Diskussion:Telepräsenz (PhÜD): Unterschied zwischen den Versionen
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Von Walter Benjamin kann man erfahren, dass die Aufgabe der Übersetzerin darin liegt, nicht nur das “Gemeinte”, sondern auch die “Art des Meinens” zu übertragen [[https://margretmillischer.files.wordpress.com/2013/09/walter_benjamin_die_aufgabe_des_uebersetzers.pdf]], also das Wie des Meinens; mit Wittgenstein könnte man sagen: die “Lebensform”. Benjamin zufolge sei es angebracht, ''wortwörtlich'' zu übersetzen, um auf die Unterschiede der Weisen des Meinens in der jeweiligen Sprache aufmerksam zu machen. Schlechte Übersetzungen seien jene, die bloße die Mitteilung übertragen. | Von Walter Benjamin kann man erfahren, dass die Aufgabe der Übersetzerin darin liegt, nicht nur das “Gemeinte”, sondern auch die “Art des Meinens” zu übertragen [[https://margretmillischer.files.wordpress.com/2013/09/walter_benjamin_die_aufgabe_des_uebersetzers.pdf]], also das Wie des Meinens; mit Wittgenstein könnte man sagen: die “Lebensform”. Benjamin zufolge sei es angebracht, ''wortwörtlich'' zu übersetzen, um auf die Unterschiede der Weisen des Meinens in der jeweiligen Sprache aufmerksam zu machen. Schlechte Übersetzungen seien jene, die bloße die Mitteilung übertragen. | ||
− | Medien sind Vermittler und das Vermittelte ist immer eine Übersetzung. Ein Sachverhalt an einem bestimmten Ort wird von Mitarbeiterinnen von Medieninstitutionen in Texte und Bilder verwandelt. Diese werden, in elektrische Signale | + | Medien sind Vermittler und das Vermittelte ist immer eine Übersetzung. Ein Sachverhalt an einem bestimmten Ort wird von Mitarbeiterinnen von Medieninstitutionen in Texte und Bilder verwandelt. Diese werden, in elektrische Signale transformiert und durch Empfangsgeräte wieder rückverwandelt und von verschiedenen Beteiligten unter mehr oder weniger großem Zeitdruck selektiert und editiert, dann erneut in elektrische Signale verwandelt, die, unter Mithilfe von verschiedensten Institutionen und Technologien, an Endgeräte übertragen werden und schlussendlich den Bildschirm im Wohnzimmer zum Leuchten bringen, Es ist naheliegend, dass durch den Anspruch, den Sachverhalt für die Konsumenten zugänglich zu machen, das Gemeinte in der Art dasselbe geblieben ist, wie die Übersetzung von “Brot” in “pain”. Gerade dies macht aber nach Benjamin eben eine schlechte Übersetzung aus, da das Wie des Meinens, die Assoziationen, welche die jeweiligen Wörter “Brot” im Deutschen und “pain” im Französischen herausfordern, genauso wie das Aufblitzen der realen Höllenfeuerrakete und das Aufblitzen auf dem Bildschirm, zerfetzte Trommelfelle und Leiber und Onomatopoesien und Pixelhaufen, keine Berücksichtigung finden, unsichtbar gemacht wird. |
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+ | ::Eine Vermittlung ist nicht unbedingt eine Übersetzung im Benjaminschen Sinn. Die Radio- oder TV Livereportage will und kann ein Ereignis nicht in dem Sinn übersetzen, dass es 1:1 wiedergegeben wird. Das unterscheidet sich davon, dass der Gebrauch des Terminus "pain" in vielen Fällen genau derselbe sein soll, wie jener von "Brot". | ||
