20.11.2013 Fink, Bruce (2012): Wider den Verstehenszwang. Weshalb Verstehen nicht als wesentliches Ziel der Psychoanalyse aufgefasst werden sollte: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Neben dem Psychoanalyse Seminar besuche ich eines zum Philosophen Castroriadis. Er scheint einen ähnlichen Zugang wie Lacan oder Fink zu haben wenn er den freudschen Satz: '''„Wo Es war, soll Ich werden“''' (Freud) mit '''„Wo Ich bin, soll Es auftauchen“''' | + | Neben dem Psychoanalyse Seminar besuche ich eines zum Philosophen Castroriadis. Er scheint einen ähnlichen Zugang wie Lacan oder Fink zu haben wenn er den freudschen Satz: '''„Wo Es war, soll Ich werden“''' (Freud) mit '''„Wo Ich bin, soll Es auftauchen“''' ersetzt (Vgl.: Castoriadis: Sinn der Autonomie. Das Individuum. In: ''Gesellschaft als imaginäre Institution.'' Frankfurt am Main: Suhrkamp 1984, S. 172ff.). Auch er scheint mir damit die Erkenntnis- und Verstehensmöglichkeiten des Menschen als beschränkt anzusehen. Castoriadis geht es also nicht um die Beherrschung durch das Bewusstsein (Fink dazu S. 196: "Das analytische Vorhaben [...] schließt es ein,[...] dass wir ''nicht'' Herren im eigenen Haus sind [...]") , sondern um die (bewusste aber gesellschaftskritische) Realisierung des Unbewussten. Allerdings besteht Castoriadis an dieser Stelle auf eine gesellschaftliche Komponente: die individuellen Phantasmen entstehen auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Imaginären. |
'''Was haltet ihr von dieser Interpretation des Textes:''' Das Unbewusste ist nicht rational verstehbar, weil es sich bei diesem eben gerade um etwas Irrationales handelt. Der Mehrdeutigkeit der Gefühle, Fantasien usw. ist niemals gerecht zu werden, indem sie erklärt wird. Indem das Unbewusste mit einem Anspruch von Klarheit angegangen wird, ist dasjenige was ihm gerade wesentlich ist, die Mehrdeutigkeit, ausgelöscht. | '''Was haltet ihr von dieser Interpretation des Textes:''' Das Unbewusste ist nicht rational verstehbar, weil es sich bei diesem eben gerade um etwas Irrationales handelt. Der Mehrdeutigkeit der Gefühle, Fantasien usw. ist niemals gerecht zu werden, indem sie erklärt wird. Indem das Unbewusste mit einem Anspruch von Klarheit angegangen wird, ist dasjenige was ihm gerade wesentlich ist, die Mehrdeutigkeit, ausgelöscht. |
Version vom 17. November 2013, 15:11 Uhr
Mich erinnert Finks Beitrag an eine Diskussion, die mir im Bereich der Psychoanalyse bereits schon aufgefallen ist: nämlich die Frage danach, was eine entscheidendere Rolle für Veränderungen im psychoanalytischen Prozeß spielt -> die emotionale Erfahrung oder die Erinnerungen. Meint Fink, dass das Verstehen als Hindernis wirken kann, wenn das Verstehen im reinen "kognitiven Verstehen" ("oberflächliches Verstehen") bleibt, also nicht den Kern der Person trifft und somit zu einer emotionalen Erfahrung wird (eine Veränderung, "die man bis in die Knochen spürt). In welcher Beziehung steht das "oberflächliche Verstehen" einerseits und das "tiefer gehende Verstehen" andererseits in Finks Beitrag zu der emotionalen Erfahrung und der Erinnerung (an Ereignisse, an Traumata etc.)? Ich denke, dass das Verstehen immer ein Doppeltes ist, so wie Kognitionen nicht allein für sich stehen, sondern auch von emotionalen Zuständen begleitet sind. Was kann nun unter Verstehen genau verstanden werden? Welche Rolle spielt die emotionale Erfahrung in der Übertragung im Sinne eines Wiedererleben infantiler Konflikte? Vor allem, wo lässt sich dieses Phänomen in Finks Argumentation verorten? Fink meint, dass jegliches Verstehen als "schlichtweg falsch anzusehen ist", und verweist auf das Imaginäre Register; er erwähnt auch Freud, der meinte, dass nach erfolgreichen Analysen oft nicht genau gesagt werden konnte (von Seiten der Analysanden), was passiert sei oder warum. Auf welcher Grundlage erfolgt im Sinne von Lacan die Veränderung im psychoanalytischen Prozeß? --S (Diskussion) 18:56, 15. Nov. 2013 (CET)
In welchem Verhältnis steht der Trieb zum Realen? In welchem Verhältnis der Wunsch zum Genießen? --S (Diskussion) 18:56, 15. Nov. 2013 (CET)
Kommentar
Neben dem Psychoanalyse Seminar besuche ich eines zum Philosophen Castroriadis. Er scheint einen ähnlichen Zugang wie Lacan oder Fink zu haben wenn er den freudschen Satz: „Wo Es war, soll Ich werden“ (Freud) mit „Wo Ich bin, soll Es auftauchen“ ersetzt (Vgl.: Castoriadis: Sinn der Autonomie. Das Individuum. In: Gesellschaft als imaginäre Institution. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1984, S. 172ff.). Auch er scheint mir damit die Erkenntnis- und Verstehensmöglichkeiten des Menschen als beschränkt anzusehen. Castoriadis geht es also nicht um die Beherrschung durch das Bewusstsein (Fink dazu S. 196: "Das analytische Vorhaben [...] schließt es ein,[...] dass wir nicht Herren im eigenen Haus sind [...]") , sondern um die (bewusste aber gesellschaftskritische) Realisierung des Unbewussten. Allerdings besteht Castoriadis an dieser Stelle auf eine gesellschaftliche Komponente: die individuellen Phantasmen entstehen auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Imaginären.
Was haltet ihr von dieser Interpretation des Textes: Das Unbewusste ist nicht rational verstehbar, weil es sich bei diesem eben gerade um etwas Irrationales handelt. Der Mehrdeutigkeit der Gefühle, Fantasien usw. ist niemals gerecht zu werden, indem sie erklärt wird. Indem das Unbewusste mit einem Anspruch von Klarheit angegangen wird, ist dasjenige was ihm gerade wesentlich ist, die Mehrdeutigkeit, ausgelöscht.
Das wäre vielleicht auch eine Antwort auf den obigen Beitrag von S. Für das Unbewusste gibt es kein oberflächiges oder tieferes Verstehen und Verstehen ist auch nicht falsch, sondern vielmehr unangemessen. Verstehen fasst nie das, was in seinem Kern nicht verstehbar und rationalisierbar ist. Castoriadis dazu: "Ebenso stellt der Begriff einer dem Subjekt eigenen Wahrheit eher ein Problem dar denn eine Lösung" (Vgl.: Castoriadis: ebda., Seite 176). Selbst wenn ich all das Unbewusste in mir verstünde, wäre ich es noch nicht los, würde es weiter in mir wirken.
Hier schließt sich dann natürlich das Problem des Relativismus an. Wie damit umgehen, dass etwas nicht auf den Punkt gebracht werden kann, sich jeder Definition, jeder abschließenden Beschreibung usw. entzieht?--Thanu (Diskussion) 13:30, 17. Nov. 2013 (CET)