Diskussion:Unvorhersehbare Entwicklungen (tphff2015): Unterschied zwischen den Versionen
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[[Benutzer:Euphon|Euphon]] ([[Benutzer Diskussion:Euphon|Diskussion]]) 21:06, 27. Mär. 2015 (CET) | [[Benutzer:Euphon|Euphon]] ([[Benutzer Diskussion:Euphon|Diskussion]]) 21:06, 27. Mär. 2015 (CET) | ||
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+ | == Vorüberlegungen zu Wissen als „nicht-rivalisierendes Gut“ == | ||
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+ | Das Anliegen dieses Eintrags ist es, Vorbemerkungen zu formulieren, die zu einer Beschäftigung mit dem Status des Wissens als "nicht-rivalisierendes Gut" hinführen. Über diesen Umweg hoffe ich einen Impuls zu der in dem Eintrag oben gestellten Frage nach der Fairness der Regelung von wissenschaftlichen Abschlussarbeiten durch die "Wertigkeit", die darin steckt, geben zu können. Es handelt sich aber noch um Vorbemerkungen, die vor allem darauf zielen, das Konzept des "nicht-rivalisierendes Gut" zu relativieren, um eine Perspektive in der Debatte zu finden, die auf einer einigermaßen stabilen Grundlage steht. | ||
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+ | Der Ausdruck „rivalisierendes Gut“ verrät zweierlei: 1. Es handelt sich um etwas Produziertes, ein „Gut“. Bei Produziertem denkt man zuerst an „vom Menschen produziert“, aber bei Ressourcen wie z. B. Sonnenlicht ist der Begriff ebenso zulässig; Ein nicht-rivalisierendes Gut ist also nicht unbedingt eine Erfindung des Menschen, muss jedoch immer irgendwie hergestellt werden (so wie z. B. als Kernfusion bei der Sonne). 2. Die Eigenschaft des Gutes ist es, nicht in Konkurrenz zu anderen Gütern zu stehen. Diese negative Bestimmung sagt nur, was das nicht-rivalisierende Gut nicht ist, nicht aber, was es ist. Zur Erläuterung, was damit gemeint ist, kann z. B. die Formulierung von Verhaltensregeln herangezogen werden: Die „Goldene Regel“ des Katechismus sagt, was man nicht tun soll, lässt dabei aber offen, was man tun kann; sie beschneidet die Möglichkeiten in bestimmter Weise, lässt diese als Potentiale aber weitgehend offen. Der „kategorische Imperativ“ von Kant ist demgegenüber positiv formuliert und bestimmt, was gemacht werden soll, was das, was nicht gemacht werden soll, einschließt; der „kategorische Imperativ“ in seiner positiven Formulierung generalisiert alles mögliche Verhalten. In einer ähnlichen Weise ist ein nicht-rivalisierendes Gut positiv formuliert als „Allgemeingut“ eine generalisierte Bestimmung. Diese positive Konnotation lässt eine Tatsache erkennen, die die negative Formulierung geschickt verbirgt: Auch wenn das „Allgemeingut“ von jedem genutzt werden kann, heißt das nicht, dass es immer jedem gehört, denn diejenige, die es nutzt, ist nicht die Allgemeinheit, sondern ein Teil derselben. So kann z. B. Sonnenlicht nicht zur selben Zeit am selben Ort von jemand anderem genutzt werden (man denke etwa an eine Touristin, die am Strand die Sonne genießen will, was zur Herausforderung wird aufgrund der begrenzten Größe der Örtlichkeit, wo nur diejenigen einen Liegestuhl bekommen können und die Sonne genießen, die sich den Platz an der Sonne durch gewisse Strategien ergattert haben). | ||
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+ | Diese beiden Aspekte möchte ich nun vertiefen: 1. „Allgemeingut“ ist immer, wenn auch nicht unbedingt von Menschen, produziert. Auch „nicht-rivalisierende Güter“ wie Sonnenlicht müssen hergestellt werden. 2. „Allgemeingut“ kann nicht zur selben Zeit am selben Ort von mehreren genutzt werden. Auf diesen beiden Punkten aufbauend möchte ich behaupten, dass das Konzept des „nicht-rivalisierenden Gut“ etwas verspricht, das es nicht einlösen kann und deswegen einer Revision unterzogen werden müsste. | ||
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+ | Was haben die Sonne und eine pdf-Datei gemeinsam? Sie haben beide mit Energie zu tun. Energie hat, grob gesagt, immer die Eigenschaft, dass sie produziert wird und gleichzeitig etwas produziert. Das mag nicht immer auffallen; wer denkt schon daran, dass das Sonnenlicht produziert wird, wenn er am Strand liegt und den heißen Ball am Himmel stehen sieht. Und doch verzehrt die Sonne sich selbst in für den Menschen nicht greifbaren Zeitskalen. Gleichzeitig produziert die Sonne alles Leben auf der Erde. Sitzt man, vor der Sonne geschützt, mit seinem Laptop im Schatten und klickt auf eine pdf-Datei am Desktop, dann wird ein Text sichtbar, der ähnlich am Bildschirm steht wie die Sonne am Himmel. Es fällt nicht unbedingt sofort auf, dass der Text mehrere Male pro Sekunde neu erzeugt wird und dass der Text etwas verändert, nämlich im besten Fall die Einstellung des Lesers. – Sonne und pdf-Datei sind sich dementsprechend dahingehend ähnlich, dass sie als ''Prozesse'' zu sehen sind und nicht als Zustände, auch wenn die Gleichförmigkeit des Sonnenlichts und der Präsenz des Texts auf dem Bildschirm darüber hinwegtäuschen können. Dass es sich jeweils um Prozesse handelt wird auch damit klar, dass, wie bereits erwähnt, Sonnenlicht, ebenso wie die pdf-Datei nicht zur selben Zeit am selben Ort von zwei verschiedenen Entitäten genutzt werden können, also jede benutzende Entität nicht von sich aus dort ist, wo sie zum Nutzer wird, sondern erst in diese Rolle gebracht werden muss. So wie ein Stein, der in der Sonne liegt, ebenso wenig wie eine Touristin am Strand nicht immer schon dort gelegen ist, so sitzt ein Leser nicht „einfach so“ vor dem Bildschirm. Stein, Sonnenanbeterin und Leser, sind auf Aktivitäten angewiesen, die sie auf diesen Platz gebracht haben. | ||
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+ | These: Sonnenlicht wird hergestellt und kann nur genutzt werden, wenn diese Nutzung gewährleistet wird, ebenso wie eine pdf-Datei eine Kraftquelle benötigt, um angezeigt (und gespeichert) werden zu können und seine Nutzungsmöglichkeit gewährleistet ist. – Energie ist ein Prozess, in dem die spezifische Art des Auftretens der Energie davon abhängig ist, wie sie produziert wurde und in dem das, was damit produziert wird, die Art einschränkt, wie die Energie genutzt werden kann. | ||
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+ | Was bedeutet das für die „nicht-rivalisierenden Güter“?„Nicht-rivalisierende Güter“ werden ihrer Definition nach als solche betrachtet, wenn sie 1. nicht verbraucht werden können und sich beliebig oft reproduzieren lassen und wenn sie 2. unterschiedslos von allen auf die gleiche Weise genutzt werden können. Beides ist unvereinbar mit der eben aufgestellten These, dass Energie einen Prozess darstellt, der auf zwei Arten begrenzt ist. Das Licht eines Leuchtturms, ebenso wie Sonnenlicht und pdf-Dateien können nicht beliebig oft hergestellt werden, weil fortwährend der Input eines Energiequantums vonnöten ist. Es geht dabei um den Zusatzaufwand, der notwendig ist, um die pdf-Datei zu kopieren, Reflektoren zu bauen, die das Einzugsgebiet des Leuchtturms vergrößern oder darum, das einstrahlende Licht der Sonne zu bündeln (alle drei Aktivitäten sind auf ihre Art und Weise Reproduktionsvorgänge), aber noch viel mehr um den Aufwand, der notwendig ist, um die (Kopien der) pdf-Dateien im Netzwerk zu erhalten, wozu mehr vonnöten ist, als ein Stromquantum auf Knopfdruck für den Kopierprozess, nämlich ein Kontext, der die pdf-Datei dabei unterstützt, ihren Verbleib im Netzwerk zu gewährleisten, den Aufwand, einen Leuchtturm dort zu installieren, wo er sein kann, darf und muss, was mit architektonischen, politischen, rechtlichen und anderen Bedingungen zu tun hat und um den Aufwand eines ganzen Universums, oder zumindest eines Gebiets in demselben, das dafür sorgt, dass die Sonne am Firmament steht. | ||
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+ | Zugegeben, nicht einmal diejenigen, die sich in Argumentationen auf die Existenz von „nicht-rvialisierenden Güter“ stützen (diejenigen, die gern von „win/win-Situationen“ sprechen, worauf weiter unten noch eingegangen wird) können vollkommen überzeugt von dem ersten Teil der Definition der „nicht-rivalisierenden Güter“ sein. Denn es wird wohl jeder zugeben, dass es keinen Reproduktionsvorgang gibt, der nicht wenigstens ein Mindestmaß an Energiezufuhr benötigt. Und ist einmal zugegeben, dass es dieses Minimalquantum braucht, dann wird plötzlich aus einem Unterschied der Art nach ein Unterschied dem Grade nach, was bedeutet, dass sich der Aufwand zwar zwischen einem auf Galaxiengröße und einem absoluten Minimum (etwa dem einzelnen Stromimpuls, der notwendig ist, um die pdf-Datei auf Knopfdruck zu reproduzieren) bewegen, er aber niemals vollkommen ausgeschlossen werden kann. | ||
