Dirk Baecker zu Wissensmanagment (BW): Unterschied zwischen den Versionen

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Hatte man sich bisher damit begnügen können, jedem »stake-holder« innerhalb und außerhalb der Organisation sein eigenes wie immer milieugebundenes und ideologisches Wissen zuzumessen, so wird es nun nicht nur interessant, sondern überlebensnotwendig, diese unterschiedlichen Wissenstypen verhandelbar, das heißt diskursfähig zu machen und zu überprüfen, wie weit sie dem Wissen angemessen sind, das die Wissensgesellschaft erfordert und in Reichweite rückt. Die »Mikropolitik«" wird als »Beobachtung zweiter Ordnung« rekonstruiert und zum Gegenstand von Unternehmensführung, Unternehmenskultur und Geschäftspolitik. Was immer Arbeiter, Angestellte und Unternehmensführung, Lieferanten, Kunden, Kapitalgeber und Analysten bisher »wußten« und wie immer sie ihr Wissen pflegten, ab jetzt wird es erforderlich, diese Wissenstypen aufeinander abzustimmen, sie wechselseitig rekonstruktionsfähig zu machen und auf der Ebene ihrer Rekonstruktion zur Disposition zu stellen.
 
Hatte man sich bisher damit begnügen können, jedem »stake-holder« innerhalb und außerhalb der Organisation sein eigenes wie immer milieugebundenes und ideologisches Wissen zuzumessen, so wird es nun nicht nur interessant, sondern überlebensnotwendig, diese unterschiedlichen Wissenstypen verhandelbar, das heißt diskursfähig zu machen und zu überprüfen, wie weit sie dem Wissen angemessen sind, das die Wissensgesellschaft erfordert und in Reichweite rückt. Die »Mikropolitik«" wird als »Beobachtung zweiter Ordnung« rekonstruiert und zum Gegenstand von Unternehmensführung, Unternehmenskultur und Geschäftspolitik. Was immer Arbeiter, Angestellte und Unternehmensführung, Lieferanten, Kunden, Kapitalgeber und Analysten bisher »wußten« und wie immer sie ihr Wissen pflegten, ab jetzt wird es erforderlich, diese Wissenstypen aufeinander abzustimmen, sie wechselseitig rekonstruktionsfähig zu machen und auf der Ebene ihrer Rekonstruktion zur Disposition zu stellen.
  
Der tiefere Grund dafür könnte brisanter nicht sein: Als hätten Ideologiekritik, Wissenssoziologie, Ethnomethodologie, Ideengeschichte, Deconstruktion und Konstruktivismus erst jetzt ihre eigentliche Aufgabe gefunden, wird jede Form des Wissens einem grundsätzlichen Zweifel unterzogen. Wie sich Arbeiter, Angestellte, Vorgesetzte, Kunden und Kapitalgeber ihre Welt zurechtlegen, wird als »mundane reason« verstanden» innerhalb derer sich die jeweiligen Zirkel von Beobachtern der Objektivität und Intersubjektivität ihrer Weltanschauung versichern, ohne zur Kenntnis nehmen zu können, ob und wie die mit dieser Weltanschauung ausgeblendeten Weltwirklichkeiten die Reproduzierbarkeit der Beobachtungen gefährden.
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Der tiefere Grund dafür könnte brisanter nicht sein: Als hätten Ideologiekritik, Wissenssoziologie, Ethnomethodologie, Ideengeschichte, Deconstruktion und Konstruktivismus erst jetzt ihre eigentliche Aufgabe gefunden, wird jede Form des Wissens einem grundsätzlichen Zweifel unterzogen. Wie sich Arbeiter, Angestellte, Vorgesetzte, Kunden und Kapitalgeber ihre Welt zurechtlegen, wird als »mundane reason« verstanden, innerhalb derer sich die jeweiligen Zirkel von Beobachtern der Objektivität und Intersubjektivität ihrer Weltanschauung versichern, ohne zur Kenntnis nehmen zu können, ob und wie die mit dieser Weltanschauung ausgeblendeten Weltwirklichkeiten die Reproduzierbarkeit der Beobachtungen gefährden.
  
