20.11.2013 Fink, Bruce (2012): Wider den Verstehenszwang. Weshalb Verstehen nicht als wesentliches Ziel der Psychoanalyse aufgefasst werden sollte: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 18. November 2013, 12:02 Uhr
Mich erinnert Finks Beitrag an eine Diskussion, die mir im Bereich der Psychoanalyse bereits schon aufgefallen ist: nämlich die Frage danach, was eine entscheidendere Rolle für Veränderungen im psychoanalytischen Prozeß spielt -> die emotionale Erfahrung oder die Erinnerungen. Meint Fink, dass das Verstehen als Hindernis wirken kann, wenn das Verstehen im reinen "kognitiven Verstehen" ("oberflächliches Verstehen") bleibt, also nicht den Kern der Person trifft und somit zu einer emotionalen Erfahrung wird (eine Veränderung, "die man bis in die Knochen spürt). In welcher Beziehung steht das "oberflächliche Verstehen" einerseits und das "tiefer gehende Verstehen" andererseits in Finks Beitrag zu der emotionalen Erfahrung und der Erinnerung (an Ereignisse, an Traumata etc.)? Ich denke, dass das Verstehen immer ein Doppeltes ist, so wie Kognitionen nicht allein für sich stehen, sondern auch von emotionalen Zuständen begleitet sind. Was kann nun unter Verstehen genau verstanden werden? Welche Rolle spielt die emotionale Erfahrung in der Übertragung im Sinne eines Wiedererleben infantiler Konflikte? Vor allem, wo lässt sich dieses Phänomen in Finks Argumentation verorten? Fink meint, dass jegliches Verstehen als "schlichtweg falsch anzusehen ist", und verweist auf das Imaginäre Register; er erwähnt auch Freud, der meinte, dass nach erfolgreichen Analysen oft nicht genau gesagt werden konnte (von Seiten der Analysanden), was passiert sei oder warum. Auf welcher Grundlage erfolgt im Sinne von Lacan die Veränderung im psychoanalytischen Prozeß? --S (Diskussion) 18:56, 15. Nov. 2013 (CET)
In welchem Verhältnis steht der Trieb zum Realen? In welchem Verhältnis der Wunsch zum Genießen? --S (Diskussion) 18:56, 15. Nov. 2013 (CET)
Kommentar
Neben dem Psychoanalyse Seminar besuche ich eines zum Philosophen Castroriadis. Er scheint einen ähnlichen Zugang wie Lacan oder Fink zu haben wenn er den freudschen Satz: „Wo Es war, soll Ich werden“ (Freud) mit „Wo Ich bin, soll Es auftauchen“ ersetzt (Vgl.: Castoriadis: Sinn der Autonomie. Das Individuum. In: Gesellschaft als imaginäre Institution. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1984, S. 172ff.). Auch er scheint mir damit die Erkenntnis- und Verstehensmöglichkeiten des Menschen als beschränkt anzusehen. Castoriadis geht es also nicht um die Beherrschung durch das Bewusstsein (Fink dazu S. 196: "Das analytische Vorhaben [...] schließt es ein,[...] dass wir nicht Herren im eigenen Haus sind [...]") , sondern um die Realisierung des Unbewussten. Allerdings besteht Castoriadis an dieser Stelle auf eine gesellschaftliche Komponente: die individuellen Phantasmen entstehen auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Imaginären [oder sind stark verflochten mit diesem--Thanu (Diskussion) 11:46, 18. Nov. 2013 (CET)].
Was haltet ihr von dieser Interpretation des Textes: Das Unbewusste ist nicht rational verstehbar, weil es sich bei diesem eben gerade um etwas Irrationales handelt. Der Mehrdeutigkeit der Gefühle, Fantasien usw. ist niemals gerecht zu werden, indem sie erklärt wird. Indem das Unbewusste mit einem Anspruch von Klarheit angegangen wird, ist dasjenige was ihm gerade wesentlich ist, die Mehrdeutigkeit, ausgelöscht.
Das wäre vielleicht auch eine Antwort auf den obigen Beitrag von S. Für das Unbewusste gibt es kein oberflächiges oder tieferes Verstehen und Verstehen ist auch nicht falsch, sondern vielmehr unangemessen. Verstehen fasst nie das, was in seinem Kern nicht verstehbar und rationalisierbar ist. Castoriadis dazu: "Ebenso stellt der Begriff einer dem Subjekt eigenen Wahrheit eher ein Problem dar denn eine Lösung" (Vgl.: Castoriadis: ebda., Seite 176). Selbst wenn ich all das Unbewusste in mir verstünde, wäre ich es noch nicht los, würde es weiter in mir wirken. Und nocheinmal Fink dazu: "Dabei gelangen wir nicht zu einem verstehen des Genießens des Analysanten, sondern bloß zu einem Aufspüren dessen und einer Arbeit damit" (Vgl.: Seminartext, S. 317).
