Recht, Verstehen, Mehrheit, Macht: Unterschied zwischen den Versionen

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K (Wahrheit, Macht & Anspruch)
K (Wahrheit, Macht & Anspruch)
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Version vom 19. Januar 2006, 22:08 Uhr


Gründe gegenüber Fremdem, "etwas damit anfangen können"


Ich kann Dyde bei dem Vorschlag der Begriffsgrenzen der Toleranz zustimmen. Toleranz kann nicht als ein bloßes Zuschauen und Gewähren lassen aufgefasst sein. Wobei es meiner Meinung nach, zwischen Gewähren lassen und nicht nachvollziehbaren Gründen einen wesentlichen Unterschied gibt. Die von Jakob angeführten „nicht nachvollziehbaren Gründe“ sind für mich genau der Knackpunkt wo Toleranz beginnt. In dem Moment, in dem ich zu der Feststellung komme, dass die Gründe von Handlungen meiner Einsicht verborgen bleiben, beschäftige mich schon mit den Gründen, ich reflektiere etwas, ich weiß zwar noch nicht was ich damit anfangen soll, aber es ist ein Grund da, ich kann ihn zwar für meine Einsicht noch nicht spezifizieren, aber er beschäftigt mich. Ich bin weit über ein „Gafferstadium“ hinaus gekommen. Dieses, sich mit den Gründen Anderer aus einander zusetzen, wäre für mich der Punkt wo Toleranz beginnt. Magdalena, 14.Dez.2005


Nur dass mich die Beschäftigung mit etwas, das ich weder verstehen noch einordnen kann, nicht automatisch zu einem toleranten Verhalten führen wird. Natürlich ist es in vielerlei Hinsicht förderlich, wenn ich über etwas nachgedacht, mich mit etwas beschäftigt oder versucht habe, etwas mir unverständliches in mein Begriffsystem einzuordnen, damit ich etwas "damit anfangen kann". Aber was ich damit anfange, ist damit noch nicht festgelegt. Etwas zu verstehen oder nicht zu verstehen hat, wie sich oft zeigt, keinen Einfluss darauf, wie ich mit der mir zur Verfügung stehenden Macht umgehe. Angewendet auf das obige Beispiel mit dem Hund, würde Macht bedeuten, dass ich es in der Hand habe, die Hausverwaltung zu informieren oder nicht. Ich mag die Situation der alten Frau noch so gut nachvollziehen und verstehen können, die Entscheidung, ob ich in diesem Fall tolerant sein möchte oder nicht, hängt nur zum Teil davon ab. Ich bin zwar überzeugt davon, dass ich etwas so gut wie möglich verstehen sollte, um eine Entscheidung treffen zu können, aber das ist keine Vorraussetzung. Ich kann Unbekanntes und Bekanntes gleichermaßen tolerieren. Ismael, 18.12.2005


Ich stimme mit Ismael insofern überein, als das "Verstehen" eines anderen ohnehin nie absolut sein kann. Es bleibt immer ein mehr oder wenig großer Rest an für mich Unerklärbarem. Aber ich denke, dem stimmt auch Magdalena zu. Nur, Ismael, ich glaube nicht, dass ich gänzlich "Unbekanntes" tolieren kann - das wär dann ja wohl ganz einfach Ignoranz!Oder?

Toleranz hat im Zwischenmenschlichen sehr viel zu tun mit einer inneren, psychischen Autonomie. Fernab von "wegschauen" oder "zuschauen". Ich denke Sie ist ähnlich wie "Glaubwürdigkeit" eng verbunden mit einer inneren moralischen Gefestigtheit und der Stärke, anderes, Fremdes bestehen zu lassen. Vielleicht mit dem Effekt, dass ich mein eigenes Weltbild danach etwas zurechtrücke und meine Positionen überdenke. In den "Mokassins des anderen zu gehen" kann den Horizont unglaublich erweitern.

Insofern passen Toleranz und Rechtsansprüche für mich nicht zusammen. Toleranz lässt sich nicht über Gesetze fördern, wie Berta meint, - sie sind ihr eher hinderlich. Hinter hegemonialen Normen lässt sich's gut verstecken. Und auch sie großzügig zu durchbrechen kann zwar gewagt sein, hat jedoch noch nichts mit Toleranz zu tun. Toleranz beginnt früher: vor diskursiv erzeugten, gesellschaftlichen und rechtsstaatlichen Codes. Es ist ein empfundenes Anerkennen von Verschiedenartigkeiten. Unterschiedliche Standpunkte können und sollen bestehen bleiben aber die Wertschätzung der Andersartigkeit lässt mich auch Auffassungsunterschiede tolerieren. (Talkative, 4.1.2006)


Toleranz beginnt bei nicht nachvollziehbaren Gründen:

  • das ist der Wahrheitsaspekt: man trifft auf Erklärungsmuster (einer Gruppe), die unzugänglich sind
    • darin liegt bereits ein entscheidender Schritt: etwas Fremdes wird als begründbar angesehen
    • aber der Unterschied bleibt: es könnte verständlich sein, aber es ist (im Moment) unverständlich
  • zweitens der Machtaspekt. Die Prüfung von Gründen geschieht in sozialen Zusammenhängen
    • insbesondere innerhalb eines herrschenden Rechtssystems
    • wie steht das Gesetz zu Gründen? Es umreisst einen Verfassungsspielraum und (damit auch) ein Aussen
    • "Macht" hat zwei unterschiedliche Bedeutungen: die Einrichtung eines Rechtssystems und die Nutzung dieses Systems. (Das ist für das Hunde-Beispiel wichtig.)
  • der dritte Aspekt ist die Ethik. Wie geht man damit um, dass ein Ordnungssystem, an dessen Grenzen Unverständlichkeit entsteht, keine juridische Verpflichtung zum Überschreiten dieser Grenzen erzeugen kann?
    • dieser Punkt wird in der Diskussion oft ins Subjektive ("psychische Einstellung") gezogen

--anna 07:52, 13. Jan 2006 (CET)

Im Anschluß an die letzte Vorlesungseinheit und die These, daß das Beispiel mit dem bellenden Hund eher nur im abgeleiteten Sinne ein Beispiel für Toleranz sei, möchte ich versuchen, es ein wenig abzuändern. Zunächst scheint mir diese These dahingehend plausibel, daß in diesem Beispiel eigentlich nur eine innerlich-moralische, nicht aber eine äußerlich-soziale Kollision von Ansprüchen vorliegt, nämlich zwischen jenem, das nervende Gebell im Rückgriff auf geltende Regeln abzustellen, und jenem, daß man der alten Frau nicht ihre letzte Freude im Leben nehmen könne (Sie macht diesen Anspruch ja nicht selbst geltend, indem sie um Nachsicht bittet oder dergleichen). Wenn man so will, besteht also ein Konflikt zwischen dem Anspruch des Eigennutzens und jenem des Gewissens – das macht das Beispiel tatsächlich eher zu einem moralischen, obwohl man aufgrund der Möglichkeit der Machtdurchsetzung gegen das mutmaßliche (vielleicht geht der bellende Hund auch ihr auf die Nerven?) Interesse der alten Frau wohl auch von Toleranz sprechen könnte. Doch die einfache Möglichkeit des Rückgriffs auf das verbindliche Gesetz unterschlägt ein wie ich glaube entscheidendes Moment, das im Konflikt gesetzesartiger Verbindlichkeitsansprüche liegt, der sich in diesem Beispiel bestenfalls zwischen den Gesetzen „Ich setze mein Interesse im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten durch.“ und „Ich nehme Rücksicht auf das Interesse alter Frauen.“ rekonstruieren läßt.

Nun also der Versuch, das Beispiel ein wenig abzuändern. Nehmen wir an: Das Grillen im Hof ist gestattet. Die Staatsgesetze zum Tierschutz des Landes A, in dem wir uns befinden, machen keine spezifischen Vorgaben bezüglich der Legalität oder Illegalität des Verzehrs von Hunden. Im Haus wohnt niemand, der mit den diesbezüglichen sittlichen Gepflogenheiten im Land A näherhin vertraut ist. Eine erst vor kurzem eingezogene Hauspartei, die aus dem Land B stammt, wo das Grillen von Hunden am 15. Januar eine uralte Tradition ist, bereitet im Hof einen Hund zu. Die anderen Hausbewohner, unter ihnen auch der Hauseigentümer, stammen aus dem Land C, wo der Hund ein heiliges Tier ist, und sind demgemäß empört. Sie können unmöglich nachvollziehen, aus welchem Grund man ein heiliges Tier töten und verzehren kann. Es kommt zu einem Konflikt. Der Hauspartei aus dem Land B ist es vollkommen unnachvollziehbar, aus welchem Grund man einen Hund als heilig erachten kann. Sie besteht auf der Durchführung des traditionellen Hundegrillens, ein Abbruch desselben würde sie zutiefst in ihrem Heimatgefühl verletzen. Die anderen Bewohner beraten sich, der Hauseigentümer schlägt vor, den Mietvertrag der neuen Hauspartei aus dem Land B umgehend aufzukünden und so das Problem für die Zukunft aus der Welt zu schaffen. Könnte man im Nicht-Wahrnehmen dieser Möglichkeit bzw. dem Nicht-Ausüben dieser Macht zur Durchsetzung des eigenen Anspruchs ein Beispiel von Toleranz sehen? --Jakob 09:28, 15. Jan 2006 (CET)

Der Hauseigentümer hat nach Voraussetzung das Recht, im Rahmen der Gesetze Mitverträge abzuschliessen. (Das würde ich nur in einem speziell markierten Sinn "Macht" nennen.) In der Ausübung dieses Rechtes ist der Spielraum vorgesehen, dass er sein Eigentum (mehr oder weniger) nach eigenem Gutdünken vermieten darf. Jemanden zuzulassen, der diesen eigenen Vorgaben eklatant widerspricht, scheint mir tatsächlich ein Beispiel für Toleranz als Tugend. Eine Ausnahme ist die "sittenwidrige" Anwendung der Eigentumsfreiheit, gegen die man klagen kann.)

