(MuD 09) DISKUSSION 3. VO - 22.10.09: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | Es erscheint mir als Trivialität, dass sich der Unterschied von theoretischer und praktischer Philosophie der Sache nach nicht erst bei Roger Bacon, sondern bereits bei Platon und Aristoteles findet; bei den Letztgenannten allerdings zusammen mit dem nicht mehr trivialen Versuch, diese Differenz auf einer übergeordneten Begründungsebene zu vermitteln, worauf übrigens jede systematische Philosophie abzielen müsste. | ||
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+ | Dem gegenüber schließt sich unser Studienplan, wie er aus dem Bolognaprozess hervorgegangen ist, weitgehend der zeitgeistigen Tendenz zur Spezialisierung an und dröselt die Philosophie in eine Vielfalt von Methoden, Ideen und Disziplinen oder Teilbereichen wie theoretische und praktische Philosophie auf, ohne dem schwierigen, aber wichtigen Schritt einer Verbindung der Teile zum Ganzen den angemessenen Platz in den Modulen für das Bachelor- und Masterstudium einzuräumen. Darauf und auf einige weitere Hintergründe wollte ich mit meiner Bemerkung anspielen. | ||
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+ | Die Überreaktion von h.h. erklärt sich vielleicht aus einem gewissen emotionalen Naheverhältnis zum Bolognaprozess, das ihm als Vorsitzendem der Curricularkommission des Senats der Universität Wien ja auch zusteht und zu gönnen ist. | ||
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+ | Gerhard Gotz | ||
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Aktuelle Version vom 29. Oktober 2009, 17:17 Uhr
zum Slogan "Bildung für alle. Und zwar umsonst!"
"Bildung für alle. Und zwar umsonst!" Ein bisschen doppeldeutig: "kostenlos" gerne, "vergeblich" bitte nicht!
>anonym< Vielleicht ist das ihre Art, versteckt Kritik an die Bologna-reform auszuüben. Damit Studiern nicht mehr nur unternehmensorientiert ist, sondern auch vergeblich sein kann. ^^
-> vielleicht; "vergeblich" ist aber oben bezogen auf das Brachliegen des Bildungsangebotes, wenn die Vorlesung wirklich beendet worden wäre. Eine Kundgebung am Ende (bzw. nach) der Vorlesung wäre konsistenter mit den Forderungen gewesen und hätte vermutlich auch mehr Studierende mobilisiert.
Bilder zur Bildungsdiskussion aus dem vergangenen Semester.
Guten Morgen mit einem lateinischen Zitat. Es geht um die Arten der Wissenschaft, speziell der Philosophie: "et haec est inter omnes practica, id est operativa, et de operibus nostris in hac vita et in alia constituta; omnes enim aliae dicuntur speculativae" Roger Bacon schreibt 1267 über das Verhältnis der "scientia practica" "vocatur moralis et civilis" im Gegensatz zur theoretischen ("spekulativen") Wissenschaft. Ich erinnere daran, weil ein Kollege gestern im vollen Hörsaal 1 des NIG ein bemerkenswertes Bonmot riskiert hat: "Die Unterscheidung zwischen theoretischer und praktischer Philosophie ist ein Ergebnis des Bolognaprozesses." Ja, und er ist auch für den Klimawandel verantwortlich. Die Umstände waren bemerkenswert. 40 Minuten, nachdem die Vorlesung zur Einführung in das Philosophistudium begonnen hatte, marschierte eine lautstark deklamierende Gruppe von etwa 50 Studierenden ein. Ein Sprecher erklärte: "Diese Lehrveranstaltung ist beendet." Das entwickelte sich allerdings anders. Nach einem Streikaufruf gab es eine Abstimmung über die Beendigung der LV. Die überwiegende Mehrheit der Anwesenden wollte weitermachen. Dann wurde ein Manifest verlesen, darauf zog die Gruppe wieder ab. Einige Behauptungen des Manifests waren halbrichtig und irreführend. Aber die Chutzpe der Bemerkung des Leiters der Lehrveranstaltung erreichten sie nicht. Insgesamt eine - sit venia verbo - geordnete Störung. Die Polizei, welche das Audimax gestern nachmittags eine zeitlang blockierte (http://phaidon.philo.at/qu/?p=567), war strategisch bestens platziert. Ein gut vorbereiteter Einsatzplan. h.h.