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+ | Als gehaltvollerer Teil der Definition der „nicht-rivalisierenden Güter“ ist der zweite anzusehen. Aber auch er ist relativierbar. Dass „nicht-rivalisierende Güter“ von jeder auf die selbe Art und Weise genutzt werden können (sofern sie von derjenigen genutzt werden können) scheint auf den ersten Blick evident. Kontrastiert man diese Aussage allerdings mit der oben aufgestellten These, dann zeigt sich, dass das vielleicht potentiell möglich ist, aber nicht in der Praxis. Sonnenkollektoren können die Sonne potentiell auf die gleiche Art und Weise nutzen, aber es kann nicht ein Sonnenkollektor an die Stelle eines anderen gestellt werden, ohne den ersten zu entfernen, ein Schiff kann zwar dieselbe Route nehmen wie ein anderes Schiff, aber nicht im gleichen Moment, eine pdf-Datei kann zwar von jedem gelesen werden, aber nur von einer an einem Ort in einem Moment, also identifiziert durch die Gerätenummer des Darstellungswerkzeugs oder die IP-Adresse des Internetzugangsrechners; durch die Kopie der pdf-Datei wird die Nutzung auf eine weitere Gerätenummer und eine weitere IP-Adresse eingeschränkt. – Auch wenn also anscheinend „nicht-rivalisierende Güter“ von jedem gleich genutzt werden können, so erzeugen sie Differenzierungen bei denjenigen, die sie nutzen und schränken dadurch ein. | ||
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+ | Jemandem, der von „nicht-rivalisierenden Gütern“ spricht und dabei von „win/win-Situationen“, muss also entgegnet werden, dass an der Stelle ein etwas bescheideneres Auftreten angebracht ist. Die Übertreibung liegt in der Annahme, dass es möglich ist, dass es eine Situation gibt, in der es nur Gewinner und keine Verlierer gibt. Dem ist entgegenzuhalten: Es gibt keine Gewinner ohne Verlierer! Statt von „nicht-rivalisierenden Gütern“ zu sprechen, wäre es eher angebracht, diese als solche Güter zu bezeichnen, die nur einen Minimalaufwand und dementsprechend so wenig Verlierer wie möglich nötig machen. Ich schlage also vor, statt von „nicht-rivalisierenden Gütern“ von „Allgemeingütern“ zu sprechen, denn besonders die negative Formulierung der ersten gaukelt eine Unbestimmtheit der Möglichkeiten (die sich aus der Abgrenzung von den eingeschränkten ergibt) vor, wohingegen die zweite Formulierung auf die generelle Eingeschränktheit hinweist. Während der Ausdruck „Allgemein“ den Unterschied zwischen „alle“, respektive „alles“ und „jeder, jede, jedes“ hervorhebt, geht dieser in der Formulierung „nicht-rivalisierenden Güter“ verloren, da dort der Unterschied zwischen „`„alle` respektive `alles` für `jeden, jede, jedes`“ (siehe die zwei Teile der Definition der „nicht-rivalisierenden Güter“) und der (dreistellige) Verneinung dieser Aussage gemacht wird. Die Differenziertheit, die der Begriff „Allgemein“ mit sich bringt, ergibt sich daraus, dass in ihr nicht alle nutzen können, was jede/r nutzen kann. In einer Allgemeinheit beschränkt das Jeder das Alle und das Alle das Jeder. Das ist so gemeint: Dass etwas von allen genutzt werden kann macht nicht erforderlich, dass jede/r daran beteiligt ist die Nutzung zu ermöglichen, aber es muss immer jemanden geben, der das tut, es geht nicht ohne. Dass etwas von jeder/m benutzt werden kann, bedeutet nicht, dass alle es benutzen können, denn die Benutzung stellt sich ihre Benutzer dadurch her, dass sie vorgibt, wer sie nutzen kann, sie gibt das „alle“ vor. In dieser Allgemeinheit findet ein Prozess statt, in dem die spezifische Art des Auftretens der Allgemeinheit davon abhängig ist, wie sie zusammengesetzt wurde und in dem das, was darin passiert, die Art einschränkt, wie die Allgemeinheit sich zusammensetzen kann. Es ist hier ein politisches Moment greifbar, das ich mit dem Begriff „Allgemein“ ansprechen möchte und das, übertragen auf den Begriff „Allgemeingüter“ im Gegensatz zu dem Begriff „nicht-rivalisierenden Gütern“, eher geeignet scheint, um die Existenzweise der sogenannten „nicht-rivalisierenden Güter“ zu erklären. Die oben genannte zweiteilige Definition kann erhalten bleiben, sie muss nur durch die dargestellten Einschränkungen relativiert werden, was den Begriff „nicht-rivalisierende Güter“ unbrauchbar macht. | ||
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+ | Was bedeutet das für das Konzept der „nicht-rivalisierenden Güter“? Ich bin der Meinung, dass das Konzept als Prozess (der Reproduktion) in der oben dargestellten Weise verstanden werden sollte, der dadurch, dass es darin auch Verlierer gibt, zu einem politischen Prozess wird. Das Konzept der „nicht-rivalisierenden Güter“ krankt meiner Meinung nach daran, dass darin Voraussetzungen angenommen werden, die nicht erfüllbar und damit Versprechen gegeben werden, die nicht einlösbar sind. Mein Anliegen in diesem Eintrag ist es nicht, das Konzept vollständig zu verwerfen, es geht mir eher darum, es zu relativieren, nicht um es zu schwächen, sondern um durch diese Relativierung eine Perspektive zu eröffnen, die sich auf ene ''stärkere'' Basis stützen kann, wenn sie z. B. in Debatten über „nicht-rivalisierende Güter“ und „Open Access“ eingebracht wird. Diese genaue Bestimmung bin ich noch schuldig. Die pdf-Datei wurde hier nur als Beispiel verwendet und nicht in Bezug gesetzt zu der angesprochenen Debatte. Ich denke allerdings, dass eine solche Ausarbeitung möglich wäre und das sie eine stabilere Basis für Argumentationen darstellen könnte, als die, so konnte ich hoffentlich zeigen, eher „idealistische“ Vorstellung, man hätte Güter, die sich auf „magische“ (im Sinn von: es bedarf keines erkennbaren Aufwands dafür) vervielfältigen und die von jedem auf dieselbe Art genutzt werden können. – Die Idee erinnert meiner Meinung nach ein wenig an das Märchen vom Schlaraffenland. | ||
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+ | Das war jetzt etwas viel auf einmal, aber ich hoffe, ich konnte meinen Punkt einigermaßen verdeutlichen. Ich bin mir im Klaren darüber, dass das hier etwas rough und unausgearbeitet ist, aber ich hoffe, dass ich wenigstens nicht irgendwas grundsätzlich falsch verstanden habe und dass ich was ich sagen wollte zumindest so klargemacht habe, dass man darüber anderer Meinung sein kann, um eine Diskussion anzuregen. | ||
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+ | Demnäcst möchte ich einen weiteren Eintrag anlegen, in dem ein Versuch gemacht wird, die im ersten Eintrag gestellte Frage nach der Fairness in der Abschöpfung der "Wertigkeit" zu beantworten. | ||
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+ | [[Benutzer:Euphon|Euphon]] ([[Benutzer Diskussion:Euphon|Diskussion]]) 19:53, 9. Mai 2015 (CEST) | ||
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+ | == Fairness in der Abschöpfung der „Wertigkeit“ von Abschlussarbeiten == | ||
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+ | In dem Artikel ''Das „Social Web“ als Demokratieverstärker?'' behandelt Herbert Hrachovec zwei Beispiele, an denen er das Phänomen der Demokratisierung durch das Internet darstellt. Es scheint zu einer Demokratisierung durch das Internet zu kommen, denn die vormals hegemonialen Strukturen der Massenmedien wurden durch Initiativen wie Twitter, Facebook und Reddit unterwandert. Diese neuen Möglichkeiten folgen nicht den Regeln, nach denen von den Massenmedien Inhalt zur Verfügung gestellt wird. Das Internet scheint eine egalitäre Versammlung zu sein, in der sich jeder ausdrücken und Gehör verschaffen kann. Dabei ist aber zu beachten: „Der technisch-ökonomische Apparat, der diese Wirkungen erzeugt, ist keineswegs neutral. [...] Öffentliche Wirksamkeit hängt wesentlich an einer globalen Infrastruktur.“ (Hrachovec 2012 38) Die vermeintliche Demokratisierung ist nur möglich, wenn gewisse Vorbedingungen gegeben sind, die dafür sorgen, dass sich die egalisierten Nutzer des Internets ausdrücken und Gehör verschaffen können. Es braucht Internetanbieter, Unternehmen wie Google, Facebook, Twitter, die den Austausch ermöglichen. Deren Interessen und Motive sind gemeinhin bekannt und umstritten. Es ist also vorschnell die Art der Meinungsäußerung im Internet mit der „Verfassungswirklichkeit historisch gewordener Staaten“ (Ebd. 41) zu vergleichen, denn: „Die Konfiguration und Administration der erforderlichen Server und Datenbanken ist kein demokratischer Ablauf. Rechner haben ''eine'' IP-Adresse und Webserver funktionieren nicht nach Mehrheitsbeschluss.“ (Ebd. 41) Die Regeln geben die technische Ebene der Programmierung sowie ökonomische Überlegungen vor. Der sich durch das Internet bietenden Freiheit im Austausch von Inhalten, der Ausdrucksmöglichkeit der individuellen Nutzerin und der egalitaristischen Struktur stehen also ökonomische Interessen, monopolisierte Anbieter und Datenschutzprobleme gegenüber. Anstatt ein Urteil über die Auseinandersetzung abzugeben weist Hrachovec am Ende auf zwei Punkte hin, die in dem Zusammenhang zu beachten sind: | ||
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+ | :„Beachten Sie die Herrschaftsverhältnisse, die sich hinter den neuen Freiräumen etablieren. | ||
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+ | :Vermeiden Sie Aufrufe und programmatische Erklärungen, deren Pointe durch die Medien, in denen sie erfolgen, untergraben wird.“ (Ebd. 42) | ||
