Philosophie im Allgemeinen: Unterschied zwischen den Versionen

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Hegel sagt zu Beginn seiner "Vorrede" zur PhdG, Philosophie sei "wesentlich im Elemente der Allgemeinheit" und wählt als Gegenbeispiel die Anatomie, für die eine allgemeine Vorstellung von Körperteilen nicht ausreicht. Sie will herausfinden, <i>welche</i> biologischen Konstituentien eines Organismus Körperteile sind. Dagegen beginnt die Philosophie mit Begriffen, in diesem Fall etwa dabei, dass "Körperteil" ein Ausdruck ist, mit dem bestimmte Funktionalitäten differentiell strukturierter Lebewesen erfasst werden.
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Reiseführer klassifizieren Sehenswürdigkeiten nach Sternen, Punkten oder Farben. Für Restaurants gibt es Hauben und Gabeln, für Gebrauchsgegenstände Verbrauchertests. Im WIssenschaftsbereich entsprechen diesen Rangordnungen sogenannte ''citation indices'' und ''inpact factors''. Die Arbeit einer Forscherin läßt sich zusammenfassen und bewerten. Daran orientiert sich der wissenschaftliche Fortschritt und die Qualitätssicherung. Ohne solche Anreiz-Systeme stagniert der Fremdenverkehr, die Esskultur und das Universitätswesen.
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Die Vorrede zu Hegels "Phänomenologie des Geistes" beginnt mit einer prgrammatischen Absage gegen diese Selbstverständlichkeiten. Philosophie eignet sich nicht für ''Abstracts'', in denen das Ergebnis einer Überlegung mitgeteilt wird. Für gewöhnlich nimmt man solche Zusammenfassungen als Kurzinformation, die bei Bedarf im Detail zu ergänzen ist. Ein anatomisches Lehrbuch registriert Körperteile und spezifiziert Schritt für Schritt ihre Beschaffenheit. Das läßt sich auch in der Philosophiegeschichte machen, im systematischen Philosophieren ergibt sich eine Anomalie.
  
Der Untersuchungsgegenstand ist also nicht das Schienbein, sondern die begriffliche Ökonomie, in der "Schienbein" als Ordnungsmuster fungiert. Gegenstände der Philosophie entstammen nicht den Gegenstandsbereichen der Einzelwissenschaften, vielmehr sind diese selbst philosophische Themen. Sie bieten vielförmige Verhältnisse zu Gegenständen und damit Anlass zur Untersuchung, was diese Vielfältigkeit bestimmt.
 
  
Man kann einwenden, dass die Philosophie damit von Anfang an vom Zugang zu den "normalen" Gegenständen ausgeschlossen ist. Ihr Auftritt findet von vornherein auf der zweiten Stufe statt. Dabei wird aber übersehen, dass <i>niemand</i> einen direkten Zugang zu Gegenständen hat. Die Wissenschaften operieren unter spezifischen methodischen Voraussetzungen und im Alltagsgebrauch begegnen sie immer schon in wechselnden Situationen.
 
  
Allerdings wird oft behauptet, dass die (wissenschaftlich ausgewertete) Wahrnehmung uns in direkten Kontakt mit der Welt bringt. Philosophie sei demgegenüber abgeleitet und "bloss theoretisch". Daraus ergibt sich eine markante Spannung zwischen den beiden Lagern. Eine Einstellung ist auf die Welt gerichtet, die andere auf diese Ausrichtung zur Welt. Dem Selbstverständnis nach zielt die erste auf Konkretes, während die zweite auf Allgemeines abhebt.
 
 
Zugreifen steht gegen Befremdlichkeit. Die eine Haltung ist in der Welt verankert, die andere richtet sich darauf, dass in dieser Verankerung Momente wirksam sind, die sich nicht von selbst verstehen. Philosophie beginnt nach Hegel mit radikaler Interpretation. Sie nimmt nicht hin, dass Menschen einfach tun, was sie tun, sondern eröffnet eine Diskussion darüber, was solche Verhaltensweisen bedeuten. 
 
 
 
 
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Version vom 14. April 2005, 14:09 Uhr

Reiseführer klassifizieren Sehenswürdigkeiten nach Sternen, Punkten oder Farben. Für Restaurants gibt es Hauben und Gabeln, für Gebrauchsgegenstände Verbrauchertests. Im WIssenschaftsbereich entsprechen diesen Rangordnungen sogenannte citation indices und inpact factors. Die Arbeit einer Forscherin läßt sich zusammenfassen und bewerten. Daran orientiert sich der wissenschaftliche Fortschritt und die Qualitätssicherung. Ohne solche Anreiz-Systeme stagniert der Fremdenverkehr, die Esskultur und das Universitätswesen.

Die Vorrede zu Hegels "Phänomenologie des Geistes" beginnt mit einer prgrammatischen Absage gegen diese Selbstverständlichkeiten. Philosophie eignet sich nicht für Abstracts, in denen das Ergebnis einer Überlegung mitgeteilt wird. Für gewöhnlich nimmt man solche Zusammenfassungen als Kurzinformation, die bei Bedarf im Detail zu ergänzen ist. Ein anatomisches Lehrbuch registriert Körperteile und spezifiziert Schritt für Schritt ihre Beschaffenheit. Das läßt sich auch in der Philosophiegeschichte machen, im systematischen Philosophieren ergibt sich eine Anomalie.




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