--anna 11:12, 18. Jan 2006 (CET)


Verständnis und Macht: Toleranz billig?

Was das Verhältnis von Gesetz und Toleranz betrifft, so teile ich die Meinung von "Talkative", dass man Toleranz nicht gesetzlich verordnen kann. Allerdings können Gesetze intolerantes Verhalten unterbinden; wenn auch nicht gänzlich, und nur solange bis die intolerante Mehrheit das Gesetz in ihrem Sinne ändert (siehe das neue österreichische Ausländergesetz).

Grundsätzlich denke ich, dass sich Toleranz stets im Umgang einer Mehrheit mit der Minderheit (oder besser im Umgang eines Mächtigen mit einem weniger Mächtigen) zeigt, sei es das Verhältnis zwischen In- und Ausländern, Beschäftigten und Arbeitslosen, Hetero- und Homosexuellen und Abtreibungsbefürworter und -gegnern. Wie tolerant nun der Mächtigere agiert, scheint dabei entscheidend vom seinem Sicherheitsgefühl abhängig zu sein. Ist nicht in vielen Fällen Toleranz eine Tocher der gesicherten Macht? Aus einer sicheren Position heraus lassen sich "tolerante" Handlungen um vieles leichter setzen, im Gegensatz zu einer direkten Konkurrenzsituation, wo das Augenmerk eher auf dem Erhalt der eigenen Machtposition gelegt wird.

Damit wäre allerdings Toleranz lediglich ein freiwilliger, kalkulierter Machtverlust, basierend auf der Sicherheit, dass der eigene Status nicht gefährdet ist. Also im Sinne von: „Ich lasse dir die Freiheit anders zu sein, weil ich mich dadurch nicht bedroht fühle.“ In Magdalena's Beispiel mit dem Hund bestünde die Stärke darin, dass die gewährte "Pseudo-Toleranz" (die eher einer Duldung gleicht) jederzeit widerrufen werden kann, indem das Bellen der Hausverwaltung gemeldet wird. Dass die Toleranz gegenüber Ausländern weniger ausgeprägt ist, mag dadurch erklärt werden, dass letztere bei erfolgreicher Einbürgerung selbst Macht erhalten (Wahlrecht) und sie damit die eigene Machtposition schwächen könnten.

In anderen Worten, dort wo es um nichts geht, weil die Position abgesichert ist, kann Toleranz leicht gedeihen, während in jenen Fällen, wo sie tatsächlich vonnöten wäre, das Gesetz des Stärkeren wieder um sich greift. Spitzl 19:38, 5. Jan 2006 (CET)


Ich meine auch, dass Mehrheiten nicht tolerant gegenüber Minderheiten sind oder sein können. Es ist in den meisten Fällen schlicht Kalkül (Erlaubnis-Konzeption).

Toleranz, denke ich, greift dort, wo ich für den jeweiligen Bereich meine Machtposition verlasse und die Ansprüche versuche, auf ihre Rechtfertigung hin objektiv zu prüfen. Dazu braucht es eine alterozentrierte (nicht altruistische!) Einstellung. Und das ist in unserer Zeit gar nicht cool. Was zählt ist die Marke "Ich" (steht auch für "wir" im Sinne von Parteien, Regierungen, Konzernen, Interessensvertretungen). PR-Strategien dürfen nicht tolerant sein.

Darin sehe ich die große Verantwortung und Chance von Philosophinnen und Philosophen in unserer Gesellschaft: die Demagogie und die Sophismen aufzuzeigen, die hinter vermeintlich toleranten Auftritten für "Integration", "Emanzipation" oder "Wirtschaftshilfe" auftreten. Nicht weil es besser ist gar nichts zu tun, aber weil alle diese Aktionen letztlich macht- und gewinnstrategische Geplänkel bleiben und den Tolerierten wahrscheinlich nur "die Augen auswischen".

Ob Toleranz mehrheitsfähig ist wage ich also - leider - dennoch zu bezweifeln.

(Talkative, 6.1.06, 00:30)


Ganz so hart würde ich es nicht formulieren. Mag sein, dass die Handlung einer Mehrheit gegenüber einer Minderheit (oder wie ich es bevorzuge zu sagen, die Starken gegenüber den Schwachen) nur bedingt die Kriterien von Toleranz erfüllen kann. Eben deshalb, weil das Recht der Stärkeren stets auf ihrer Seite steht und sich damit die tolerante Haltung jederzeit widerrufen lässt.

Allerdings kann diese Möglichkeit des Widerrufs beträchtlich erschwert werden, und zwar durch die Macht der Gesetze. Ein Gesetz zum Schutz von Minderheiten, das z.B. in der Verfassung verankert ist, kann nicht einfach von einer Regierung mittels einfacher Mehrheit revidiert werden. In diesem Sinne könnte man sagen: Der Grad der Toleranz (in dem Fall die eines Gesetzes bzw. der Mehrheit die ein Gesetz befürwortet) steigt mit der Schwierigkeit, mit der dieser gewährte Machtverlust wieder rückgängig gemacht werden kann. Ist dies gar nicht möglich, kann tatsächlich von einem altruistisch geprägten vollkommenem Toleranzverhalten gesprochen werden.

