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K (Textkritik)
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Zwei prägende Momente für das abendländische Denken waren die griechische Kultur und das Christentum. Mit griechischen Momenten haben wir uns heute und letzte Woche schon beschäftigt, jetzt kommen wir zum Christentum. Obwohl sich das frühe Christentum schon in einer Schriftkultur formiert, läuft die Ausbreitung zunächst mündlich. Das Christentum beginnt mit einer frohen Botschaft (Kerygma, Eu-Angelion), der Ausgangspunkt ist die mündliche Mitteilung "Jesus ist auferstanden". Solche klassischen Formeln (auch: "Jesus ist der Herr") waren wichtig, weil sie leicht merkbar waren und die Fehlerwahrscheinlichkeit beim Weitererzählen minimiert haben. Vgl. das mit heutigen Werbesprüchen.   
 
Zwei prägende Momente für das abendländische Denken waren die griechische Kultur und das Christentum. Mit griechischen Momenten haben wir uns heute und letzte Woche schon beschäftigt, jetzt kommen wir zum Christentum. Obwohl sich das frühe Christentum schon in einer Schriftkultur formiert, läuft die Ausbreitung zunächst mündlich. Das Christentum beginnt mit einer frohen Botschaft (Kerygma, Eu-Angelion), der Ausgangspunkt ist die mündliche Mitteilung "Jesus ist auferstanden". Solche klassischen Formeln (auch: "Jesus ist der Herr") waren wichtig, weil sie leicht merkbar waren und die Fehlerwahrscheinlichkeit beim Weitererzählen minimiert haben. Vgl. das mit heutigen Werbesprüchen.   
  
Erst später wurden diese mündlich überlieferten Inhalte schriftlich gefasst. Ca. 20  bis 60 Jahre nach dem eigentlichen Event entstehen zahlreiche Schriftprodukte.  
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Erst später wurden diese mündlich überlieferten Inhalte schriftlich gefasst. Ca. 20  bis 60 Jahre nach dem eigentlichen Event entstehen zahlreiche Schriftprodukte. Es entstand das Bedürfnis, gewisse Schriftstücke als authentisch zu qualifizieren. Diese bilden den sogenannten Kanon und von ihnen wird beansprucht, dass sie inspiriert sind, d.h. gewissermaßen von Gott selbst den Autoren eingehaucht (ein Übergang "mündlich"-"schriftlich") und damit authentifiziert.
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In der weiteren Ausbreitungsgeschichte des Christentums spielen diese heiligen Schriften eine interessante Rolle. Sie dienen nicht primär dazu, Menschen zu missionieren - das geschieht immer noch mündlich - sondern sie dienen den schon gläubigen Menschen als unveränderbarer Anhaltspunkt.  
  
 
=== Beispiel 2: Hölderlin - ausgelassen ===
 
=== Beispiel 2: Hölderlin - ausgelassen ===
 
=== Beispiel 3: Dissertation von Johannes Hahn ===
 
=== Beispiel 3: Dissertation von Johannes Hahn ===

Version vom 14. März 2011, 09:45 Uhr

Transkription der Vorlesung vom 11.3.2011.

Die eigentliche Transkription findet sich hier: Rohdaten .

Es folgt eine kompakte Inhaltsübersicht, die ich in den nächsten Tagen schrittweise vervollständigen werde. Hilfe dabei und beim Ausbessern von Tippfehlern ist sehr erwünscht.


Technisches zur Vorlesung

Am Anfang soll klargestellt werden, dass man sich für diese Vorlesung (entgegen der Informationen im Vorlesungsverzeichnis) nicht anmelden muss. In diesem Sinn ist das eine Vorlesung im ganz traditionellen Sinn. In einem anderen Sinn unterscheidet sie sich aber drastisch von klassischen Vorlesungen: Wir operieren mit dem Philo-Wiki, das von Studierenden mit Inhalten angereichert werden kann und soll (Dafür muss man sich selbst im Wiki anmelden). H.h. stellt dort auch Materialien für die Vorlesung und Vorlesungsmitschnitte zur Verfügung.

Mitarbeit und Diskussion im Wiki

Die Schönheit des Wikis ist, dass es keine Art einfache Plattform zur Wiedergabe, zur Ablagerung von Dokumenten ist, sondern dass es eine lebendige Bewegung produzieren kann. Ein Beispiel für diese lebendige Bewegung ist Andreas Kirchners Beitrag zur Diskussion der folgenden Skizze der möglichen Übertragungsvorgänge rund um diese Vorlesung:

Verschwimmen.JPG

1:1-Zuordnungen

Letzte Woche wurde diese Skizze so interpretiert: Im Umfeld dieser Vorlesung gibt es 1:1-Zuordnungen zwischen der Vorlesung und dem Streaming, zwischen der Vorlesung und der Audioaufnahme und zwischen der Aufnahme und der (fast wortwörtlichen) Transkription (siehe Rohdaten). Zwischen dem Material aus der Vorlesungsvorbereitung und der eigentlichen Vorlesung gibt es einen viel weniger rigiden Zusammenhang: 1:beliebig viel. Ebenso gibt es unbegrenzt viele Möglichkeiten, das Vorgetragene weiterzuverarbeiten, z.B. im Wiki.