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+ | ::Es ist zwar richtig, dass in einer ''Übertragung'' auch die Besonderheit des Mediums beachtet werden sollte, wie die Weise des Meinens beim Übersetzen. Aber die Kenntnisnahme der technischen Spezifika des Vermittlungsprozesses ist zu unterscheiden vom Wissen davon, dass ''das Übertragene'' andere Konnotationen hat, als das zu Übertragende. | ||
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+ | ::Darum würde ich die Art des Meinens auch nicht mit der Wittgensteinschen Lebensform parallelisieren. Worte zwischen zwei Sprachspielen zu korrelieren kann auf ''doppelte Weise'' verstanden werden. Einmal als Angabe eines möglichst passenden Äquivalents ("Übersetzung"), dann aber auch ohne diesen Anspruch, sozusagen als Export. Das wären z.B. Fremdworte ("peer review", "grunge") oder Performativa ("stop", "o.k."). Davon zu unterscheiden sind dann noch übertragene Verhaltensweisen. Wenn z.B. im Dezember in Zentralafrika "Leise rieselt der Schnee" gesungen wird. | ||
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+ | --[[Benutzer:Anna|anna]] ([[Benutzer Diskussion:Anna|Diskussion]]) 16:57, 10. Mai 2016 (CEST) | ||
Auf die von Benjamin vorgeschlagene Herangehensweise wurde von Seiten der Übersetzer ablehnend reagiert und genauso ablehnend stehe ich der Schlussfolgerung gegenüber, dass die Fernseher in den Wohnzimmern explodieren sollten, um eine “wortwörtliche” Übertragung zu gewährleisten. Worauf ich allerdings mit dem Gesagten hinweisen möchte ist, dass Benjamin einen Gedanken formuliert hat, der für die oben vorgestellte Problemstellung relevant sein könnte: Auch wenn die Unterschiede von der schlechten Übersetzung unsichtbar gemacht werden, weil es manchmal nicht anders geht, sollte doch niemals vergessen werden, was da eigentlich unsichtbar gemacht wird. Denn in der Differenz stecken normative Ansprüche, die in dem Maße ignoriert werden, in dem die Übersetzung einfach als solche hingenommen wird. | Auf die von Benjamin vorgeschlagene Herangehensweise wurde von Seiten der Übersetzer ablehnend reagiert und genauso ablehnend stehe ich der Schlussfolgerung gegenüber, dass die Fernseher in den Wohnzimmern explodieren sollten, um eine “wortwörtliche” Übertragung zu gewährleisten. Worauf ich allerdings mit dem Gesagten hinweisen möchte ist, dass Benjamin einen Gedanken formuliert hat, der für die oben vorgestellte Problemstellung relevant sein könnte: Auch wenn die Unterschiede von der schlechten Übersetzung unsichtbar gemacht werden, weil es manchmal nicht anders geht, sollte doch niemals vergessen werden, was da eigentlich unsichtbar gemacht wird. Denn in der Differenz stecken normative Ansprüche, die in dem Maße ignoriert werden, in dem die Übersetzung einfach als solche hingenommen wird. |
Version vom 10. Mai 2016, 15:57 Uhr
Telepräsenz und "entfernte Nachbarschaft"
Bisher wurden im Rahmen der “Tele-Präsenz” räumliche und zeitliche Aspekte behandelt. Mein Anliegen in diesem Eintrag ist, eine moralische Konnotation von “Nähe” zur Diskussion beizutragen, die mit der Erweiterung der technischen Möglichkeiten einhergeht.