Hier schließt sich dann natürlich das Problem des Relativismus an. Wie damit umgehen, dass etwas nicht auf den Punkt gebracht werden kann, sich jeder Definition, jeder abschließenden Beschreibung usw. entzieht?--Thanu (Diskussion) 13:30, 17. Nov. 2013 (CET)
Ich fand den Text großartig und habe daher keine Fragen, schließe mich also 'nur' der Diskussion an. Ich finde die obige Interpretation Thanus zum Unbewussten relativ treffend, würde aber den Schluss, dass Mehrdeutigkeit ausgelöscht würde zunächst mit dem Teil - wo du Castoriadis zitierst - verknüpfen: dass der Begriff der Subjekt-eigenen Wahrheit eher ein Problem darstelle: Fink betont mehrmals, dass es um eine Veränderung gehe, nur allein diese Bewegung, die wie er schreibt, von AnalysantInnen selbst oft nicht verstanden würde (vgl. bspweise Fink 2012:325). Es ist vielleicht eine Art eigene Wahrheit, die 'durchschritten' wird? Wahrheit ist hier natürlich nichts Allgemneines, weder in Gültigkeit noch in Verbindlichkeit. Ich glaube nicht, dass es darum geht, das Unbewusste "loszuwerden".
Interessant finde ich folgendes Zitat von dir: "die individuellen Phantasmen entstehen auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Imaginären", würde dem aber nicht so ganz zustimmen. Das gesellschaftliche Imaginäre, wäre vlt. in Bezug auf den Fink-Text eben das, was sich um Verstehen und Bedeutung zentriert - das Imaginäre (vgl. ebd. 298), unser "Standardmodus als menschliche Wesen" (ebd. 299), in dem Sinn 'für-mich' zugeschrieben wird, also Verstehen/Erkennen/Wissen, falls man das so zusammenfassen kann. Also Gewohnheiten zugewandt bleiben, "Erklären heißt auf Bekanntes zurückzuführen" (vgl. ebd. 300, Fußnote). Eingebettet in diesen Modus ist dieser natürlich prägend für "individuelle Phantasmen", im weitesten Sinne vielleicht sogar die Matrix der Realität, aber ich würde durchaus Raum für 'subjektive Phantasmen' lassen, denn was jedeR Einzelne dann damit 'macht', ist eben individuell?
Eine Überlegung noch: Die Art und Weise, wie Fink das Symbolische und Imaginäre erläutert, könnte dazu führen, nicht mehr von einer Symbolischen Ordnung zu sprechen, sondern eher einer Imaginären (also vor allem in Bezug auf Texte, die eine kulturtheoretische Perspektive 'haben' und Reales der Symbolischen Ordnung gegenüberstellen, als wäre letztere unsere gesellschaftliche Matrix?) --CoS (Diskussion) 21:09, 17. Nov. 2013 (CET)
Ich wollte in meinem Beitrag nicht den Eindruck erwecken Mehrdeutigkeit oder das Unbewusste loswerden zu wollen. Es ging mir darum, dass rein intellektuelles Verstehen der Mehrdeutigkeit und dem Unbewussten, nach Fink, nie gerecht werden kann. In einem rein intellektuellen Verstehen, was die Phänomene ja auf den Punkt zu bringen versucht, wird die Mehrdeutigkeit ausgelöscht.--Thanu (Diskussion) 11:41, 18. Nov. 2013 (CET)
Wir wollen in der Pyschoanalyse also dem Unbewussten Raum geben, indem es sich in Versprechern und zweideutigen Metaphern etc. zeigt. Wenn im unbewussten aber keine unserer bekannten Gesetzmäßigkeiten gilt und es sich unserer Vorstellungskraft gänzlich entzieht, wie können wir dann davon ausgehen dass in einer Psychoanalyse einer Besserung des Zustandes der PatientIn zugearbeitet wird. Es könnte ja genauso schlechter werden.--Marius Menholz (Diskussion) 11:45, 18. Nov. 2013 (CET)
Folgenden Satz fand ich relativ wichtig und ich wollte wissen ob ich ihn richtig verstanden habe:
„Es ist die Aufgabe des Analytikers […] zu hören was der Analysand tatsächlich sagt, nicht nur das, was er zu sagen beabsichtigt hat, oder was wir glauben, dass er es herüberbringen wollte. (S. 304) Kann ich mir das folgendermaßen vorstellen?:
- Hören was der Analysand tatsächlich sagt, (wörtwörtlich, inklusive Versprecher etc.)
- nicht nur das was er zu sagen beabsichtigt hat (Bewusster Sachinhalt der Vermittelt werden soll)
- oder was wir glauben, dass er es herüberbringen wollte (Bewusster Sachinhalt plus unserer Projektionen)
--Marius Menholz (Diskussion) 12:01, 18. Nov. 2013 (CET)