Benutzer Diskussion:Andyk/Badiou/Abbreviation: Unterschied zwischen den Versionen
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Einerseits ein genialer Hinweis: die Rolle der Zahl und des Zählens in der Politik und öffentlichen Meinung. Anderseits eine maßlose Übertreibung. Politisches "Denken" ist eben ''nicht'' eine Zahlenexegese. Das Anführungszeichen, das Badiou setzt, weist in eine andere Richtung, als seine Aussage. "A 'cultural fact' is a numerical fact". Wieder die Anführungszeichen. Badiou stellt thesenhaft dar, was er kritisieren will und markiert das ''manchmal'' durch Gänsefüßchen. Schon in der Fortsetzung des obigen Zitates ''fehlen'' die Anführungszeichen. Keine Zahl/kein Name ist dann die Übernahme des unterstellten Zustands als eigene These. Das Genre ist '''Pamphlet'''. | Einerseits ein genialer Hinweis: die Rolle der Zahl und des Zählens in der Politik und öffentlichen Meinung. Anderseits eine maßlose Übertreibung. Politisches "Denken" ist eben ''nicht'' eine Zahlenexegese. Das Anführungszeichen, das Badiou setzt, weist in eine andere Richtung, als seine Aussage. "A 'cultural fact' is a numerical fact". Wieder die Anführungszeichen. Badiou stellt thesenhaft dar, was er kritisieren will und markiert das ''manchmal'' durch Gänsefüßchen. Schon in der Fortsetzung des obigen Zitates ''fehlen'' die Anführungszeichen. Keine Zahl/kein Name ist dann die Übernahme des unterstellten Zustands als eigene These. Das Genre ist '''Pamphlet'''. | ||
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Die Bürokratisierung des Wissens ist nicht einfach die Herrschaft der Zahlen. Das wären Summen und Statistiken. Man kann noch soviel Zahlen sammeln, das wird kein Wissen, es sei denn, eine Bewertung kommt dazu. Als Beispiel: | Die Bürokratisierung des Wissens ist nicht einfach die Herrschaft der Zahlen. Das wären Summen und Statistiken. Man kann noch soviel Zahlen sammeln, das wird kein Wissen, es sei denn, eine Bewertung kommt dazu. Als Beispiel: | ||
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Die Wirtschaftskrise ist einerseits eine Bestätigung des Badiou-Pamphlets, andererseits untergräbt sie es aber auch. Sie zeigt, wie willkürlich die Zahlen sind, nach denen sich die Meinung richtet. Die Situation ist gänzlich labil. | Die Wirtschaftskrise ist einerseits eine Bestätigung des Badiou-Pamphlets, andererseits untergräbt sie es aber auch. Sie zeigt, wie willkürlich die Zahlen sind, nach denen sich die Meinung richtet. Die Situation ist gänzlich labil. | ||
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+ | :: Badiou würde sagen, das liegt nicht an den Zahlen sondern an einer "ideologischen Sozialisierung" der Zahl (Zahl und Zahlen: 1.6), in der Zahlen hinreichend durch Berechnung, Operation, Verwendung charakterisiert sind. Ich selbst höre das Pamphletische heraus, bin aber noch nicht überzeugt, dass das dies einen Mangel an Sachkenntnis bedeutet. Die Programmschriften des Wiener Kreises, oder Kants Einleitung der zweiten Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft, in der er seine Arbeit eine Kopernikanische Wende ("die veränderte Methode der Denkungsart") nennt, sind in ihrer Feierlichkeit ebenfalls - in unterschiedlichen Graden - unsachlich, das verhindert aber nicht, dass sich am Weg diskutable Diagnosen und hilfreiche Zusammenhänge finden.)--[[Benutzer:Andyk|Andyk]] 01:50, 15. Nov. 2011 (CET) | ||
Doch damit kann man etwas anfangen: prüfen, was wir über Zahlen denken. Das ist so ähnlich wie Denken darüber was Geschlecht ist (statt Diskriminierung) oder über Wahrheit, statt über wahre Aussagen. --[[Benutzer:Anna|anna]] 12:47, 14. Nov. 2011 (CET) | Doch damit kann man etwas anfangen: prüfen, was wir über Zahlen denken. Das ist so ähnlich wie Denken darüber was Geschlecht ist (statt Diskriminierung) oder über Wahrheit, statt über wahre Aussagen. --[[Benutzer:Anna|anna]] 12:47, 14. Nov. 2011 (CET) | ||