Was ein Dorf als solches auszuzeichnen scheint ist eine Art “Nachbarschaft”. Im Sinn der bisher erörterten “Tele-Präsenz” möchte ich diese wie folgt beschreiben: Nachbarschaft ist ein Zustand zwischen enger Vertrautheit, wie etwa zu Familienmitgliedern, und Distanz, wie etwa zu einem Menschen, mit dem einen nichts verbindet. Die Spannung im Ausdruck “globales Dorf” liegt meiner Meinung nach darin, dass der Begriff “Nachbarschaft”, der hier konnotiert zu sein scheint, hier hoffnungslos überbeansprucht wird. Welcher Mensch ist dermaßen “upgraded”, dass er die Welt, die ihm plötzlich zugänglich ist, auch zu schultern vermag? Selbst trivialste moralische Imperative wie “Liebe die Nächsten wie dich selbst” werden subvertiert, indem die Kognitionsfähigkeit des Menschen durch die Globalität hoffnungslos überlastet wird (vgl. Jansen et al. 2012 15ff). Ein “globales Dorf”, im Sinn einer “Nachbarschaftlichkeit” scheint es aufgrund dieser Überforderung nicht realiter geben zu können, denn es fehlt der Blick von oben auf die gesamte Weltgemeinschaft und dementsprechend ist nicht zu erwarten und auch nicht zu verlangen, dass ein Individuum sich seiner globalen Vernetzungen vollkommen bewusst sein kann (vgl. Coeckelbergh 2011).
Von diesem Einwand gegen die Möglichkeit einer “weltumfassende Nachbarschaftlichkeit” möchte ich übergehen zu technischer Mediation: Prinzipiell scheint es meiner Meinung nach eine unterstützenswerte Überzeugung zu sein, dass die aktuellen Übertragungs- oder Transzendierungstechniken einen Zustand ermöglichen, der eine “als-ob-Nachbarschaft” vorstellbar macht. Gleichzeitig möchte ich behaupten, dass diese “Nachbarschaftlichkeit” durch genau dieselben Technologien verkompliziert, wenn nicht sogar verunmöglicht wird.
Um diese Behauptung zu verdeutlichen möchte ich ein Beispiel vorstellen: In demselben Maße wie es möglich geworden ist, eine Zielperson von einem mehrere tausend Kilometer entfernten Punkt der Erde aus zu observieren oder, wie im Fall der UAVs, auch zu eliminieren, wird “Nähe”, im Sinn der “Nachbarschaft”, verunmöglicht.
Wie bekommt ein Anwesender den Abschuss einer Zielperson in seiner (physischen) Nähe mit? Der Knall eines im Gefecht detonierenden Sprengkörpers ist dermaßen laut, dass er Trommelfelle zerreißen kann. Die Explosion zerfetzt einen Körper und lässt blutige Klumpen übrig. Gerade wenn Zivilisten sich in der Nähe befinden, hört man Schreie, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen, man sieht fassungslose Gesichter und spürt die Panik, die das Ereignis auslöst. Besonders, wenn der Angriff im wahrsten Sinne des Wortes aus heiterem Himmel kommt. Ich kann mir vorstellen, dass man als Zeuge eines solchen grauenhaften Spektakels irgendwann aufhört, gen Himmel zu blicken, um keinen Schlag von oben herauszufordern.
Was von dem bekommen die Steuernden der UAVs mit? Die Onomatopoesie “Splash!”, die der sensor operator von sich gibt, wenn eine Detonation erfolgt ist, zerreißt kein Trommelfell, Die Auflösung der Kameras, durch die das Geschehen überwacht wird, ist nicht hoch genug, um mehr als nur Pixelhaufen erkennen zu lassen. Die Schreie, die Verzweiflung, die Überraschtheit, die Panik, die Angst; nichts von alledem ist für die Beobachter erfahrbar.
Noch weniger erfährt eine sich irgendwo anders auf dem Globus befindliche Person, die die Vorgänge nur aus den Medien kennt. Der Sachverhalt wird zu einem Punkt auf der Landkarte, der mit meist plakativen Vorstellungen verbunden ist. Diese Vorstellungen basieren, sogar noch mehr wie die der UAV-Pilotin, auf einer Reduktion des Sachverhalts auf bestimmte Aspekte. Die Bilder in den Massenmedien sind “sauberer” als die, die ein physisch Anwesender wahrnimmt.
