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unabhängig voneinander entwickelt werden.

Version vom 22. September 2005, 12:06 Uhr

Hegel, quer durch die Instanzen. Ein Erfahrungsbericht

--anna 14:40, 20. Sep 2005 (CEST)

Vermittlung

Oper im Fernsehen. Die Übertragung beruht auf einer klaren Rollenverteilung. Einerseits ist eine Vorführung definiert, andererseits ein Distributionssystem, das den Inhalt "unter die Leute bringt". Es liegt nahe, das Verhältnis des "Lernstoffes" zu seiner Verbreitung in Lehrbüchern und eLearning-Plattformen ähnlich aufzufassen. Die Vermittlung des Wissens bedient sich diverser Instrumente. Fernsehen und Plattformen erweitern den konventionellen Kreis der Adressatinnen (m/w) beträchtlich.

"Vermittlung" ist ein zentraler Begriff in Hegels Philosophie. Mit ihm verbindet sich eine starke These über die Beschaffenheit des Vermittelten. Die Umstände der Ausarbeitung einer Position sind Teil ihres Inhaltes selbst. Im Fernsehen verändert die Oper ihren Charakter; sie schwebt nicht als Partitur über den Aufführungsmodalitäten. Hegels Philosophie läßt sich als markante Station der europäischenGeistesgeschichte betrachten, als Bildungsgut, das auch mit neuen Mitteln überliefert werden kann. Der folgende Bericht setzt den Akzent anders. Es geht um ein Projekt, in dem Hegel als Teil des klassischen Philosophiecurriculums den Bedingungen und Nebenwirkungen des aktuellen Trends zum eLearning ausgesetzt wurde. Drastisch gesprochen: der Zugang zum Denken war vom Instrumentarium digitaler Gruppenkommunikation mitgeprägt.

Die Werke Hegels nicht als ungefragte Weisheit zu übernehmen heißt in diesem Szenario, einen eigenen Weg zu ihren Themen zu finden und zwar mit Blick auf pädagogische Hilfsmittel, die erst seit Kurzem existieren und sich in rascher Folge entwickeln. Die Unterbestimmtheit gilt doppelt: die Bedeutung der Hegelschen Philosophie steht zur Disposition, während die technischen Mittel sich im Teststadium befinden. Einer der prominentesten deutschen Hegel-Forscher, Herbert Schnädelbach, fragt "Warum Hegel?" und konstatiert, dass man seine Philosophie nicht mehr vertreten kann.

Ich habe nichts gegen Hegel-Veranstaltungen, wenn dabei deutlich wird, dass es sich bei dieser Philosophie um einen schönen, aber ausgeträumten intellektuellen Traum handelt, und dass wir nicht im Stande sind, in der Perspektive des Absoluten zu philosophieren. Die Gefahren des Historismus, Relativismus oder Nihilismus mögen uns schrecken, aber deswegen haben Hegel und der Hegelianismus noch lange nicht recht. (Information Philosophie 4, Oktober 1999, S. 76)

Ein anderer Fachmann vergleicht die Beschäftigung mit Hegel den Reminiszenzen einer langen, einsamen Winternacht: welchen Einfluss hatte eine Frau, von der man seit 10 Jahren geschieden ist, auf das eigene Leben. (Horstmann, European Journal of Philosophy 7:2, 275) Unter diesen Voraussetzungen mag es vermessen erscheinen, ein eLearning Projekt zu Hegel durchzuführen. Die vorliegenden Ergebnisse sind fragmentarisch. Dennoch erweisen sich die damit ausgeklösten Lernprozesse als instruktiv.

