Grenzfall von Erkenntnis: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 27. Juni 2007, 17:29 Uhr

Die erste Charakteristik, die Hegel von der "sinnlichen Gewissheit" gibt, unterschreitet (bzw. überschreitet) den Spielraum von Erkenntnis. Was wir sinnlich wahrnehmen unterliegt keinem Zweifel. Eigentlich kann darüber nicht diskutiert werden. Sofern es um die direkte Einwirkung der Umwelt auf die Sinne geht, ist die betreffende Person umstandslos die letzte Instanz der Behauptung. "Es ist so, denn ich sehe/höre/schmecke es." Hegel weist darauf hin, dass in dieser Konstellation ein "reines" Ich einem "reinen" Sinneseindruck gegenübersteht.

"Hier steht ein Tisch; ich kann ihn sehen und berühren." "Die Sonne scheint, da gibt es keine Frage." Solche Sätze spielen eine eigentümliche Doppelrolle. Sie sehen aus wie Behauptungen - aber sie unterliegen keinem Widerspruch. Normalerweise hängen Feststellungen an Gründen, die für sie ins Treffen geführt werden können. Das scheint in diesem Fall überflüssig. Woher erhalten die Sätze dann ihr Gewicht? Es kann nur an der Bereitschaft liegen, unter bestimmten Bedingungen das gewöhnliche Prüfverfahren auszusetzen.

Der Regelfall kann das nicht sein, sonst ließen sich Erkenntnisansprüche nicht diskutieren. Dazu sind Gründe und Gegengründe erforderlich. Sinnliche Gewissheit bezeichnet man häufig als Fundament des Wissens, die beschriebene Fraglosigkeit erklärt ihre Sonderstellung. Sie hat den folgenden Mangel: ohne einen Aufbau ist das Fundament kein Fundament. Ohne Argumentationsverläufe läßt sich der Wissensanspruch der Ausgangsposition nicht erklären.

Das ist auch Hegels Ansicht. Die Sicherheit, die einfach auf Sinneswahrnehmungen gründet, ist gänzlich abstrakt. Sie ist unwiderlegbar, weil sie sich auf keine Debatten einläßt. Die Frage ist dann, wie die Auseinandersetzung überhaupt ins Rollen kommt. Darauf hat Hegel eine auf den ersten Blick verwunderliche Antwort:

Eine wirkliche sinnliche Gewissheit ist nicht nur diese reine Unmittelbarkeit, sondern ein Beispiel derselben. (PhdG S. 83)

Inwiefern ist die dargestellte äußerste Abstraktheit zugleich eine Konkretion? Das klingt paradox. Beispiele der Unmittelbarkeit verleihen der sinnlichen Gewissheit die "Griffigkeit", die sie zur weiteren Entwicklung brauchen.


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