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+ | Die erste Warnung erinnert an den Unterschied zwischen ''demokratischer'' und ''autoritärer'' Technik bei Lewis Mumford: | ||
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+ | :„Meine These ist, grob gesagt, dass von der späteren Jungsteinzeit im Nahen Osten bis hin zu unserer Zeit zwei Technologien im zeitlichen Wechsel und nebeneinander her existiert haben: die eine autoritär, die andere demokratisch, die eine systematisiert und von immenser Leistungsfähigkeit, aber im Kern unstabil, die andere auf den Menschen zugeschnitten, relativ schwach, aber phantasierreich und dauerhaft.“ (Mumford 1980 13ff) | ||
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+ | Mumfords Meinung nach verschwindet die demokratische Technologie immer mehr und wird von der autoritären verdrängt. Die autoritäre Technologie führte zu entscheidenden Erfindungen und Entdeckungen: „schriftliche Aufzeichnung, Mathematik und Astronomie, Bewässerung und Kanalisation“ und Arbeiterarmeen (in denen jeder austauschbar wurde), Militär und Bürokratie.“ (Ebd. 15). Die autoritäre Technik wurde trotz ihrer einebnenden und menschenverachtenden Konsequenzen geduldet, weil sie einen kontrollierten Überfluss erzeugte, der es vor allem mit sich brachte, dass sich kleine Teile der Bevölkerung um Wissenschaft, Forschung, religiöse, militärische und bürokratische Belange kümmern konnten. Diese neu gewonnene Freiheit wurde allerdings teuer erkauft. Mumford argumentiert, dass die autoritäre Technik mit dem Aufkommen der Demokratisierung durch den technischen Fortschritt – wie etwa das Internet - wieder erstarkt ist: | ||
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+ | :„[W]as wir als neue Freiheit interpretiert haben, stellt sich heute als viel raffinierte Version der alten Sklaverei heraus: denn die Entstehung der Demokratie in den letzten Jahrhunderten ist in wachsendem Ausmaß durch die erfolgreiche Wiederauferstehung einer zentralisierten autoritären Technik unterwandert worden, einer Technik, die doch seit langem in vielen Teilen der Welt schon wieder zurückgedrängt worden war. [...] Die Erfinder der Atombombe, der Raketen und Computer sind die Pyramidenbauer unseres Zeitalters, erfüllt von einem ähnlichen Mythos uneingeschränkter Macht, prahlend mit ihrer auf Wissenschaft begründeten Allmacht, wenn nicht gar Allwissenheit, von Zwangsvorstellungen und Zwängen beherrscht, die nicht weniger irrational sind als die der früheren absolutistischen Systeme: besonders die Vorstellung, dass das System selbst, egal um welchen Preis, expandieren muß.“ (Ebd. 16). | ||
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+ | Und doch ist die demokratische Technik grundlegender als die autoritäre und hat ständig dem Machtmissbrauch durch die autoritäre Technik entgegengewirkt. Warum lässt man sich in einer Demokratie so etwas gefallen? | ||
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+ | :„Die Antwort auf diese Frage ist paradox und zugleich auch eine Ironie der Geschichte. Die gegenwärtige Technik unterscheidet sich von den unverhohlen brutalen, unausgereiften autoritären Systemen der Vergangenheit in einem entscheidenden Punkt: sie hat das Grundprinzip der Demokratie akzeptiert, daß jedes Mitglieder Gesellschaft an ihrem Reichtum teilhaben sollte. Indem es diesen Teil des demokratischen Versprechens zunehmend erfüllte, hat unser System es geschafft, die ganze Gemeinschaft in seine Macht zu bekommen und so jeden weitergehenden Anspruch auf Demokratie zu unterbinden.“ (Ebd. 19) | ||
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+ | Das ist ein Kuhhandel: Jeder kann Anteil an den Dingen haben, der weit darüber hinausgeht, was kleineren Gemeinschaften zugänglich ist, dafür wird stillschweigend Zustimmung dafür erwartet, dass alles so akzeptiert wird, wie es das System vorgibt und wie es von ihm produziert (standardisiert und fabriziert) wurde. | ||
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+ | Auch wenn Mumford hier sehr generalisierend über Technik spricht und die „Internetrevolution“ sich zu der Zeit noch nicht ereignet hatte, als der Text verfasst wurde, lässt sich der „Bestechungsversuch“, den der Autor beschreibt, auf die erste Warnung von Hrachovec umlegen. Beide Autoren haben wohl prinzipiell nichts gegen die Segnungen, die sich mit der autoritären Technik ergeben, weisen aber darauf hin, dass es immer wieder an der Zeit ist, die beiden Positionen gegen zu rechnen. Mumford zufolge geht es darum, darauf aufmerksam zu machen, dass jeder, der sich mit der Verbreitung der Demokratie beschäftigt, erkennen muss, dass er sich mit der Technologie beschäftigen muss, welche die Verbreitung gewährleistet. Gegen die autoritäre Technik heißt für die Demokratie kämpfen und der Schlachtruf ist: „Leben kann nicht delegiert werden!“ Die Technik muss dermaßen rekonstruiert werden, dass „auf jeder ihrer Stufen die abgedrängten Teile der menschlichen Persönlichkeit wieder reintegriert werden können“ (Ebd. 21). Qualität statt Quantität, Entziehung der Macht des technischen Apparats, Vielfalt und ökologische Ausgewogenheit fördern, den unsinnigen Expansionsdrang des Systems selbst eindämmen und durch ein menschliches Maß begrenzen, um so den Menschen freie Hand zu geben, so lauten die Forderungen Mumfords. Dabei steht nicht die Frage im Vordergrund, was alles Handeln für einen Nutzen für Institutionen hat, sondern immer vorrangig für den Menschen, „und zwar nicht dem maschinen-konditionierten, systemunterworfenen Massenmenschen, sondern dem Menschen als Individuum, das sich autonom in jedem Lebensbereich bewegt“ (Ebd. 21). | ||
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+ | Dementsprechend schlägt Mumford vor, die freigewordene Zeit nicht wieder mit Technologien zu nutzen, sondern "ineffiziente" Tätigkeiten zu genießen (Basteln, DIY, Herstellung der von Individuen benötigter Artefakte und Gütern, usw.), gleichzeitig den Menschen als effizienter sehen (z. B. das Problem der verstopften Straßen in Städten dadurch lösen, dass der Fußgänger mehr in den Fokus gerückt wird) als die Technik. Mumford hofft, er hat deutlich machen können, „daß die wirklichen Fortschritte, die uns die wissenschaftlich fundierte Technik gebracht hat, nur dann erhalten werden können, wenn wir das System so weit begrenzen, daß es menschliche Alternativen, menschliche Eingriffe und menschliche Zielvorstellungen erlaubt, auch solche, die völlig von denen des Systems abweichen.“ (Ebd. 22) | ||
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+ | Leider muss man sagen, dass diese wohlgemeinte Empfehlung Mumfords inzwischen wohl von der „Bestechung“ eingenommen wurde; aus dem Individuum wurde der „Nutzer“, dem vom System ein Regeln unterworfener und festgelegter Avatar zur Verfügung gestellt wird. Die „Bestechung“ besteht darin, dass uns eine IP-Adresse als Individualität verkauft wird. Darauf weist die zweite Warnung von Hrachovec hin: Wenn du von deinem demokratischen Recht auf selbstbestimmten Ausdruck der Persönlichkeit, egalitärer Einbindung in die Beurteilung von Sachverhalten und Austausch von Inhalten Gebrauch machst, dann schau dir an wie du dabei repräsentiert wirst. Damit ist nicht nur die politische Repräsentation gemeint, sondern die Beschaffenheit des Avatars, der von den Institutionen, die das Internet am Laufen halten, zur Verfügung gestellt wird (was politische Aspekte mit einschließt). | ||
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+ | Zwei Punkte stehen im Vordergrund: 1. Wie wird die demokratische Lebensform hergestellt? und 2. Welche Rolle spielt der Einzelne darin? | ||
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+ | In dem zweiten Eintrag auf dieser Diskussionsseite wurden diese beiden Punkte für „Allgemeingüter“ (in Abhebung von „nicht-rivalisierenden Gütern“) bereits zu bestimmen versucht. Die Ergänzung in diesem Eintrag macht es möglich, die oben im ersten Eintrag aufgeworfene Frage zu behandeln, denn nunmehr ist ersichtlich, dass sich diese Frage im Grunde ebenfalls damit beschäftigt, die Situation einzuschätzen, in der auf der einen Seite gewisse Segnungen und auf der anderen Seite gewisse Gefahren vorliegen. Die Frage nach der Fairness bei der Abschöpfung der „Wertigkeit“, die im Zentrum der drei Beiträge steht, kann nun auf eine stabile Basis gestellt werden. Dafür ist es notwendig, die im zweiten Eintrag angerissenen Punkte in Betracht zu ziehen. | ||
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+ | Schauen wir uns die im ersten Eintrag dargestellten drei Trajektorien unter Bezugnahme auf die bisher erörterten Sachverhalte betreffend den zweiten Eintrag an: | ||