Lernplattform

Im Studienjahr 2002/03 wurde eLearning an der Universität Wien erst von einer Hand voll "Pionieren" praktiziert. Mailing Listen und generische Werkzeuge zur Gruppenkommunikation (z.B. BSCW-Server) kamen zum Einsatz, integrierte "Lernplattformen" waren aus der Literatur bekannt. Die Absicht, des vom Autor angebotenen Projektseminars lag darin, die Funktionalität und Verwendbarkeit einer solchen Plattform im Philosophieunterricht zu testen. Dazu wurde auf einem Server des Institutes "ILIAS" in der Version 2 installiert. Die Software bot u.a. Module zur multimedialen Autorschaft (auch für Gruppen), für Forumsdiskussionen und zur off-line Nutzung. Sie wirde nicht als technischer Rahmen vorausgesetzt, sondern parallel zu traditionellen Seminardiskussionen über Hegels Vorwort und Einleitung zur "Phänomenologie des Geistes" vorgestellt und problematisiert. Das Ergebnis fiel zwiespältig aus. Zur Dokumentation und Verwaltung von Ressourcen eignete sich die Plattform gut. Auch die strukturierte, kommentierte Präsentation der Quelltexte war einfch zu realisieren. Als wenig zufriedenstellend wurde dagegen die Organisation der Texterstellung wahrgenommen. Während im Präsenz-Unterricht dynamische Diskussionsverläufe wiederholte Änderungen im projektierten Ablauf auslösten, zerlegte die Plattform Beiträge in Textvorgaben und tabellarisch gegliederte Kommentare. Dahinter steht die Auffassung, ein Kerninhalt sei vorgegeben und mit Bemerkungen gleichsam zu garnieren. In einem Seminar, in welchem es um die "Wissenschaft der Erfahrung" geht, "die das Bewußtsein macht" (PhdG 38), kann die Fixeinstellung Lernstoff/Kommentar nicht einfach hingenommen werden.

Die Möglichkeit zur Gruppenarbeit ist in ILIAS, wie gesagt, vorgesehen. Es zeigte sich allerdings, dass sie sich atark am Modell von Seminarunterlagen orientiert. Dieses Genre kennt zwei Stadien: "in Arbeit" und "präsentabel". Es fehlt genau der Zustand, der eine mittelfristig angelegte Kooperation unterstützt, nämlich die vorläufige Abgeschlossenheit eines Entwurfes. Um diesen Textmodus digital realisieren zu können, müssen die Beteiligten Einblick in den Redaktionsverlauf des Textes haben. Ein Protokoll seiner Genese sollte transparent machen, in welche Richtung er sich entwickelt, was fehlt und was bereits zufriedenstllend behandelt ist. Gefragt ist mehr als eine Versionsverwaltung, welche die Änderungen linear aneinander reiht. Das Protokoll sollte auch ein Anhaltspunkt für Revisionen bereits vorliegender Beiträge sein. Versuchsweise wurde eine ILIAS-"Lerneinheit" als eine derartige Mitschrift angelegt. Sie sollte alle Änderungen (und deren Motivationen) in den diversen Inhaltsblocks dokumentieren. Diese Idee erwies sich als wenig attraktiv. Die zusätzlich Arbeit war nicht als Mehrwert in der Entwicklung der philosophischen Beiträge zu erkennen. Generell stellte sich heraus, dass die Plattform die Funktion eines digitalen Magazins plus einer Präsentations-Software gut erfüllen konnte, angesichts der spezifisch philosophischern Ansprüche (Hegels Vermittlungsthese) allerdings einen zu starren Rahmen bot. Damit ist nicht geleugnet, dass sie für viele Zwecke hilfreich sein kann; dem Bildungsideal des gewählten Philosophen ("das Wahre nicht als Substanz, sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassen und auszudrücken" PhdG 23) war sie schlecht gewachsen.

Die Schwierigkeit indiziert eine tiefgreifende Diskrepanz. Es handelt sich nicht bloss um "technophobe" Züge der traditionellen Philosophieausbildung. Der Slogan vom Wahren als Subjekt betrifft einen prinzipiellen Punkt. Wissen besteht nicht einfach in Lehrsätzen, sondern schließt die Fähigkeit ein, mit ihnen umzugehen. und daraus produktiv Neues zu entwickeln. Ein vorgezeichneter Instruktionsrahmen ist dabei nicht nur hilfreich, sondern teilweise auch hinderlich. Das pädagogische Geschick der Hochschullehrerinnen (m/w) war damit immer schon herausgefordert. Der Einsatz einer eLearning-Plattform bringt ein neues Moment ins Spiel. In der Regel ist es den Lehrenden unmöglich, deren technische Vorgaben und ihre prä-formierende Wirkung auf den Lernprozess zu beeinflussen. Elektronisch unterstützte Lehre folgt den Schemata, die sich im Gebrauch des WWW herausgebildet haben: Klicken durch (multimedial gestaltete) Webseiten, Forumsbeiträge, eMail und Download. (Für besonders Neugierige wird vieleicht auch ein Chat-Modul angeboten.) Die Entwicklung der entsprechenden Plattformen tendiert dazu, ein möglichst umfassendes Potpourri solcher Funktionen mit einer geeigneten Benutzerverwaltung (inklusive user tracking) und Prüfungsmanagment anzubieten. Das gilt für ILIAS3, die Nachfolgeversion des 2002/03 eingesetzten Programms, ebenso wie für andere einschlägige Angebote. Aus den angeführten Gründen wechselte das Hegel-Projekt 2003/04 das Format der elektronischen Unterstützung.

