Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft (Exzerpt): Unterschied zwischen den Versionen

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'''Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, 5. Aufl., Frankfurt am Main/New York, 1995'''
  
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Mit der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu einer Überflussgesellschaft sind einige existenzielle Veränderungen eingetreten. Versorgung mit dem Notwendigen und die Sicherung eines gewissen Lebensstandard sind weitgehend gewährleistet, nicht mehr das Überleben steht im Vordergrund, sondern das eigene Leben so zu gestalten, dass es subjektiv als sinnvoll empfunden wird. Während das Erleben früher Begleiterscheinung war, hat es sich immer mehr zum Selbstzweck hin entwickelt und ist nun Ziel allen Handelns. Dies führt zu einer Ästhetisierung des Alltags: Dinge werden nicht mehr an ihrem Gebrauchswert gemessen, sondern an ihrem ästhetischen Wert, ihrem subjektiv eingeschätzten Erlebniswert. Diese Nachfrage nach Erlebnissen ist Teil eines Marktes auf dem die Anbieter eine unüberschaubare Menge an Erlebnisangeboten produzieren. In dieser Flut von Angeboten müssen sich die Konsumenten orientieren, sie müssen einschätzen, was sie wirklich wollen und mit welchem Mittel sie das gewünschte Erlebnis bekommen. Der Konsum eines Erlebnisangebots reicht jedoch nicht aus, um ein Erlebnis zu haben. Erlebnisse sind pyschophysische Zustände für deren Entstehung das Subjekt selbst eine zentrale Rolle spielt. Typische Begleiterscheinungen dieser Szenerie sind Unsicherheit (was will ich überhaupt?) und Enttäuschungsrisiko (das konsumierte Erlebnisangebot führt nicht zum gewünschten Erlebnis).
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Unter diesen Bedingungen muss auch das Verhältnis der Menschen zueinander neu bestimmt werden. Statt Stellung im Produktionsprozess, Lebensstandard und Umgebung spielen nun  Stil, Alter und Bildung die zentralen Rollen bei der Konstitution von sozialen Milieus. Stile, Ansichten, Lebensphilosophien sind die Gesichtspunkte nach denen sich Menschen in Milieus gruppieren. Vor dem Hintergrund unzähliger Möglichkeiten ist die Entscheidung für oder gegen eine dieser Möglichkeiten ein Statement.
  
  

Aktuelle Version vom 29. März 2006, 14:27 Uhr

Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, 5. Aufl., Frankfurt am Main/New York, 1995

Mit der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu einer Überflussgesellschaft sind einige existenzielle Veränderungen eingetreten. Versorgung mit dem Notwendigen und die Sicherung eines gewissen Lebensstandard sind weitgehend gewährleistet, nicht mehr das Überleben steht im Vordergrund, sondern das eigene Leben so zu gestalten, dass es subjektiv als sinnvoll empfunden wird. Während das Erleben früher Begleiterscheinung war, hat es sich immer mehr zum Selbstzweck hin entwickelt und ist nun Ziel allen Handelns. Dies führt zu einer Ästhetisierung des Alltags: Dinge werden nicht mehr an ihrem Gebrauchswert gemessen, sondern an ihrem ästhetischen Wert, ihrem subjektiv eingeschätzten Erlebniswert. Diese Nachfrage nach Erlebnissen ist Teil eines Marktes auf dem die Anbieter eine unüberschaubare Menge an Erlebnisangeboten produzieren. In dieser Flut von Angeboten müssen sich die Konsumenten orientieren, sie müssen einschätzen, was sie wirklich wollen und mit welchem Mittel sie das gewünschte Erlebnis bekommen. Der Konsum eines Erlebnisangebots reicht jedoch nicht aus, um ein Erlebnis zu haben. Erlebnisse sind pyschophysische Zustände für deren Entstehung das Subjekt selbst eine zentrale Rolle spielt. Typische Begleiterscheinungen dieser Szenerie sind Unsicherheit (was will ich überhaupt?) und Enttäuschungsrisiko (das konsumierte Erlebnisangebot führt nicht zum gewünschten Erlebnis). Unter diesen Bedingungen muss auch das Verhältnis der Menschen zueinander neu bestimmt werden. Statt Stellung im Produktionsprozess, Lebensstandard und Umgebung spielen nun Stil, Alter und Bildung die zentralen Rollen bei der Konstitution von sozialen Milieus. Stile, Ansichten, Lebensphilosophien sind die Gesichtspunkte nach denen sich Menschen in Milieus gruppieren. Vor dem Hintergrund unzähliger Möglichkeiten ist die Entscheidung für oder gegen eine dieser Möglichkeiten ein Statement.



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