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K (Gibt es einen anderen Weg aus der Höhle?)
K (Marktstrukturen und Eigendynamiken)
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=== Marktstrukturen und Eigendynamiken ===
 
=== Marktstrukturen und Eigendynamiken ===
Das ist ein gutes Stichwort, es führt mich zu unserem nächsten Punkt. Es stimmt was Sie sagen. <span style="color:#8B3A62;">Die Attraktivität der Open Source Bewegung besteht darin, auf überzeugende Art und Weise in Erinnerung zu  rufen, dass es in unserer Gesellschaft Wirkungsfaktoren gibt, die zumindest in bestimmten Regionen genauso effektiv und wirksam sind wie jene die Marktmechanismen und jene die Nicht-Marktmechanismen unterliegen. </span>
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Das ist ein gutes Stichwort, es führt mich zu unserem nächsten Punkt. Es stimmt was Sie sagen. <span style="color:#8B3A62;">Die Attraktivität der Open Source Bewegung besteht darin, auf überzeugende Art und Weise in Erinnerung zu  rufen, dass es in unserer Gesellschaft Wirkungsfaktoren gibt, die zumindest in bestimmten Regionen genauso effektiv und wirksam sind wie jene, die Marktmechanismen und jene, die Nicht-Marktmechanismen unterliegen. </span>
Das  habe ich versucht im Anschluss an Cowan zu vermitteln. Diese melancholische Einstellung, die sich auch in der Defensive im Titel zeigt, wird durch einen Überraschungseffekt erweitert. Dieser Effekt zeigt im Bereich der Softwareentwicklung (als eine Zentralstrategie des 21.Jahrhunderts) eine Strategie welche die gesamte Entwicklung der Welt und der Weltwirtschaft bestimmt. <span style="color:#8B3A62;">In diesem Bereich hat sich etwas ereignet, das mit Wirtschaft nur am Rande zu tun hat– etwas das nicht nach wirtschaftlichen Regeln funktioniert. </span>
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Das  habe ich versucht im Anschluss an Cowan zu vermitteln. Diese melancholische Einstellung, die sich auch in der Defensive im Titel zeigt, wird durch einen Überraschungseffekt erweitert. Dieser Effekt zeigt im Bereich der Softwareentwicklung (als eine Zentralstrategie des 21.Jahrhunderts) eine Strategie, welche die gesamte Entwicklung der Welt und der Weltwirtschaft bestimmt. <span style="color:#8B3A62;">In diesem Bereich hat sich etwas ereignet, das mit Wirtschaft nur am Rande zu tun hat– etwas, das nicht nach wirtschaftlichen Regeln funktioniert. </span>
  
 
== Zur Verbindung Philosophie – Linux – Open Source Bewegung ==
 
== Zur Verbindung Philosophie – Linux – Open Source Bewegung ==

Version vom 8. Juni 2012, 16:49 Uhr

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Inhaltsverzeichnis

Open Source Philosophie – Einheit 05: 31.10.08

Einleitende Bemerkung

Club 2 „Eliten“ und Open Source Filmemacher

Ich zeige Ihnen hier ein Movie, welches vor kurzem zur Verfügung gestellt wurde. Beachten Sie auf dieser Seite den Link von Andreas Kirchner Web2.0… The machine is Us/ing Us Link welche Freiräume uns der Computer und das Internet bieten können. In diesem Film finden Sie auch eine große Anzahl von Ideen, welche ich teils schon angesprochen habe und zum Teil noch explizieren werde. Es handelt sich dabei eher um Gedankengänge für „Eingeweihte“, darum werde ich in Zukunft eine kleine Film-Interpretation vornehmen müssen um einiges zu deuten. Dieser Thesenfilm befindet sich am Rande des Experimentellen und diese experimentelle Filmanalyse wird einiges in unsere Diskussion einbringen.

Hinweis auf ein weiteres Transkript und seine Verwendbarkeit

Ich weise darauf hin, dass ein weiteres Transkript von Elisabeth Seidl zur Verfügung gestellt wurde. Irgendwie schaudere ich, jede Woche den vollen Text von dem offeriert zu bekommen was ich produziere. Ich kann die Erstellung dieses Skripts nur in dem Hinblick legitimieren, dass wir gemeinsam etwas damit machen. Es dient nicht zur größeren Glorie, sondern soll gestaltbares Material sein, mit dem Sie selber umgehen und das sie selber modifizieren, kommentieren und gestalten können. Für Sie hat es den zusätzlichen Vorteil, dass Sie damit den Beleg eines Skriptums haben welches sich während der Vorlesung entwickelt.

Einstieg in die heutige Themenstellungen

Ich habe das letzte Mal einen ersten kleinen Sprung über 2500 Jahre begonnen, den ich heute finalisieren werde. [Das Demokratiedilemma]

GNU, Linux und dessen Diffundierung

Ich werde jetzt nur noch wenig von der griechischen Philosophie sprechen, sondern mich geradewegs in die Bereiche begeben, die Sie assoziieren, wenn Sie Open Source Philosophie hören. Man kann zwar hier im Zusammenhang mit weltgeschichtlichen Phänomenen welche gerade einmal 10 bis 20 Jahre alt sind, nicht von Bewährung sprechen, aber ich möchte Ihnen doch explizieren, dass mit der Entwicklung - von einerseits (i) dem GNU Public Project und andererseits, (ii) der Entwicklung von Linux und (iii) der teilweise erfolgten Diffundierung von Linux in Geschäfts- oder Wirtschaftszusammenhänge, wenn Sie so wollen der Überwindung einer gewissen Berührungsangst zwischen dem GNU Projekt und der Wirtschaft - für die das Wort Open Source steht, hat sich eine Konstellation ergeben, die von maßgeblicher und schwerwiegender Bedeutung für mehrere Bereiche (softwaretechnisch, sozial und auch philosophisch) ist.

Zusammenhang mit Demokratie, Wissenschaft und Rhetorik

Wie diese Thematik mit der Philosophie im engeren Sinne zusammenhängt werden wir am Ende der Vorlesung erfahren. Ich möchte allerdings (anlässlich dieses 2500-Jahre-Sprungs), doch das Auftreten der bisher besprochenen philosophisch-methodologischen Konstellation im Zusammenhang mit Demokratie, mit Wissenschaft und Rhetorik vor Augen führen. Erinnern Sie sich an die von mir skizzierte Situation im Anschluss an den athenischen Bildungsmarkt. Die Schwierigkeit ist, dass der Bildungsmarkt in Athen (so wie auch bei uns heute) durchaus durch exotische Lernprodukte charakterisiert ist, die zu tun haben mit traditioneller chinesischer Medizin, mit Feng Shui et cetera; solchen Strategien die eine Mischung aus sozusagen Exotischem, Wissen der Menschheit und Geheimrezeptmäßigem – also ein Erfolgsrezept für etwas in sich haben. Ich kann mir vielleicht an der Stelle die kleine Bemerkung leisten, weil am Ende des letzten Mals meine kleine Spitze gegen Aikido vielleicht nicht so deutlich verstanden worden ist.