Wiki-Web

Verglichen mit den mächtigen Programmen, die den Markt für institutionelle Lernplattformen beherrschen, sind Wiki-Webs bescheidene Nebenerscheinungen. Die Idee ist simpel. Ein Zusatzprogramm ermöglicht es, nicht nur am WWW zu browsen, sondern auch ohne weitere Umstände freien Text zu verfassen und neue Seiten zu erzeugen. Mit resignativem Beiklang ist in der medientheoretischen Debatte mehrfach auf Bert Brechts Radio-Theorie verwiesen worden. Die Technik ließ ein hohes Maß an Autonomie der Produzentinnen erwarten - und hat sich letztlich in die broadcast-Ordnung gefügt. Die Einrichtung des Wikis wiederholt die Chance, diesmal unter noch attraktiveren Bedingungen. Zur Autorschaft sind genau dieselben Instrumente nötig, wie für Konsumentinnen: ein Computer, ein Browser und eine Internetverbindung. Wikis sind keine experimentelle peer-to-peer Architektur; sie laufen im Rahmen des etablierten Client-Server-Modells. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie einen Teil des Server-Angebotes restriktionsfrei und mit einem Minimum an technischem Aufwand zur Verfügung stellen. Der Effekt ist spektakulär: von physischen Beschränkungen einmal abesehen, kann jede Benutzerin des WWW, zu jeder Zeit, an einem Text mitschreiben, der durch die Wiki-Software zugänglich gemacht wird. Das Konzept hat ursprünglich nichts mit eLearning zu tun. Aber es bietet sich als Alternative zur zentralen Betreuuung durch eLearning-Plattformen an.

Die Formation der pädagogischen Aufgabe durch Technik könnte unterschiedlicher kaum ausfallen. Im einen Fall definiert eine Lehrperson ein System von Zugangsberechtigungen und Ressourcen nach einem vorgefassten Plan. Die Lernumgebung bietet eine überschaubare Architektur, welche Orientierung erleichtert und feste Rollen zuweist. Die neuartigen Lernverfahren sind in einen konsolidierten Rahmen eingebettet. Zweifellos kommt dieses Arrangement den Anforderungen des gängigen Unterrichts, vor allem in stark frequentierten Fächern, entgegen. Die Alternative bedeutet ein beinahe beängstigendes Maß an Gestaltungsfreiheit. Der Verlauf der Kommunikation ist nicht vorhersehbar; die Entwicklung des Web-Inhaltes kann überrschende Wendungen nehmen. Die Autorität der Hochschullehrerin über den "Lernstoff" wird nicht durch ein hierarchisches Modell der Zugangskontrolle abgestützt. Die typische Frage lautet: Wie kann ein derart libertäres System qualitätsvolle Ergebnisse hervorbringen? Das 2. Jahr des Hegel-Projektes gibt Aufschluss über einige Innovationen und Beschränkungen.

