Theaitetos: Exzerpte: Unterschied zwischen den Versionen

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== Was ist Erkenntnis? (146c-147c) ==
 
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SOKRATES: Und weiter: während er schlicht und kurz hätte antworten können, macht er einen endlosen Umweg. Bei der Frage nach dem Lehm zum Beispiel konnte man doch ganz schlicht und einfach sagen, Lehm sei ein Gemisch von Erde und Wasser, und beiseite lassen, wozu man ihn braucht.
 
SOKRATES: Und weiter: während er schlicht und kurz hätte antworten können, macht er einen endlosen Umweg. Bei der Frage nach dem Lehm zum Beispiel konnte man doch ganz schlicht und einfach sagen, Lehm sei ein Gemisch von Erde und Wasser, und beiseite lassen, wozu man ihn braucht.
  
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== Erkenntnis ist Wahrnehmung (151c-152c) ==
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SOKRATES: So fang also noch einmal von vorne an, lieber Theaitetos, und versuche zu sagen, was eigentlich Wissen ist; daß du aber nicht dazu imstande seist, darfst du nie und nimmer behaupten. Denn wenn Gott es will und dir die Kraft gibt, so wirst du es können.
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THEAITETOS: Nun also, Sokrates, wenn du mich dermaßen aufmunterst, verlangt es schon der Anstand, daß man sich auf jede Weise bereit zeigt, das zu sagen, was man zu sagen hat. Nach meiner Meinung ist es so: wer etwas weiß, nimmt das auch wahr, was er weiß, und damit, scheint mir, ist Wissen nichts anderes als Wahrnehmung.
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SOKRATES: Gut und trefflich, mein junger Freund. Gerade so muß man sagen, was man meint. Aber wohlan, wir wollen zusammen untersuchen, ob das eine echte Geburt oder ein Windei ist. Wahrnehmung, sagst du also, sei Wissen.
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THEAITETOS: Ja.
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SOKRATES: Da hast du offenbar gar keine schlechte Erklärung über das Wissen vorgebracht - dieselbe, die auch Protagoras schon gegeben hat. Nur hat er das gleiche ein wenig auf andere Art gesagt. Er behauptet nämlich irgendwo, das Maß aller Dinge sei der Mensch, sowohl der seienden, daß sie sind, wie auch der nichtseienden, daß sie nicht sind. Das hast du doch auch schon gelesen ?
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THEAITETOS: Ja, schon oft habe ich es gelesen.
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SOKRATES : Das meint er doch etwa so: wie mir die einzelnen Dinge erscheinen, so sind sie auch für mich, und wie sie dir erscheinen, so sind sie wiederum für dich. Denn du bist doch ein Mensch, und ich bin auch einer.
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THEAITETOS: Ja, so meint er es wohl.
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SOKRATES: Es ist ja auch anzunehmen, daß ein weiser Mann nicht Unsinn redet. Wir wollen ihm also folgen. Ist es nun nicht bisweilen so, daß beim selben Wind, der weht, der eine von uns schaudert, der andere aber nicht, und der eine nur leicht, der andere aber heftig?
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THEAITETOS: Jawohl.
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SOKRATES: Sagen wir nun in diesem Fall, daß der Wind an sich kalt sei oder nicht kalt? Oder werden wir Protagoras recht geben, daß er für den, der friert, kalt ist, für den anderen aber nicht ?
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SOKRATES: Was sollen wir nun mit diesem Satz anfangen, Protagoras ? Sollen wir sagen, das, was die Menschen meinen, sei richtig, oder es sei manchmal richtig, manchmal aber auch falsch ? Aus beidem ergibt sich nämlich, daß das, was sie meinen, nicht immer richtig, sondern daß es beides sein kann. Überlege dir also, Theodoros, ob wohl irgendeiner aus dem Kreis des Protagoras oder ob du selbst darauf beharren willst, daß niemand der Ansicht ist, ein anderer sei unwissend und meine etwas Falsches.
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THEODOROS: Das ist nicht glaubhaft, Sokrates.
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SOKRATES: Aber darauf kommt es doch notwendig heraus bei dem Satz, der Mensch sei das Maß aller Dinge.
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SOKRATES: Wenn du dir über irgend etwas ein Urteil gebildet hast und mir nun deine Meinung darüber eröffnest, so muß dies, nach jener Behauptung, für dich wahr sein; uns anderen steht es aber doch zu, Richter zu werden über dein Urteil - oder müssen wir in jedem Fall entscheiden, daß deine Meinung wahr sei? Oder werden nicht jedesmal Zehntausende ihre Gegenmeinung gegen dich verfechten, da sie der Ansicht sind, dein Urteil und deine Meinung seien falsch?
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THEODOROS: Ja, Sokrates, sogar viele Zehntausende sind es, beim Zeus, die mir - um mit Homer zu reden alle nur menschenmögliche Schwierigkeiten bereiten werden.
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SOKRATES: Sollen wir nun also sagen, was du meinst, sei in diesem Falle zwar für dich wahr, für die Zehntausende dagegen falsch?
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Version vom 22. März 2007, 22:00 Uhr