Das extra-akademische Bildungsangebot von Universitäten

Vorerst möchte ich eine Besonderheit des Bildungsmarktes ansprechen, welche sowohl in Athen als auch jetzt auch bei uns festzustellen ist. <Ein kurzer Hinweis auf die im letzten Zyklus besprochene Thematik rund um die Donauuniversität Krems verursacht an dieser Stelle ein Lächeln> Es gibt praktisch in jeder Gesellschaft etablierte Bildungssysteme. Das sind Verfahren oder Mechanismen, die man durchlaufen haben muss, um als Akzeptabel angesehen zu werden; sprich als jemand, der den gesellschaftlich vorgegebenen Weg gemacht hat. Jedes Mal wenn ich im Hauptgebäude auf dem Wege zum Senat eine dieser Feiern zur Sponsion sehe, mit den entsprechenden Musikstücken und dem unsäglichen Maskenaufwand der Promotoren, dann werde ich darauf geradewegs gestoßen, das es sich hierbei um einen Teil dessen handelt, was wir hier machen. Es ist sozusagen das Gütesiegel oder ein Stempel, den die Universität jenen Leuten verleiht, die es vier Jahre lang oder mehr ausgehalten haben hier die verschiedenen Kurse zu durchzulaufen. Und nicht umsonst fühlen Sie sich einerseits beansprucht und andererseits zufrieden, wenn Sie es durchlaufen haben und sie dadurch bessere Berufsaussichten haben.

Stellen Sie sich vor, unter diesem freien Studienzugang (Sie haben jetzt in Zukunft keine Studiengebühren mehr) wie die Leute sich befinden, die NICHT diese Zeit, diese Opportunities, das Geld und die Mittelschulausbildung haben und die auch feststellen, dass sie in unserer Gesellschaft Wissen brauchen, das im Beruf - und nicht nur dort - positive Auswirkungen hat. Was werden sie machen? Die werden sagen: “OK, ich akzeptiere, dass ich etwas dafür zahle“. Aber sie werden auch sagen, und das ist jetzt die Pointe auf die ich hinsteuere, sie werden auch eine Tendenz haben, zu sagen: „Na können wir da nicht so eine Überholspur finden. Können wir da nicht den kleinen Trick finden, können wir da nicht Ratschläge und Besonderheiten finden, die uns gestatten, diesen großen Dampfer, der die Ausbildung im tertiären Sektor ist - die Universitäten - ein wenig zu überholen, mit Kompetenzen und Fähigkeiten die eben an der Uni nicht so prominent sind. Dieser große Dampfer Universität ist vielleicht irgendwo nicht attackierbar und nicht überbietbar im Zusammenhang mit dem gesamten Angebot und der akademischen Fülle und Wertigkeit und so weiter. Aber einen kleinen Kurs, wie ich im Betriebszusammenhang und in meiner Lebensführung oder so nun doch flott vorankomme, und Ergebnisse innerhalb von einem Semester bekomme, welche mir dann direkt weiterhelfen auf der Basis von Wissensvermittlung, von Lernen usw…“ - das hat eine sehr attraktive Zuspitzung. Das ist einer der Punkte, welcher zeigen soll, dass es dieses exotische, extra akademische Angebot hier gibt. Es soll nicht klein geredet werden, ich will Ihnen nur sagen, es hat diesen Aspekt des Geldes und Wissens, den wir diskutiert haben.

Ich habe in dieser Darstellung „dieses exotische, extra-akademische Angebot“ gesagt, und damit eine Konstellation dargestellt, die in Griechenland gerade erst entstanden ist. Bekanntlich ist der Terminus akademisch im Anschluss an die sokratische Tätigkeit durch seinen Schüler Platon entstanden. Akademos war ein lokaler Gott und die von Platon gegründete Schule ist danach Akademie genannt worden. Diese Akademie hat nun eine Wahl getroffen, in der Alternative zwischen den zu bezahlenden Angeboten der Wissensvermittlung und der Suche nach einer nicht kommerziellen Weise des Umgehens mit Wissen, die durch Platon organisiert worden ist.

Universitäten in der aktuellen Wirtschaftssituation

Was ich Ihnen als eine der Spätfolgen nur im krassesten Umriss darstellen möchte, ist die heutige Situation dieser akademischen Institutionen angesichts einer sehr spezifisch kontemporären Wirtschaftssituation. Die aktuelle Wirtschaftssituation sieht so aus, dass der Neoliberalismus der letzten 20 Jahre im Moment nicht sehr gut dasteht. Dieses Thema und dieser Druck sind zurzeit immanent. Insbesondere Universitäten haben eine spezielle Herausforderung im gegenwärtigen Zusammenhang. Wir haben das gegen Ende des vierten Vorlesungsblocks behandelt. In der zweiten Vorlesung haben wir eine Thematisierung von bestimmten Formen des Grundlagenwissens vorgenommen. Es handelt sich um nicht gut kommerzialisierbare Formen, die man aus dem griechischen Kontext bezieht aber auch möglicherweise aus dem aktuellen Diskussionskontext. Beispielsweise derer Art wie Eisenbahnlinien, wenn Sie einen Vergleich haben wollen, Stromversorgung et cetera; solche Dinge die man technisch „Öffentliche Güter - public goods“ nennt. Diese Art von öffentlichen Gütern sind nicht von der Art und Weise, sodass man Berufsgruppen günstig damit beauftragt diese Güter zu produzieren. Anders als bei der Schusterprofession, die natürlich damit operiert, dass es ein gängiges, ein erfolgreiches Geschäftsmodell ist, Schuhe auf irgend eine Art und Weise zu erzeugen - zu verkaufen - Geld dafür zu kriegen - mehr Schuhe zu produzieren. In diesem Rahmen einer Marktwirtschaft werden mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit so viele Schuhe produziert werden wie die Leute brauchen. Was heißt brauchen? Brauchen heißt, sie sind bereit Geld in die Hand zu nehmen für Schuhe die so viel kosten, dass einerseits das Material gedeckt ist - und das andererseits die Arbeit gedeckt ist, und dann noch ein kleiner Profit heraus schaut, der aber nicht zu hoch ist. Denn wenn er zu hoch ist, dann kaufen die Leute weniger Schuhe und zweitens kommt ein Konkurrenzunternehmen und verkauft die Schuhe ein bisschen billiger.

