Grenzfall von Erkenntnis: Unterschied zwischen den Versionen
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Die erste Charakteristik, die Hegel von der "sinnlichen Gewissheit" gibt, unterschreitet (bzw. überschreitet) den Spielraum von Erkenntnis. Was wir sinnlich wahrnehmen unterliegt keinem Zweifel. Eigentlich kann darüber nicht diskutiert werden. Das Motiv ist weithin bekannt: Was die direkte Einwirkung der Umwelt auf die Sinne angeht, ist die betreffende Person umstandslos die letzte Instanz der Behauptung. "Es ist so, weil ich es so sehe/höre/schmecke." Hegel weist darauf hin, dass in dieser Konstellation ein "reines" Ich einem "reinen" dieses da gegenübersteht. | Die erste Charakteristik, die Hegel von der "sinnlichen Gewissheit" gibt, unterschreitet (bzw. überschreitet) den Spielraum von Erkenntnis. Was wir sinnlich wahrnehmen unterliegt keinem Zweifel. Eigentlich kann darüber nicht diskutiert werden. Das Motiv ist weithin bekannt: Was die direkte Einwirkung der Umwelt auf die Sinne angeht, ist die betreffende Person umstandslos die letzte Instanz der Behauptung. "Es ist so, weil ich es so sehe/höre/schmecke." Hegel weist darauf hin, dass in dieser Konstellation ein "reines" Ich einem "reinen" dieses da gegenübersteht. | ||
− | "Hier steht ein Tisch; ich kann ihn sehen und berühren." "Die Sonne scheint, da gibt es keine Frage." Solche Sätze spielen eine eigentümliche Doppelrolle. Sie sehen aus wie Behauptungen - aber sie lassen sich nicht widerlegen. Normalerweise hängen | + | "Hier steht ein Tisch; ich kann ihn sehen und berühren." "Die Sonne scheint, da gibt es keine Frage." Solche Sätze spielen eine eigentümliche Doppelrolle. Sie sehen aus wie Behauptungen - aber sie lassen sich nicht widerlegen. Normalerweise hängen Feststellungen an Gründen, die für sie angeführt werden können. Das scheint in diesem Fall überflüssig zu sein. Woher erhalten sie dann ihr Gewicht? Es kann nur an unserer Bereitschaft liegen, unter bestimmten Bedingungen das gewöhnliche Prüfverfahren auszusetzen. |
+ | Der Regelfall kann das nicht sein, sonst ließen sich Erkenntnisansprüche nicht diskutieren. Dazu sind Gründe und Gegengründe nötig. Die sinnliche Gewissheit bezeichnet man häufig als Fundament des Wissens, die beschriebene Fraglosigkeit erklärt ihre Sonderstellung. Sie hat den folgenden Mangel: ohne einen Aufbau ist das Fundament kein Fundament. Ohne Argumentationsverläufe läßt sich der <i>Wissens</i>anspruch der Ausgangsposition nicht erklären. | ||
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Version vom 24. Dezember 2004, 11:59 Uhr
Die erste Charakteristik, die Hegel von der "sinnlichen Gewissheit" gibt, unterschreitet (bzw. überschreitet) den Spielraum von Erkenntnis. Was wir sinnlich wahrnehmen unterliegt keinem Zweifel. Eigentlich kann darüber nicht diskutiert werden. Das Motiv ist weithin bekannt: Was die direkte Einwirkung der Umwelt auf die Sinne angeht, ist die betreffende Person umstandslos die letzte Instanz der Behauptung. "Es ist so, weil ich es so sehe/höre/schmecke." Hegel weist darauf hin, dass in dieser Konstellation ein "reines" Ich einem "reinen" dieses da gegenübersteht.
"Hier steht ein Tisch; ich kann ihn sehen und berühren." "Die Sonne scheint, da gibt es keine Frage." Solche Sätze spielen eine eigentümliche Doppelrolle. Sie sehen aus wie Behauptungen - aber sie lassen sich nicht widerlegen. Normalerweise hängen Feststellungen an Gründen, die für sie angeführt werden können. Das scheint in diesem Fall überflüssig zu sein. Woher erhalten sie dann ihr Gewicht? Es kann nur an unserer Bereitschaft liegen, unter bestimmten Bedingungen das gewöhnliche Prüfverfahren auszusetzen.
Der Regelfall kann das nicht sein, sonst ließen sich Erkenntnisansprüche nicht diskutieren. Dazu sind Gründe und Gegengründe nötig. Die sinnliche Gewissheit bezeichnet man häufig als Fundament des Wissens, die beschriebene Fraglosigkeit erklärt ihre Sonderstellung. Sie hat den folgenden Mangel: ohne einen Aufbau ist das Fundament kein Fundament. Ohne Argumentationsverläufe läßt sich der Wissensanspruch der Ausgangsposition nicht erklären.
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