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+ | 1. Die Universität machte mir ein Angebot, das sich als „Bestechung“ beschreiben lässt. Aus meiner Abschlussarbeit wird frei für jeden zugängliches Wissen, die Institution, die dieses Wissen erzeugt, tritt in den Hintergrund, aber nur, wenn ich einwillige, genau das zu produzieren, was die Universität als Wissen vorgibt. Meine Betreuerin ist Stellvertreterin der Universität. Sie beurteilt das fertige Produkt, d. h.: mit ihrer Zustimmung wurde „Meinung“ zu „Wissen“. Dieses „Wissen“ wird, weil es nun Wissen ist, zum „Allgemeingut“, also frei zugänglich für jede/n in Universitätsbibliotheken und dem Internet, unter der Bedingung, dass mein eigener Name, der meiner Betreuerin und der Name der Institution angegeben werden. Die Abschlussarbeit entspricht den Bedingungen, wie sie von der „Open Definition“ vorgegeben werden: | ||
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+ | :''Knowledge is open if anyone is free to access, use, modify, and share it — subject, at most, to measures that preserve provenance and openness.'' (Open Definition: http://opendefinition.org/od/) | ||
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+ | Im zweiten Eintrag wurde bereits darauf hingewiesen, dass es sich lohnt, den „Ursprung“ und das „Jeder“ respektive das „Alle“ genauer unter die Lupe zu nehmen. Bei den „Allgemeingütern“ wurde gezeigt, dass der „Ursprung“ zu ungenau dargestellt wird, wenn nur auf die Möglichkeit der „magischen“ Vervielfältigung hingewiesen wird. Das bedeutet, dass es nicht damit getan ist, die pdf-Version meiner Abschlussarbeit als beliebig oft vervielfältigbar anzusehen. Es besteht immer ein Aufwand, wenn vervielfältigt, oder reproduziert wird. Der Aufwand besteht nicht nur darin, die pdf-Datei faktisch zu vervielfältigen, sondern auch darin, meine Rechte an dem Geschriebenen in jede Kopie mit zu importieren, Bibliotheken am Laufen zu halten, in denen meine Arbeit verfügbar ist, die Arbeit der Institution, die Universität Wien, am Laufen zu halten, damit meine Arbeit eine Aufladung von "Wertigkeit" er- beziehungsweise behält, Institutionen zu unterhalten, die im Bedarfsfall meine Rechte einklagbar machen, usw. Für alle diese Voraussetzungen kann ein oder können mehrere Akteure festgestellt werden, die daran beteiligt sind. Die Produktion meiner Arbeit liegt nicht nur in meiner Hand, sondern muss, der anfangs erwähnten „Bestechung“ durch das Institut nach, eine bestimmte Form er- und behalten (auch wenn nur Teile verwendet werden oder die Arbeit modifiziert wird muss trotzdem die ursprüngliche Arbeit weiter mit transportiert werden), die über meine eigene Entscheidung hinausgeht. Aus diesem Grund sind alle beteiligten Akteure in den Produktionsprozess mit einzubeziehen. Das hört sich im ersten Moment nach einer herkulischen Aufgabe an, die viel Bürokratie mit sich bringt. Allerdings bestehen diese Informationen in dem Fall meiner pdf-Datei schon und müssen nicht erst erhoben werden. Auf dem Titelblatt meiner Arbeit wird die Universität Wien genannt, meine Betreuerin und mein Name, sowie der Titel der Arbeit, d. h. eine Kurzbeschreibung dessen, worum es in der Arbeit geht. Im Inneren der Arbeit befindet sich ein Literaturverzeichnis, das alle Autoren offenlegt, auf die ich mich bezogen habe, sowie die Institutionen, die diesen Autoren die Veröffentlichung ermöglichten und die aus Redaktion, Edition, Übersetzung usw. bestehen. Alle diese Informationen sind vorhanden und doch macht die Arbeit nur mich zum Magister; in diesem Titel ist der Aufwand aufgehoben, heruntergebrochen auf eine Tatsache wie ein Eintrag in einem Lexikon, in dem nicht auf die Genealogie, die an zusätzlichen Akteuren reiche Geschichte des Begriffs, der erläutert wird, eingegangen wird. Als solche „black box“ gilt mein Titel als Zusammenfassung des notwendigen Aufwands und kann so weiter prozessiert werden. Allerdings eben nur in dieser reduzierten Form. Wäre es nicht denkbar, in unserer datenbankgestützten Gesellschaft einen bürokratischen oder administrativen Mechanismus (der nicht nur aus Technik, sondern auch aus menschlichen Akteuren besteht) einzusetzen, der alle beteiligten Akteure als Informationsgehalt, der in der Arbeit steckt, zu prozessieren vermag? Ein solches Informationsnetzwerk wäre beliebig zu verkleinern oder zu vergrößern; beispielsweise könnten nicht nur die bereits genannten Informationen, sondern auch redaktionelle Arbeiten, ''peer-reviewing''-Prozesse und die verarbeiteten Gehalte in der Arbeit, sowie etwa der Energieaufwand, den die Gestaltung und Erhaltung des pdf-files verlangt, Informationen über die Inhalte von und das jeweilige „Netzwerk“ der anderen Autoren, die in meiner Arbeit vorkommen, finanzielle Aufwendungen usw. in Betracht gezogen werden. Dieser vorgeschlagene bürokratische und administrative Aufwand ist allerdings nur dann realistisch bewältigbar, wenn die notwendige Rechenpower im Hintergrund vorhanden ist, denn menschlicher Arbeitskraft allein ist das nicht zumutbar. Hier zeigt sich, was Mumford schon vor Jahrzehnten beobachtet hatte: Auch wenn die Technik uns im Zuge der Demokratisierung zusehends versklavt, so ermöglicht sie uns doch unvorstellbare Arbeiten zu vollbringen. Proportional zu der Entwicklung des Potentials ergeben sich natürlich demgegenüber neue Möglichkeiten des Missbrauchs dieses Potentials; es bleibt also meiner Meinung nach nur die Wahl zwischen einem bedenklichen Kollektiv, in dem Technologie und menschliche Akteure gleichermaßen einbezogen sind und das uns über den Kopf wächst, wenn wir eine faire Art der „Offenheit“ gestalten beziehungsweise erhalten wollen, oder der Verzicht auf diese „Offenheit“, die erst durch großen Aufwand hergestellt werden muss. | ||
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+ | Den zweiten Aspekt, dass die Institutionen vorgeben, wie und von wem sie genutzt werden können, so wie es im zweiten Beitrag beschrieben wurde, lässt sich auf das im ersten Beitrag genannte Beispiel der pdf-Datei bezogen folgendermaßen beschreiben: Nicht jeder kann sich (analoge oder digitale) Bücher ausleihen. Man braucht zumindest einen Meldezettel, entweder selbst einen Internetzugang oder die Möglichkeit, zu einem zu kommen. Dass jede/r die Texte auf die gleiche Art nutzen kann stimmt theoretisch, aber nicht in der Praxis. Wie bereits im zweiten Eintrag erwähnt wird jede zusätzliche Kopie der pdf-Datei jeweils auf eine bestimmte IP-Adresse, oder eine Personenidentifikation eingeschränkt, wodurch Differenzierungen entstehen. Durch Vergrößerung und Verkleinerungen des „Netzwerks“, so wie es gerade beschrieben wurde, werden somit verschiedene Differenzierungsprozesse ein- oder ausgeschlossen; jeder beteiligte Akteur bringt seine eigenen Einschränkungen mit. Die Aufrechnung dieser Differenzierungen ist ebenfalls ein hoher bürokratischer oder administrativer Aufwand, aber auch dieser ist bewältigbar, wenn man auf Computertechnologien setzt. Auch hier gilt wie oben: Wollen wir eine Offenheit, nicht nur des in der pdf-Datei eingeschriebenen Wissens, was einen erheblichen Aufwand verursacht, sondern auch eine Offenlegung der Vorgaben der Nutzung, was einen mindestens genau so großen Aufwand bedeutet, dann müssen wir uns auf die Technik einlassen, wenn das auch Gefahren mit sich bringt. – Entweder eine absolute Offenheit, die nur über die „Bestechung“ der autoritären Technik funktioniert und Gefährdungen der Privatsphäre und ähnliches mit einschließt, oder eine regional und in ihrem Potential begrenzte demokratische Offenheit, die einen Austausch von Wissen, wie er im Moment möglich scheint, ausschließt. | ||
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+ | 2. Was bedeutet das nun für mich persönlich? Wie bereits angedeutet, habe nicht ich alleine die Arbeit geschrieben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das aussehen soll, wenn nur ich eine Arbeit schreibe und alle anderen beteiligten Akteure weggenommen werden. Ich behaupte, es geht nicht ohne alles, das mich in die Lage versetzt hat, über eine bestimmte Thematik zu schreiben. Mein Anteil daran ist nicht größer, höchstens kleiner als der der Masse der anderen Akteure. Es sollte also nicht allein in meiner Hand liegen, was mit meiner Abschlussarbeit passiert. Damit ist etwa die Entscheidung für oder gegen eine Publikation im „AV Akademikerverlag“ gemeint. In einem wichtigen Punkt ist es ja auch schon so, in dem nämlich, dass der „AV Akademikerverlag“ erst meine Arbeit in Betracht gezogen hat, als sie eine Abschlussarbeit geworden ist. Darüber hinaus sollten aber andere Akteure hinzugezogen werden, die an der Produktion teilhatten und denen deswegen ein gewisses Mitspracherecht zugesprochen werden sollte. Erneut klingt das nach einem unbewältigbaren bürokratischen Aufwand und erneut sei auf die Technologie (und ihre Gefahren) hingewiesen. Durch den beliebig verkleiner- oder vergrößerbaren Rahmen, der durch die Versammlung dieser beteiligten Akteure gesetzt wird, ergeben sich erneut gewisse Differenzierung, die dem Status der jeweiligen Akteure entsprechen; es scheint, wenn wir „Offenheit“ wollen, unvermeidbar, diese Differenzierungen ernst zu nehmen und eine genauere Bestimmung des- oder derjenigen zu geben, der/die bestimmen kann, was mit einem bestimmten Produkt gemacht wird und werden kann. | ||