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+ | :: Der Informatiker in mir sagt, dass Zahlen im Rahmen von Zahlenoperationen zu verstehen sind (und was darüber hinaus passiert, das hat weder etwas mit unserem Alltag noch mit Informatik zu tun), doch der Philosoph in mir findet in Anbetracht unserer Situation eine Prüfung unseres Verständnisses und Verhältnisses von Zahlen wichtig. | ||
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+ | :: Drei häufige Verwendungsweisen von Zahlen in unserem Alltag sind: Adressierung ("Meine Telefonnummer ist: 0664...", "Das Buch "Sein und Ereignis" in der Fachbibliothek Philosophie hat die Signatur 30201".), IDs zur Identifikation von Gegenständen und Personen ("Meine Matrikelnummer ist 0600112."), Angabe von Quantitäten ("Ich verdiene 8€ die Stunde.", "Er ist 180 cm groß.") und Zeitangaben ("Heute ist der 15.11.2011 und es ist 00:12 Uhr"). Die Zahlen allein - etwa 30201 - sprechen nicht für sich, wenn man den Zusammenhang nicht kennt oder sich noch nicht 'eingeschaut' hat in ein bestimmtes Muster, das man über die Zahl drüberlegt. Gleichwohl zeigt sich in der Verwendung der Zahlen zu diesen drei Zwecken der Wunsch, etwas punktgenau festzulegen und dann in einer Selbstverständlichkeit und Zwangsläufigkeit zu weiteren Zahlen zu kommen, die eine Orientierung in der aktuellen Lage geben. Das ist möglich durch die in der Schule antrainierte Verwendung der Grundrechnungsarten. 2 x 2 ist nicht grün, sondern 4. 4 ist eine gerade Zahl. Nach 4 kommt 5. Darüber streiten wir im Allgemeinen nicht. Über das Ergebnis einer Rechnung kann man nicht diskutieren (außer man hat sich verrechnet, dann aber gibt es ein korrektes Ergebnis - das hat Leibniz so stark beeindruckt, dass er meinte, wir müssten in der Philosophie soweit kommen, Dispute durch Rechnungen zu ersetzen - Leibniz ins Jahr 2011 geschickt würde sich wundern.). Unser Zähltraining verwenden wir etwa, um uns in einer Straße zu orientieren: "Wenn hier Hausnummer 10 ist dann weiß ich genau, dass Hausnummer 120 nicht in der Nähe sein wird, da die Hausnummern zumindest in Großstädten linear gehen." "sein wird" - die Berechnung antizipiert was kommen wird und zeichnet mein Verhalten vor. Wir nutzen unsere Fähigkeit, zwischen geraden und ungeraden Zahlen zu unterscheiden, um die Straßenseite zu codieren. Diese recht unmittelbare Exegese von Zahlen im Alltag beschränkt sich auf ''eine'' kanonische Leseart von Zahlen und diese strukturiert und orientiert unseren Alltag. Ich würde nicht so weit gehen, es an dieser Stelle eine Gewaltherrschaft zu nennen, aber völlig abwegig ist es nicht. | ||
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+ | Man kann also die sokratische Was ist...-Frage stellen: "Was ist eine Zahl? Warum zählt man so und so? Hat sich unsere Art zu zählen und über Zahlen zu denken verändert? Wissen wir, worauf wir uns einlassen, wenn wir zählen? Wenn wir Zahlen als Maßstab zur Beurteilung der Relevanz von Argumenten verwenden (Anzahl an Stimmen)? In welche Dynamik begibt man sich, wenn man zählt (Kinder weiteifern miteinander, wer weiter zählen kann... ) - was folgt daraus?" --[[Benutzer:Andyk|Andyk]] 01:50, 15. Nov. 2011 (CET) | ||
== ad griechische Zahlen == | == ad griechische Zahlen == |
Version vom 15. November 2011, 01:50 Uhr
ad Intro
Einerseits ein genialer Hinweis: die Rolle der Zahl und des Zählens in der Politik und öffentlichen Meinung. Anderseits eine maßlose Übertreibung. Politisches "Denken" ist eben nicht eine Zahlenexegese. Das Anführungszeichen, das Badiou setzt, weist in eine andere Richtung, als seine Aussage. "A 'cultural fact' is a numerical fact". Wieder die Anführungszeichen. Badiou stellt thesenhaft dar, was er kritisieren will und markiert das manchmal durch Gänsefüßchen. Schon in der Fortsetzung des obigen Zitates fehlen die Anführungszeichen. Keine Zahl/kein Name ist dann die Übernahme des unterstellten Zustands als eigene These. Das Genre ist Pamphlet.