 
<font color="purple">Allerdings kommt es dem »Wissensmanagement« nicht auf »Aufklärung« an. Es nutzt den Zweifel nicht im cartesianischen Sinne als Einsatzbedingung für die Selbstaufklärung der »Vernunft«, sondern im Husserlschen Sinne zur Rekonstruktion der »transzendentalen«, das heißt das jeweilige Bewußtsein überschreitenden Bedingungen jeden Bewußtseins in der das Bewußtsein tragenden »Lebenswelt«.</font> Es rekonstruiert den Beobachter anhand der Bedingungen seiner Möglichkeit. Allerdings tut es dies nicht in philosophischer Absicht. Es geht nur partiell darum, dem Beobachter das Wissen um die transzendentalen Bedingungen seiner selbst anschließend zur Verfügung zu stellen und auch dies dann wieder »Aufklärung« zu nennen.
 
<font color="purple">Allerdings kommt es dem »Wissensmanagement« nicht auf »Aufklärung« an. Es nutzt den Zweifel nicht im cartesianischen Sinne als Einsatzbedingung für die Selbstaufklärung der »Vernunft«, sondern im Husserlschen Sinne zur Rekonstruktion der »transzendentalen«, das heißt das jeweilige Bewußtsein überschreitenden Bedingungen jeden Bewußtseins in der das Bewußtsein tragenden »Lebenswelt«.</font> Es rekonstruiert den Beobachter anhand der Bedingungen seiner Möglichkeit. Allerdings tut es dies nicht in philosophischer Absicht. Es geht nur partiell darum, dem Beobachter das Wissen um die transzendentalen Bedingungen seiner selbst anschließend zur Verfügung zu stellen und auch dies dann wieder »Aufklärung« zu nennen.

Aktuelle Version vom 25. Mai 2007, 08:17 Uhr

Exzerpt aus: Dirk Baecker: Organisation und Managment. Frankfurt 2003. S. 92ff

Rekonstruktion, Vernetzung und Korrektur

Als vornehmste Aufgabe des Wissensmanagements gilt es, eine Organisation fit zu machen für die »Wissensgesellschaft«, die am Horizont heraufzieht, und sicherzustellen, daß sie die Chancen und Risiken handhaben kann, die mit dieser Gesellschaft einherzugehen versprechen. Die klassische Funktion des Managements, die Koordination der Arbeitsprozesse in einer Organisation zu kontrollieren, zu überwachen und zu verwalten, wird um die Aufgabe erweitert, zum einen das dafür erforderliche Wissen bereitzustellen und zum anderen das dafür in der Organisation bereits vorhandene Wissen zu erheben, zu überprüfen, so zu generalisieren, daß es als Organisationsressource zur Verfügung gestellt werden kann, und nicht zuletzt zu variieren. Auch hier reibt sich das Management an der Organisation, muß jedoch zunehmend zur Kenntnis nehmen, daß die Organisation vor jedem Eingriff des Managements oder auch in der Auseinandersetzung mit Eingriffen des Managements Formen der Kooperation gefunden hat, die für das Management attraktiv genug sind, um kopiert und übernommen zu werden.

Hatte man sich bisher damit begnügen können, jedem »stake-holder« innerhalb und außerhalb der Organisation sein eigenes wie immer milieugebundenes und ideologisches Wissen zuzumessen, so wird es nun nicht nur interessant, sondern überlebensnotwendig, diese unterschiedlichen Wissenstypen verhandelbar, das heißt diskursfähig zu machen und zu überprüfen, wie weit sie dem Wissen angemessen sind, das die Wissensgesellschaft erfordert und in Reichweite rückt. Die »Mikropolitik«" wird als »Beobachtung zweiter Ordnung« rekonstruiert und zum Gegenstand von Unternehmensführung, Unternehmenskultur und Geschäftspolitik. Was immer Arbeiter, Angestellte und Unternehmensführung, Lieferanten, Kunden, Kapitalgeber und Analysten bisher »wußten« und wie immer sie ihr Wissen pflegten, ab jetzt wird es erforderlich, diese Wissenstypen aufeinander abzustimmen, sie wechselseitig rekonstruktionsfähig zu machen und auf der Ebene ihrer Rekonstruktion zur Disposition zu stellen.

