Lacan: Von der Deutung zur Übertragung: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 22. Juni 2008, 13:02 Uhr

Was bedeutet die folgende Formel?

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Die Formel ist ein Versuch, den Prozess der Metaphorisierung darzustellen. S und S' sind Signifikanten, s steht für das Signifikat, für die Bedeutung. Bei der Ersetzung eines Signifikanten S durch einen anderen Signifikanten S' gerät der erste Signifikant unter die Trennlinie (barre), der neue, nächste Signifikant behält etwas vom früheren Gebrauch des Signifikanten. Eine kongruente Darstellung findet sich rechts: Das Plus zwischen Signifikant und Signifikat kennzeichnet die UEberschreitung der Barre.

In der XIX. Sitzung stellt Lacan Bausteine zur Verfügung, um seinen Beitrag zur Theorie der Übertragung zu rekonstruieren. Es geht dabei um eine Deutung, von der Lacan sagt, dass sie "nicht für jeden Sinn offen" (Lacan 1987, 263) sei. Diese "Deutung muss auf der Ebene des s erfolgen" (ebd.). Indem das Subjekt die Bedeutung akzeptiert, was nicht "das Wesentliche" (ebd., 263) ist, muss es vor allem anerkennen, welchem "Signifikanten - Un-sinn, irreduzibel, traumatisch - es als Subjekt unterworfen, assujettiert ist" (ebd., 264).

Die Übertragung hat von dem Subjekt auszugehen, dem Wissen unterstellt wird (ebd., 266). Das ist der Analytiker. Das heißt, die Übertragung ist vom Analytiker abhängig. Er soll eine Bedeutung wissen. Weshalb wird ihm dieses Wissen zugeschrieben? Weil er das Subjekt des Begehrens ist (ebd.). Dazu wird er gemacht im Rahmen einer Wirkung der Übertragung, nämlich der Liebe. Damit gerät die Frage in den Bereich des Narzissmus. Denn "Lieben ist wesentlich geliebt werden wollen" (ebd.).



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"... das Objekt, das eine Beule macht wie das Holzei unterm Stoff, den Sie in der Analyse zu flicken im Begriffe sind" (Lacan 1987, 270).

Der Rand wird von Lacan mit der Quelle des (Partial-)Triebes verbunden, der Pfeil selbst mit dem Drang des (Partial-)Triebes; aim verbindet Lacan mit dem Ziel, der eigentlich ein Weg ist, goal umfasst die Aktion zur Erreichung eines Zieles (Lacan 1987, 187f.).

In der allerletzten Sitzung des SE VIII über die Übertragung (Lacan 2008) ist das Objekt a Thema. Wie auch im SE XI unterscheidet Lacan zwei Formen der Identifizierung, die Identifizierung des Ich und die Identifizierung des Idealich. Er bezieht sich auch in diesem Seminar auf das Schema von Daniel Lagache.

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i(a) und i'(a) sind Stationen in der Entwicklung, in der Gewinnung eines Selbstbildes, Idealich und Ich-Ideal. Zur Erinnerung: I(A) steht für ein symbolisches Introjekt, für die Vorwegnahme einer sekundären ödipalen Identifikation, i(a) dagegen für das Versprechen einer zukünftigen Einheit. i(a) ist Träger der Funktion des Spiegelbildes. Lacan nennt es im Text auch Objekt des Begehrens. Es ist für das Subjekt nicht sichtbar. Erst die Vermittlung des Anderen, der auf dieser Ebene als Spiegel fungiert, macht es sichtbar als i'(a). Das ist ein virtuelles Bild, das nur innerhalb jenes Kegels wahrgenommen werden kann, dessen Spitze im Auge links oben in der Skizze liegt. Es ist die zentrale Funktion der narzisstischen Besetzung. Die Funktion des Anderen als Spiegel ist nach Lacan die Form, welche der Andere in der existentialistischen Philosophie hat. (Zum Verhältnis zur existentialistischen Philosophie siehe Cremonini 2003)

I(A) ist im Unterschied zu i'(a), dem Spiegelbild, nur ein Punkt in der Skizze. Dieser Punkt entspricht einer symbolischen Position, im Rahmen derer das Subjekt i(a) als Illusion erfassen kann. Mit der Position I(A) verbindet sich, was Lacan mit Freud das archaische Objekt nennt. Es handelt sich nicht um ein Bild, sondern um eine Folge der Wirkungen des Sprechens, des Signifikanten. Und Lacan bringt es in Verbindung mit dem mütterlichen Objekt in Verbindung. Die Identifizierung mit diesem Objekt erfolgt mittels dessen, was Lacan einen einzigen Zug nennt. Es können auch mehrere nacheinander sein. Wichtig ist, dass es jedesmal einzelne, einmalige Züge sind, die die Struktur eines Signifikanten haben.

Lacan bezieht sich in dieser Sitzung auf einen wichtigen Text von Karl Abraham: Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido aufgrund der Psychoanalyse seelischer Störungen. Abraham unterscheidet in diesem Text für Objektliebe und Libido sechs Stufen, den Autoerotismus (frühe orale Saugstufe), welcher objektlos ist, den Narzißmus (späte orale kannibalische Stufe), welcher einer Totaleinverleibung des Objekts entspricht, die Partialliebe mit Einverleibung (frühe anal-sadistische Stufe), die Partialliebe (späte anal-sadistische Stufe) und kurz vor der endgültigen genitalen Stufe der Libido, der vollen Objektliebe, die, wie Lacan betont, nie jemand erreicht hat, eine Stufe, welche Abraham die "Objektliebe mit Genitalausschluss" nennt. Sie entspricht dem, was Freud als frühe genitale phallische Stufe bezeichnet. Auf diese Stufe weist Lacan explizit hin. Und darauf, dass es im Verlauf der Entwicklung zu einer Art Inversion der Besetzungen kommt: Am eigenen Körper ist das Genital jenes Organ, das am höchsten besetzt ist nach Abraham, beim anderen wird es nicht wahrgenommen, gleichsam ausgeblendet, ausgeschlossen. Darin ist bereits auf einer narzisstischen Ebene die Kastration im Keim angelegt (Lacan 2008, 462).

Lacan schreibt sich auf diese Weise ein in gängige Entwicklungsmodelle, und er betont deren innere Verflechtungen. Sie werden erkennbar unabhängig von der Herangehensweise. Keineswegs machen wir eine Entwicklung durch, in welcher einzelne Entwicklungsstufen der Libido diskriminiert betrachtetet werden können, noch geht eine imagninäre Phase einer symbolischen einfach voraus. Mehrere Aspekte sind gleichzeitig vorhanden, durchdringen einander, hinterlassen Spuren.

Lit.:

Abraham, Karl (1924): Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido aufgrund der Psychoanalyse seelischer Störungen, in: ders.: Gesammelte Schriften II, Frankfurt/M.: Fischer Verlag, 32-102.

Cremonini, Andreas (2003): Die Durchquerung des Cogito. Lacan contra Sartre, München: Fink.

Lacan, Jacques (1987): Das Seminar. Buch XI (1964). Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, dtsch. von Norbert Haas, Weinheim, Berlin: Quadriga 1987.

Lacan, Jacques (2008): Das Seminar, Buch VIII (1960-1961). Die Übertragung, dtsch. von Hans-Dieter Gondek, Wien: Passagen Verlag.


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