Verstehen 3 (LWBT): Unterschied zwischen den Versionen

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"Das müßte man aber dazuschreiben".
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[[Kategorie: L. Wittgenstein: Big Typescript]]
 
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Version vom 15. Juni 2012, 06:04 Uhr

Das Verstehen als Korrelat einer Erklärung

Verstehen erfordert zwei Sprachen

Verstehen", damit meine ich ein Korrelat der Erklärung, nicht einer - etwa medizinischen - Beeinflussung.

Mit dem Worte "Mißverständnis" meine ich also wesentlich etwas, was sich durch Erklärung beseitigen läßt. 
Eine andere Nichtübereinstimmung nenne ich nicht "Mißverständnis".

Verständnis entspricht der Erklärung; soweit es aber der Erklärung nicht entspricht, ist es unartikuliert 
und geht uns deswegen nichts an; oder es ist artikuliert und entspricht dem Satz selbst, dessen 
Verständnis wir beschreiben wollten.

Der Inhalt von Sätzen ist gefragt. Ihre Bedeutung ist die Antwort

Wissen, was der Satz besagt, kann nur heißen: die Frage beantworten können 
"was sagt er?".

Den Sinn eines Satzes kennen, kann nur heißen: die Frage "was ist sein Sinn" 
beantworten können..

Denn ist hier "Sinn haben" intransitiv gebraucht, so daß man also nicht den Sinn eines 
Satzes von dem eines anderen Satzes unterscheiden kann, dann ist das Sinnhaben eine, 
den Gebrauch des Satzes begleitende, Angelegenheit, die uns nicht interessiert.

Das Triviale, was ich zu sagen habe, ist, daß auf den Satz "ich sage das nicht nur, ich meine 
etwas damit" und die Frage "was?", ein weiterer Satz, in irgend welchen Zeichen, zur Antwort kommt.

Aber die Erklärungen treffen doch das wirkliche Verstehen nicht!?

Aber man kann fragen: Ist denn das Verständnis nicht etwas anderes als der Ausdruck des 
Verständnisses? Ist es nicht so, daß der Ausdruck des Verständnisses eben ein unvollkommener 
Ausdruck ist? Das heißt doch wohl, ein Ausdruck, der etwas ausläßt, was wesentlich unausdrückbar 
ist. Denn sonst könnte ich ja einen bessern finden. Also wäre der Ausdruck ein vollkommener Ausdruck. ---

Es ist eine häufige Auffassung, daß Einer gleichsam nur unvollkommen sagen kann, ob er verstanden hat.
Daß er gleichsam nur immer aus der Ferne darauf deuten, auch sich ihm nähern, es aber nie mit 
der Hand ergreifen kann. Und das Letzte immer ungesagt bleiben muß.

Man will sagen: Er versteht zwar ganz, kann dies aber nicht ganz zeigen, da er sonst schon tun 
müßte, was ja erst in Befolgung des Befehls geschehen darf. So kann er also nicht zeigen, daß er 
es ganz versteht. D.h. also, er weiß immer mehr, als er zeigen kann.

Man möchte sagen: er ist mit seinem Verständnis bei der Ausführung, aber die Erklärung kann nie 
die Ausführung enthalten. Aber das Verständnis enthält nicht die Ausführung, sondern ist nur das 
Symbol, das bei der Ausführung übersetzt wird.

Das Gemeinte ist nur über Frage und Antwort erreichbar. Bedeutung ist kein Gegenstand

Die Schwierigkeit ist, die Grammatik des Wortes "meinen" klar zu sehen. Aber der Weg dazu ist 
nur der über die Antwort auf die Frage "welches ist das Kriterium dafür, daß wir etwas so meinen" 
und welcher Art ist der Ausdruck, den dieses "so" vertritt. Die Antwort auf die Frage "wie ist 
das gemeint" stellt die Verbindung zwischen zwei Sprachen her. Also fragt auch die Frage nach 
dieser Verbindung. Der Gebrauch der Hauptwörter "Sinn", "Bedeutung", "Auffassung" und anderer 
Wörter verleitet uns zu glauben, daß dieser Sinn etc. dem Zeichen so gegenübersteht, wie das 
Wort, der Name, dem Ding, das sein Träger ist. So daß man sagen könnte: 
"Der Pfeil hat eine ganz bestimmte Bedeutung, ist in einer ganz bestimmten Weise gemeint, 
die ich nur faute de mieux wieder durch ein Zeichen ausdrücken muß". Die Meinung, die Intention 
wäre quasi seine Seele, die ich am liebsten direkt zeigen möchte, aber auf die ich leider nur 
indirekt durch ihren Körper hinweisen kann. -

Wenn ich: "ich meine diesen Pfeil so, daß man ihm durch eine Bewegung in der Richtung vom Schwanz 
zur Spitze folgt", so gebe ich eine Definition (ich setze ein Zeichen für ein andres), während 
es scheint, als hätte ich sozusagen die Angabe des Pfeils ergänzt. Ich habe den Pfeil durch ein 
neues Zeichen ersetzt, das wir statt des Pfeiles gebrauchen können. - Gebrauchen können - . 
Während es scheint, als wäre der Pfeil selbst wesentlich unvollständig, ergänzungsbedürftig, und 
als hätte ich ihm nun die nötige Ergänzung gegeben. Wie man eine Beschreibung eines Gegenstandes 
als unvollkommen erkennt und vervollständigen kann. Als hätte der Pfeil die Beschreibung angefangen 
und wir sie durch den Satz vollendet. - Auch so: Wenn ich, wie oben, sage "ich meine diesen Pfeil 
so, daß ...", so macht es den Eindruck, als hätte ich jetzt erst das Eigentliche beschrieben, die 
Meinung; als wäre der Pfeil gleichsam nur das Musikinstrument, die Meinung aber die Musik, oder 
besser: der Pfeil, das Zeichen - das heißt in diesem Falle - die Ursache des inneren, seelischen, 
Vorgangs, und die Worte der Erklärung erst die Beschreibung dieses Vorgangs. Hier spukt die 
Auffassung des Satzes als eines Zeichens des Gedankens; und des Gedankens als eines Vorgangs in 
der Seele, oder im Kopf.

Erklärung verträgt sich mit Gebrauch

Was die Erklärung des Pfeiles betrifft, so ist es klar, daß man sagen kann: "Dieser Pfeil sagt nicht, daß Du dorthin (mit der Hand zeigend) gehen sollst, sondern dahin[." - Und ich würde diese Erklärung natürlich verstehen.

"Das müßte man aber dazuschreiben".