Als Textgrundlage sollte, nach Hegels vorbereitenden Zusammenfassungen, das Anfangskapitel der "Phänomenologie des Geistes" "Die sinnliche Gewissheit", dienen. Die Lehrveranstaltung nahm einen anderen Verlauf. Das Interesse konzentrierte sich stattdessen auf Hegels Wahrheitsbegriff und insbesondere auf die Zulässigkeit sprachanalytischer Explikationen dieser metaphysischen Vorgabe. Als Leiter der Lehrveranstaltung wollte ich "im Text weitergehen", doch dieser Absicht stand ein unvorhergesehenes Hindernis entgegen. Die Diskussionsbeiträge der Veranstaltung aus dem vergangenen Jahr waren nach wie vor zugänglich und konnten - in der neuen digitalen Umgebung - freier weiterentwickelt werden. Der Einschnitt des akademischen Rhythmus trat gegenüber der Kontinuität der on-line Ressourcen in den Hintergrund. Ein Thema, welches das Interesse auf sich gezogen hatte, ließ sich nicht leicht zurückdrängen, vor allem deshalb, weil die Beiträge im Web nicht nach dem Seminarplan zu steuern waren.Die Aktivitäten im Wiki bewirkten also eine Verlagerung des Lehrziels. Solche Anpassungen sind in der Philosophie nicht unüblich. Die konsekutiv-kumulative Arbeit an einem Thema war jedoch bisher nicht in diesem Ausmass möglich.

Eine kontrollierte Form interaktiven Unterrichts ist die Diskussion in einem Web-Forum. ILIAS unterstützt die Einrichtung solcher Foren zu beliebigen Lerneinheiten. Der Effekt einer Teilnahme in Wiki-Diskussionen ist unvergleichbar. Im einen Fall gewährleistet die Architektur des Programms einen qualitativen Unterschied zwischen Haupttext und Anmerkung, im anderen fehlt die institutionelle Rückendeckung. Als Lernbehelf eingesetzt durchkreuzt die Wiki-Technologie die Autoritätsposition des klassischen Szenarios. Es ist nicht möglich, schnell zwischen "der Sache" und "der Beigabe" zu unterscheiden. Da für die Beiträge der Studierenden ebensoviel Raum und Zeit zur Verfügung steht, wie für die Expertin, wandelt sich auch der Stil der Auseinandersetzung.

Die Ausdrucksweise lockert sich, Alltagswissen und subjektive Perspektiven überlagern die professionelle Zielvorgabe. Noch aus der ersten Phase stammt ein Beitrag "Hegel und die absolute Sachertorte". Am Beispiel dieser Süßspeise wird abgehandelt, dass die "wahre Sachertorte" nicht darin besteht, dass ein Name korrekt verwendet oder ein Teig entsprechend einem Rezept gemischt wird. Im hegelianischen System wird unter Wahrheit im eigentlichen Sinn die Übereinstimmung von Begriff und Sache verstanden, unvorsichtig gesagt von Idealtypus und Implementierung. (Hegel bezieht sich auf die Wendung "ein wahrer Freund"). Das war bloss eine Intervention in einer Reihe eigenständiger, nur mäßig aufeinander bezogener Überlegungen, die vom Seminarleiter kaum auf einen Nenner gebracht werden konnten. Divergierende Diskussionsmeldungen lassen sich in einer Präsenz-Veranstaltung oft (oberflächlich) integrieren. Wenn sie als Texte ein Eigenlöeben gewinnen, greifen die Möglichkeiten des "beschönigenden" Resumees nicht mehr so recht.

Aus der Sicht eines Hochschullehrers, der sich verpflichtet sieht, akademische Standards einzuhalten und dafür zu sorgen, dass die Studierenden philosophische Kompetenz erwerben, ist diese Entwicklung irritierend. Die Orthodoxie der Hegel-Forschung gleitet oft in unvorhersehbare, fremde Kontexte. Das hat den Vorteil der erhöhten Aufmerksamkeit: die selbstbestimmten Beiträge sind aus dem intellektuellen Interessensfeld der Teilnehmerinnen (m/w) genommen. Dennoch bleibt die Situation prekär. Wissensvermittlung im Stil der Alt-Herren-Pädagogik ist so nicht zu machen. Sie war nicht ohne Charme, die Chance der neuen Konstellation liegt in der Einrichtung hierarchisch minimal präformierter Gruppenprozesse. Für Instruktoren ist darin durchaus Platz. Zwei Optionen sind im Hegel-Projekt zu beobachten. Erstens können sie versuchen, die auseinander driftenden Tendezne an plausiblen Orientierungspunkten zu bündeln, um einen Fokus für die Auseinandersetzung zu schaffen. Eine solche Intervention war der Verweis auf einen on-line Kommentar mit folgendem Wortlaut: "Diese Diagnose ist in der Tat wiklich wahr." Das Zitat führt eindrücklich vor Augen, wie schwach die Zuschreibung von Wahrheit an Sätze bisweilen eingeschätzt wird und dass es ein Bedürfnis gibt, den Sprechakt doppelt und dreifach abzusichern. Um diesen Hinweis gruppierten sich Erläuterungen und Ergänzungen zum sprachanalytischen Wahrheitsverständnis. Aus derartigen Akzenten lässt sich allerdings kein Zusammenhang aufbauen. Das führt zur zweiten Instruktionsform.