Der tiefere Grund dafür könnte brisanter nicht sein: Als hätten Ideologiekritik, Wissenssoziologie, Ethnomethodologie, Ideengeschichte, Deconstruktion und Konstruktivismus erst jetzt ihre eigentliche Aufgabe gefunden, wird jede Form des Wissens einem grundsätzlichen Zweifel unterzogen. Wie sich Arbeiter, Angestellte, Vorgesetzte, Kunden und Kapitalgeber ihre Welt zurechtlegen, wird als »mundane reason« verstanden, innerhalb derer sich die jeweiligen Zirkel von Beobachtern der Objektivität und Intersubjektivität ihrer Weltanschauung versichern, ohne zur Kenntnis nehmen zu können, ob und wie die mit dieser Weltanschauung ausgeblendeten Weltwirklichkeiten die Reproduzierbarkeit der Beobachtungen gefährden.

Allerdings kommt es dem »Wissensmanagement« nicht auf »Aufklärung« an. Es nutzt den Zweifel nicht im cartesianischen Sinne als Einsatzbedingung für die Selbstaufklärung der »Vernunft«, sondern im Husserlschen Sinne zur Rekonstruktion der »transzendentalen«, das heißt das jeweilige Bewußtsein überschreitenden Bedingungen jeden Bewußtseins in der das Bewußtsein tragenden »Lebenswelt«. Es rekonstruiert den Beobachter anhand der Bedingungen seiner Möglichkeit. Allerdings tut es dies nicht in philosophischer Absicht. Es geht nur partiell darum, dem Beobachter das Wissen um die transzendentalen Bedingungen seiner selbst anschließend zur Verfügung zu stellen und auch dies dann wieder »Aufklärung« zu nennen.

Sondern es geht um Rekonstruktion, Vernetzung und Korrektur. Das eigene Wissen wird rekonstruiert, um in den Anschlüssen der Organisation, in dem dieses Wissen gepflegt wird, Dispositionsspielräume, das heißt ungenutzte Vernetzungsmöglichkeiten zu schaffen. Das Wissen der Partner, mit denen man es zu tun hat, sei es innerhalb der Organisation, sei es außerhalb bei Kunden, Lieferanten und Kapitalgebern, wird rekonstruiert, um sich selbst mit den Augen der anderen beobachten zu können und daran anschließend die eigenen Vernetzungsangebote für diese anderen attraktiver gestalten zu können. In beiden Fällen ist die entscheidende Vernetzungspraxis die Korrektur. Das eigene Wissen wird korrigiert, um Vernetzungsmöglichkeiten wahrnehmen zu können, die bislang außer Reichweite lagen. Und auch das Wissen der Partner wird mit Hilfe eigener Wissensangebote so bearbeitet, daß diese Vernetzungsmöglichkeiten wahrnehmen können, von denen sie bisher nicht wußten, daß sie in ihrem Interesse liegen.

Niemand kann absehen, ob diese Praxis des Wissensmanagements zur wechselseitigen Aufklärung oder zur Konstruktion eines wechselseitig gestützten Verblendungszusammenhangs führen wird. Beides ist möglich, ja wahrscheinlich ist das eine nichts anderes als das andere. Die Kriterien für eine wirkliche Wirklichkeit gehen verloren, wenn nichts als Wissen zur Verfügung steht, um Wissen zu korrigieren. Und solche Kriterien sind auch gar nicht mehr erforderlich, wenn sie es je waren, denn es zählt nur die gelungene Vernetzung. Jede Vernetzung zählt, die die eigene Reproduktion absichert. Jede Korrektur wird aufgegriffen, die die Vernetzung und damit die Reproduktion absichert. Und all das geht so lange gut, wie es gutgeht. Denn über die Anpassung an die Umwelt kann man nur sagen, daß sie offensichtlich gegeben ist, sonst gelänge die Reproduktion nicht, ohne daß man daraus andererseits einen Schluß darauf ziehen kann, wie sie gegeben ist, warum sie gegeben ist und wie lange sie noch gegeben ist.