Bildung als öffentliches Gut

Warum Marktwirtschaft nicht für öffentliche Güter funktioniert

Die elementaren Tatsachen der Marktwirtschaft, welche im Schuhgeschäft und in vielen anderen Geschäften funktionieren, funktionieren in der erwünschten Weise nicht mit öffentlichen Gütern. Die Betreuung von Autobahnen oder sagen wir einmal Eisenbahnlinien oder Post, sind ein eklatantes Beispiel dafür - und daran sehen Sie auch gerade in welcher Umbruchsituation wir sind. Es gibt keinen wirtschaftlichen, entscheidenden Grund für eine Bahnlinie ins (ich erfinde nun etwas) Traisental. Im Traisental leben zu wenige Menschen um es rentabel sein zu lassen, dass man dort eine Bahnlinie einrichtet. Dort nicht – an der Westbahn natürlich! Die Logik des privaten Wirtschaftstreibens erzeugt eine ausgesprochen fragmentierte Form der öffentlichen Infrastruktur; zur Zeit in der die Eisenbahnlinien gebaut wurden, gab es noch nationalstaatliche, planungswirtschaftliche Initiativen ganz anderer Art. Für die Post gilt dasselbe: Warum soll nach Unterhautzental die Post einmal am Tag ausgeliefert werden, wenn dort nur 25 Haushalte sind? Die müssen leider eine Woche warten.

Das ist unerwünscht – einerseits aus Gründen der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung und Moral. Was haben die armen Leute aus Unterhautzental getan, dass sie eine Woche auf ihre Post warten müssen? Aber der mindestens so wichtige Grund ist, dass sich das auch wirtschaftlich nicht rechnet, weil bei gebrochenen Kommunikationssystemen die Möglichkeiten nicht genutzt werden; dann wird an dieser Stelle die Entwicklung blockiert werden. Das gilt natürlich auch für den Quelle-Versand und darum gibt es gute Gründe dafür, dass es öffentliche Güter als eine Initiative des jeweiligen Staatswesens gibt. Der Rahmen ist der Nationalstaat. Postsysteme, Flugsysteme, Eisenbahnsysteme sind entstanden auf der Basis der im 19. Jahrhundert konsolidierten Nationalstaaten. Diese Nationalstaaten haben sich nicht nur die Post und die Bahn, sondern auch das Bildungswesen als Anliegen der öffentlichen Interessen definiert.

Einwurf aus dem Auditorium: Bildung als Subsistenzgut?

Student: Ich glaube, dass ihre Argumentation sicher richtig ist, aber zum Anderen genau das Problem darstellt, welches alle öffentlichen Einrichtungen haben. Wer z.B. glaubt, es geht bei der Schuhproduktion nur darum, möglichst billige Schuhe herzustellen, der irrt sich. Es geht auch darum ein gewisses soziales Kapital damit zu verkaufen. Heutzutage bekommt man einen guten Job in einem Büro nur dann, wenn man - unter anderem auch auf Grund von guten Schuhen - ein gutes Bild machen kann. Ein anderes Subsistenzgut ist der Computer. Es geht darum, welchen sozialen Wert verleihen diese Gegenstände. Genauso kann man bei der Veränderung der Universitäten argumentieren. Zugänglichkeit, weltweite Adaptierbarkeit, rationale und ökonomische Zugangsweisen haben genau die Folge, dass das soziale Kapital verloren geht. Besuche ich die ETH in Zürich, so verlasse ich sie mit einem gewissen Status. Das kann auch auf die Bahn umgelegt werden. Die Krisen der Bahn können nicht auf ihre Preispolitik zurückgeführt werden, wohl aber darauf, dass die Bahn keine Alternative darstellt. Würde man die Bahn etwa durch den Einbau von W-Lan Netzen attraktiver gestalten, dann würde es sich vielleicht auch auszahlen mehr Bahnstrecken auszubauen. Das ist aber eine andere Überlegung als diese Günstigkeitsvariante. Der soziale Wert von Etwas soll mitgedacht werden; sowohl bei der Bahn als auch bei Universitäten.

Prof. Hrachovec: Ich verstehe an Ihrer Wortmeldung folgende zwei wichtige Punkte, wobei ich an dem ersten Punkt weiter anschließen werde:

  • Wir wissen, was aktuell mit Post, Bahn und nationalen Fluglinien passiert und wir wissen, dass auch die Universitäten in dieser Linie stehen. Diese Problematik betrifft den Inhalt des Exzerpts von Robin Cowan [Link ]. Ich weise darauf hin, dass die Krise an den Universitäten auch schon angekommen ist, was wiederum als Problem der post-akademischen Betrachtungsweise zu sehen ist. Wenn man sich die Universitäten/die Akademien als die Spätfolge der platonischen Institutionen vorstellt, die gegen die Sophisten etabliert worden sind, dann stehen wir heute vor der Tatsache, dass sich die Sophisten ganz kräftig zu Wort melden und dass wir uns damit auseinandersetzten müssen. Das ist Robert Cowans Aussage, und ich werde später noch auf sie zurückkommen.
  • Der zweite wichtige Punkt bringt eine zusätzliche wichtige Komplikation hinein, nämlich dass wir in unserer Gesellschaft weit weg sind von Subsistenz. Man kauft bestimmte Dinge nicht mehr weil einem kalt ist, sondern weil das entsprechende Logo drauf ist. Das ist eine wichtige Sache; man braucht nicht einfach Schuhe sondern man braucht Schuhe für eine Jobbewerbung.

Wissenszusammenhänge als soziales Kapital

Was ist soziales Kapital? Es sind Wissensinhalte - eigentlich Einschätzungen, Einstellungen und Kenntnisse - die etwas vermitteln, wie etwa in unserem Beispiel den Preis (für dieses T-Shirt hat jemand viel Geld bezahlt). Ich kann jemanden deshalb schätzen oder abwerten aufgrund solcher Wissensinhalte. Es handelt sich um eine Form der durchaus wirtschaftlich-wirksamen Einschätzung von Konsumgütern, die sich nicht auf das Materielle bezieht, sondern auf Wissenszusammenhänge. Das ist auf alle Fälle richtig und führt im Rahmen der Open Source Betrachtung zu Phänomenen, die durchaus positiv UND negativ zu betrachten sind, und auch etwas mit Solidarisierung zu tun haben. Wenn jemand ein Obama T-Shirt trägt und daran erkannt werden kann, dann hat dieses dahintersteckende soziale Kapital auch gemeinschaftsbildende und zusätzliche Funktionen. Das war immer schon im Spiel seit es Herrschaftsstrukturen in der Gesellschaft gibt. Nun handelt es sich aber dabei um eine massiv vernetzte Wissensgesellschaft, die noch dazu für ein Drittel eine Überflussgesellschaft ist. Das ist Extra zu berücksichtigen, weil diese Überflussgesellschaft Verhaltensweisen, welche weit darüber hinausgehen, was elementare Wirtschaftszusammenhänge sind, produziert. Das gebe ich zu, aber dazu habe ich hier jetzt nicht mehr zu sagen.