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+ | Der zweite Aspekt wurde schon im ersten Beitrag auf meine Person bezogen. Es ging da um die Karriere, die ich mir nicht verbauen wollte, als ich mich gegen eine Publikation durch dem „AV Akademikerverlag“ entschieden habe. Hier gibt es nicht viel Neues zu sagen, denn die Frage danach, was das Produkt aus dem Produzenten macht, steht ohnehin meist im Vordergrund bei der Tätigkeit des Austauschs von Wissen. Man denke zum Beispiel an Erhebungen, wie oft man wo zitiert wird, in welchen Institutionen man gelehrt, gearbeitet, vorgetragen hat, von welchen Verlagen man publiziert wird usw.; alles Differenzierungen, die sich durch die beteiligten Akteure ergeben und die mich, bin ich in den Prozess aufgenommen, mit bestimmen. | ||
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+ | 3. Und was gibt es über die „Blattlaus“ zu sagen? Zum einen braucht es für die Identifizierung solcher „Blattläuse“ eine Masse an beteiligten Akteuren, die die Identifizierung gewährleisten (so wie die Möglichkeit, den „AV Akademikerverlag" mit Hilfe des Internets kennenlernen zu können), zum anderen soll den „Blattläuse“ das Finden „weicher Stellen“ erschwert werden, was wiederum eine Erweiterung der Akteure verlangt, die die Entscheidungsfindung, ob der Publikation durch den „AV Akademikerverlag“ zugestimmt wird oder nicht, nicht nur mir als dem einen Entscheidungsträger überlassen, sondern durch die durch ihre jeweilige institutionelle Beschaffenheit bedingten Differenzierungen diese Entscheidung mitbestimmen. So wird es vermieden, dass Verlage wie der genannte das Treiben im Milieu, in dem sie Tumult veranstalten, nachhaltig beinträchtigen, indem sie als schlechtes Beispiel das Wagnis der „Offenheit“ für viele zu riskant machen. Institutionen wie der „AV Akademikerverlag“ könnten dann schnell identifiziert, von ihrer notwendigen Lebensenergie abgeschnitten werden und Platz machen für andere, fairere Institutionen, die die Offenheit forcieren und sich damit von der althergebrachten Verlagskultur emanzipieren. Das klingt vielleicht etwas hart und ist wahrscheinlich nicht so durchführbar, dass sich Institutionen wie der „AV Akademikerverlag“ generell vermeiden ließen, aber wie im ersten Beitrag schon erwähnt bin ich der Meinung, dass allein die weitgehende Ausräumung von Vorbehalten und Vorurteilen dazu führen kann, dass sich das Modell der „Offenheit“ durchsetzt. Und dabei hilft meiner Meinung nach den schwarzen Schafen das Tun zu erschweren erheblich. | ||
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+ | Hilfreich dafür ist, den zweiten Aspekt in Betracht zu ziehen, der oben in diesem Eintrag genannt wurde: Sich anzuschauen, inwiefern der „AV Akademikerverlag“ die Autorinnen (m/w) der Abschlussarbeiten repräsentiert, die er publiziert. Da es dem „AV Akademikerverlag“ nicht zuvorderst ums Renomee geht, kümmert er sich auch nicht darum, ob die von ihm publizierten Werke in der Praxis Anteil an der „Offenheit“ nehmen. Es wurde bereits erwähnt, dass viele Bibliotheken Werke von zum Beispiel dem „AV Akademikerverlag“ nicht in ihren Bestand aufnehmen. Der „AV Akademikerverlag“ schafft so eine Differenzierung, die „Offenheit“ ausschließt. Die Bestimmung der Art, wie der jeweilige Verlag seine Autoren repräsentiert, ist in Verbindung mit der Erschwerung der Ausnutzung der „offenen“ Kanäle durch die Aufteilung der Entscheidungsfindung auf mehrere Akteure ein weiterer Aspekt, anhand dessen die Fairness der Abschöpfung der „Wertigkeit“ bestimmt werden kann. | ||
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+ | Somit könnte eine Formulierung der sich aus dem bisher Gesagten ergebenden Konsequenzen wie folgt lauten: Entweder man nimmt die „Bestechung“ an und versucht, in diesem von vorneherein verwegenen System wenigstens so weit den Schein auf Fairness aufrechtzuerhalten, dass die „Offenheit“ überhaupt erst möglich (weil akzeptiert, in den Austausch von Wissen einbezogen, ermöglicht, usw.) wird – auch Mafiosi brauchen Regeln -, oder man gibt den autoritären Hintergrund auf und beschränkt sich auf einen von Vorneherein begrenzten Begriff von „Offenheit“ und verliert damit große Teile davon – und die Abschlussarbeiten verstauben weiter vor sich hin. Entscheidet man sich für die erste Alternative, dann muss eine Regelung gefunden werden, die viel genauer ist als das, was die „Open Definition“ vorgibt, was einen riesigen bürokratischen und administrativen Aufwand bedeutet, der nur durch autoritäre Technik geleistet werden kann. Aber warum nicht? Eine Stadt wird auch von vielen verschiedenen dezentralisierten Institutionen am Laufen gehalten. Vielleicht ist uns bald der Aufwand, der sich durch die zunehmende „Offenheit“ des Wissens ergibt, so geläufig wie das Ampelsystem der Stadt, in der wir wohnen. Die technischen Bedingungen dafür scheinen gegeben, es fehlt eine etwas genauere Grundlegung des Konzepts, das wir dem „offenen“ Wissensaustausch unterstellen. | ||
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+ | Irgendwie hat das ganze etwas „Religiöselnds“ an sich, weil in diesem Eintrag oft von „Erschwerung“ und „von Vorneherein verwegenen Systemen“ die Rede war, womit in dem christlichen Narrativ das Diesseits beschrieben wurde und deswegen schließe ich mit der Gretchenfrage: „Wie hältst du`s mit der „Offenheit“? Ich würde antworten: Ja, Offenheit, wenn wir es uns schwer genug machen dabei, wenn wir dabei langsam sind und uns überladen mit Akteuren, die wir als produziert anerkennen und deren differenzierendes Potential wir nutzen. Die in den „Allgemeingütern“ angelegte Form von „Offenheit“ sollte nicht als Erleichterung verstanden werden, sondern als absichtlich vorgenommene Verkomplizierung der Verhältnisse; wenn es uns wert ist, diese Verkomplizierung auf uns zu nehmen, dann können wir die attraktiven Vorteile, die diese komplizierte „Offenheit“ mit sich bringt, genießen. Eine Grundlage (neben anderen) für die Möglichkeit der Ausschöpfung der Potenitale ist meiner Meinung nach das "Image der Fairness" im Publikationssystem, das durch die in diesem Eintrag vorgeschlagenen Maßnahmen gepflegt werden könnte. Was "Fairness" hier genau bedeutet muss erst erschlossen werden. Es geht darum, eine Bestimmung des Begriffes zu finden, wie er in der beschriebenen Situation vorkommt, nicht darum, eine bereits vorhandene Definition (die ohnehin nur schwer gefunden werden zu können scheint) vorauszusetzen und den Sachverhalt dann in das Prokrustesbett des Begriffs zu zwingen. | ||
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+ | Literatur: | ||
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+ | Hrachovec, Herbert(2012) – Das „Social Web“ als Demokratieverstärker?; in: Neue Medien in Kultur und Wirtschaft; Studienverlage; Innsbruck; pp. 35-42 | ||
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+ | Mumford, Lewis (1980) – Autoritäre und demokratische Technik; in: Freimut Duve [Hrsg.] (1980) - Technolige und Politik: Das Magazin zur Wachstumskrise; No. 16: Demokatische und autoritäre Technik. Beiträge zu einer anderen Technikgeschichte; Rowohlt; Reinbek bei Hamburg; pp. 12-23 | ||
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+ | [[Benutzer:Euphon|Euphon]] ([[Benutzer Diskussion:Euphon|Diskussion]]) 21:16, 26. Mai 2015 (CEST) | ||
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+ | == Die “in”- und die “mit”-Perspektive eines wissenschaftlichen Textes in einem “wissenschaftlichen Netzwerk” == | ||
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+ | In diesem abschließenden Eintrag möchte ich anhand des Beispiels eines wissenschaftlichen Textes im pdf-Format zwei Perspektiven vorstellen, welche die oben vorgelegte Inbezugnahme der verschiedenen Partzipienten, die zum Text beitragen, genauer darstellen. Ich beziehe mich mit diesem Eintrag neben den auf dieser Seite hinzugefügten Bemerkungen auf einen im vorigen Semester entstandenen Text, der hier zu finden ist: [[http://philo.at/wiki/index.php/%22die_zentralen_Ergebnisse_zu_b%C3%BCndeln%22_%28BD14%29]] Es geht also in diesem Eintrag um eine Beschäftigung zum einen mit der “Bündelung der zentralen Ergebnisse” und zum anderen mit der “Vernetzung”, die den wissenschaftlichen Text im pdf-Format erst als solchen in die Existenz setzt. | ||
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+ | Wenn von zwei ''Perspektiven'' gesprochen wird, dann bedeutet das kurz gesagt: 1. Die Sicht auf die Daten in dem Text und 2. um die Sicht auf die Daten, die, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks für das Gemeinte, sich ''mit'' dem Text, oder ''neben'' diesem, befinden. (Eine Möglichkeit der Bezeichnung wäre auch ein ''um zu'' des Textes.) | ||
