Heidegger über Verweisung, Eigentlichkeit und Sein (Code): Unterschied zwischen den Versionen
Anna (Diskussion | Beiträge) (link) |
Anna (Diskussion | Beiträge) (Zwischentexte) |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
+ | |||
+ | Nach der Mitschrift von A. Kirchner habe ich in der ersten Husserl-Vorlesung gesagt: "Heidegger hat Husserls Unterscheidung auf den Kopf gestellt: Der Mensch ist zunächst und zumeist in der Uneigentlichkeit verhaftet (verloren an die Dinge)." Das ist ungenau und irreführend. In der Diskussion mit R. Demiray haben wir das deutlicher auseinandergenommen. | ||
+ | |||
+ | Heidegger nimmt in "Sein und Zeit" das Thema Zeichen von Husserl auf und stellt es in seinen eigenen philosophischen Zusammenhang. Dabei geht er zunächst deskriptiv vor und unterscheidet nicht zwischen eigentlichen und uneigentlichen Zeichen: | ||
+ | |||
=== [[SZ §17: Verweisung und Zeichen (Code)]] === | === [[SZ §17: Verweisung und Zeichen (Code)]] === | ||
+ | |||
+ | |||
+ | Die Unterscheidung zwischen "eigentlich" und "uneigentlich" ist jedoch ein Grundzug von SZ. Der oben genannte Fehler liegt nun darin, die Ebene der Existenzialontologie und des untersuchten Daseins nicht scharf auseinanderzuhalten. ''Existenzialontologisch'' ist der "besorgende Umgang" ebenso wichtig und legitim, wie das "Sein zum Tod". Insofern ist der "lebensweltliche" (Husserl) Zeichengebrauch ein positiv zu explizierendes Phänomen und wenn darin Werkzeuge und Verweisungen vorkommen, so gehört das zur menschlichen Verfassung. Existenzialontologisch gibt es aber zweitens die "Entschlossenheit", zusammen mit dem Anspruch auf Ganzheit und Ursprünglichkeit. Aus dieser Sicht ist der "besorgende Umgang" dingverhaftet und - in einer Weise - unzureichend. | ||
+ | |||
+ | Heideggers Verhältnis zu Husserl kann man nun in diesem Punkt so charakterisieren: Während Husserl uneigentliche Zeichen als Grundlage eines "wunderbaren Apparates" sieht, der letztlich die moderne Wissenschaft ermöglicht, platziert Heidegger Eigentlichkeit nicht in der naturbezogenen Wahrnehmungssituation, sondern in der Durchkreuzung der Weltverbundenheit des Menschen in Angst, Gewissen, Schuld und Tod. So gesehen wird der gesamte Zusammenhang des besorgenden Verweisens ("natürlich" ''und'' "künstlich") distanziert. Und der Anteil des Künstlichen darin wird angesichts des hier durchbrechenden ''Existenzialismus'' eigens ausgegrenzt und problematisiert. | ||
+ | |||
=== [[SZ §§9, 45: Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit (Code)]] === | === [[SZ §§9, 45: Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit (Code)]] === |
Version vom 25. April 2008, 06:46 Uhr
Nach der Mitschrift von A. Kirchner habe ich in der ersten Husserl-Vorlesung gesagt: "Heidegger hat Husserls Unterscheidung auf den Kopf gestellt: Der Mensch ist zunächst und zumeist in der Uneigentlichkeit verhaftet (verloren an die Dinge)." Das ist ungenau und irreführend. In der Diskussion mit R. Demiray haben wir das deutlicher auseinandergenommen.
Heidegger nimmt in "Sein und Zeit" das Thema Zeichen von Husserl auf und stellt es in seinen eigenen philosophischen Zusammenhang. Dabei geht er zunächst deskriptiv vor und unterscheidet nicht zwischen eigentlichen und uneigentlichen Zeichen:
SZ §17: Verweisung und Zeichen (Code)
Die Unterscheidung zwischen "eigentlich" und "uneigentlich" ist jedoch ein Grundzug von SZ. Der oben genannte Fehler liegt nun darin, die Ebene der Existenzialontologie und des untersuchten Daseins nicht scharf auseinanderzuhalten. Existenzialontologisch ist der "besorgende Umgang" ebenso wichtig und legitim, wie das "Sein zum Tod". Insofern ist der "lebensweltliche" (Husserl) Zeichengebrauch ein positiv zu explizierendes Phänomen und wenn darin Werkzeuge und Verweisungen vorkommen, so gehört das zur menschlichen Verfassung. Existenzialontologisch gibt es aber zweitens die "Entschlossenheit", zusammen mit dem Anspruch auf Ganzheit und Ursprünglichkeit. Aus dieser Sicht ist der "besorgende Umgang" dingverhaftet und - in einer Weise - unzureichend.
Heideggers Verhältnis zu Husserl kann man nun in diesem Punkt so charakterisieren: Während Husserl uneigentliche Zeichen als Grundlage eines "wunderbaren Apparates" sieht, der letztlich die moderne Wissenschaft ermöglicht, platziert Heidegger Eigentlichkeit nicht in der naturbezogenen Wahrnehmungssituation, sondern in der Durchkreuzung der Weltverbundenheit des Menschen in Angst, Gewissen, Schuld und Tod. So gesehen wird der gesamte Zusammenhang des besorgenden Verweisens ("natürlich" und "künstlich") distanziert. Und der Anteil des Künstlichen darin wird angesichts des hier durchbrechenden Existenzialismus eigens ausgegrenzt und problematisiert.
SZ §§9, 45: Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit (Code)
GA 40: Die Aushöhlung des Seyns (Code)
zurück zu Code: Kommunikation und Kontrolle (Vorlesung Hrachovec, 2007/08)