h.h. denkt anscheinend historisch und interpretiert dementsprechend. Meine ironisch zugespitzte Diskussionsbemerkung über die "Unterscheidung zwischen" (habe ich nicht gesagt: "Trennung von"?) theoretischer und praktischer Philosophie als Ergebnis des Bolognaprozesses war hingegen systematisch gemeint, was aus dem Kontext des zitierten Satzes - für Leute, die Ohren haben, um zu hören - deutlich genug hervorgegangen ist.
Es erscheint mir als Trivialität, dass sich der Unterschied von theoretischer und praktischer Philosophie der Sache nach nicht erst bei Roger Bacon, sondern bereits bei Platon und Aristoteles findet; bei den Letztgenannten allerdings zusammen mit dem nicht mehr trivialen Versuch, diese Differenz auf einer übergeordneten Begründungsebene zu vermitteln, worauf übrigens jede systematische Philosophie abzielen müsste.
Dem gegenüber schließt sich unser Studienplan, wie er aus dem Bolognaprozess hervorgegangen ist, weitgehend der zeitgeistigen Tendenz zur Spezialisierung an und dröselt die Philosophie in eine Vielfalt von Methoden, Ideen und Disziplinen oder Teilbereichen wie theoretische und praktische Philosophie auf, ohne dem schwierigen, aber wichtigen Schritt einer Verbindung der Teile zum Ganzen den angemessenen Platz in den Modulen für das Bachelor- und Masterstudium einzuräumen. Darauf und auf einige weitere Hintergründe wollte ich mit meiner Bemerkung anspielen.
Die Überreaktion von h.h. erklärt sich vielleicht aus einem gewissen emotionalen Naheverhältnis zum Bolognaprozess, das ihm als Vorsitzendem der Curricularkommission des Senats der Universität Wien ja auch zusteht und zu gönnen ist.
Gerhard Gotz
Aus dem Universitätsrechts-Änderungsgesetz 2009
„Studieneingangs- und Orientierungsphase“ 112. § 66 Abs. 1 bis 2 lauten: „§ 66. (1) Die Studieneingangs- und Orientierungsphase ist als Teil der Diplom- und Bachelorstudien, zu deren Zulassung keine besonderen gesetzlichen Regelungen bestehen, so zu gestalten, dass sie der oder dem Studierenden einen Überblick über die wesentlichen Inhalte des jeweiligen Studiums und dessen weiteren Verlauf vermittelt und eine sachliche Entscheidungsgrundlage für die persönliche Beurteilung ihrer oder seiner Studienwahl schafft. Die Lehrveranstaltungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase haben sich über mindestens ein halbes Semester, die gesamte Studieneingangs- und Orientierungsphase über mindestens ein Semester, höchstens jedoch über zwei Semester zu erstrecken. Auf den Bedarf berufstätiger Studierender ist nach Möglichkeit Bedacht zu nehmen. (1a) § 59 sowie die §§ 72 bis 79 gelten auch für die Studieneingangs- und Orientierungsphase. Der positive Erfolg bei allen Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase berechtigt jedenfalls zur Absolvierung der weiteren Lehrveranstaltungen und Prüfungen sowie zum Verfassen der im Curriculum vorgesehenen Bachelor- oder Diplomarbeiten.