In diesem Sinne können, so wie ich das sehe, etwa verfassungsmäßig abgesicherte Akte, mit denen die Stärkeren den Schwäreren Zugeständnisse einräumen, schon als tolerant angesehen werden.

Spitzl 16:22, 7. Jan 2006 (CET)

Ich kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, warum eine Handlung nur "bedingt tolerant" ist, wenn sie widerrufen werden kann. Dabei denke ich jetzt natürlich an das Hundebeispiel, bei dem eine zusätzliche Komplikation mit im Spiel ist: Ich kann zwar (vorläufig?) darauf verzichten, den Hund zu melden, aber ich habe nciht die Macht, die Hausordnung zu ändern (ich kann es höchstens in einer Mieterversammlung beantragen). In dieser Situation ist die "vorübergehende Duldung" das "toleranteste", was ich tun kann.
Diese Problematik läßt sich aber genausogut auf ein Antidiskriminierungsgesetz umlegen: Eine Regierung kann in der Lage sein, ein solches zu verabschieden, aber gleichzeitig außerstande, ihm Verfassungsrang zu geben. --H.A.L. 14:59, 12. Jan 2006 (CET)

Du hast wahrscheinlich Recht, Spitzl: Toleranz gegen Minderheiten lässt sich nur über eine obere legislative Instanz erreichen. Das zieht natürlich auch den Wunsch nach sich, dass sich diese Einstellung im Staat verbreiten möge.

In einer haben-orientierten Gesellschaft, so wie es die der westlichen Welt sind, halte ich das jedoch für schwierig, wenn nicht unmöglich. Je mehr staatlich geregelt ist, desto mehr sucht doch ein jeder, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen, seinen Einfluss, seinen Status, seinen Besitz aufzuwerten. Wo bleibt da der Blick auf den anderen, den sozial oder gesellschaftlich schlechter gestellten? Ich frage mich, warum die Menschen in den skandinavischen Ländern so stolz sind auf ihr Sozialsystem – warum sie mit so einer Begeisterung und Selbstverständlichkeit horrende Steuerbeträge abführen?

Ich denke, dass die einzige Chance für eine post-säkulär aufgeklärte Gesellschaft in einem aufgewerteten Bildungssystem bestehen kann – ein Bildungssystem das bewusst den anderen Budgetposten vorgezogen behandelt wird. Und damit sind wir wieder bei der Gesetzgebung und bei der jeweiligen Regierung, deren Räson doch wieder nur aus ideologischen und machtpolitischen Strategien genährt wird.

Immer mehr bin ich nun also der Meinung, dass Toleranz vorwiegend im privaten Bereich verankert ist und sein kann. Wenn viele tolerante Privatpersonen dann öffentliche Ämter bekleiden, besteht auch für Toleranz im öffentlichen Bereich eine bescheidene Möglichkeit zum Gedeihen. ... so stellt sich das kleine ich-bin-ich die Welt vor! :-)

(Talkative, 8.1.06)


die Machtposition verlassen und die Rechtfertigung der Ansprüche prüfen

Gehen wir davon aus, dass es sich nicht um eine Willkürherrschaft handelt, sondern um einen Rechtsstaat. Er beruht auf Gründen, d.h. auf gesellschaftlich tragfähigen Wahrheiten. Was wird damit ausgeschlossen? Dimensionen, die Gründen nicht zugänglich sind (Verantwortung von Tieren) und Bereiche, mit deren Gründen "man nichts anfangen kann".

Vertreterinnen eines Rechtsordnung sollte man nicht unqualifiziert "Machtrausch" vorwerfen. In dieser Abstraktion verschwindet der Unterschied zwischen Willkür und Rechtlichkeit. Insofern ist anzuerkennen, dass innerhalb einer Rechtsordnung eine gewisse Abgesichertheit, eine Überlegenheit der herrschenden Ordnung besteht.

Der Schritt zur Toleranz ist dann lokalisierbar. Er liegt nicht dort, wo die Rechtsordnung verlassen wird, sondern wo "fremde Gründe" geprüft werden. Wo also zugestanden wird, dass es zum herrschenden Rechtssystem gehört, begründbar, das heisst auch, in seinen Umrissen revidierbar zu sein.

Dieses Eingeständnis führt nicht von selbst zu einer Änderung oder Erweiterung des status quo. Zwei typische Konstellationen:

  • das Paradoxon der Toleranz: Akzeptanz einer Unwahrheit
  • die Integration der Unauflösbarkeit von Wahrheitsdisputen in die Gesellschaftordnung; Liberalismus

--anna 08:20, 13. Jan 2006 (CET)