Was ist Erkenntnis? (146c-147c)

THEAITETOS: Ich glaube also, daß alles, was einer von Theodoros lernt, ein Wissen ist, die Geometrie und auch alle anderen Wissenschaften, die du aufgezählt hast; aber auch die Kunst des Schusters und ebenso die Künste der übrigen Handwerker, alle insgesamt und jede einzelne davon, sind sämtliche nichts anderes als ein Wissen.

SOKRATES: Freimütig und auf generöse Art, lieber Freund, gibst du vieles, wo man dich um eines gebeten hat, und Mannigfaches anstelle des Einfachen.

THEAITETOS: Was meinst du damit, Sokrates ?

SOKRATES: Vielleicht nichts. Immerhin will ich dir sagen, was ich denke. Wenn du von der Kunst des Schusters sprichst, verstehst du darunter etwas anderes als das Wissen um die Herstellung von Schuhen?

THEAITETOS: Nein.

SOKRATES: Und wenn du von der Kunst des Zimmermanns sprichst ? Ist das etwas anderes als das Wissen von der Herstellung der hölzernen Geräte?

THEAITETOS: Wiederum nein.

SOKRATES: In beiden Fällen bestimmst du also das, worauf sich das betreffende Wissen bezieht?

THEAITETOS: Ja.

SOKRATES: Die Frage, Theaitetos, lautete aber nicht, worauf sich das Wissen bezieht, und auch nicht, wie viele Arten es gibt. Wir fragten ja nicht, um diese aufzuzählen, sondern weil wir zur Erkenntnis kommen wollten, was denn das Wissen eigentlich ist. Oder habe ich nicht recht?

THEAITETOS: Doch, das ist ganz richtig.

SOKRATES: Überlege auch das: Wenn uns jemand etwas ganz Banales fragte, das ohne weiteres auf der Hand liegt, zum Beispiel, was das Wissen vom Lehm sei, und wir ihm dann erwiderten: ,Lehm für den Töpfer und Lehm für den Puppenmacher und Lehm für den Ziegler' - machten wir uns da nicht lächerlich ?

THEAITETOS: Vermutlich.

SOKRATES: Und zwar zunächst, dadurch, daß wir glauben, der Fragende werde aus unserer Antwort klug, wenn wir bloß sagen ,Lehm' und dann hinzusetzen ,der des Puppenmachers oder sonst eines Handwerkers'. Oder glaubst du, es könne jemand den Namen einer Sache verstehen, wenn er nicht weiß, was sie eigentlich ist?

THEAITETOS: Auf keinen Fall.

SOKRATES: Wer also nicht weiß, was ,Wissen' ist, versteht auch nicht, was ,Wissen von den Schuhen' bedeutet.

THEAITETOS: Sicher nicht.

SOKRATES: Wenn also einem nicht bekannt ist, was Wissen ist, so versteht er auch nicht, was ,Kunst des Schusters' oder sonst eines Handwerkers bedeutet.

THEAITETOS: Ja, so ist es.

SOKRATES: Wenn also jemand gefragt wird, was Wissen sei, so ist es doch lächerlich, wenn er als Antwort den Namen irgendeiner bestimmten Kunstfertigkeit angibt. Denn damit bezeichnet er nur das Wissen von irgend etwas, und danach ist er ja gar nicht gefragt worden.

THEAITETOS: Offenbar.

SOKRATES: Und weiter: während er schlicht und kurz hätte antworten können, macht er einen endlosen Umweg. Bei der Frage nach dem Lehm zum Beispiel konnte man doch ganz schlicht und einfach sagen, Lehm sei ein Gemisch von Erde und Wasser, und beiseite lassen, wozu man ihn braucht.


Erkenntnis ist Wahrnehmung (151c-152c)

SOKRATES: So fang also noch einmal von vorne an, lieber Theaitetos, und versuche zu sagen, was eigentlich Wissen ist; daß du aber nicht dazu imstande seist, darfst du nie und nimmer behaupten. Denn wenn Gott es will und dir die Kraft gibt, so wirst du es können.