Brüche in den Zuordnungen

Andreas Kirchner hat nun darauf hingewiesen, dass zumindest die These der 1:1-Zuordnung zwischen Vorlesung und Transkription (zwei 1:1-Zuordnung hintereinander ausgeführt: Vorlesung – Audioaufnahme - Transkription) problematisch ist. Das ist an zwei Punkten zu sehen. Erstens ist ein starres Abbilden des Redeflusses von der Vorlesung in die Transkription weder für den Verfasser der Transkription, noch für die Leser oder den Vortragenden wünschenswert. Ein solches Transkript wäre mühsam zu lesen und keine wirkliche Hilfe bei der Prüfungsvorbereitung. Man könnte dagegen einwenden, dass ein solches Transkript aber den Vorteil hat, dass es wirklich vollständig ist. Dagegen richtet sich der zweite Einwand. Zweitens kann ein solches Transkript eine Vorlesung nie vollständig 1:1 abbilden. Ein Beispiel dafür sind die letzte Woche präsentierten „Vorlesungen“ der Telefonprotokolle aus dem Fall Grasser-Meischberger, die einen gewissen Teil ihres Unterhaltungswertes aus der Imitation des Kärntner Dialekts gewinnen.

Bei der Übertragung vom Gesprochenen (in der Vorlesung bzw. in der Vorlesungsaufnahme) zur Transkription findet ein Medienbruch statt, der verdeckt bzw. überspielt wird, wenn man von 1:1-Zuordnungen spricht.

Medienbruch: mündlich – schriftlich

Ein Ziel dieser Vorlesung ist darauf aufmerksam zu machen, dass etwas Interessantes passiert, wenn neue Arten von solchen Medienbrüchen möglich werden. Letzte Woche wurde schon angedeutet, welche gravierenden Veränderungen in den sozialen Strukturen und Institutionen einer Gesellschaft stattfinden können, wenn zum ersten Mal die Aufzeichnungsmethode der Schrift verfügbar ist. Die Schrift ermöglicht eine ganz neue Form der gesellschaftlichen Beschäftigung mit gemeinsamen Informationen.

Beispiel Radiosendung

Jetzt kommt ein Beispiel aus dem dritten Teil des Vorlesungstitels: "elektronisch". Es handelt sich um einen Radiobericht über einen Psychoanalyse-Kongress, der in der philosophischen Audiothek verfügbar ist.

Genese der Sendung

So eine Sendung kommt in mehreren Schritten zustande: Zuerst gibt es eine Textgrundlage für die Vorträge am Kongress, dann gibt es das Life-Audio-Event des Kongresses selbst, das aufgenommen und zu einer Radiosendung verarbeitet wird. Die Radiosendung wird selbst als Life-Audio-Event ausgestrahlt, gleichzeitig aber auch online archiviert und längerfristig verfügbar gemacht. Dieser Zirkel ist ein Beispiel für "Verschwimmen".

Die Beschwerde

Zu dieser Radiosendung kam auf einer Mailingliste dann eine Beschwerde bzw. Anregung. Eine Dame beklagt, dass sie, eigentlich an den Vortragsinhalten interessiert, sich auch die Zwischenmusik anhören muss. Damit kann man vergleichen, dass auch bei den Vorlesungsaufnahmen Teile der Vorlesung archiviert werden, die für die Nachwelt weniger interessant sind: Aufforderungen Türen zu schließen, Fenster zu öffnen etc. Darüber musste man sich in traditionellen Vorlesungen keine Gedanken machen, in denen es nur Mitschriften gibt, die schon stark überarbeitete Extrakte sind. Der Dame wird geantwortet, dass sie selbst "vorspulen" kann und dass man dafür nur die Maus braucht; außerdem könnte man ihr sagen, dass es Software gibt, mit der man sich das Audiofile beliebig zurecht schneiden kann. Dieses Beispiel soll zeigen, dass heute Möglichkeiten des Umgangs mit 1:1-Zuordnungen auftreten, die es bisher nicht gegeben hat.

Transkript als Virtualisierungen einer Vorlesung

Eine Analogie für den Medienbruch im Übergang von Vorlesung zu Transkription könnte durch Hardware-Virtualisierung gegeben sein. Es geht dabei darum, einem Programm, das mit der vorhandenen Hardware bzw. dem Betriebsystem nicht kompatibel ist, vorzuspielen, dass es auf eine kompatible Hardware zugreifen kann bzw. auf einem kompatiblen Betriebsystem läuft. Näheres dazu findet sich hier: MP3 und Transkript als Virtualisierungen einer Vorlesung .

