nicht quantifiziert und schon gar nicht als Zielvorgabe formuliert, sodass deren Kontrolle nicht möglich war.

Auch in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens und der Monopolwirtschaft hat sich gezeigt, dass die Öffnung (Deregulierung) des Marktes eine zunehmende Regulierung der Rahmenbedingunen erfordert. So lange nur ein Anbieter Telefondienste anbot, genügte die staatliche Regelung der Gebühren; seit der Markt dereguliert ist, gibt es einen Regulator, der mit einer Fülle von Rahmenbedinungen und Kontrollen einen fairen Wettberwerb sicherstellen soll.

Eine Deregulierung auf der einen Stufe impliziert Regulierung auf der nächsten. Die Universitäten hatten eine ähnliche Monopolstellung, wie die Telekom-Industrie. Privatisierung und Marktwirtschaft heisst bei ihnen "Autonomie" und Wettbewerb. Dafür müssen sie ihre "assets" in den Griff bekommen. Dabei sind sie in einer ähnlichen Lage wie der Brockhaus Verlag. Ihr "Handelsgut" ist Wissen und in der Firma insgesamt steckt Wissen. (Vergleiche: Puntigamer) --anna 08:09, 27. Okt 2006 (CEST)

In wissensbasierten Unternehmen sind Bilanzen längst nicht mehr aussagekräftig über den nachhaltigen Unternehmenswert. Der Begriff "Stakeholder-Value" drückt aus, dass der nachhaltige Wert eines Unternehmens nicht nur aus dem aktuellen Wert für die Eigentümer ("Shareholder-Value", Börsen-Kurswert) besteht, sondern auch aus Werten für Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, Partner und für die Gesellschaft. Innerbetriebliche Zielvorgaben enthalten daher nicht nur wirtschaftliche Ziele. Als eine geeignete Darstellungsmethode haben sich die "Balanced Scorecards" etabilert. Wie der Name sagt, handelt es sich um ausgewogene Ziele, die den einzelnen Unternehmenseinheiten vorgegeben werden, die dann geeignete Prozesse zur Zielerreichung festlegen. Wirtschaftsergebnis (EBIT, Gewinn) ist nur eines dieser Ziele, und in innovativen Einheiten (z.B. Forschung und Entwicklung) kann dieses sogar negativ sein. Aber unterschritten darf gerade deses Ziel nicht werden, denn das könnte ein Unternehmen ins Schleudern bringen!

Das klingt zwar gut, entspricht aber leider nicht der ökonomischen Realität, denn das wirtschaftliche Ziel heißt nun einmal: Gewinnmaximierung. Eben nicht die Versorgung mit Gütern, nicht das Wohl der Mitarbeiter, nicht zuriedenen Lieferanten, Kunden etc. stehen im Vordergrund, sondern ausschließlich der Gewinn. Natürlich weiß man, dass dieser nicht automatisch entsteht, sondern nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Ohne Arbeit des Personals gibt es nichts, das zu Gewinn werden könnte - daher muss das Personal möglichst zufrieden sein - aber nicht per se - sondern, damit der Gewinn stimmt. Und ökonomisch ist es nicht sinnvoll, Dinge zu tun, die Verluste erzielen. Beispiele hierfür gibt es ausreichend. Und ob ein Unternehmen finanziert oder gekauft wird, bestimmt sich ausschließlich an wirtschaftlichen Zielen und an sonst keinen! Eben das ist das Problem der Anwendung dieses Prinzips auf Universitäten - wenn lediglich die Wirtschaftlichkeit zählt, ergibt sich neben dem Problem der Messung das gesellschaftliche Problem, das es Vieles nicht mehr geben kann - weil es aus ökonomischer Sicht ein Verlust ist. bernhard proksch

Offenbar ist es mir nicht gelungen, meine Botschaft "rüber" zu bringen: ich stimme Bernhard Proksch voll zu, dass ausschließlich wirtschaftliche Ziele über Finanzierung und Kauf eines Unternehmens entscheiden, und dass das Wohl von Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden etc. nicht Selbstzweck ist (von "Versorgung mit Gütern" habe ich übrigens nirgends gesprochen). Um aber nachhaltig Gewinn zu erzielen, sind alle Stakeholders erforderlich. Wer den Wert seiner Produkte oder Dienstleistungen beim (End)Kunden nicht kennt, wer seine besten Mitarbeiter, Lieferanten oder Partner verliert, wer an Behörden und NGO´s vorbei operiert, wird längerfristig keinen Gewinn erzielen.
Würde man dieses Prinzip unverändert auf Universitäten anwenden, ergäben sich tatsächlich Probleme. Das hat schon begonnen beim missverstandenen (missverständlichen) Begriff "Wissensbilanz" und endet bei der Frage, ob Studenten Mitarbeiter und/oder Kunden sind. Würden aber nicht die Gegensätze zwischen Wirtschaft (vor allem jenen Bereichen, die forschen, entwickeln, lehren) und Universität in den Vordergrund gestellt sondern deren Ähnlichkeiten betrachtet, so sehe ich Chancen, von einander zu lernen. Für beide Seiten. --Hofbauerr 23:04, 7. Nov 2006 (CET)

Die Einführung derartiger Zielvereinbarungen, vor allem die Auswahl geeigneter Indikatoren und zugehöriger Prozesse, ist ein iterativer Prozess. Ziele werden in der Regel vorgegeben, doch können realistische Vorgaben nur auf Grund von Erfahrungswerten (IST-Werten) sowie unter Kenntnis des Potenzials der jeweiligen Einheit gemacht werden. Außerdem müssen die für die Umsetzung Verantwortlichen entsprechende Freiräume in der Wahl der Prioritäten sowie beim Einsatz entsprechender Prozesse haben. Es darf auch nicht vergessen werden, dass Zielerreichung nur ein Kriterium für den Erfolg einer Einheit ist, neben internationaler Reputation (sowohl der Einheit als Ganzes als auch ihrer einzelnen Angehörigen, samt seriösen Rankings) und der Entscheidungskraft der Verantwortlichen. Doch wer ist letzlich für den Erfolg verantwortlich? Wohl primär der Leiter der Einheit (hier: der Rektor der Universität) und nur sekundär der Eigentümervertreter (hier: die Behörde), die ja einer autonomen Einheit keine Prozesse vorschreiben kann, also keine Weisungen erteilen darf.

Dem Cusanus-Club kann ich nur raten, den Zeitgeist nicht zu vernachlässigen. Sonst wird er in Bedeutungslosigkeit enden... Zeitgeist ist leider nicht identisch mit dem Primat des Ökonomischen. bernhard--Hofbauerr 19:37, 25. Okt 2006 (CEST)