Freiheit in einigen Hinsichten (FiK): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 7. Dezember 2006, 11:02 Uhr
In meiner Dissertation arbeitete ich mit einem Sonagraphen zur Visualisierung akustischer Fragmente einer niederösterreichischen Mundart. Beispiele daraus eignen sich zur Diskussion einiger Fragen aus dem Problemfeld technischer Messungen körperlich realisierter kultureller Ereignisse.
Inhaltsverzeichnis
Vier Hinsichten
Das vorliegende Spektrogramm kann als Grundlage unterschiedlicher Fragestellungen dienen. Sie beziehen sich auf jeweils eigenständige Kontexte, die - separat betrachtet - nicht aufeinander bezogen sind:
- Akustik: Geräusche
- Phonetik (Phone): menschliche Lautartikulation
- Phonologie (Phoneme): "g", "r", "u", "i", "m"
- Syntax, Semantik, Pragmatik
- Historische Lautlehre: ui-Mundart
Lautarten
Die Betrachtungsweisen können partiell-integrativ miteinander verbunden werden.
- Im Frequenzspektrum lassen sich spezielle Schwärzungen feststellen.
- Diese Schwärzungen sind mit dem menschlichen Sprechapparat korreliert: Vokale, Verschlusslaute, Reibelaute.
- Auf dieser Basis lassen sich Lauteinheiten definieren, die eine bedeutungskonstitutive Rolle spielen.
- Solche Phoneme unterliegen einer historischen Entwicklung
Lautkontexte
Der menschliche Artikulationsapparat besitzt eine gewisse Trägheit. Das führt dazu, dass Phoneme nicht atomar, distinkt nebeneinander auftreten, sondern in Verschleifungsprozesse eingebettet sind. Daraus folgt, dass das Erscheinungsbild der Phoneme sich kontextgebunden ändert und dass keine eindeutigen Grenzen anzugeben sind, "wann ein Phonem beginnt". Die Fragestellung passt nicht zum empirischen Befund.
Kirsten Machelett:
- In der Geschichte der Phonetik diskutierte man immer wieder darüber, ob eine Lautfolge akustisch überhaupt segmentierbar ist, und falls ja, in welchen Einheiten die Segmentierung erfolgen sollte.
- Wenn wir Sonagramme lesen wollen, müssen wir uns natürlich fragen, ob das aus den artikulatorischen Bewegungen resultierende akustische Signal erkenn- und isolierbare Segmente möglichst phonemischen Charakters enthält, die wir mit entsprechenden Labeln versehen können.
- Auch wenn die Vokalsegmente starke Transitionen (die beiden Vokalteile eines Diphthongs werden üblicherweise nicht getrennt) aufweisen, sind doch deutliche Segmentgrenzen zu ziehen zwischen Vokal, Nasal, Frikativ und Plosiv. Zweifellos haben einige Lauttypen von Natur aus Transitionscharakter wie z.B. Aspiration, Approximanten oder Diphthonge. Dennoch sind ihre ungefähren Anfangs- und Endgrenzen erfahrungsgemäß bestimmbar.
Frequenzdifferenz
Beispiele für das Auftreten des Phonems "a" in einem Sonagramm.
- vergleichsweise separat
- im Auslaut
- im Diphtong
Es gibt Kriterien der Phon- und Phonemgrenzen, aber es sind nicht dieselben. Eine Analyse, die auf den Artikulationsvorgang einer bekannten Sprache ausgerichtet ist, operiert mit einer Überblendung der Kriterien.
zwischen den Hinsichten
In einem Sinn bauen die Phonetik und Phonologie auf der Akustik auf, andererseits bieten sie völlig eigenständige Perspektiven:
- Geräusch/Lautbildung
- labial, dental, guttural
- Tier/Tür, Hans/Haus
die Interessen und Erklärungsverfahren differieren - was hilft eine Reduktion?
zwischen den Zeiten
Die Analyse der Schwärzungsmuster auf der Zeitkoordinate operiert mit unterschiedlichen Zeitfaktoren
- Geräuschdauer, Physiologie, historische Lautforschung
- speziell: der Beginn eines Segments ist von der Untersuchungsperspektive abhängig
- wann/wo beginnt ein akustisches Ereignis, ein Phon, ein Phonem
Verschränkungen:
- Geräusche (Räuspern)/Phone
- verschmelzende Phone
- Phoneme „beginnen“ überhaupt nicht
Anfangen
„Das neue Jahr beginnt.“
- Ein astronomischer Ablauf wird durch die Brille eines Systems zur Zeiteinteilung gesehen und als eine Art Akteur angesprochen.
„Der Ausbruch einer Grippewelle“
- Bazillen kennen den Verlauf von Epidemien nicht
Lautbeginn
- Woher "weiss" der Dentallaut vom folgenden Vokal?
Charakteristisch für Anfänge:
- eine gemischte Hinsicht
- ein vorausgesetztes Kontinuum
- eine strukturierende externe Betrachtung/Intervention
Anwendung Libet-Experiment:
lokale Erregungsveränderungen großer Nervenverbände werden unter dem Aspekt „Freiheit“ untersucht
Ergebnis: in den Millisekundenbereich werden Kennmarken für planendes Bewusstsein eingetragen
wann beginnt eine Handlung?
- Startschuss, Türöffnen, Teekochen
Drei weitere Hinsichten
das Diagramm entscheidet nicht, ob es gut geeignet ist
- den Scanmodus zu testen
- eine Reklamation zu begründen
der Zweck der Verwendung des Diagramms liegt ausserhalb und lenkt seine Interpretation
- das Diagramm kann diesen Zweck nur in seinem Rahmen unterstützen
- der freie Wille tritt als Markierung auf einer Linie auf
Zwei Hinsichten auf einen Monitor
eine Folge von Hinsichten
- ein technisches Gerät
- ein LCD-Screen
- Mustererkennung
- bildliche Darstellung
- Zoologie
der Direktkontakt: Elektrizität versus Papageien. Natürlich stellt das Bild am Monitor Papageien dar (normalerweise). Weil wir den ganzen Zusammenhang so eingerichtet haben. Dieser Zusammenhang läßt sich in einer Anzahl einander überlagernder Schichten nachkonstruieren.
Kann/soll man Papageien aus den Polarisationsdaten des Monitors ableiten?