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+ | 1 Zur Veranschaulichung der “in”-, oder “Netzwerk”-Perspektive möchte ich den mittlerweile etwas verstaubten Begriff “Hypertext” in die Diskussion einbringen. Es geht mir darum zu zeigen, dass jede wissenschaftliche Arbeit prinzipiell als Hypertext bezeichnet weden kann. Ein Hypertext ist Theodor Nelson zufolge: “Nonsequential writing - text that branches and allows choices to the reader […], a series of text chunks connected by links which offer the reader different pathways.” (Nelson 1981 2) Auch wenn eine wissenschaftliche Arbeit einen gewissen roten Faden hat oder zumindest haben sollte, so besteht sie doch zu einem großen teil aus Textbausteinen von anderen Autoren, die sich ihrerseits wieder auf Textbausteine von anderen Autoren beziehen. In der wissenschaftlichen Arbeit werden diese Textbausteine durch Zitation ausgewiesen. Der rote Faden, der den wissenschaftlichen Text zu einem Text “aus einem Guss” macht, entspricht der Bündelung der verschiedenen Inhalte, welche den wissenschaftlichen Text zu einem Knoten in dem wissenschaftlichen Netzwerk macht, der mit anderen Knoten - anderen wissenschaftlichen Texten - in Zusammenhang steht. Dem Leser wird durch die Kenntlichmachung der anderen Knoten die Möglichkeit gegeben, sich weiter durchs Netz zu bewegen und neue “rote Fäden” zu generieren, womit, wenn gewisse Vorussetzungen erfüllt sind, die weiter unten besprochen werden, diese neuen "roten Fäden" selbst in das Netzwerk eingehen. Die “in”-Perspektive des wissenschaftlichen Textes verstehe ich als Bündelung von Inhalten zu einem Textknoten, der auf andere Textknoten verweist. Ein solches Netzwerk entspricht Nelsons Definition des Hypertext und drückt zudem den Anspruch des wissenschaftlichen Arbeitens aus, sich nicht im “luftleeren" Raum zu bewegen, sondern in der Weise wissenschaftlich zu sein, in der das Vorgestellte an einem Netzwerk der Herstellung wissenschaftlichen Wissens (episteme) teilhat. Im Gegensatz zur print-Variante von Texten scheint die pdf-Variante den Vorteil zu besitzen, die Hyperlinks, also die ‘’chunks’’, die der wissenschaftliche Text, der die Hyperlinks aufweist, enthält, mit einem Klick zugänglich zu machen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, sich von einem Text zum anderen zu bewegen und damit rote Fäden zu stärken, zu modifizieren, zu kritisieren, usw.; eine Tätigkeit, die ich als wissenschaftlich bezeichnen möchte, sofern sie sich in der ''richtigen'' (also von der jeweiligen wissenschaftlichen Institution vorgegebenen) Weise vollzieht. Was diese “richtige” Weise ausmacht, kann in der nun folgenden zweiten Perspektive erkenntlich gemacht werden. | ||
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+ | 2 Die “mit”-Perspektive kann anhand der Darstellung der XML Kodierung der Metadaten einer Publikation (hier z. B. einer Veröffentlichung von Violetta Waibel in http://sammelpunkt.philo.at” [[http://philo.at/wiki/index.php/SGML,_HTML,_XML_%28tphff%29]]) gezeigt werden. Der Inhalt der in der Extensible Markup Language ausgedrückt wird, stellt seinerseits eine “in”-Perspektive dar, die, ähnlich wie die “in”-Perspektive des wissenschaftlichen Textes, Textbausteine enthält, die auf andere Netzwerkknoten verweisen. (Verschiedene Auszeichnungssprachen können das je nach ihrer Beschaffenheit mehr oder weniger gut; [[http://www.hars.de/2000/xml/htmlsgml.html]]) Da es sich hier um eine andere Art von Informationen wie in der “in”-Perspektive der wissenschaftlichen Arbeit selbst handelt (da darin Informationen zur Weiterverarbeitung enthalten sind, die im Text selbst nicht unbedingt angeführt sein müssen, wie etwa der Name, unter dem die Datei gespeichert wird, der genaue Speicherort in der Datenbank, Vorgaben zur Sichtbarkeit der Metadaten, usw.), diese aber trotzdem auf ihre Art und Weise auch auf den wissenschaftlichen Text verweisen und ihn in ein Netzwerk aufnehmen, möchte ich diese zweite Perspektive die des “mit” nennen. Während die “in”-Perspektive eher auf das Netzwerk, die Knoten und die Verbindungen zwischen ihnen verweist und es möglich macht, sich den "roten Fäden" entlang über die Grenzen einzelner Textes hinaus zu bewegen, erzeugt die “mit”-Perspektive eine Trajektorie, die den “Weg” des Textes durch das Netzwerk beschreibt, nachvollziehbar macht und damit eine Identifikation des Textes, nicht durch Bezugnahme auf die ‘’chunks’’, auf die der Text sich bezieht, sondern dem Kontext, in dem er vorkommt, möglich macht. Veranschaulicht kann dieser Sachverhalt werden, wenn darauf hingewiesen wird, dass der Text nicht von sich aus definiert, was für ein Text er ist, sondern diese “Etikettierung” sich erst durch den Kontext ergibt, in dem der Text sich bewegt. Dieser “Kontext” kann deswegen als "Trajektorie” bezeichnet werden, weil die Bewegungs- oder Stoßrichtung der Art des Textes diesen zu einem Knoten im jeweiligen Netzwerk macht (Poesie, Belletristik, wissenschaftlicher Text, usw.). Angezeigt wird diese “Knotenbildung” durch in der Bezeichnung des Textes enthaltene Daten, wie etwa die akademische Institution oder der Verlag, der den Text publiziert, aber auch, wie unten noch beschrieben wird, durch die Häufigkeit des Zitiertwerdens und ähnlicher Daten, die in einer Auszeichnungssprache dem Text in seiner Laufbahn hinzugefügt werden können. | ||
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+ | Ähnlich wie ich in dem Eintrag “…die zentralen Ergebnisse zu bündeln” im Zusammenhang mit pädagogischen Texten dafür plädiert habe, im Bedarfsfall eine möglichst verlustfreie Entpackung zu gewährleisten, möchte ich im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Arbeiten hinzufügen, dass die möglichst verlustfreie Entpackung hier noch wichtiger zu sein scheint als im pädagogischen Bereich. Wenn bei Interesse nachverfolgt gekonnt werden soll, worauf der Text aufbaut, dann ist es erforderlich, die Textpassagen von Interesse so darzustellen, dass eine weiterführende Beschäftigung mit der Thematik möglich wird. Je unzureichender zum Beispiel die Zitation vorgenommen wird, desto schwieriger wird das Nachverfolgen des Sachverhalts von Interesse . (Wie im Eintrag “…die zentralen Ergebnisse zu bündeln” vorgebracht, ist es nicht in jedem Fall notwendig, “das Rad neu erfinden” zu lassen. Und doch ist es für den Anspruch des interessanten und nicht-langweiligen Lernens ebenso wie in dem des kreativen wissenschaftlichen Arbeit ein herber Verlust, wenn es im Bedarfsfall nicht möglich ist, “das Rad neu zu erfinden”, oder zumindest nachzuvollziehen, wie die Erfindung vonstatten gegangen ist - etwa die Erkenntnis, dass es eines sich um eine Achse drehenden Rundkörpers bedarf, um Radkonstruktion und Last in dieselbe Richtung zu bewegen -, wenn der Lerner, respktive Wissenschaftler das will.) Die Quantät und Qualität der Verweise bestimmt die Weite des Netzwerks, in dem der wissenschaftliche Text sich bewegt und damit die Möglichkeit der Vertiefung des Verständisses (und die Stärke der Anregung) des darin Vorgestellten. | ||
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+ | Die “mit”-Perspektive gibt der Weite und der Tiefe des dargestellten Sachverhalts erst ihre Stoßrichtung. Denn allein eine genaue Zitation macht einen Text noch nicht zu einem wissenschaftlichen Text. Zu einem wissenschaftlichen wird der Text erst, wenn er in das Netzwerk der “wissenschaftlichen Literatur” eingeht, es Überschneidungen gibt mit den "roten Fäden" in anderen Texten, die als “wissenschaftliche” identifiziert worden sind. (So kann gesagt werden, dass eine wenig mit Zitationen versehener Text, wie etwa ein Text von Nietzsche, trotz der fehlenden Nachvollziehbarkeit der Inhalte aufgrund der meist unterlassenen Zitation, zu einem wissenschaftlichen Text werden kann, wenn er sich nur mit den roten Fäden anderer wissenschaftlicher Arbeiten überschneidet.) Es braucht also beide Perspktiven, die “in”- und die “mit”-Perspektive, um einen wissenschaftlichen Text zu einem solchen werden zu lassen. | ||
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+ | In den drei Einträgen oben wurde darauf hingewiesen, dass es nützlich zu sein scheint, weder den Text noch den Autor als für sich allein stehend, sondern erst durch die Hilfe, den Aufwand und die Zertifizierung anderer Akteure und Institutionen in die Existenz gesetzt geworden zu sein zu betrachten, um eine faire Abschöpfung der “Wertigkeit”, die sich in dem Text befindet, zu gewährleisten. Die beiden in diesem Eintrag vorgestellten Perspektiven helfen dabei, diese “Wertigkeit” zu spezifizieren: Einen guten wissenschaftlichen Text macht das Zusammenspiel der “in”- und der “mit”-Perspektive aus. Zum Knoten im Netzwerk wissenschaftlicher Arbeiten wird ein Text erst, wenn die notwendige Trajektorie vorhanden ist und die Güte (im Sinne von “Nützlichkeit”) einer Trajektorie im wissenschaftlichen Diskurs macht das Netzwerk aus, auf das der wissenschaftliche Text sich stützt. Werden die beiden Perspektiven zusammengenommen, dann kann der Text daraufhin untersucht werden, welche (mehr oder weniger gut zitierte) Themen darin vorkommen, was den Text als nicht für sich genommen zu denken nahelegt und wer daran beteiligt ist, dass der Text als wissenschaftlicher Text angesehen werden kann, was besonders die beteiligten Institutionen (zum Beispiel Universitäten oder anerkannte Verlage) in den Vordergrund rückt, weswegen nicht mehr von einer Alleinautorenschaft des Verfassers gesprochen werden kann, da dieser den Text aus eigener Kraft nicht zum wissenschatlichen Text machen kann. | ||