“the university is no more” (@ Robin Cowan)

[Link] Vergangenheit und Zukunft der Universitäten

Fußballklubs und Universityrankings

Ich gehe zurück zu dem Zitat “the university of culture is no more” von letzter Woche. Cowan ist Wissenssoziologe und das ist seine Diagnose dessen, was passiert in einer Welt der Privatisierung von Staatsinitiativen - Museen, Fluglinien - diesen sogenannten “großen Staatselefanten“. Diese Bezeichnung „Elefanten“, zu denen auch die Universitäten gehören, trägt eine Wertung, die nicht unproblematisch ist, und eben diese „Elefanten“ werden privatisiert. Ich kann mich - das ist ein etwas loser Vergleich - z.B. noch an Zeiten erinnern, als die österreichische Bundesliga wichtig war […]. Es war nicht wie heute, dass am Montag die deutsche Bundesliga, die englische Bundesliga oder die italienische Bundesliga entsprechend in den Zeitungen beschrieben waren. Es gab etwas wie den UEFA-Cup, aber die Championsleague und die entsprechende Fernsehstruktur hat es genau nicht gegeben. Mit dem Zusammenhang der Fußballklubs sind wir in einen Internationalismus hineingeraten, der vor 30 Jahren noch nicht vorhanden war. Das sage ich, weil es Universityrankings gibt, welche von Times Higher Supplemental oder von Shanghai erstellt werden, und es ist unausweichlich, dass diese auch affiziert werden davon. Und was sind Universitätsrankings? Es sind Parameter, welche für die ganze Welt gelten sollen. Sie werden von entsprechenden, selbsternannten Prüfungsinstitutionen angewendet, um hunderte von Erziehungsinstitutionen mehr oder weniger per Satellitenview einzuschätzen. Polemisch gesagt ist das Universityranking so genial wie eine weltweite Einschätzung aller Fußballklubs. Arsenal oder Real wären am Anfang und das ist so ähnlich wie Cambridge oder Harvard, Princeton et cetera – die Institutionen wo eben das meiste Geld und das höchste Prestige zu finden ist. Man kann sagen, es gibt sowohl im Fußball als auch im akademischen Bereich „Kriterien“ wonach man sozusagen olympische Spiele machen kann […]. Es ist in etwa so aussagekräftig wie der Medaillenspiegel der olympischen Spiele. Was das jedoch mit Sport zu tun hat, ist eine offene Frage, die auch immer wieder gestellt wird. Was das Universityranking mit Wissenschaftlichkeit zu tun hat, ist eine ähnlich offene Frage. Ich werde nicht näher darauf eingehen aber mein Punkt ist, dass wir in einer Betrachtungsweise sind, wo das beinahe unausweichlich als eine Sichtweise eingeführt wird - und ja überhaupt nicht alleine negativ:

„The linear model“ und seine Innovationen

Ich bin gemeinsam mit KollegInnen der Universität Wien fest davon überzeugt, dass wir darauf hinwirken müssen, dass Studierende der Universität Wien ins Ausland gehen und auch wir hier Leute aus dem Ausland haben. Dass die Möglichkeiten, die der Bolognaprozesses eröffnet, uns allen helfen. Das sind Indizien dafür, dass diese „university of culture“ als Staatsinstitution und gesicherter akademischer Angebotsprovider in dieser Art nicht mehr funktioniert. Um auf Robin Cowan zurückzukommen: Das ist verbunden mit der Veränderung der Vorstellungen und Theorien über die Erzeugung von neuem Wissen, die sich auch auswirkt in größeren Wirtschaftskapazitäten - denn, wie er ironisch sagt, die alte, „the bad old theory“,: Link

’’In the bad old days innovation was viewed as a linear process, and was described using "the linear model". The general idea was that basic R&D provides the foundational knowledge for applied R&D, which provides the foundational knowledge for innovation, which then becomes a good to be diffused to users.’’
Anmerkung: R&D steht hier für Reserch & Development (also Forschung & Entwicklung, manchmal auch F&E genannt)

Linear deshalb, weil es angewandte Forschung gibt und Grundlagenforschung. Angewandte Forschung führt zu Innovationen auf der Basis von neuen Grundlagen. Diese Innovationen bewirken dann wiederum Produkte, welche auf Marktebene getauscht oder verkauft werden. In diesem linearen Modell ist die Rolle der Universitäten also klar.

Vernetzte Universitäten

’’It was to do the basic R&D, thereby providing the foundational knowledge, information, data, instrumentation and so on, on which the entire rest of the innovation edifice was built.’’

Das ist die schöne alte Vorstellung, dass wir in einem wirtschaftsfreien Raum über Dingen sitzen, welche nach nicht kommerziellen Regeln betrieben werden, und dennoch produktiv sind weil wir am Anfang dieser Innovationskette sind. Dies ist immer wieder auch in Frage gestellt worden. Es ist jedoch verständlich, dass an einer technischen oder naturwissenschaftlichen Universität das Verhältnis zwischen Grundlagen- und Angewandten Wissenschaften anders ist als beispielsweise an einer bildungswissenschaftlichen oder philologischen Universität. Man kann aber sagen, dass dies eine interessante Denkweise gewesen ist. Dieser Denkweise hält er entgegen, dass man nach empirischen Untersuchungen von „National Innovation Systems“ festhalten kann, dass dies nicht so einfach darstellbar ist, sondern vielmehr alles durcheinander geht. Ein schönes Beispiel dafür ist diese Vorlesung. Plötzlich taucht an der Universität in der Philosophie eine Vorlesung zu „Open Source“ auf; „Open Source“ ist nicht hier (Uni) entstanden, ist ein neuer Aspekt, wird in der Universität aufgegriffen und weiterentwickelt. Es gibt also Feedback-Kanäle die alles andere als geradlinig sind. Die Rolle der Universitäten im nationalen Innovationssystem ist daher anders und vor allem vernetzter aufzufassen; sie hat die Fähigkeit, auf Entwicklungen von außerhalb der Universität zu reagieren. Diese Fähigkeiten können gleichsam einer Stimme in dem Konzert von Interaktionen gesehen werden (im Rahmen eines nationalen Innovationssystems).