108. § 64 Abs. 4 bis 5 lauten: „(4) Der Nachweis der allgemeinen Universitätsreife für die Zulassung zu Doktoratsstudien gilt jedenfalls durch den Nachweis des Abschlusses eines fachlich in Frage kommenden Diplomstudiums oder Masterstudiums, eines fachlich in Frage kommenden Fachhochschul-Diplomstudienganges oder Fachhochschul-Masterstudienganges gemäß § 5 Abs. 3 Fachhochschul-Studiengesetz, oder eines anderen gleichwertigen Studiums an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung als erbracht. Wenn die Gleichwertigkeit grundsätzlich gegeben ist und nur einzelne Ergänzungen auf die volle Gleichwertigkeit fehlen, ist das Rektorat berechtigt, die Feststellung der Gleichwertigkeit mit der Auflage von Prüfungen zu verbinden, die während des jeweiligen Doktoratsstudiums abzulegen sind. Für eine Zulassung zu einem „PhD“-Doktoratsstudium können im Curriculum qualitative Bedingungen vorgeschrieben werden. (4a) Der Nachweis der allgemeinen Universitätsreife für die Zulassung zu einem Doktoratsstudium kann auch durch den Abschluss eines Bachelorstudiums erbracht werden, wenn das Bachelorstudium innerhalb der vorgesehenen Studienzeit und mit besonderem Studienerfolg abgeschlossen wurde. Nähere Regelungen hat das Rektorat zu erlassen. (5) Die Zulassung zu einem Masterstudium setzt den Abschluss eines fachlich in Frage kommenden Bachelorstudiums oder eines fachlich in Frage kommenden Fachhochschul-Bachelorstudienganges oder eines anderen gleichwertigen Studiums an einer anerkannten inländischen oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung voraus. Wenn die Gleichwertigkeit grundsätzlich gegeben ist und nur einzelne Ergänzungen auf die volle Gleichwertigkeit fehlen, ist das Rektorat berechtigt, die Feststellung der Gleichwertigkeit mit der Auflage von Prüfungen zu verbinden, die während des jeweiligen Masterstudiums abzulegen sind. Der Nachweis der allgemeinen Universitätsreife gilt durch den Nachweis dieser Zulassungsvoraussetzung jedenfalls als erbracht. Weiters können im Curriculum qualitative Zulassungsbedingungen vorgeschrieben werden, die im Zusammenhang mit der erforderlichen Kenntnis jener Fächer, auf denen das jeweilige Masterstudium aufbaut, stehen müssen. Es ist sicher zu stellen, dass die Absolvierung eines Bachelorstudiums an der jeweiligen Universität jedenfalls ohne weitere Voraussetzungen zur Zulassung zu mindestens einem facheinschlägigen Masterstudium an dieser Universität berechtigt.“
Zwei Präzisierungen
Im Nachhinein denke ich, dass ich in der heutigen Sitzung 2 Gedanken nicht deutlich genug artikuliert habe:
- Zur Bemerkung, dass der Protest sinnvoll war, weil er offensichtlich etwas bewirkt: Das ist nicht zu bestreiten. Aber es ist präzise die Logik der Werbung, die wir in der ersten Sitzung hervorgehoben haben. Die Abschätzung, ob sich die Ausgaben für einen Auftritt im großen Festsaal oder im Audimax lohnen, steht im Kontrast zu dem, was hier normalerweise betrieben wird.
- Beim Hamlet-Beispiel hat die entscheidende Pointe gefehlt. Während es unüblich und in der Literaturwissenschaft unerwünscht ist, beim Studium von Hamlet den 5.Akt so zu modifizieren, dass (z.B.) Hamlet die Königin heiratet, ist es in der Philosophie als einer akademischen Wissenschaft erwünscht in die studierten Texte einzugreifen und ihnen unter Umständen nicht zu glauben. Natürlich braucht das Übung, aber irgendwann muss man jedenfalls damit anfangen.
--anna 16:54, 23. Okt. 2009 (UTC)
Zum ersten Punkt würde ich gerne eine Diskussion auf dieser Seite starten. --Paul Wedrich 19:15, 23. Okt. 2009 (UTC)