THEAITETOS: Nun also, Sokrates, wenn du mich dermaßen aufmunterst, verlangt es schon der Anstand, daß man sich auf jede Weise bereit zeigt, das zu sagen, was man zu sagen hat. Nach meiner Meinung ist es so: wer etwas weiß, nimmt das auch wahr, was er weiß, und damit, scheint mir, ist Wissen nichts anderes als Wahrnehmung.

SOKRATES: Gut und trefflich, mein junger Freund. Gerade so muß man sagen, was man meint. Aber wohlan, wir wollen zusammen untersuchen, ob das eine echte Geburt oder ein Windei ist. Wahrnehmung, sagst du also, sei Wissen.

THEAITETOS: Ja.

SOKRATES: Da hast du offenbar gar keine schlechte Erklärung über das Wissen vorgebracht - dieselbe, die auch Protagoras schon gegeben hat. Nur hat er das gleiche ein wenig auf andere Art gesagt. Er behauptet nämlich irgendwo, das Maß aller Dinge sei der Mensch, sowohl der seienden, daß sie sind, wie auch der nichtseienden, daß sie nicht sind. Das hast du doch auch schon gelesen ?

THEAITETOS: Ja, schon oft habe ich es gelesen.

SOKRATES : Das meint er doch etwa so: wie mir die einzelnen Dinge erscheinen, so sind sie auch für mich, und wie sie dir erscheinen, so sind sie wiederum für dich. Denn du bist doch ein Mensch, und ich bin auch einer.

THEAITETOS: Ja, so meint er es wohl.

SOKRATES: Es ist ja auch anzunehmen, daß ein weiser Mann nicht Unsinn redet. Wir wollen ihm also folgen. Ist es nun nicht bisweilen so, daß beim selben Wind, der weht, der eine von uns schaudert, der andere aber nicht, und der eine nur leicht, der andere aber heftig?

THEAITETOS: Jawohl.

SOKRATES: Sagen wir nun in diesem Fall, daß der Wind an sich kalt sei oder nicht kalt? Oder werden wir Protagoras recht geben, daß er für den, der friert, kalt ist, für den anderen aber nicht ?

THEAITETOS: Offenbar.

SOKRATES : So erscheint er doch jedem der beiden ?

THEAITETOS: Ja.

SOKRATES: Dieses ,er erscheint' bedeutet doch aber ,wahrnehmen' ?

THEAITETOS: So ist's.

SOKRATES: Erscheinung und Wahrnehmung ist also dasselbe, bei der Wärme und bei allem Derartigen. Wie ein jeder die Dinge wahrnimmt, so werden sie wohl auch für jeden in Wirklichkeit sein.

THEAITETOS: Offenbar.

SOKRATES: Wahrnehmung bezieht sich also stets auf das Seiende und ist untrüglich, da sie ein Wissen ist.

THEAITEOTS: Es scheint so.


richtig vorstellen ? (170c)

SOKRATES: Was sollen wir nun mit diesem Satz anfangen, Protagoras ? Sollen wir sagen, das, was die Menschen meinen, sei richtig, oder es sei manchmal richtig, manchmal aber auch falsch ? Aus beidem ergibt sich nämlich, daß das, was sie meinen, nicht immer richtig, sondern daß es beides sein kann. Überlege dir also, Theodoros, ob wohl irgendeiner aus dem Kreis des Protagoras oder ob du selbst darauf beharren willst, daß niemand der Ansicht ist, ein anderer sei unwissend und meine etwas Falsches.

THEODOROS: Das ist nicht glaubhaft, Sokrates.

SOKRATES: Aber darauf kommt es doch notwendig heraus bei dem Satz, der Mensch sei das Maß aller Dinge.

THEODOROS: Wieso denn ?

SOKRATES: Wenn du dir über irgend etwas ein Urteil gebildet hast und mir nun deine Meinung darüber eröffnest, so muß dies, nach jener Behauptung, für dich wahr sein; uns anderen steht es aber doch zu, Richter zu werden über dein Urteil - oder müssen wir in jedem Fall entscheiden, daß deine Meinung wahr sei? Oder werden nicht jedesmal Zehntausende ihre Gegenmeinung gegen dich verfechten, da sie der Ansicht sind, dein Urteil und deine Meinung seien falsch?

THEODOROS: Ja, Sokrates, sogar viele Zehntausende sind es, beim Zeus, die mir - um mit Homer zu reden alle nur menschenmögliche Schwierigkeiten bereiten werden.

SOKRATES: Sollen wir nun also sagen, was du meinst, sei in diesem Falle zwar für dich wahr, für die Zehntausende dagegen falsch?

Seele


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Besser Wissen (Vorlesung Hrachovec, 2006/07)</root>