Das Software-Design eines Wiki gestattet und fördert die Textarbeit unter gleichberechtigten Autorinnen (m/w). In der "Wikipedia" ist eine scheinbar idealistische Wunschvorstellung realisiert worden. Zahlreiche Mitarbeiterinnen (m/w) konzentrieren sich auf das Verfassen und die Verbesserung von Lexikoneinträgen. Für eine Lehrveranstaltung ist dieses Modell nur beschränkt geeignet. Während sich die Kompetenz- und Interessensdifferenzen bei der Wikipedia in einem zeitlich unbeschränkten, globalen Prozess auspendeln, ist ein Seminar traditionell viel schmaler angelegt. Komplexe Materien sind nur mit Mühe in einem Halbjahr ohne Informationsgefälle zu entwickeln. Statt auf der vorgesehenen Interpretation der "sinnlichen Gewissheit" zu bestehen, entwickelte ich daher einen "Wahrheits-Entwurf", der den Diskussionen einen Rahmen geben sollte.

In dieser Skizze waren die systematischen Orte der sprachanalytischen und metaphysischen Wahrheitskonzeptionen angegeben. Die Frage ihres Verhältnisses zueinander konnte damit lokalisiert werden. Tendentiell eignete sich das Expose zur Integration des Diskussionsverlaufes, sein Nachteil lag darin, dass es den mittlerweile "entfesselten" Aktivitäten der Teilnehmerinnen (m/w) als in sich geschlossenes Konzept gegenübergestellt wurde. es gelang nicht, die Vielfalt der Ideen auf eine solche kondensierte Form zu verpflichten. Im Ergebnis stehen die Diskussionsbeiträge und der Systementwurf unverbunden nebeneinander. Vermutlich enden viele auf akademischem Austausch beruhende Lehrveranstaltungen mit einem solchen Ergebnis. Der Mangel ist im vorleigenden Fall allerdings nachzulesen. Die Abläufe werden im gleichen Atemzug dokumentiert und zur Verbesserung bereitgehalten. Um Abhilfe zu schaffen, ist ein längerer Zeitabschnitt nötig. Das zeigt eine Grenze des Experiments. Der Zyklus des Universitätsbetriebs folgt anderen Gesetzen, als jener von on-line communities. Es kann produktive Interferenzen geben, aber die Unverträglichkeiten sind nicht zu übersehen.

Im Frühjahr 2004 entstand ein Seitenzweig der dargestellten Entwicklung. Er zeigt, relativ zu einer anderen Personengruppe, eine weitere Anwendungsmöglichkeit der Wiki-Methode. Die Verschriftlichung philosophischer Diskussionsabläufe eignet sich gut dazu, Querverbindungen zwischen Wissenschaftlerinnen (m/w) herzustellen, die am selben Thema arbeiten.