Die Bürokratisierung des Wissens ist nicht einfach die Herrschaft der Zahlen. Das wären Summen und Statistiken. Man kann noch soviel Zahlen sammeln, das wird kein Wissen, es sei denn, eine Bewertung kommt dazu. Als Beispiel:
Eine Fahrt vom Flughafen Vilnius zum Stadtzentrum kostet
- 2 Litas (57 cent) im Bus, Vorverkauf
- 2,5 Litas (71 cent) im Bus, beim Fahrer
- 3 Litas (86 cent) im Sammeltaxi
- 40 - 50 Litas (11,4 bis 14,3 €) vom Hotel aus bestellt
In diesen Zahlen steckt Politik, aber sie sind nicht Politik.
Die Wirtschaftskrise ist einerseits eine Bestätigung des Badiou-Pamphlets, andererseits untergräbt sie es aber auch. Sie zeigt, wie willkürlich die Zahlen sind, nach denen sich die Meinung richtet. Die Situation ist gänzlich labil.
- Badiou würde sagen, das liegt nicht an den Zahlen sondern an einer "ideologischen Sozialisierung" der Zahl (Zahl und Zahlen: 1.6), in der Zahlen hinreichend durch Berechnung, Operation, Verwendung charakterisiert sind. Ich selbst höre das Pamphletische heraus, bin aber noch nicht überzeugt, dass das dies einen Mangel an Sachkenntnis bedeutet. Die Programmschriften des Wiener Kreises, oder Kants Einleitung der zweiten Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft, in der er seine Arbeit eine Kopernikanische Wende ("die veränderte Methode der Denkungsart") nennt, sind in ihrer Feierlichkeit ebenfalls - in unterschiedlichen Graden - unsachlich, das verhindert aber nicht, dass sich am Weg diskutable Diagnosen und hilfreiche Zusammenhänge finden.)--Andyk 01:50, 15. Nov. 2011 (CET)
Doch damit kann man etwas anfangen: prüfen, was wir über Zahlen denken. Das ist so ähnlich wie Denken darüber was Geschlecht ist (statt Diskriminierung) oder über Wahrheit, statt über wahre Aussagen. --anna 12:47, 14. Nov. 2011 (CET)
- Der Informatiker in mir sagt, dass Zahlen im Rahmen von Zahlenoperationen zu verstehen sind (und was darüber hinaus passiert, das hat weder etwas mit unserem Alltag noch mit Informatik zu tun), doch der Philosoph in mir findet in Anbetracht unserer Situation eine Prüfung unseres Verständnisses und Verhältnisses von Zahlen wichtig.