Konditionen

Jedes »Wissensmanagement«, darauf sollten die vorstehenden Überlegungen aufmerksam machen, ist seine eigene Ressource. Wer glaubt, die Pointe des Wissensmanagements bestünde darin, daß das Management es jetzt erstmals nicht nur mit mehr oder minder arbeitswilligen Arbeitskräften, nicht nur mit mehr oder minder elaborierten Entscheidungshierarchien, nicht nur mit mehr oder minder über ihre Bedürfnisse aufgeklärten Kunden und nicht nur mit mehr oder minder willigen Kapitalgebern, sondern endlich auch mit der wertvollsten Ressource des Menschen, seinem Wissen, zu tun hat, irrt sich. Oder vorsichtiger gesagt: Wer dies glaubt, irrt sich dann, wenn er meint, Wissen ließe sich wie eine Ressource behandeln, wie ein Bestand, der mehr oder minder geschickt verwaltet und eingesetzt werden kann.

Schon die Arbeitskräfte, Entscheidungshierarchien, Kunden und Kapitalgeber sind keine Ressourcen des Managements, die von diesem mehr oder minder effizient zur geplanten Zielerreichung der Organisation eingesetzt werden könnten. Sie sind keine Bestände, die dann nur noch einzusetzen sind. Sondern sie sind »Produktionsfaktoren«, die vom Management als solche definiert werden müssen und deren Definition gegenüber den Arbeitern, Organisationen, Nachfragern und Eigentümern mit mehr oder weniger Resonanz und Entgegenkommen durchgesetzt werden muß. Nichts an einer Arbeitskraft, an einer Entscheidungshierarchie, an einem Kunden, an einem Kapitalgeber ist selbstverständlich. Alles an ihnen ist Gegenstand einer Konstruktion durch den Manager, die entweder »monologisch-disziplinierend« oder »dialogisch-partizipativ« erarbeitet wird und die sich — unabhängig von ihrem Zustandekommen — entweder bewährt oder nicht bewährt.

Ebenso macht es dann umgekehrt Sinn, sich das Management nicht als eine definierte und festliegende Form der Führung und Steuerung einer Organisation vorzustellen, sondern die jeweilige Form als abhängig von den wichtigsten eingesetzten »Produktionsfaktoren« zu beschreiben. Ein Management, das darauf spezialisiert war, Arbeitskräfte zu koordinieren, ist deswegen noch lange nicht in der Lage, effiziente Entscheidungsabläufe zu entwerfen oder Kunden zu binden. Und ein Management, das im Beziehungsmanagement mit Kapitalgebern brilliert, hat unter Umständen keine Sprache, die Lieferanten verstehen. Die Produktionsfaktoren einer Organisation sind das Medium, in dem das Management seine Form jeweils erst finden muß, und dies parallel zur Selektion und Definition der Produktionsfaktoren. Diese Sichtweise macht verständlich, daß das Management in seinen jeweiligen Ausprägungen so historisch ist wie die Organisation, in der es arbeitet, so daß jede neue Managementphilosophie nicht nur sich, sondern auch die zu ihr passende Organisation erfinden muß — und dafür, das versteht sich, auf gesellschaftliche Vorgänge im allgemeinen und wirtschaftliche Vorgänge im besonderen verweisen muß.

Ähnliches gilt auch für den neuentdeckten Produktionsfaktor »Wissen«. Selbst wenn allerorten klar wäre, was unter »Wissen« zu verstehen ist, müßte das Management dies als »unklar« behandeln, um diejenigen Definitionen zu entwickeln, die den eigenen Eingriffsmöglichkeiten in eine Organisation des Wissens entsprechen. Es führt daher nicht sehr weit, andernorts erprobte Definitionen des Wissens auch dem Management anzudienen. Dieser Typ des Vorgehens ist bereits gescheitert, als man im 19. Jahrhundert erst einmal festhalten wollte, was unter einem »Arbeiter« zu verstehen ist, oder im 20. Jahrhundert, was unter einem »Kunden« zu verstehen ist. Dies können allenfalls flankierende »diskurspolitische« Maßnahmen einer Gesellschaft sein, die wie immer kritisch oder affirmativ die Zugriffe des Managements und seiner Organisationen auf neue Produktionsfaktoren beobachtet und diese Zugriffe zu konterkarieren oder zu unterstützen sucht. Auch den Produktionsfaktor »Kapital« versteht man erst, wenn man beobachtet, wie das Management mit ihm umgeht, und nicht dann, wenn man unabhängig von dieser Form einer gesellschaftlichen »Praxis« zu definieren versucht, worum es sich »an und für sich« handeln könnte.