Toleranzspielraum

ich bin etwas erstaunt, dass hier meist von "der Toleranz" als einer messbaren oder begreifbaren entität die rede ist. was ich noch gerne verstehe ist, wenn jemand sagt "A ist/sind gegenüber C toleranter als B" (z.b.: A="Frauen" B="Männer" C="Langsamfahrern") - ich behaupte mal, da sind sich die meisten einig was das heisst. weiters vermute ich die meisten beitraege hier verwenden "Toleranz" in etwa in dieser bedeutungsweise. als gradmesser (jmd. sollte toleranter sein, je toleranter desto besser ...). jedoch vermischt sich dann eine ethische sichtweise(was gut und was schlecht ist) mit dem gradmesser zu einem Konstrukt(e.g. maximum is best) - einer scheinbar absoluten entität namens "die Toleranz". wer kann aber schon sagen was dann "die Toleranz" eigentlich ist, bzw. worauf sie sich bezieht - da gehen dann die meinungen weit auseinander. ich wuerde als aufgabe fuer philosophInnen (Talkaktive oben) etwas vorsichtiger formulieren: sie haben die ausbildung/fähigkeit begriffe und ihre verwendung zu hinterfragen um z.b. verschleierte machtinteressen aufzudecken. "Toleranz" scheint mir ein vokabel zu sein hinter dem sich sehr gut verschiedenste interessen verstecken lassen.

im zusammenhang mit "Toleranz und Rechtsanspruch" interessiert mich hier besonders einen andere bedeutung von "Toleranz" - vorwiegend in technischem zusammenhang gebraucht (z.b.: http://www.metalltechnik-online.de/javascripts/online-pass-w.htm ) - nämlich die als "spielraum". ein recht kann in anspruch genommen werde oder nicht. "ein polizist ist bei der verkehrskontrolle gegenueber grundwehrdienern toleranter als ... - er kann in einem gewissen spielraum verordnungen mehr oder wehniger streng anwenden". wenn ich einer gruppe gegenueber tolerant bin - lasse ich ihr spielraum.

mnu 14:21, 9. Jan 2006 (CET)

Ich verstehe offengestanden noch nicht ganz, inwiefern die Bedeutungsdimension des Toleranzspielraums hier tatsächlich einen entscheidenden Fortschritt (im von mnu nahegelegten Sinn) markiert. Das Eingangsbeispiel war ja „Frauen sind gegenüber Langsamfahrern toleranter als Männer“. Das könnte man so rekonstruieren: Sowohl Männer als auch Frauen erheben den Anspruch, daß Langsamfahrer eine Plage sind (sonst wäre es sinnlos von Toleranz zu sprechen), wobei Frauen in höherem Maße bereit sind, diesen Anspruch nicht im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Macht durchzusetzen (also etwa durch Fluchen, Drängeln, Schußwaffengebrauch oder Gesetzesinitiativen gegen Langsamfahrer, wenn sie Verkehrsminister sind). Ebenso kann der Polizist wie du sagst sein Recht in Anspruch nehmen (den von ihm vertretenen Anspruch durchsetzen, daß Raser zu bestrafen sind) oder auch nicht (wobei ich nicht unbedingt glaube, daß das ein besonders glückliches Beispiel für Toleranz ist). Die Bedeutungsdimension des Spielraums ist wie mir scheint auf beide Beispiele anwendbar. Ich verstehe also nicht ganz, inwiefern die beiden Ansätze gegensätzlich sein sollen bzw. der Ansatz des Spielraums nicht auch ein Versuch wäre, Toleranz als „Entität“ (im weitesten Sinne, d.h. in diesem Fall als spezifische Verhaltensstruktur) „begreiflich“ zu machen. --Jakob 22:15, 17. Jan 2006 (CET)

Der Gedanke mit dem 'Spielraum' ist für mich sehr ansprechend und ich möchte ihn gleich noch erweitern und sowas wie einen zweiten Spielraum einräumen, der die zu tolerierende Gruppe betrifft. Denn ich kann nicht nur in der Verordnung strenger oder weniger streng sein, sondern auch bei der Zuordnung zu gewissen Gruppen großzügiger sein bzw. sie genauer unterteilen. Vielleicht wäre so z.B. jemand der statt den erlaubten 100 km/h "nur" 80 km/h fährt noch aus dem Bereich 'Langsamfahrer' auszuschließen und nicht generell 'die Moslems' oder 'die Christen' anzuprangern sondern die 'extremistischen M./Chr.'. Der zweite Spielraum beschreibt nun sozusagen meine Toleranz im Bezug auf die Personengruppe, die (nicht) zu tolerieren ist.

--Lucia 19:57, 11. Jan 2006 (CET)

Ich sehe hier den zweiten Spielraum nicht ganz. Ich definiere/erfasse eine Gruppe von Personen, die andere Meinungen haben als ich (zb "Christinnen"), diesen lasse ich einen gewissen Spielraum, innerhalb dessen sie sich bewegen können, ohne daß ich ein Problem mit ihren Meinungen bekomme; damit ergibt sich quasi von selbst eine Unterscheidung zwischen Leuten, die sich innerhalb dieses Spielraums aufhalten und solchen, die außerhalb davon stehen, für die letzteren kann ich dann den Begriff "Extremistische Christen" einführen...