Ich möchte behaupten, dass diese Reduktion dazu beiträgt, dass von einem “sauberen Krieg” zu sprechen Methode wird. Auch wenn unter “sauberer Krieg” gemeinhin verstanden wird, dass weniger Kriegsverbrechen vor Ort begangen werden (Misshandlungen, Folter, Vergewaltigungen, usw.), die mit zum Grausigsten gehörten, was bisherige Kriege angeht, und dass weniger Zivilisten getötet werden, weil die Technologien es zulassen, fast schon wie mit einem Skalpell zu operieren, gehört auch der oben genannte Aspekt mit dazu, ist vielleicht sogar der dominierende.
Die vermeintliche “Sauberkeit” scheint dazu zu führen, dass Sachverhalte verharmlost werden, die, machte man sich ein umfassenderes Bild, nur unberechtigerterweise verharmlost werden können. Es scheint, als könne man bei allem mitmachen, solange die Sache in dem beschriebenen Sinn “sauber” ist, so wie etwa die Deutsche Bundesregierung, die den US-Amerikanern erlaubt, von der Militärbasis Ramstein aus, also auf deutschem Territorium, Verarbeitungsprozesse ablaufen zu lassen, die essentiell für Einsätze der UAVs sind. Auf diesen Sachverhalt angesprochen wird auf die starke Bündnispartnerschaft zwischen den USA und Deutschland verwiesen (Deutscher Bundestag - Drucksache 18/2794 10). Man stelle nur Sachtechnik zur Verfügung, ohne dass von deutschem Boden aus Einsätze gesteuert oder befehligt werden (ebd. 8). Der Oberbefehlshaber der Air Force in Europa (USAFE), Gen. Frank Gorenc, spricht von der großen Unterstützung Europas, die notwendig ist, um zeitnah und jederzeit zum Einsatz bereit sein zu können ([1]). Das zeugt von einem Vertrauen der Deutschen Bundesregierung dem Bündnispartner gegenüber, das schier unerschütterlich wirkt. Dieses Vertrauen fußt aber, so scheint es, nur darauf, dass lediglich die unaufregende Lautmalerei “Splash!” und ein pixeliges Video zirkulieren und keine Säcke mit Leichenteilen.Wenn alles sauber ist, ist der Komplize der “Bündnispartner”. Warum verursacht der Sachverhatl der Mittäterschaft nicht mehr Unbehagen in der Regierung und der Bevölkerung? Meiner Meinung nach liegt es daran, dass die Option zu wissen, was sich da genau abspielt, welche nur durch eine Reduktion erreichbar wird, auf die selten bis nie hingewiesen wird, vergaukelt, dass dadurch eine Nähe erzeugt werden kann zu den Ereignissen, die, wie eingangs erwähnt, eigentlich nicht erreichbar ist. Die Bilder erzeugen gerade soviel Empathie in den Medienkonsumenten, um genug Nähe vorzugaukeln, damit der Wunsch nach weiterem Konsum der Medien erzeugt wird, aber zu wenig Nähe, um den Sachverhalt wirklich adäquat erfahrbar zu machen.
Dass eine “Nachbarschaft” im oben beschriebenen Sinn des “globalen Dorfes” erzeugt wird, scheint eine Illusion zu sein. Während durch die Möglichkeiten des Zeigens der Sachverhalte in großer Distanz vorgegaukelt werden soll, dass es sich bei den Gezeigten um “entfernte Nachbarn” handelt, scheint doch eher - ich bitte um Verzeihung für das etwas banale Wortspiel - Nachbarschaft entfernt, also verunmöglicht zu werden. Die vermeintlich vermittelte Nähe wird durch die Vermittlung proportional wieder zurückgenommen. Die Spannung, die im Ausdruck “globales Dorf” liegt, scheint genau in diesem Zustand des Wollens von Nähe bei gleichzeitiger Verkomplizierung oder gar Ausschließung der Nähe durch die Habhaftwerdung durch Reduktion, die notwendig ist, um der Sachverhalte kognitiv habhaft zu werden, zu bestehen.