Das nationale Innovationssystem

Dieser Begriff kann seine systemtheoretischen Voraussetzungen nicht verleugnen und steht im globalen Zusammenhang im Bezug zu den Volkswirtschaften. Jene Nationen, die in einem globalen Zusammenhang starke Innovationssysteme haben, werden zu Entwicklungen gebracht, die sich am Weltmarkt durchsetzen. Es geht hierbei eben nicht um eigentliche Innovationen (iSv „Das hat es noch nicht gegeben“) sondern eigentlich um „Durchsetzungsfähigkeit“ von Produkten, die zum Wohlstand der jeweiligen Region jeweils beitragen. Cowan sagt an dieser Stelle sehr deutlich, dass diese Betrachtungsweise der „Post university of culture“-Zusammenhänge möglicherweise eine vergiftete Geschenkspackung für die Universitäten darstellt, denn wenn Universitäten in diesem nicht-linearen Modell nicht eingebettet sind, werden ökonomische Aspekte wesentlich dafür, was Universitäten leisten können. Am Beispiel der Universitätsrankings könnte man einerseits (i) akademischen Sportsgeist konstatieren (bspw. „Wir freuen uns, dass wir in einem fachspezifischen Zusammenhang 10 Plätze aufgeholt haben und so zu den Besten in Europa gehören“) und andererseits (ii) über eine Rankingverbesserung ein gewisses Argument für die externe Welt gewinnen, diese Universität mit Geld zu unterstützen (bspw. „Wir sind international so gut (auch als Devisenbringer), dass Ihr uns Geld geben müsst („reinregieren“ soll aber nicht sein)“). Dieser Ansatz kann durchaus mit den Subventionen für die Wiener Sängerknaben verglichen werden, sie bekommen aufgrund der internationalen Bekanntheit auch Geld, dürfen jedoch weiter singen, wie und was sie wollen. Diese Logik wird jedoch nur in Einzelfällen funktionieren. (Mozart als Bsp. eines solchen Einzelfalls.) Große Organisationen, wie die Universität Wien, sind hingegen mit Fragen nach ihren Beiträgen für das nationale Innovationssystem konfrontiert. Auf diese Frage der staatlichen Unerstützungsstellen lässt man (resp. die Universität) sich ein im Zusammenhang mit dem Modell nationaler Innovationssysteme.

Beispiel: Aushandlungsprozesse Universität/Ministerium alt (leicht karrikaturesk verzerrt): Der Rektor trifft den Wissenschaftsminister und fragt: „Wieviel ist dir Wissenschaft und Bildung als wesentlicher Grundstock unserer Kulturnation wert?“ Minister zögernd: „Ja schon wichtig und viel wert – aber nicht ganz sooo viel“. Erboster Rektor: „Kulturbanause!“ Zentrale Frage in diesem alten Modell war daher: „Wieviel ist uns Kultur wert?“ Neu: Rektor argumentiert: „Wir haben X Patente, Y ausländische Studierende, Z Absolventen; wir wirtschaften sparsamer und werfen die Leute früher raus; also verursachen die Drop-Outs weniger Kosten.“ Zentral in diesem neuen Modell ist daher die Effizienz und (Schein-)Steuerbarkeit über Kriterien.

Coda des Cowan-Artikels

Ich lege Ihnen daher den Artikel von Robin Cowan [Link] stark ans Herz; er sieht diese Neupositionierung von Universitäten als problematisch und geht zurück auf eine ursokratische Diskurspositionierung. Die Ansichten des Wissenssoziologen Cowan zur Verteidigung der Universitäten finden sich genau wieder bei Platon, „nur ein Leben über das man nachdenkt ist lebenswert“. Bei Cowan: „Es gibt eine Aktivität welche die Universitäten ausüben, die sich dieser wirtschaftlichen Einbettung entzieht: The activity I refer to is reflection. The university is the only place in modern society in which non-teleological reflection is institutionalized“. Die SchusterInnen und die SchneiderInnen sind Zweckorientiert und denken auch darüber nach (“Wie kann ich einen besseren Schuh machen?“) – PhilosophInnen hingegen sind jene, die am Marktplatz stehen und grübeln „Wofür brauche ich eigentlich Schuhe“ oder „Warum sind Mechanismen und Abläufe in unserer Gesellschaft eigentlich so?“ „Sind die begründbar?“.

Robin Cowan sagt in einer sehr nüchternen Art und Weise als Nicht-Philosoph, dass diese Art und Weise des Verfahrens „let’s Stopp and think“ durch einen Anspruch auf Wahrheit charakterisiert ist.„In the university setting, in principal, the truth trumps everything!” bringt es der Brite lakonisch auf den Punkt. Das Herz-Ass steht sozusagen für Wahrheit. – Das sieht man auch in den empirisch beobachtbaren Diskurszusammenhängen, wonach das Argument „Das ist wahr.“ vor Argumenten wie „Das kann man gut verkaufen.“ oder „Das ist viel wert.“ präferiert wird. Wahrheit spielt also die Rolle eines Trumpfs – auch wenn sich etwas möglicherweise später als nicht-wahr herausstellen sollte, betrachtet Cowan hier die diskurstheoretische Bedeutung von Wahrheit im semantischen Sinn.

Onlinebroschüre attempto! „In der Defensive – Wie steht es um die Geisteswissenschaften?“

Der Titel ist gleich Programm – Die Geisteswissenschaften müssen sich ausweisen und begründen, nachdem sie nicht mehr so begehrt sind. Eine Gedankenkette von Ottfried Höffe [Link ] soll herausgehoben werden. In seinem Artikel „Vom Nutzen des Nutzlosen“ zeigt er sein Bewusstsein über die Rechtfertigungspflicht der Philosophie und Geisteswissenschaften in unserem globalisierten, neoliberal geprägten Zusammenhang, dass diese „Nutzlosigkeit“ nicht existiert. Der Begriff „Nutzlosigkeit“ diffamiert eine Dimension, die einen hohen Nutzen hat, welcher jedoch eine gänzlich andere Natur als in der Wirtschaft ist. Mit dieser Argumentation spannt er den Bogen in die antike Welt:

" Der Gefahr einer Instrumentalisierung treten Philosophie und Geisteswissenschaften mit ihrem Selbstverständnis als artes liberales, als freie Studien, entgegen. In einer ersten Bedeutung sind sie frei, weil sie einem dogmatischen und autokratischen Denken widersprechen und weil sie, statt sich auf die eigene Kultur und Epoche zu fixieren, kulturelle Offenheit und Toleranz fördern. Eine zweite Bedeutung von Freiheit tritt im Studium generale und in Senioren-Universitäten zutage: Die Veranstaltungen stehen Personen offen, die sich zumindest vorübergehend dem Zwang zur Erwerbsarbeit entziehen. Die dritte, sachlich aber primäre Bedeutung schließlich erinnert an die griechischen Wurzeln: In der Antike heißt frei (eleutheros), wer sein Leben nicht auf den Tausch funktionaler Beziehungen verkürzen lässt, es vielmehr um seiner selbst willen führt. In diesem Sinn sensibilisieren die Philosophie und die Geisteswissenschaften für Dinge, für die sich auch unter Verzichten zu engagieren lohnt, für so wesentliche Dinge wie Gerechtigkeit und Moral, wie Literatur und Musik, wie bildende Kunst und Architektur, nicht zuletzt für das eigenständig-kritische Denken, die Philosophie, selbst."