--H.A.L. 10:28, 12. Jan 2006 (CET)


Zum Thema Spielraum. Das ist deshalb eine wichtige/schwierige Ergänzung, weil es genau nicht mit Wahrheit und Ethik zu tun hat. Es entsteht innerhalb einer oftmals notwendigen Unschärfe bestehender Regelungen, Begriffe etc. "Wie lange soll die Seminararbeit sein?" "Ungefähr 10 Seiten." Was nun der Spielraum dieser Aussage ist, ergibt sich ohne einen Diskurs über Gründe oder Anerkennung. Er hängt natürlich von der Seitengröße, der Schrifttype, dem Zeilenabstand etc. ab, aber das sind alles Konventionen. Natürlich gibt es Situationen, in denen es ernst wird. Jemand reicht 50 Seiten, einzeilig geschrieben, ein. "Das sind nicht "ungefähr 10 Seiten!" Damit geraten wir in den Bereich der "Extra-Legalität".

--anna 08:29, 13. Jan 2006 (CET)

ein Resumee

Für mich sehr interessant ist, wie gut man bei der hier angeschnittenen Thematik einige meiner Meinung nach äußerst wichtige und auch sehr aktuelle Problemfelder erkennen kann:

1. Die "Markierung": Hier offenbaren sich die vorhandenen Machtverhältnisse am deutlichsten. Diejenigen, die bestimmen oder überhaupt in der Lage sind zu diskutieren, wer nun genau in den "Genuss" kommt, toleriert zu werden, sind immer in einer überlegenen Situation. Allein dass es möglich ist, die Frage nach einer Art Verteilung der Toleranz zu erörtern, stellt an sich schon ein gutes Beispiel für Intoleranz dar. Eine Gruppe, mit weniger (sozialer, politischer, etc.) Macht bzw. mit weniger symbolischem Kapital ausgestattet, wird von der sich an der Macht befindenen Gruppe "markiert", also definiert und bestimmt. Nach der Zuschreibung gewisser Attribute, die die bestimmende Gruppe für charakteristisch und wahr hält, stellt sich nun die Frage, wie diese abweichenden Merkmale nun zu dem passen, was die Gruppe, die sich in der Machtposition befindet, für ihre eigenen Charakterisitika hält. Dass sich zu diesem Zeitpunkt die Frage der Toleranz aber in Wahrheit schon nicht mehr stellt, da das Bestimmen und Definieren bereits ein Akt der Intoleranz war und das "Ausgangsprodukt" für eine allfällige Toleranzdiskussion, das ja nicht aus einem diskursiven und demokratischen Prozess, sondern im Gegenteil, aus einer hierarchischen und an sich undemokratischen Situation entstanden ist, nicht der eigentlichen Situation der machtlosen Gruppe entspricht, kommt in so gut wie keiner Diskussion vor. Natürlich ist auch die machtlose Gruppe in der Lage zu markieren, allerdings hat diese Form der "Underdog - Markierung" keine gesellschaftliche Relevanz, d.h. sie hat keinen oder wenig Einfluss auf die Gestaltung eines gesamtgesellschaftlichen Komplexes.

2. Der "Spielraum": Der Begriff des Spielraums paßt sehr gut zum Begriff der Markierung, da der Begriff des Raums schon eine Abgrenzung vorgibt. Es gibt bestimmte Grenzen, die von der "tolerierten" Gruppe nicht überschritten werden dürfen. Diese Grenzen gehen aus der Fremd - und Selbstzuschreibung von vermeintlichen Eigenschaften sowohl der machthabenden wie auch der machtlosen Gruppe hervor. Sie sind ein Kompromiss: zwar passen gewisse Eigenschaften nicht in den Wertekanon der mächtigen Gruppe, so lange sie sich aber in einem abgesicherten Bereich bewegen - dem Spielraum - ist es möglich, diese zu tolerieren. Diese Grenzen sind der eigentliche Gegenstand der Toleranzdiskussionen, die auch z.B. in Österreich stattfinden und sind gleichzeitig Schauplatz sozialer Kämpfe und Auseinandersetzungen um Macht (auch um Macht der Zuschreibung von Eigenschaften).

Meiner Meinung nach geht es in den aktuellen Diskussionen um Toleranz nie darum, wirkliche Toleranz, also Anerkennung einer als gleichwertig erkannten Position mit den zugehörigen Machtinstrumenten, walten zu lassen. Dafür wäre eine unvoreingenommene Ausgangssituation auf allen Seiten notwendig, wie auch das Verlassen einer durch vorgefertigte Machtverhältnisse gestalteten Bühne. Ob dies auf der Ebene von konkurrierenden Gruppen möglich ist, wage ich aber zu bezweifeln, da bereits das Vorhandensein bzw. das Wahrnehmen von Gruppen Ausdruck von Macht, und nicht von Unvoreingenommenheit ist. Die Hinterfragung der eigenen Position und das Hinterfragen - Lassen durch andere in einem möglichst neutralen Rahmen sind möglicherweise die Vorraussetzungen, um zu wirklicher, beidseitiger, Toleranz zu gelangen. Da dies nur dann möglich ist, wenn man von der eigenen Macht Abstand nimmt, halte ich es dennoch für utopisch, dass es jemals zu einer solchen aufgeklärten Situation kommen sollte. Ismael - 12. Jan 2006, 13:45


"da das Bestimmen und Definieren bereits ein Akt der Intoleranz war"

Ich würde vorsichtiger formulieren. Zwar gilt "omnis determinatio est negatio", aber das betrifft nicht umstandslos die Toleranz. Um etwas für wahr halten zu können, brauchen wir das Instrument der Zurückweisung. ("Die Donau besteht nicht aus Bier.") Toleranz benötigt Wahrheit und Macht in einem spezifischen Verhältnis.

