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Aktuelle Version vom 4. Dezember 2008, 22:13 Uhr
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Zur Problematik der Durchführung thrasymachischer Argumentationsweise und deren, ihr als gewollt unterstellbaren, rhetorischen Implikationen
An diesem Ausschnitt springen mir zwei mich irritierende Punkte ins Auge.
Davon ist ersterer die Wortwahl Thrasymachos. Wieso nennt er die von ihm gebilligte Verhaltensweise plötzlich ungerecht? Es ist doch nur eine Definitionswahl, wie ich einen Regenten, dem auch die verwerflichsten Handlungen durchgehen nennen will. Die einzige, sich mir eröffnende, Leseart ist, dass hier T. an den Regierenden Kritik zu üben versucht, womit ich jedoch keinswegs zufrieden bin. Wenn er sie ungerecht nennt, so geht er wohl von seinem eignen Sprachverständnis aus und muss feststellen, dass es die Menschen wohl am weitesten bringen, die recht ungerecht sind, und, aufgrund ihrer klugen Verfahrensweise, dennoch zu Staatsoberhäuptern erkoren werden, dass er diese darob weise heißt ist nicht verwunderlich. Hingegen leben Gerechte, wie Sokrates, eben aufgrund ihrer Gerechtigkeit eher schlecht als recht.
- Die gebilligte Verhaltensweise ist ungerecht, aber die Ungerechtigkeit ist klug und die Gerechtigkeit einfältig. Die Irritation kommt daher, dass normalerweise die Gerechtigkeit gebilligt wird und diese Billigung ist das Ziel der Kritik des Thrasymachus. Es ist tatsächlich eine Umwertung der Werte, aber nicht eine Leugnung des Unterschieds von gut und schlecht. Der methodisch zentrale Punkt ist, dass Thrasymachus mit zwei Deutungen von Gerechtigkeit operiert, einer herkömmlichen (für die Beherrschten) und seiner "entlarvenden" Deutung, der gemäß Gerechtigkeit in Wirklichkeit eine Setzung der Herrschenden ist. --anna 11:36, 27. Nov. 2008 (CET)
Die Ironie und die Polemik, die man gedrungenermaßen daraus herausliest toppen in meinen Augen sogar die vielgerühmte sokratische Ironie, die sich, sich an Worten festkrallend und den schönen Doppelsinn der Worte (, der, meinem Verständnis nach, an den Begriff der Ironie gekettet ist) verkennend, uns als plump und lehrmeisterhaft darstellt.
Die eigentliche Irritation dieses ersten Punktes verschmilzt mit der Irritation des zweiten, welcher da wäre, warum Sokrates annimmt, dass ein Verständiger nicht vor anderen Verständigen hervortreten wolle. Ausgenommen der Fall, im alten Griechenland hätte es nicht einen Funken des Ehrgeizes gegeben, ist dieses Argument schlichtweg falsch.
Nun wieder zurückkehrend zu Thrasymachos, frage ich mich, (abgesehen von der, sich mit der zynischen Leseweise ebenfalls nicht deckenden, Tatsache, dass Thrasymachos die Unterstellung annimmt, er würde Ungerechtigkeit für schlecht und vice versa halten) wenn schon Sokrates über ca. eine halbe Seite fragt, ob der Tonkundige/Heilkundige verständlich oder unverständlich, gut oder schlecht ist, ob denn Thrasymachos tatsächlich so dämlich ist, nicht draufzukommen, worauf Sokrates hinauswill und sich, angesichts seiner doch sehr gewitzten Argumente davor im Text, nicht in der Zwischenzeit eine passende Antwort einfallen zu lassen? --Iossif T. 11:23, 6. Nov. 2008 (CET)
Über die Aporien der Sokrates Argumentation
- "Wahr ist, was funktioniert" ist tatsächlich analog zu "Gerecht ist, was sich durchsetzt". Ich würde aber die sokratische Diskussion nicht so negativ sehen. In der untenstehenden Skizze habe ich angedeutet, welche Strategien Platon im betreffenden semantischen Feld verfolgt. --anna 10:31, 2. Dez. 2008 (CET)
Skizze zur Begriffsakrobatik
Aus einer formalen Perspektive, also nicht am Sinn der jeweiligen Zuschreibungen orientiert: Sokrates operiert mit Oppositionen, Serien von Oppositionen und Überkreuzungen der konventionellen Assoziationen. Interessant ist speziell, dass er zwar Ungerechtigkeit zur Tugend umkehrt, aber nicht die Gerechtigkeit zum Laster. Dafür gibt es einen Bruch innerhalb der "gut-Reihe", nämlich zwischen "gut" und "gutmütig". Es kann ein Wort im geeigneten Kontext von seiner positiven Besetztheit ins Negative kippen. "Schnell"/"schnell-lebig". --anna 22:06, 1. Dez. 2008 (CET)