Ähnlich gilt für unsere Frage nach Möglichkeiten und Chancen des »Wissensmanagements«, daß man sie nur als Frage nach der wechselseitigen Konditionierung des Wissens durch das Management, das auf es zugreift, und des Managements durch das Wissen, auf das es zugreifen will, verstehen und erläutern kann. Schon der erste Blick in einen betriebswirtschaftlichen Text zum Wissensmanagement zeigt, daß Wissen hier in einer organisierbaren, geordneten, verwalteten, kategorisierten und systematisierten Form vorkommt. Das heißt, es kommt als Bestand vor, der auf organisierte Weise produziert wurde und der auf organisierte Weise abgerufen werden kann. Man erkennt am Wissen die Organisation, die es produziert hat, wenngleich eher das Selbstverständnis der Organisation als das reale Chaos, dem dieses Selbstverständnis abgetrotzt ist. Man sieht, daß man erwartet, daß jeder weiß, an welchem Wissen er arbeitet. Und sieht, daß man erwartet, daß jeder weiß, wo er welches Wissen findet, wenn er nach Wissen sucht.

Dies gilt für das Wissen über die Binnenwelt der Organisation wie für das Wissen über ihre Außenwelt. Auch die Märkte, auch die Gesellschaft, in der die Organisation operiert, kommen in der Form allerdings rasch wandelbarer Wissensbestände vor, die dann durch Verfahren des »issue management«, der »Trendforschung« oder des »data mining« in eine managementkompatible Form gebracht werden. Managementkompatibel ist jede Form, die Probleme nennt und in der Formulierung der Probleme ihre Lösbarkeit mit unterstellt. Das »issue«, der »Trend«, die »Daten« sind jeweils Wissensartefakte, die bereits Informationen über ihre Vernetzung beziehungsweise, wichtiger noch, ihren Vernetzungsbedarf enthalten. Das »issue« deutet an, daß hier ein Phänomen auftaucht, für das man entweder eine Antwort schon hat oder nicht hat. Der »Trend« fordert, sämtliche aktuellen Fassungen des Kundenzugangs, der Mitarbeitermotivation und der Offentlichkeitsarbeit in seinem Licht neu zu betrachten, selbst wenn man weiß, daß auf diesen Trend alsbald ein anderer folgen wird. Und die »Daten« sind für diese Form managementkompatiblen Wissens die willkommenste und geeigneteste Form, weil sie einerseits frei von allen möglichen Interpretationen sind, andererseits und gerade deswegen jedoch auf Interpretationen angewiesen sind: das Tummelfeld des Managements.

Mit anderen Worten, managementkompatibel ist jedes Wissen, das auf Konsequenzen hin gelesen werden kann: auf Konsequenzen hier und jetzt, auf praktische Konsequenzen, auf Konsequenzen, aus denen ein Gestaltungsbedarf abgeleitet werden kann. Je mehr Spielraum dieses Wissen einräumt und je genauer dieser Spielraum mit dem Blick auf dieses Wissen selbst eingegrenzt werden kann, desto geeigneter ist es als Medium einer neuen Form des Managements.

Und umgekehrt ist diese neue Form des Managements als eine Form zu begreifen, die durch den Umgang des Managements mit Wissen konditioniert ist. Es ist nur ein erster Schritt, jedes Wissen als eine »Zumutung« für den, der es noch nicht weiß, zu beschreiben und daraus die Ablehnungswahrscheinlichkeit von Wissensangeboten abzuleiten». Ebenso wichtig ist in einem zweiten Schritt die Frage, wie das Management mit diesen Ablehnungswahrscheinlichkeiten umgeht. Das Management hat Formen des Umgangs mit Arbeitskräften ebenso gefunden wie mit Kunden und Kapitalgebern. Es wird auch die Ablehnungswahrscheinlichkeit von Wissen zu handeln lernen, denn daran hängt nichts weniger als die eigene Reproduktionsmöglichkeit.