  • wenn Wahrheit nichts anderes ist, als Machtausübung, stimmt der obige Satz zwar, die Frage ist dann allerdings, aus welcher Position noch von Intoleranz gesprochen werden kann
  • denn Intoleranz bezieht sich auf einen Mangel, der nur mit Hilfe der Unterscheidung zwischen Wahrheit und Macht beschrieben werden kann. Intoleranz heisst, fremde Gründe aus der Hausmachtsposition heraus zu unterdrücken

"Anerkennung einer als gleichwertig erkannten Position"
"unvoreingenommene Ausgangssituation auf allen Seiten"

Das wäre z.B. der herrschaftsfreie Diskurs von Habermas. Wie immer man dazu steht, in ihm ist das Thema "Toleranz" jedenfalls abgeschafft. Im (idealtypischen) wissenschaftlichen Verfahren spielt Toleranz keine Rolle, weil jede Person das Recht auf ihre Gründe hat. Das führt übrigens direkt zu Rudolf Carnap. Die Schwiergkeit dieser Position kann man dann in der Quine - Davidson - Diskussion sehen.

Sofern man aber den Aspekt der Macht einbezieht, wird der herrschaftsfreie Diskurs natürlich aufgehoben. (Interessant: Habermas spricht von der Macht des besseren Arguments.) In diesem Zusammenhang sollte man den vorauseilenden Relativismus vermeiden, dem gemäß alle Herrschaftsformen gleich und gleich gut begründet sind.

  • Dann beginnt man nicht bei einer tabula rasa, sondern bei einem spezifischen Begründungszusammenhang
    • fremde Gründe begegnen sind relativ dazu
  • auch der "veil of ignorance" (J. Rawls) ist ein spezifischer Begründungszusammenhang
    • das macht ihn nicht weniger plausibel, im Gegenteil. Er macht es schwer, etwas anderes als plausibler zu sehen

--anna 08:53, 13. Jan 2006 (CET)


Wahrheit, Macht & Anspruch

„denn Intoleranz bezieht sich auf einen Mangel, der nur mit Hilfe der Unterscheidung zwischen Wahrheit und Macht beschrieben werden kann. Intoleranz heisst, fremde Gründe aus der Hausmachtsposition heraus zu unterdrücken“

Ich würde zwar nicht in Abrede stellen wollen, daß uns eine plump verstandene Identität von Wahrheit und Machtausübung nicht weiter bringt, bin aber nicht ganz sicher, ob sich die Möglichkeit eines zunächst einmal nicht im Detail spezifizierten Nahverhältnisses von Wahrheit und Macht so einfach zurückweisen läßt. Vielleicht unterliege ich auch bloß einem Mißverständnis, daher hier mein Gedankengang:

Wahrheitsansprüche können sich gegenseitig ausschließen (daß in der Donau Wasser fließt schließt aus, daß sie ein Strom aus Bier ist). Macht läßt sich verstehen als das Vermögen, solche Ansprüche gegen den Widerstand anderer Ansprüche durchzusetzen (A setzt seine Auffassung, daß die Donau ein Strom aus Bier ist gegen Bs Auffassung durch, sie sei ein Strom aus Bier. Freilich: Die Frage, ob sie tatsächlich ein Strom aus Bier ist, ist damit möglicherweise noch nicht berührt. Man wird fragen müssen, was hier „durchsetzen“ bedeutet. Daß B schweigt? Daß A sich sicherer ist als zuvor, daß er recht habe? Daß andere glauben, A habe recht? Daß nun auch B glaubt, die Donau sei ein Strom aus Bier? Hier zeigt sich die bereits in der Vorlesung angesprochene Bezugsrahmen-Abhängigkeit von Macht. Die plump verstandene Gleichung Wahrheit = Durchsetzung eines Machtanspruches erklärt so gesehen gar nichts.

Argumentieren ließe sich aber, daß im oben verwendeten Beispiel das Moment der Wahrheit gerade darin liegt, über Bs „durchgesetzten“ Anspruch hinauszugehen, daß die Donau ein Strom aus Bier sei. Dies Hinausgehen (die Donau ist in Wahrheit gar kein Strom aus Bier) aber ist selbst ein Anspruch. Kurzum: Das Verhältnis von Anspruch, Durchsetzungsmacht und Wahrheit ist komplizierter.). Toleranz bestünde nun im Verzicht auf die mögliche Durchsetzung eines Wahrheitsanspruches (Ich bin mir der Widersprüchlichkeiten, in die diese Definition treibt, bewußt, doch das sind eben jene Widersprüchlichkeiten, die ich noch immer im Toleranzbegriff selbst sehe und noch nicht als ausgeräumt zu betrachten in der Lage bin.), oder, negativ formuliert: „Intoleranz heisst, fremde Gründe aus der Hausmachtsposition heraus zu unterdrücken“. Wenn also Toleranz heißt, die Macht zur Unterdrückung der fremden (falschen) Gründe durch die eigenen (wahren – denn in dieser Distribution scheint mir ein wesentliches Moment der Toleranz zu liegen: Wenn die Gründe des anderen nicht falsch und meine nicht wahr sind, bedarf es gar keiner Toleranz.) nicht auszunutzen, so verstehe ich nicht ganz, inwiefern die „Unterscheidung“ von Wahrheit und Macht vorausgesetzt ist. Vielleicht habe ich jedoch auch nicht recht verstanden, was Sie mit „Unterscheidung“ meinen. Könnten Sie das vielleicht erläutern? --Jakob 08:36, 15. Jan 2006 (CET)