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+ | Neben der Unkenntlichmachung der “singulären Autorenschaft” und des “für sich stehenden Textes” ergeben sich durch das Zusammenspiel der “in”- und der “mit”-Perspektive allerdings umgekehrt Differenzierungen, die wiederum die (pluralistische) Autorenschaft und die Eingebundenheit des Textes in bestimmte Netzwerke (etwa das Netzwerk der Geisteswissenschaften, der Phänomenologie, der Phänomenologie nach Waldenfels, usw.) sichtbar machen. Diese Differenzierungen ergeben sich aus dem Nachweis der verschiedenen “Karrieren”, welche die beteiligten Entitäten verfolgen und aus dem “Rahmen”, der das Feld absteckt, in dem das Netzwerk, das sich mit dem bestimmten, in dem wissenschaftlichen Text behandelten, Sachverhalten beschäftigt, sich befindet. | ||
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+ | Es wurde am Anfang dieses Eintrags bereits die pdf-Datei erwähnt und es wurde bereits kurz auf den Vorteil des digitalen im Gegensatz zu dem analogen Medium hingewiesen. Etwas genauer kann nun gesagt werden: Die pdf-Datei bietet zum einen den Vorteil, dass die “in”- und die “mit”-Perspektive wesentlich genauer und unkomplizierter dargestellt, in die Basisdaten der Datei integriert und, ein mit diesen features ausgestattetes Kommunikations- und Austauschnetzwerk vorausgesetzt, aktualisiert werden können, was eine übersichtlichere Darstellung des “Rahmens” und der “Karrieren” ermöglicht - man denke etwa an die Möglichkeit, genau nachvollziehbar zu machen, wie oft und von wem eine Datei heruntergeladen worden ist, was darin zitiert wird, von wem und wie oft der in der Datei enthaltene Text in den anderen Texten zitiert wird, usw., was in die Bezeichnungsebene des Textes - vorausgesetzt, diese ist erweiterbar - immer wieder neu eingeschrieben werden kann, wodurch wesentlich genauere, weil “kleinteiligere” Zuweisungsoptionen für zum Beispiel urheberrechtliche Fragen (zum Beispiel die Möglichkeit der Zuweisung von Creative Commons-Lizenzen dem Relevantheitsgrad der beteiligten Antitäten nach) möglich werden. | ||
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+ | Die pdf-Datei bringt zum anderen aber den Nachteil mit sich - das möchte ich hier nur kurz bemerken, da diese Thematik Anlass für einen eigenen Eintrag bieten würde -, dass durch die genauere Erfassung von Daten, etwa wie oft der Text in anderen Werken zitiert worden ist, zu einer - wahrscheinlich weil damit einhergehend unkomplizierter werdenden - rein ‘’quantitativen’’ Bewertung von wissenschaftlichen Texten kommen kann. Diesem Nachteil kann allerdings durch das Zusammenspiel der “in”- und der “mit”-Perspektive entgegengearbeitet werden, wenn nur der grundlegende Fehler nicht begangen wird zu denken, dass Quantität Qualität bedeutet. Die Spezifikation lässt sich - und aus diesem Grund ist der hier angeführte “Nachteil” vermeidbar - durch die in diesem Eintrag beschriebene genauere Untersuchung der “Karriere” und des “Rahmens” viel genauer vornehmen, als wenn angenommen wird, dass es sich bei der Verfasserin des Textes um eine Person handelt und der Text solitär für sich selbst steht. Es kommt also bei dieser Pluralität der beteiligten Akteure, die als eine Art von “Offenheit” bezeichent werden kann, welche die Konzepte “Netzwerk” und “Trajektorien” und die beiden Perspektiven, die sich durch diese ergeben, mit sich bringen, darauf an, was damit gemacht wird. (vgl.: “Offene Türen sind Enladungen und Gelegenheit zum Einbruch.”; [[http://philo.at/wiki/index.php/Orientierung_%28tphff2015%29]]) Ob sich durch die “Offenheit” in dieser Form Erweiterungen der Möglichkeiten des wissenschaftlichen Forschungsaustauschs ergeben, oder ob die neuen technischen Möglichkeiten für Parasitentum mißbraucht werden, ist, und damit möchte ich auf die vorigen Einträge auf dieser Diskussionsseite verweisen, eine Frage der Art der Nutzung dieser Möglichkeiten. Ich persönlich bin zuversichtlich, weil, zumindest in dem speziellen Fall des wissenschaftlichen Textes im pdf-Format, die neuen technischen Möglichkeiten die Möglichkeiten des Eindämens der Möglichkeiten des Mißbrauchs gleich mit enthalten. Am Ende bleibt es also, so möchte ich abschließend behaupten, eine Frage von ''Erziehung und Bildung'' und für die, die glauben schon fertig erzogen zu sein, eine Frage der ''Politik''. | ||
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+ | (Für den an Latour interessierten Leser: Im Grunde folge ich bei meinen Ausführungen der von Latour vorgestellten These: Ein Text ist dann fertig, wenn die Anzahl der Zeichen erreicht ist, die dafür notwendig sind. (vgl.: Latour 2005 141ff) Was Latour hier, meiner Interpretation nach, ausdrücken möchte ist, dass die Institution vorgibt, wann ein Text fertig ist und nicht der Autor selbst, zumindest wenn dieser einen wissenschaftlichen Text zu verfassen im Sinn hat. Ich betrachte die hier getätigen Aussagen als Erweiterung dieser recht lapidar getätigten Aussage Latours.) | ||
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+ | Literatur: | ||
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+ | Latour, Bruno (2005) - Reassembling the Social: An Introduction to Actor-Network-Theroy; Oxford University Press; Oxford/NewYork | ||
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+ | Nelson, Theodor H. (1981) - Literary Machines; Mindful Press; Susalito, CA | ||
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+ | [[Benutzer:Euphon|Euphon]] ([[Benutzer Diskussion:Euphon|Diskussion]]) 12:40, 12. Sep. 2015 (CEST) |
Aktuelle Version vom 13. September 2015, 01:26 Uhr
Inhaltsverzeichnis
Ein Mittelzustand zwischen offenen und geschlossenen Türen
In meiner Berliner Wohnung hatte ich einen Briefschlitz. Ein Briefschlitz ist eine Öffnung in einer geschlossenen Tür. Die digitale Variante eines Briefschlitzes ist der email-account. In diesem fand ich vor einiger Zeit eine Benachrichtigung von dem „AV Akademikerverlag“ mit dem Angebot, meine Diplomarbeit zu publizieren. Es schien ziemlich wahrscheinlich, dass es sich nicht um spam handelte, denn die email enthielt Daten, die den Absender leicht identifizierbar und verifizierbar machten. Nach kurzer Recherche war das Verkaufsmodell des Verlages klar: Es entstehen keine Kosten für die Publikation auf Seiten des Verfassers, dafür spart sich der „AV Akademikerverlag“ die Kosten für das Lektorat, denn er ist spezialisiert auf akademische Abschlussarbeiten, die einer bestimmten institutionell festgelegten Qualitätskontrolle unterzogen wurden. Da die Texte zu Preisen verkauft werden, die den der Veröffentlichungen von „herkömmlichen“ Verlagen entsprechen, lässt sich eine hohe Gewinnspanne für den „AV Akademikerverlag“ vermuten. In einem zweiten Bereich, in dem Wissen hergestellt wird, verfolgte der besagte Verlag dasselbe Konzept: als er nämlich Wikipedia-Einträge in gedruckter Form verkaufte.
Mein Urteil war: Es handelt sich hier wohl um eine Abzockerfirma, die Geld an der Arbeit von anderen verdient. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, auf das Angebot nicht zu reagieren. Ein stiller Protest. Zudem dachte ich aber auch, es sei nachteilhaft im Dunstkreis eines solchen Verlages aufzutauchen. Vielleicht würde ich in Zukunft einmal anstreben, einen gelungenen Text über einen angesehenen Verlag vertreiben zu lassen. Wäre es dann nicht unangenehm, mit einer naiven Entscheidung wie der, einer Veröffentlichung durch den „AV Akademikerverlag“ zugestimmt zu haben, konfrontiert zu werden, die einem vielleicht nachhängt? Man will sich nicht so recht abholen lassen von solch verwegen wirkenden Zeitgenossen wie dem "AV Akademikerverlag", der vielleicht nicht ohen Grund zum Verwechseln ähnlich heißt wie ein recht angesehener Verlag...
Interessant an der Thematik ist, dass die Entscheidung, den „AV Akademikerverlag“ zu meiden, rasch und intuitiv kam. Wenn ich mir einer Sache zu schnell sicher bin, dann schaue ich lieber noch mal nach, was da genau dran ist. In dem Fall des „AV Akademikerverlag“ scheint nicht mehr gesagt werden zu können, als dass es sich wahrscheinlich um ein lukratives Geschäftsmodell handelt, das eine Nische entstaubt hat. Damit sind zwei Aspekte angesprochen. Der erste Aspekt ist mindestens diskutabel, wenn nicht sogar als verwerfliches Verhalten zu sehen. Der zweite Aspekt geht durch die Kritik am ersten etwas unter und wird von jenem mit gefärbt; der Aspekt der „Nische“. Eben die Nische in der wissenschaftliche Abschlussarbeiten bisher Staub angesammelt haben. Ist es besser, wissenschaftliche Arbeiten verstauben zu lassen als sie durch – zugegeben dubiose – Kanäle einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen?