Wie also verändert sich das Management durch die Einführung von Versuchen des Wissensmanagements? Wahrscheinlich ist es zu früh, diese Frage zu beantworten, aber es fällt auf, daß das Management in seinem Selbstverständnis in den letzten zehn Jahren, also in etwa parallel zum Auftauchen des Wissensmanagements, eine, vorsichtig formuliert, »hermeneutische«, das heißt Sinn freilegende und Sinn produzierende Komponente bekommen hat, die ihm vorher fehlte. Zwar versucht es, das ihm verfügbare und von ihm angeforderte und produzierte Wissen in die Form interpretierbarer Datenpakete zu bringen. Aber zugleich erfährt es zum einen, wie voraussetzungsvoll das ist, das heißt wie wenig sich das Wissen in die Form der Daten bringen läßt, und zum anderen, daß die Interpretierbarkeit der produzierten Daten weniger leicht kontrolliert werden kann als manch anderer »Bestand«. Irgendwann »ist« ein Arbeiter ein Arbeiter, ein Kunde ein Kunde, eine Entscheidung eine Entscheidung und ein Kapitalgeber ein Kapitalgeber. Aber wann ist Wissen Wissen? Wann ist eine Interpretation sinnvoller als eine andere? Wie kann man ausschließen, daß meine Interpretation von heute mein Problem von morgen wird? Natürlich ist man es gewohnt, mit fluktuierenden und volatilen Datenbeständen umzugehen, aber bisher hatte man es mit als »objektiv« behandelbaren Interpretationen von Ungewißheiten zu tun: der Preis ist die Sonde für sich ändernde Kundenwünsche, der Lohn die Sonde für das Ausmaß verfügbarer Mitarbeitermotivation und der Zins und Aktienpreis die Sonden für Kapitalgeberlaunen. Aber wie sondiert man das eigene Wissen, wenn man dafür nur das eigene Wissen und Interpretationen, die man nicht in die Form des Wissens bringen kann, zur Verfügung hat?

Wer sich auf Wissen einläßt, muß auch den Zweifel akzeptieren. Die alten Formen eines Expertenwissens, das mit allen Zeichen der Autorität kommuniziert werden konnte, weichen einem »ökologischen«, das heißt Grenzen in Rechnung stellenden und Grenzen überschreitenden Bewußtsein möglicher Formen des Umgangs mit Nichtwissen. Wenn man die dieses abbildenden Organisations- und Managementlehren beim Wort nehmen kann, beginnt das Management, sich mit Ambivalenz, Ungewißheit und Nichtwissen zu beschäftigen. Es wird »postheroisch«, es wird »epistemologisch«, es beginnt, sich als »Kommunikation« zu begreifen. All das sind Zeichen dafür, daß es dem Management nicht mehr gelingt, sich auf ein instrumentelles Verständnis seiner selbst zu reduzieren, sondern daß es zunehmend den Gedanken ins Auge faßt und ausspricht daß es an Konstruktionen einer Wirklichkeit arbeitet, die sich nur als Konstruktionen bewähren können.

Das Management des Wissensmanagements wird eines sein, das mehr und mehr von der Erfahrung des Nichtwissens und von der Fähigkeit, mit dieser Erfahrung umzugehen, geprägt ist. Das gilt auch und gerade dann, wenn es immer noch und weiter versuchen wird, den anderen die Objektivität der Daten, das heißt die Eindeutigkeit ihrer Interpretation, vorzuspielen. Je mehr jedoch die Erfahrung des Nichtwissens in der modernen Gesellschaft nicht nur geteilt, sondern kommuniziert wird desto mehr wird das Management seine Chance darin sehen, mit Verweis auf Organisation Formen des Umgangs mit diesem Nichtwissen zu erproben, die in einem sehr alten Sinn auf »Kultur« rekurrieren nämlich auf die Fähigkeit, im Umgang mit verfügbaren Produktionsfaktoren deren Unverfügbarkeit mitzudenken. Organisation wird dann nicht länger als »blinder Fleck« des Managements zu halten sein. Sie wird im Gegensatz selbst zur Sonde werden, mit der wir dieses »runaway system« namens Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft zu erkunden versuchen, in das wir auf Gedeih und Verderb eingespannt sind.


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Besser Wissen (Vorlesung Hrachovec, 2006/07)</root>