- Drei häufige Verwendungsweisen von Zahlen in unserem Alltag sind: Adressierung ("Meine Telefonnummer ist: 0664...", "Das Buch "Sein und Ereignis" in der Fachbibliothek Philosophie hat die Signatur 30201".), IDs zur Identifikation von Gegenständen und Personen ("Meine Matrikelnummer ist 0600112."), Angabe von Quantitäten ("Ich verdiene 8€ die Stunde.", "Er ist 180 cm groß.") und Zeitangaben ("Heute ist der 15.11.2011 und es ist 00:12 Uhr"). Die Zahlen allein - etwa 30201 - sprechen nicht für sich, wenn man den Zusammenhang nicht kennt oder sich noch nicht 'eingeschaut' hat in ein bestimmtes Muster, das man über die Zahl drüberlegt. Gleichwohl zeigt sich in der Verwendung der Zahlen zu diesen drei Zwecken der Wunsch, etwas punktgenau festzulegen und dann in einer Selbstverständlichkeit und Zwangsläufigkeit zu weiteren Zahlen zu kommen, die eine Orientierung in der aktuellen Lage geben. Das ist möglich durch die in der Schule antrainierte Verwendung der Grundrechnungsarten. 2 x 2 ist nicht grün, sondern 4. 4 ist eine gerade Zahl. Nach 4 kommt 5. Darüber streiten wir im Allgemeinen nicht. Über das Ergebnis einer Rechnung kann man nicht diskutieren (außer man hat sich verrechnet, dann aber gibt es ein korrektes Ergebnis - das hat Leibniz so stark beeindruckt, dass er meinte, wir müssten in der Philosophie soweit kommen, Dispute durch Rechnungen zu ersetzen - Leibniz ins Jahr 2011 geschickt würde sich wundern.). Unser Zähltraining verwenden wir etwa, um uns in einer Straße zu orientieren: "Wenn hier Hausnummer 10 ist dann weiß ich genau, dass Hausnummer 120 nicht in der Nähe sein wird, da die Hausnummern zumindest in Großstädten linear gehen." "sein wird" - die Berechnung antizipiert was kommen wird und zeichnet mein Verhalten vor. Wir nutzen unsere Fähigkeit, zwischen geraden und ungeraden Zahlen zu unterscheiden, um die Straßenseite zu codieren. Diese recht unmittelbare Exegese von Zahlen im Alltag beschränkt sich auf eine kanonische Leseart von Zahlen und diese strukturiert und orientiert unseren Alltag. Ich würde nicht so weit gehen, es an dieser Stelle eine Gewaltherrschaft zu nennen, aber völlig abwegig ist es nicht.
Man kann also die sokratische Was ist...-Frage stellen: "Was ist eine Zahl? Warum zählt man so und so? Hat sich unsere Art zu zählen und über Zahlen zu denken verändert? Wissen wir, worauf wir uns einlassen, wenn wir zählen? Wenn wir Zahlen als Maßstab zur Beurteilung der Relevanz von Argumenten verwenden (Anzahl an Stimmen)? In welche Dynamik begibt man sich, wenn man zählt (Kinder weiteifern miteinander, wer weiter zählen kann... ) - was folgt daraus?" --Andyk 01:50, 15. Nov. 2011 (CET)
ad griechische Zahlen
Das Eine als Verarbeitung der Mannigfaltigkeit. Sind Nebelschwaden, eine Brandung, kochendes Wasser, Verkehrschaos, gemischte Gefühle Mannigfaltigkeiten? Es scheint, dass das Zählen-als-eins an solche Phänomene nicht herankommt. Anders gesagt: Mannigfaltigkeit ist etwas, das von Zählung bereits präformiert ist. Die Operation und ihre Operanda sind eine "package". Badiou sagt, dass "die Eins" nicht den Status des Höchsten, des Seins hat, sondern ein Resultat ist. Ein Ergebnis woraus? Aus etwas, das zählbar erscheint und zwar, nach Badiou, im Nachhinein, nach der vollzogenen Operation. Gut, dann ergibt sich die Frage, was vor der Operation anzusetzen ist. Darauf kann man antworten:
- Das ist keine berechtigte Frage. Es ist, als würde man fragen, welche Richtung ein Pfeil hat, bevor er nach rechts oder links zeigt. Der Pfeil besteht darin, eine Strecke zu einer Richtung zu machen. Was vorher ist, gehört nicht zur Betrachtung.
- Die neuplatonische Strategie besteht darin, das Eine zum unnennbaren, unzugänglichen Ausgangspunkt der Differenzierungen zu machen. Eine Inkommensurabilität innerhalb der Ausdrucksformen wird eingeführt, zusammen mit einer "Priesterschaft", die beide Seiten im Blick hat.
Damit verbindet sich das berühmte Problem des Dualismus, der nicht einmal ein Dualismus sein darf. Vielleicht kann man dem etwas abgewinnen, doch das Problem liegt tiefer: Warum liegt auf der anderen Seite der gewöhnlichen Verständlichkeit überhaupt etwas? Warum soll man sich darum kümmern? Warum liegt dort nicht dasselbe wie diesseits des Abbruchs? Wie wäre es, wenn jenseits alles verständlich Sagbaren, als dessen "Urgrund" nochmals dieses Verständliche läge? Das ist eine Variante der ewigen Wiederkehr des Gleichen. --anna 14:59, 14. Nov. 2011 (CET)