Soweit zu den Spätfolgen und der Brückenfunktion

Diese Ansicht sollte vor allem zeigen, wie klug und „doppelt gedreht“ sich die Philosophie in dieser Extrasituation bewegt. In Anlehnung an das bereits oben dargestellte Bild: Sowohl für Sophisten und Philosophen stellt sich das gleiche Problem, nämlich dass in einer demokratisierten und von Laienrichtern dominierten Sozialsituation, sich die Frage stellt, ob es unter diesen ein paar Experten gibt. Die Sophisten wollten diese Frage auf den Markt rückkoppeln und den Expertenstatus lediglich den von ihnen ausgebildeten Laienrichtern zusprechen. Die PhilosophInnen sahen auch eine Notwendigkeit, die Laienrichter sozusagen zu „erleuchten“ um dahingehende Qualitätsstrukturen entwickeln zu können, aber diese Qualitätsstrukturen der Laienrichter seien in den Laienrichtern selbst zu finden. Es wird der Bildungsprozess, also der Weg zu Platon, als auch der Weg zur traditionellen Philosophie, hervorgehoben. Dieser Bildungsprozess, und das steckt im Hintergrund der ganzen heutigen Argumentation, wird fokussiert in der philosophischen Ausbildung. Die sokratische Ausbildung ist institutionalisiert in der Akademie und in weiterer Folge in Universitäten (speziell in Geisteswissenschaften), und hier findet sich dieser Bildungsgedanke, der Qualifikations- und Expertisengedanke. Dieser Anspruch steckt in Universitäten heute noch und weist darauf hin, dass wir uns in einem gewissen Kontinuum befinden.

Einwurf aus dem Auditorium: Die Philosophie wird ihrer Metarolle verlustig

Man gefällt sich immer in dieser übergeordneten Metarolle, paradox ist jedoch daran, dass sie dann doch immer wieder zurückgeholt wird auf die Muster des effektiven, ökonomischen. Wie kann man es lösen, dass die Philosophie dieser Metarolle nicht verlustig wird?

Antwort: Die Diskrepanz zwischen Fachwissen und Flachwissen

Das ist ein zentraler Punkt, der mich schon lange beschäftigt! Meine Darstellung der Entstehung der Philosophie ist dadurch geprägt, dass ich darstellen möchte wie es dazu kommt, dass die Philosophie diese Metarolle einnimmt. Der Grund warum ich Ihnen diese Dinge rund um Sokrates so kleinteilig darstelle, ist, Ihnen die Problemstellung zu zeigen, aus welcher diese Rolle kommt. Wie besprochen gibt es die Diskrepanz zwischen Fachwissen und „Flachwissen“. Wenn wir die politische Auffassung vertreten, dass wir uns auf „Flachwissen“ stützen müssen und nicht auf eine Expertenhierarchie. (Das Wirtschaftsministerium soll etwa nicht vom Nobelpreisträger für Wirtschaft und das Gesundheitsministerium soll nicht vom Nobelpreisträger für Medizin geleitet werden.) Das ist ein politisches Modell; und in der Ärgerlichkeit des politischen Prozesses hört man oft: "Warum geben wir dort nicht die Fachleute hin?"). Die Stützung auf eine Expertenhierarchie wäre eine dumme Entscheidung, denn die Logik nach der man NobelpreisträgerIn für Medizin wird, und die Logik, nach der man ein Gesundheitsministerium führt, sind dramatisch diskrepant. Wenn wir unter diesem politischen Hintergrund für „Flachwissen“ plädieren, dann kommen wir auf die Frage „Wo stecken da die Qualitäten? Was sehen wir vor, dass Flachwissen nicht 'die Herrschaft des Pöbels' wird?“ Hierauf gibt es keine andere Antwort als Bildungswesen! Ein Bildungswesen, welches dieses „Flachwissen“ nicht nur in Richtung der einzelnen Disziplinen, sondern in Richtung einer staatsbürgerlichen, persönlichen, generelleren Art und Weise verstärkt und verbessert.

Die Darstellung des Bildungsprozess im Höhlengleichnis von Platon

In der Geschichte der abendländischen Geistestradition ist die Philosophie die erste Kandidatin. Diese Position haben neben der Philosophie auch etwa die deutschen Klassik, die Germanistik, die Soziologie oder die Bildungswissenschaft selbst beansprucht, rein historisch und von der Systematik her ist dieser Typus von Philosophie jedoch das erste Mal bei Platons Paideia aufgetreten. Paideia beschreibt den Weg der Leute aus der Höhle in die Sonnenumgebung. Platon hat einen Mythos erfunden, um diesen Weg oder Bildungsprozess aus der Höhle entsprechend zu konzeptualisieren. Man findet sich damit in der Philosophie in dieser vorher angesprochenen, sonderbaren Situation, dass man immer dieses Metamoment hat – dass es sozusagen die Spezialisten der Generalisten sind (diejenigen die sich darin auskennen, was alle betrifft) – und das klingt falsch! Es führt zu einer Attitüde von „ich spreche für die Menschheit“, und dieses Denken macht mir immer wieder neu Schwierigkeiten. Die Philosophie des 20. Jahrhunderts ist davon gekennzeichnet, dass die wichtigsten Philosophen sich an dieser Thematik gerieben haben, und auch versucht haben, damit zu Rande zu kommen.

Ludwig Wittgensteins´ „Tractatus“

Ich erinnere an den „Tractatus“ von Wittgenstein, der die Philosophie so positioniert, dass Philosophie genau diese erhabene „Meta-Drüber-Kompetenz“ hat - nur um ihrer am Ende in einer paradoxen Art und Weise völlig verlusstig zu gehen. Einerseits sagt er „ich brauche die Philosophie, die über allem drüber steht, um mir einen solchen allgemeinen Überblick zu verschaffen“ und andererseits „und wenn ich mir diesen allgemeinen Überblick verschafft habe, offenbart sich mir, dass diese Art von elitärem Über-Drüberstehen nicht mehr zu dem passt, was heutzutage an Wissen vorhanden ist, was die Wissenschaft und die Logik macht.“

Martin Heidegger

Heidegger hat ein komplett anderes Denkverfahren eingeschlagen. Der Titel seines letzten Vortrages war „Das Ende der Philosophie und die bleibende Aufgabe des Denkens“ und ist als Antwort auf die letzte Frage zu sehen. Die Philosophie im Rahmen der platonischen Entwicklungsdiskussion - als eine solche über-drüber-Konstellation - ist nicht mehr festzuhalten; es gibt aber eine bleibende Aufgabe des Denkens. Heidegger charakterisiert kognitive Fähigkeiten nach wie vor als etwas Wesentliches und Wichtiges, aber es kann diese Aufgabe nicht mehr dort erfüllt werden, wo ich sie systematisch im Moment angesprochen habe.