Über Hegel wird am Wiener Philosophieinstitut mehrfach geforscht und gelehrt. Eine "Hegel-Initiative" versammelte in mehreren Zusammenkünften die betreffenden Forscherinnen (m/w), deren Ausrichtung naturgemäß beträchtlich differierte. Als Diskussionsvorgabe des (physischen) Treffens dienten "Thesen zur sinnlichen Gewissheit" - sie stammten aus der Vorbereitung des Hegel-Projektes. Anders als der "Wahrheits-Entwurf" leitete dieser Text eine angeregte Diskussion ein. "Unter Kollegen" herrscht freilich größere Disziplin, das Wiki erwies sich dabei als Instrument gelehrter Konversation. In Sitzungsprotokollen lassen sich an gegebenen Stellen von den Teilnehmerinnen (m/w) Anmerkungen einfügen und ihrerseits kommentieren. Nach den Gepflogenheiten der Zunft gerieten sie konzentriert und "gedankenschwer". Sie gleichen über weite Strecken einem qualifizierten Streitgespräch (inklusive einiger polemischer Querschläger auf hohem Niveau). Ansatzweise wurde dieser Austausch durch die Bereitstellung vorhandener Publikationen unterstützt. Die systematischen Voraussetzungen hinter den Positionen können in ergänzenden Texten nachverfolgt wqerden. Um den Kern eines umstrittenen Kapitels lagern sich auf diese Weise on-line Ressourcen an. Die Initiative brachte es nur auf wenige Sitzungen und produzierte damit sozusagen eine "Demoversion" möglicher Kooperation auf solchen Gebieten.

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Im Studienjahr 2003/04 hatte die Universität Wien eine eLearning-Strategie ausgearbeitet. Nachdem kurzzeitig (in einer Projektphase) das open source Produkt ILIAS eingesetzt worden war, entschied sich die Steuerungsgruppe schließlich für die Lizensierung von WebCT Vista, einem der großen Programmpakete am Markt. Einschulungskurse verbreiteten technische Informationen und pädagogische Richtlinien, die sich aus einer solchen Komplettlösung ergeben. Die Seiten zu Hegels "Phänomenologie" sind im Vergleich dazu ein peripheres Unikat. Eine Option wäre gewesen, ein drittes Jahr der verstärkten Projektintegration zu widmen und die im Wiki disparaten Bestandteile zu einer vereinzelten, aber stimmigen Präsentation zusammenzufassen. Das hätte einen Rückzug aus dem universitären Zusammenhang bedeutet. Konflikte zwischen der zentral gesteuerten Hard- und Softwarepolitk und den Arbeitsumgebungen verstreuter "eary adopters" sind im Hochschulbereich keine Seltenheit und können durchaus produktiv sein. So glatt wollten die Beteiligten die Welten aber doch nicht auseinanderfallen lassen. Zwei Perspektiven standen einander gegenüber. Die Arbeit mit Wikis hatte gezeigt, welche Neuerungen die kontinuierliche Mitgestaltung eines Universitätskurses bringen kann. Die Einbindung in ein Programm, das Teamarbeit nur in geringem Ausmaß möglich macht wurde als Rückfall empfunden. Andererseits ist festzuhalten, dass die freie Verfügbarkeit über den gesamten Arbeitsbereich ein derart konzentriertes Engagement erfordert, dass mit der Ausarbeitung extensiver philosophischer Zusammenhänge kaum zu rechnen ist.

Ein Konzept aus der aktuellen Medienpädagogik bietet sich zur Vermittlun an. "Lernobjekte" sind (digital implementierte) modularisierte Wissensbausteine, deren Charakteristika durch Metadaten beschrieben werden und die zur allgemeinen Verwendung in Archiven angeboten werden. Die Bezeichnung "Objekt" kommt aus der Software-Entwicklung, wo "objekt-orientierte Programmierung" darauf abzielt, sogenannte "Klassen" und "Objekte" zu definieren, aus denen sich ein Programmpaket zusammensetzen läßt, ohne sich in die Details der Umsetzung bestimmter Routinen und Funktionen zu vertiefen. Das erklärte Ziel ist die Wiederverwertbarkeit der Komponenten: für eine typische Aufgabe sollte ein einziges Modul ausreichen. Übertragen auf die Wissensgesellschaft heißt das, dass sich deren Inhalte in vergleichsweise kleine, handliche Bestandteile zerlegen lassen sollten, um die Redundanz des immer wieder neu erfundenen Rads zu vermeiden. Einfürhrungen in die Logik, um ein naheliegendes Beispiel zu nennen, könnten vergleichweise leicht aus solchen "Lernobjekten" aufgebaut werden. E ist auch vorstellbar, dass eine Lehrveranstaltung über die Geschichte der Philosophie im 19. Jahrhundert auf Komponenten zurückgreift, die aus unterschiedlichen Quellen stammen und unabhängig voneinander entwickelt werden.