Nun könnte man den Einwand machen, dass eine bessere Auflösung der Kameras, mehr den Sachverhalt betreffende Informationen, dabei helfen könnten, die Spannung aufzulösen und ein echtes “Nachbarschaftsgefühl” entstehen zu lassen. Im Moment gibt es z. B. Pläne für ein Fluggerät namens “Soalr Eagle” ([2]), das für sehr lange Zeit in der Luft bleiben kann und für eine hochauflösende Kamera namens “Argus” ([3]).
Doch: kann dadurch wirklich das Gefühl der “Nachbarschaftlichkeit” erzeugt werden? Ist nicht das Verhältnis solange asymmetrisch - und damit einer Nachbarschaft unzuträglich - solange auf der einen Seite des Zaunes alles von oben überblickbar ist, die Eindrücke jedoch, die sich dadurch ergeben, notwendigerweise für den Konsum in der beschriebenen Weise reduziert werden müssen, während auf der anderen Zaunseite nicht gesehen wird, wer einen sieht, dafür allerdings kein Überblick mehr möglich ist wegen des Chaos, das vor Ort herrscht? Darf Krieg einseitig dermaßen “verharmlost” werden? Ist es nicht zuträglicher für eine “Nachbarschaft”, wenn das Grauen, unter dem die Nachbarin leidet, für den Beobachter schier unerträglich wird? Sind nicht alle Überzeugungen, Meinungen, Initiativen auf der “sauberen” Seite zwar lobhaft, wenn trotz der verharmlosenden Reduktion so gehandelt wird, als-ob das Grauen wirklich erfahrbar wäre, diese Erfahrbarkeit allerdings ein Betrug zu sein scheint? Müsste man dem Diktum Nietzsches folgend, dass der Abgrund zurückblickt (Nietzsche 1968 98), sich nicht dem Blick des Ungeheuers Krieg stellen, um von einer wirklich Nachbarschaft, einem wirklich “gloabeln Dorf” sprechen zu können? Ist dieses sich-dem-Blick-Stellen nicht schon vorab verkompliziert durch die Schwierigkeit oder gar Unmöglichkeit, Ereignisse auf globaler Ebene hinreichend verarbeiten zu können? Zerreißt die Spannung die zusammengesetzten Begriffe “globales Dorf” und “distante Nachbarschaft”?
Literatur:
Coeckelbergh, Mark - Infromation Technology, Moral Anxiety, and the Implosion of the Public Spehre: A preliminary Discussion of the MacLuhanian Problem of Responsibility; https://moodle.univie.ac.at/pluginfile.php/2052809/mod_resource/content/1/76.pdf
Deutsche Bundesregierung (2014) - Drucksache 18/2794: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Niema Movassat, Sevim Dağdelen, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE; http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/027/1802794.pdf
Jansen, Stephan/Stehr, Nico/Schröter, Eckhard []Hrsg.] (2012) - Positive Distanz: Multidisziplinäre Annäherungenan den wahren Abstand und das Abstandwahren in Theorie und Praxis; Springer; Wiesbaden
Nietzsche, F. (1968) - Jenseits von Gut und Böse; de Gruyter; Berlin
Euphon (Diskussion) 14:30, 14. Apr. 2016 (CEST)
Medien und Übersetzungen
Von Walter Benjamin kann man erfahren, dass die Aufgabe der Übersetzerin darin liegt, nicht nur das “Gemeinte”, sondern auch die “Art des Meinens” zu übertragen [[4]], also das Wie des Meinens; mit Wittgenstein könnte man sagen: die “Lebensform”. Benjamin zufolge sei es angebracht, wortwörtlich zu übersetzen, um auf die Unterschiede der Weisen des Meinens in der jeweiligen Sprache aufmerksam zu machen. Schlechte Übersetzungen seien jene, die bloße die Mitteilung übertragen.