Warum ist Open Source ein so wichtiges Thema

Open Source setzt neue Standards

Der heikle Punkt ist nun, wie sich dieser Sachverhalt für uns heute darstellt. Einer der Gründe, warum mir „Open Source Philosophie“ ein wichtiges Thema ist, ist weil ich glaube, dass die Verfahrensweisen im Open Source Bereich eine Form des Umgangs mit Wissen implizieren, welche neue Standards setzt in den Themenbereichen, über die wir die ganze Zeit gesprochen haben. D.h. die sokratisch-platonische Einzel-/Fachwissenschaftssituation kann weiter fortgeschrieben werden bis zu dem Punkt, an dem wir jetzt dieses Konfliktpotential (und der Philosophie als Vertreterin der Weisheit, der Wahrheit darüber) haben. Diese Art der Wissensgenerierung zwischen Finanz und Wahrheit wird gehörig unterlaufen durch das, was im Open Source-Bereich geschieht, und das veranlasst einen nochmaligen Blick auf die Rolle der Massen in der Gestaltung von Wissen. Eine Vertiefung von „Flachwissen“ ist im klassischen Modell nur durch den Einbau von Bildungssystemen zu erreichen. Wenn es andere Arten von Bildungssystemen gäbe, wo z.B. die Tätigkeit der Massen nicht über diese Art von (i) wahr/falsch, von (ii) kostet/kostet nicht, von (iii) Grundlagenwissenschaft und angewandter Wissenschaft läuft, sondern andere Prozesse von Interaktion passieren, welche vorher niemals möglich gewesen sind, dann kann die Philosophie auch anders da stehen. Dann ist der Beitrag, den die Philosophie leistet, nicht basierend auf der Grundlage "ich koste etwas" oder "ich bin wahr", sondern dann kann man sich neu überlegen, in welcher Rolle (oder auf welcher Seite), welche Beiträge über Wissen die Philosophie an dieser Stelle einbringt.

Was beschreibt der eben beschriebene systematische Spannungsbogen zusammengefasst:

Die Philosophie kommt in diese Metaposition im beschriebenen platonischen Zusammenhang durch die Frage nach der Wahrheit - und zwar im Rahmen eines „Flachwissens“ das sich auf bestimmte Art und Weise verbreitet. Wenn das Flachwissen anders betrachtet wird, nämlich als Kollaboration zwischen Trägern von Wissen auf einem globalen Maßstab, dann muss sich die Philosophie auch nicht mehr in dieser Form von Metawissen positionieren. Ein Beispiel wäre im Rahmen einer Argumentationstheorie, oder aber mein spezieller Bezug wäre, wie der späte Wittgenstein gesagt hat: „Philosophen mischen sich in alle möglichen Diskurse und tragen etwas dazu bei, dass klarer wird, worum die Leute reden“. Für diese Theorie der Argumentation ist der Wittgensteinsche Ausdruck „des übersichtlich Machens“.
Es wäre anzustreben, die Tendenz der klassischen Philosophie, die darin liegt, unter dem Titel "Wahrheit" Einsichten zu definieren/zu Schlussfolgerungen zu kommen, die nicht empirisch-wissenschaftlich verankert sind, sondern die im Reflektieren verankert sind; –
(also dass ich, wenn ich mich zurückziehe aus dem Tagesgeschäft - aus dem, was mich jeweils neu interessiert und affiziert - zu Betrachtungs-, Argumentations- oder zu Unterscheidungsmustern komme, welche in sich selbst einen Wert haben, die etwas zu tun haben mit „letztendlich lebt man um seiner Selbst willen“. - Das ist eine Frage, die bei Wittgenstein durchaus sehr stark ist; und dieses „für sich selber leben“ soll nicht als eine großartige Kulturleistung stilisiert werden und uns hinaufkatapultiert über jene Anderen, die so verblendet sind und nicht wissen, dass das das Ziel unseres Lebens ist und dem schnöden Mammon nachjagen, um mich ein wenig lustig zu machen darüber.)
– diese Kenntnis des Reflektionsprozesses und des Klärungsprozesses in einen neu geordneten Bildungsprozess einzubauen.
Das wäre kein platonischer Bildungsprozess im klassischen Sinne mehr, dass es einen Weg gibt von der Höhle unten mit den Schatten und da muss man verschiedene Schritte unternehmen um dann draußen an der Sonne zu sein. – Das macht Platon auch, das ist keine antiplatonische Geschichte. Die Pointe bei Platons Höhlengleichnis im klassischen Sinne besteht darin, dass, wenn die Person die größere Helligkeit und Freiheit draußen gesehen hat, sie wieder in die Höhle zurückkehrt und dort von ihren Erfahrungen erzählt. Die Metaposition der Philosophie ist im platonischen Höhlengleichnis genau darin erfasst, dass es in der Höhle Leute gibt, die schon draußen waren und damit einen strukturell- konstitutiven Vorteil gegenüber den anderen beanspruchen. In der platonischen Logik müssen sie diesen unweigerlich beanspruchen, um die anderen Personen überhaupt aus der Höhle zu bekommen – das ist der Dualismus dieses Gleichnisses.

Gibt es einen anderen Weg aus der Höhle?

Sollte es einen anderen Weg geben aus dieser Höhle zu kommen? Man muss die Lösung nicht immer platonisch sehen, es wären auch andere Möglichkeiten gegeben. Die in der Höhle sitzenden Leute könnten sich auch gegenseitig auf Widersprüche aufmerksam machen. Den Film „Die Trumanshow“ (1998) könnte man an dieser Stelle als ein sehr schönes Bild nehmen. Truman kommt auf Widersprüche in der ihm vorgespielten Realität. Würden diese Widersprüche mehreren in der Höhle auffallen, so bräuchte man diese singuläre Person (wie bei Platon) nicht, sondern dann wäre ein Auffallen von Verbesserungsbedarf (das ihre Erkenntnissituation eine schattenhafte ist) möglich. Damit muss nicht mit diesen drastischen Brüchen operiert werden. Man könnte es somit dahingehend betrachten, dass eine Gruppe von Menschen unterwegs ist, und diese Menschen vergleichen ihr Wissen um weiterzukommen - ohne die Höhle oder die Sonne berücksichtigen zu müssen.