Textkritik

Alles einfach eine große Datenwolke?

Letzte Woche wurde das Verschwimmen in einer großen Datenwolke angesprochen. Dagegen wurde dann auf derselben Seite (Motive_(mse)) die Überschrift "Bruchstellen" gesetzt. Das war ein bisschen voreilig, weil sich auch im Verschwimmen in 1:1-Zuordnungen wesentliche Bruchstellen finden. Gegen das Modell "Das ist einfach alles eine große Datenwolke" werden jetzt Beispiele gegeben, in denen wir bzw. die Öffentlichkeit es genau wissen wollen, was passiert ist, in denen die Bruchstellen angemahnt werden.

Wenn wir es doch genau wissen wollen

Im Kriminalfall Grasser-Meischberger können wir einen ähnlichen Zirkel verfolgen, wie bei dem Beispiel der Radiosendung. Zwei Leute sprechen am Telefon miteinander, die Unterhaltung wird aufgezeichnet, transkribiert, darf nicht vollständig veröffentlicht, wohl aber öffentlich aufgeführt werden. Diese Aufführung wird wiederum aufgenommen und im Internet veröffentlicht usw. Das hat unter Umständen einen großen Unterhaltungswert, aber es gibt eine weitere Bruchstelle: es handelt sich um einen Kriminalfall und in diesem wollen wir genau wissen, wer was am Mobiltelefon gesagt hat, oder ob vielleicht ein Sprachsimulationsprogramm gelaufen ist.

Orientierungspunkte

Es folgen drei Orientierungspunkte im Anschluss an das letztwöchige Thema der Aufbewahrung und Weitergabe solcher Kulturinformationen wie der Illias durch Life-Performance. Das erste Beispiel ist das Äquivalent einer Liste. Es nutzt einen bestimmten Rhythmus, um Informationen über die Schlacht um Troja zu systematisieren und leichter memorierbar zu machen. Das zweite Beispiel stammt auch aus der Illias und ist vergleichbar mit dem heutigen Rap.

Wissenschaft als DJ-Tätigkeit

Jetzt greifen wir ein sehr aktuelles Thema auf, das im "schriftlich"-Bereich liegt: die Möglichkeit, zu einer wissenschaftliche Arbeit durch das Zusammenstückeln von Fremdbestandteilen zu kommen. Diese Möglichkeit basiert auch auf einem Verschwimmen von Grenzen [welchen genau?]. Es gibt zwei interessante Modifikationen davon: vor dem Internet und nach dem (bzw. mit dem) Internet (z.B. Plagiatsaffäre Guttenberg ). Bevor wir den Fall der Dissertation von Johannes Hahn besprechen, widmen wir uns einem klassischeren Beispiel.

Beispiel 1: Paulus 1 Korinther 15:54

Zwei prägende Momente für das abendländische Denken waren die griechische Kultur und das Christentum. Mit griechischen Momenten haben wir uns heute und letzte Woche schon beschäftigt, jetzt kommen wir zum Christentum. Obwohl sich das frühe Christentum schon in einer Schriftkultur formiert, läuft die Ausbreitung zunächst mündlich. Das Christentum beginnt mit einer frohen Botschaft (Kerygma, Eu-Angelion), der Ausgangspunkt ist die mündliche Mitteilung "Jesus ist auferstanden". Solche klassischen Formeln (auch: "Jesus ist der Herr") waren wichtig, weil sie leicht merkbar waren und die Fehlerwahrscheinlichkeit beim Weitererzählen minimiert haben. Vgl. das mit heutigen Werbesprüchen.

Erst später wurden diese mündlich überlieferten Inhalte schriftlich gefasst. Ca. 20 bis 60 Jahre nach dem eigentlichen Event entstehen zahlreiche Schriftprodukte. Es entstand das Bedürfnis, gewisse Schriftstücke als authentisch zu qualifizieren. Diese bilden den sogenannten Kanon und von ihnen wird beansprucht, dass sie inspiriert sind, d.h. gewissermaßen von Gott selbst den Autoren eingehaucht (ein Übergang "mündlich"-"schriftlich") und damit authentifiziert.

In der weiteren Ausbreitungsgeschichte des Christentums spielen diese heiligen Schriften eine interessante Rolle. Sie dienen nicht primär dazu, Menschen zu missionieren - das geschieht immer noch mündlich - sondern sie dienen den schon gläubigen Menschen als unveränderbarer Anhaltspunkt.

Beispiel 2: Hölderlin - ausgelassen

Beispiel 3: Dissertation von Johannes Hahn