Medien sind Vermittler und das Vermittelte ist immer eine Übersetzung. Ein Sachverhalt an einem bestimmten Ort wird von Mitarbeiterinnen von Medieninstitutionen in Texte und Bilder verwandelt. Diese werden, in elektrische Signale transformiert und durch Empfangsgeräte wieder rückverwandelt und von verschiedenen Beteiligten unter mehr oder weniger großem Zeitdruck selektiert und editiert, dann erneut in elektrische Signale verwandelt, die, unter Mithilfe von verschiedensten Institutionen und Technologien, an Endgeräte übertragen werden und schlussendlich den Bildschirm im Wohnzimmer zum Leuchten bringen, Es ist naheliegend, dass durch den Anspruch, den Sachverhalt für die Konsumenten zugänglich zu machen, das Gemeinte in der Art dasselbe geblieben ist, wie die Übersetzung von “Brot” in “pain”. Gerade dies macht aber nach Benjamin eben eine schlechte Übersetzung aus, da das Wie des Meinens, die Assoziationen, welche die jeweiligen Wörter “Brot” im Deutschen und “pain” im Französischen herausfordern, genauso wie das Aufblitzen der realen Höllenfeuerrakete und das Aufblitzen auf dem Bildschirm, zerfetzte Trommelfelle und Leiber und Onomatopoesien und Pixelhaufen, keine Berücksichtigung finden, unsichtbar gemacht wird.
- Eine Vermittlung ist nicht unbedingt eine Übersetzung im Benjaminschen Sinn. Die Radio- oder TV Livereportage will und kann ein Ereignis nicht in dem Sinn übersetzen, dass es 1:1 wiedergegeben wird. Das unterscheidet sich davon, dass der Gebrauch des Terminus "pain" in vielen Fällen genau derselbe sein soll, wie jener von "Brot".
- Es ist zwar richtig, dass in einer Übertragung auch die Besonderheit des Mediums beachtet werden sollte, wie die Weise des Meinens beim Übersetzen. Aber die Kenntnisnahme der technischen Spezifika des Vermittlungsprozesses ist zu unterscheiden vom Wissen davon, dass das Übertragene andere Konnotationen hat, als das zu Übertragende.
- Darum würde ich die Art des Meinens auch nicht mit der Wittgensteinschen Lebensform parallelisieren. Worte zwischen zwei Sprachspielen zu korrelieren kann auf doppelte Weise verstanden werden. Einmal als Angabe eines möglichst passenden Äquivalents ("Übersetzung"), dann aber auch ohne diesen Anspruch, sozusagen als Export. Das wären z.B. Fremdworte ("peer review", "grunge") oder Performativa ("stop", "o.k."). Davon zu unterscheiden sind dann noch übertragene Verhaltensweisen. Wenn z.B. im Dezember in Zentralafrika "Leise rieselt der Schnee" gesungen wird.
--anna (Diskussion) 16:57, 10. Mai 2016 (CEST)
Auf die von Benjamin vorgeschlagene Herangehensweise wurde von Seiten der Übersetzer ablehnend reagiert und genauso ablehnend stehe ich der Schlussfolgerung gegenüber, dass die Fernseher in den Wohnzimmern explodieren sollten, um eine “wortwörtliche” Übertragung zu gewährleisten. Worauf ich allerdings mit dem Gesagten hinweisen möchte ist, dass Benjamin einen Gedanken formuliert hat, der für die oben vorgestellte Problemstellung relevant sein könnte: Auch wenn die Unterschiede von der schlechten Übersetzung unsichtbar gemacht werden, weil es manchmal nicht anders geht, sollte doch niemals vergessen werden, was da eigentlich unsichtbar gemacht wird. Denn in der Differenz stecken normative Ansprüche, die in dem Maße ignoriert werden, in dem die Übersetzung einfach als solche hingenommen wird.
Zu behaupten, dass die Welt eine Bühen sei, ist in der Hinsicht die zynische Devise derer, die die Augen des Publikums auf das Bühnenbild lenken wollen, um vom Theater abzulenken.
Euphon (Diskussion) 12:53, 1. Mai 2016 (CEST)