Einwurf aus dem Auditorium: Der Markt hat doch Eigendynamik

Es geht doch nicht mehr um den Einzelnen der gedeutet werden muss, sondern mittlerweile hat sich alles institutionalisiert und der Markt hat eine Eigendynamik gegen die das platonische Höhlengleichnis eigentlich gar nichts ausrichten kann. Auch wenn der Einzelne wieder in die Höhle zurückkehrt um die anderen zu läutern, so gibt es Machtstrukturen und Eigendynamiken die sich nicht mehr aufdröseln lassen.

Marktstrukturen und Eigendynamiken

Das ist ein gutes Stichwort, es führt mich zu unserem nächsten Punkt. Es stimmt was Sie sagen. Die Attraktivität der Open Source Bewegung besteht darin, auf überzeugende Art und Weise in Erinnerung zu rufen, dass es in unserer Gesellschaft Wirkungsfaktoren gibt, die zumindest in bestimmten Regionen genauso effektiv und wirksam sind wie jene, die Marktmechanismen und jene, die Nicht-Marktmechanismen unterliegen. Das habe ich versucht im Anschluss an Cowan zu vermitteln. Diese melancholische Einstellung, die sich auch in der Defensive im Titel zeigt, wird durch einen Überraschungseffekt erweitert. Dieser Effekt zeigt im Bereich der Softwareentwicklung (als eine Zentralstrategie des 21.Jahrhunderts) eine Strategie, welche die gesamte Entwicklung der Welt und der Weltwirtschaft bestimmt. In diesem Bereich hat sich etwas ereignet, das mit Wirtschaft nur am Rande zu tun hat– etwas, das nicht nach wirtschaftlichen Regeln funktioniert.

Zur Verbindung Philosophie – Linux – Open Source Bewegung

Die Philosophie hat zumindest den rhetorischen Rahmen abgegeben. Ich habe hier einerseits einen Titel „Akademie, Kloster, Handwerk“ [Link ] geschrieben in dem folgendes passiert: Ich habe Ihnen zwei Belegpunkte gegeben, die im Sinne auf die gegenwärtige Literatur den Zusammenhang von Linux, Open Source Bewegung und dieser griechischen Vorgeschichte terminologisch nachzuvollziehen gestattet. Das eine ist "The Hacker Ethic and the Spirit of the Information Age" von Pekka Himanen [1] und er bezieht sich ausgesprochen auf Platon und Sokrates als Hintergrund zu dem Explizierten. Auf der anderen Seite beschreibt das jüngste Buch von Richard Sennett „The Craftsman“ ( dt. „Handwerk“) [2] die explizite Verbindung zwischen den griechischen Handwerkern und Linux. Er weist auf die Form von Bastelei als eine Form von materialorientierter Kompetenz hin, die damit zu tun hat, dass man eine Sache gut machen will. Im Sinne von ein/e HandwerkerIn geht liebevoll mit der Aufgabenstellung um. Ein/e TischlerIn oder SchneiderIn haben Kompetenz und Freude an der Herstellung von Werkstücken auf der Basis einer Materialverbundenheit und einer fachmäßigen Peer-Bezugsgruppe. Der traurige Aspekt ist, das erscheint in unserem industriellen Zeitalter rührend altmodisch - der weniger traurige Aspekt (uplifting aspect) ist aber dass darauf hingewiesen wird. Man kann sagen was im Open Source – GNU Puplic License Bereich passierte, ist nach diesem Muster zu sehen. Das waren auch Leute die handwerklich „unterwegs waren“ (Vergleich mit Webern in früheren Zeiten […]), nur waren bei den Computern zuerst die Fabriken (Großrechner) und erst dann die kleinen Hausproduktionsstätten (PC) da.

Open Source ist ein Handwerk

Auf der Grundlage der folgenden Situation ist Open Source und Free Software entstanden, sodass es für einzelne Personen möglich war, in ihrem Bereich Programme zu basteln die dem Standard ihrer Entwicklungsfähigkeiten entsprochen haben. Der Unterschied ist, dass diese Form von Handwerklichkeit durch das neue Medium in dem es realisiert wird, nämlich Software, Vernetzung, Globalisierung international (also durch den Computer und die Netzwerktechnologien) in einer Art und Weise begonnen hat zu interagieren. Dahingehend ist es notwendig einen (i) Computersciencebereich und einen (ii) Informatikbereich zu haben und weiters ist es notwendig, dass es sich dabei um (iii) Wissensgüter handelt. In dieser Form von Handwerklichkeit wird also Wissen transportiert in Abgrenzung zu unserem Schuhbeispiel. Wissen ist definiert als etwas das nicht Materialwert hat, d. h. das es kein Gewicht hat und bei Weitergabe einem Selbst nicht verloren geht. Das passiert, wenn man Software als ein Handwerk in diesem neuen Kontext positioniert.

Richard Stallman und sein GNU Project

Wenn Sie sich den Balkensupport des GNU Operating System Link ansehen, sind die ersten Punkte History, Philosophy and Licenses Download. Damit zeigt sich uns welche beachtliche Rolle Philosophie in dieser Umgebung spielt, und wir werden später auch noch darauf eingehen welche Rolle das in der Weltauffassung von Richard Stallman ist. Man sollte sich aber von dieser deklamatorischen und terminologisch durchaus wichtigen Position (Geschichte und Philosophie als die zwei ersten Punkte - das ist eine Form der Kultur zu sehen) nicht in eine falsche Zufriedenheit versetzen lassen. Das Wesentliche ist, dass ein Handwerk damit entstanden ist. Es ist von der Substanz her nicht als Idee entstanden, sondern den Ausschlag gab einfach dass Richard Stallmans Drucker nicht funktionierte. Er wollte die permanenten Störungen korrigieren und ist dabei auf Probleme gestoßen, seinen Drucker ordentlich in Betrieb zu nehmen - auf diesem Level von Handwerklichkeit bewegt sich seine Initiative. Diese Bezeichnung Free and Open Software enthält somit den philosophischen und den handwerklichen Bestandteil gleichauf, denn in diesem ganzen Themenbereich gibt es eine theoretische Divergenz. Divergent ist einerseits die eine Seite von Richard Stallman, andererseits die von Eric Raymond. Raymond hat Open Source geprägt und für Open Source gilt eben dieser Handwerksbestand. Daraus ergibt sich im Zuge der Vorlesung zu fragen, wie der Handwerksbestandteil (Richard Sennett) zu diesem Prinzipienbestandteil steht.



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