D'accord: Behauptungen sind Ansprüche, die gesellschaftlich abgearbeitet werden können/müssen. Die Grenze zwischen jenen Ansprüchen, die sich durch Machtausübung durchsetzen (z.B. permanente Wiederholung im TV), und den anderen, für die "bloss" ihre Wahrheit spricht, ist vermutlich in den meisten Fällen fliessend. In meiner Sicht erlaubt der Unterschied zwischen "Das hat sich durchgesetzt, weil jemand 20 Millionen Euro gezahlt hat" und "Das hat sich durchgesetzt, weil die sachorientierte Diskussion zu einem Konsens geführt hat" einige Gedankenschritte, die mit der Verschleifung der Differenz verlorengehen.

Ist ein Wahrheitsanspruch immer mein Wahrheitsanspruch - und damit ein individueller Zug in einem Machtspiel? Ja und nein. Eine Person muss dahinter stehen, aber - vorausgesetzt meine Unterscheidung - spielt sie ein anderes Spiel, wenn sie, z.B. im Gegensatz zu Kandidatur für den Nationalrat, etwas behauptet. Toleranz würde ich nicht so definieren, dass es der Verzicht auf die mögliche Durchsetzung eines Wahrheitsanspruches (s.o.) ist. Auf die Regeln der "Durchsetzung" von Wahrheitsansprüchen kann man nicht verzichten - sie stehen nicht zur Disposition! Toleranz besteht aus dem Verzicht auf die herrschaftliche Unterbindung der Folgen "fremder" Wahrheitsansprüche in einem sozialen Setting.

--anna 11:36, 18. Jan 2006 (CET)


Meine Formulierung mit dem Wahrheitsanspruch war zugegebenermaßen unglücklich (nämlich weil ich erst erläutern hätte müssen, in welchem breiten Sinn ich Wahrheit hier zu verstehen geneigt bin). Was verstehen Sie unter den „Folgen“ von Wahrheitsansprüchen? Alles, was auf sie als Gründe rekurriert (also: „Folgen“ als Inferenzen)? Ich würde diese „Folgen“ neuerlich als Wahrheitsansprüche verstehen, insofern sie sich auf die Geltung des ursprünglichen Anspruches gründen und diesen damit gewissermaßen fortführen (nicht ganz aber doch auch im Sinne der inferentiellen Vererbung bei Brandom).

Ihre Definition „Toleranz besteht aus dem Verzicht auf die herrschaftliche Unterbindung der Folgen "fremder" Wahrheitsansprüche in einem sozialen Setting.“ würde ich - wenn ich sie richtig verstehe - nicht im Gegensatz zu meiner sehen, da ich die „herrschaftliche Unterbindung der Folgen "fremder" Wahrheitsansprüche“ selbst als einen Anspruch erachten würde (nämlich einen Wahrheitsanspruch, der sich gegen das taugliche Fungieren der fremden Wahrheitsansprüche als Grund für die sich darauf gründenden Folgeansprüche richtet). Folglich wären wir wieder beim Verzicht auf die mögliche Durchsetzung eines Anspruchs.

Daß man auf die Regeln der Durchsetzung von Wahrheitsansprüchen verzichten könnte, habe ich glaube ich nicht behauptet (obwohl ich auch das nicht kategorisch ausschließen würde). Die „Durchsetzung“ eines Wahrheitsanspruches kann aber wie mir scheint sehr wohl – wenn auch meistens nur in einem relativ eingeschränkten Maß – zur Disposition stehen (allerdings kann und muß man, wie ich schon versucht habe zu erläutern, „Durchsetzung“ sehr unterschiedlich verstehen). So kann ich doch in einem „sozialen Setting“ (aus einer solchen Angabe des Kontextes zeigt sich schon ein wenig, was in diesem Kontext „Durchsetzen“ heißen kann) darauf verzichten, meinen Wahrheitsanspruch (daß der fremde falsch ist) gegen einen fremden Wahrheitsanspruch (oder dessen Folgen) durchzusetzen (was mir das „soziale Setting“ prinzipiell ermöglichen würde, weil ich etwa mit der Akzeptanz meines Anspruches rechnen kann). Oder habe ich da etwas mißverstanden? --Jakob 22:08, 19. Jan 2006 (CET)





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