Es wurde bereits erwähnt, dass sich der „AV Akademikerverlag“ Lektoren zu bezahlen dadurch erspart, dass er bereits an akademischen Hochschulen geprüfte Texte publiziert. So moralisch bedenklich das als Geschäftsmodell sein mag, weil es durch die unkontrollierte Weitergabe, z. B. von Wikipedia-Einträgen des Verlages zu Verwirrung und Empörung der Leser kommen kann, so ist es doch auf eine Art einleuchtend. Ein Wikipedia-Eintrag ist mit anderen Qualitätssicherungsinstitutionen verbunden als eine wissenschaftliche Abschlussarbeit, das wäre Anlass für eine weitere Diskussion. Hier soll nur gesagt werden, dass die Abschlussarbeit zwar nur die ersten zaghaften Gehversuche einer Jungwissenschaftlerin enthalten mag, sie aber dennoch - wie man heutzutage so schön in Bezug auf Artefakte sagt – „wertig“ ist, aufgeladen mit Wert durch die Paritzipation anderer Akteure und Institutonen, die an der Verfassung beteiligt waren. Und eben diesen Wert schöpft der „AV Akadmeierverlag“ ab, weil das sonst niemand tut.
Ich persönlich stehe dieser „Abschöpfung“ mit einer gewissen Demut gegenüber, die sich aus Bescheidenheit, also im konkreten Fall meiner Skepsis gegenüber meiner eignen Arbeit, die ich, auf Distanz betrachtet, nunmehr für mindestens überarbeitungsbedürftig halte, und Nachhaltigkeit, also der Sorge um meine zukünftige Reputation, zusammensetzt. Daraus ergibt sich eine Spannung: einerseits ist der Text meiner Ansicht nach revisionsbedürftig, andererseits ist es ein von Gutachtern geprüftes Werk. Wenn ich also dabei bleibe, dass den Text zu veröffentlichen einen Betrug an anderen darstellt, weil der Text nicht mit einer Publikation eines angesehenen Verlags mithalten kann, aber dasselbe kostet und zudem einen Betrug an meiner eigenen Reputation bedeutet, dann tue ich der sehr freundlichen, äußerst geduldigen, hilfsbereiten und hochkompetenten Betreuerin meines Diplomprojekts unrecht, wenn ich den Text nicht publizieren lasse. Wenn ich ihn publizieren lasse und damit der Qualitätssicherung vertraue, die durch meine Betreuerin und überhaupt die Institution, die uns beide zusammengebracht hat, gewährleistet wurde, dann laufe ich Gefahr, einen Betrug an anderen und mir selbst zuzulassen.
Es bleibt nur das persönliche Abwägen. Bei mir schlägt der Zeiger wie gesagt auf die ablehnende Seite aus, aber damit entscheide ich mich für die staubigen Fachbereichsbibliothekenkeller. Eigentlich ist diese Überzeugung revisionsbedürftig, denn eine gewisse Offenheit ist eindeutig realisierbar. Es geht dann immer um die Mittel wie das passiert. Offenheit hat verschiedene Facetten. Eine Tür ist nicht nur entweder offen oder zu, sie kann eine Briefschlitz haben, was bedeutet, dass Anrufe von außen auch durch die den Durchgang blockierende Tür hindurch zu uns durchkommen können. In meinem Fall war der Anruf eine email, die als eine Art Preis von einem Gewinnspiel, bei dem ich nie mitgemacht habe, getarnt war, die aber im Inneren einen Mechanismus verborgen hatte, der die Kompetenzen aufsaugt, die durch die an mich gerichtete Hilfestellung meiner Betreuerin für ihn zugänglich werden. Der Verlag stellt so ein Dreieck her, in dem es verschiedene Trajektorien gibt: 1. Der Anruf an mich, 2. Das Herstellen der Verbindung zur Kompetenz meiner Betreuerin, wenn ich der Publikation zusage und 3. Die Übertragung der Kompetenz meiner Betreuerin auf den Verlag. Mit meiner Entscheidung steht und fällt das Gerüst, denn meine Betreuerin hat hier kein Mitspracherecht, obwohl der Verlag hauptsächlich von ihrer Kompetenz profitiert. Der Verlag sucht sich die schwächste Stelle in dieser Kette, mich, und benutzt diese als Einstieg; wie ein Trojaner. – Das Problematische ist immer der Vermittler, in dem Fall des „AV Akademikerverlags“ werde ich, der Verfasser der Diplomarbeit, vom Zweck (die Abschlussarbeit macht mich zum Magister) zum Mittel degradiert (der Vermittler, der instrumentalisiert wird, um an die Kompetenz meiner Betreuerin zu gelangen). Der Zweck für den Verlag sind Selbsterhaltung und Wachstum. Der Verlag ist wie eine Blattlaus, die über die Kraft des Baumes die Energie der Erde anzapft.
Wo also ansetzen? 1. Es gibt nicht nur Blattläuse, sondern auch andere Tiere, 2. Pflanzen können sich verteidigen (z. B. Tabakpflanze) und 3. Alles entsteht aus der Energie der Erde.
1. Es ist schade, dass schwarze Schafe die Debatte färben; schwarz macht immer alles undurchsichtiger. Eigentlich zeigt das Beispiel des „AV Akademikerverlags“ ja, dass eine Alternative zu den staubigen Kellern möglich wäre. Leider ist es ähnlich wie in der Politik: das, was man über einzelne Politiker hört, bildet eine öffentliche Meinung, die Menschen, die dazu geeignet wären die beanstandeten Verhältnisse zu ändern, davor zurückschrecken lässt, sich in die Politik zu begeben. Ob sich das für politische Belange in einer Demokratie jemals ändern wird, weiß ich nicht, aber was den öffentlichen Zugang zu mit einer Qualitätssicherung versehenen Texten anbelangt, bin ich von einer Änderung überzeugt. Grund für diese Annahme ist das Vorhandensein der Technologie, die den freien Austausch möglich macht. Das Beispiel des „AV Akademikerverlags“ zeigt, dass diese neuen Technologien und die Innovationen, die damit verbunden sind, weder als Heilsbringer angesehen, noch völlig verteufelt werden dürfen – das bedeutet eine Perspektive, in der Schwachstellen auszunutzen und auf Kosten der akademischen Welt die eigenen Taschen zu füllen nicht so leicht ist und in der endlich anerkannt wird, dass die Kanäle des freien Forschungsaustausches in den letzten Jahren durch das Internet, das der "AV Akademikerverlag" nutzen muss, da seine Publikationen von vielen Bibliotheken nicht angeschafft werden, erheblich ausgebaut wurden, was die Zugänglichkeit zu Texten massiv erhöht hat. 2. Um eine solche Mittelposition zu finden bedarf es der oben angesprochenen Verteidigungsmechanismen. Erziehung und Bildung sind hier gefragt. Kritisches Bewusstsein allein, wie in meinem Fall, in dem mich die Kritik zur negativen Entscheidung gebracht hat, hilft nicht, ich schlage vor, Erziehung und Bildung als Fähigkeit zur Kontextualisierung von Sachverhalten zu sehen, die bestimmte Handlungsorientierungen zeitigen. Es ist etwas seltsam nun von mir selbst zu sprechen, aber nachdem ich das Beispiel die ganze Zeit durchgezogen habe möchte ich dabei bleiben. So bescheiden wie möglich möchte ich behaupten, dass ich in der Hinsicht gut erzogen worden bin, weil ich sofort als ich die Anfrage vom „AV Akademikerverlag“ bekommen habe, alle notwendigen Informationen versammelt habe, um den Sachverhalt zu identifizieren und ich muss zugeben, dass mir der Verlag das nicht schwer gemacht hat. Zudem habe ich aber auch, wahrscheinlich wieder aufgrund von gewissen Lern- und Bildungsleistungen, gemerkt, dass die Sache selbst nicht verwerflich ist, nur die Ausführung. Um zu solch einer Minimalkompetenz zu gelangen braucht es an und für sich nicht viel, sie ist zu einem Teil aus den Leistungen von guten Erziehern und zum Teil aus meinen gewohnten Handlungsorientierungen und den Erfahrungen, die ich damit mache, zusammengesetzt, die zu einem guten Teil mit dem Internet zu tun haben. Es scheint also nicht illusorisch anzunehmen, dass es ohne großen Aufwand möglich ist, zu solch einer Versammlungsfähigkeit von Aspekten von Belang zu gelangen. Um dem Vorwurf entgegenzuarbeiten, ich würde das was mir gelingt von allen anderen erwarten, was das, was ich sagen möchte, unverständlich machen könnte, stelle ich die allgemeine These auf, dass mittlerweile so vieles außerhalb des designierten Bereichs der angesehenen Verlage zugänglich ist, dass sich eine Auseinandersetzung mit Fragen betreffend der Qualität von Informationen von niemandem mehr vermeiden lässt. Zumindest von niemandem, der Wikipedia, Twitter oder Reddit kennt. Es ist, so behaupte ich, in unsere Disposition eingegangen, dass wir durch Netzwerke Kontexte in Betracht ziehen. Das Vorhandensein der Netzwerke allein reicht aus, um uns zum Kontextualisieren zu bringen. Das Treibgut, das sich dabei ansammelt ist nichts anderes als das Treibgut in unserem Gedächtnis; beide erweitern sich durch die Netzwerke, die unsere Lebenswelt manifestiert. 3. Und diese Lebenswelt lässt sich nur mit Gewalt reduzieren. Eine Legitimation für die reduzierende Gewalt ist schnell gefunden. Im Fall des „AV Akademikerverlags“ ist es das betrügerische Potential des Modells, vor dem schwache Vermittler bewahrt werden sollen. Das ist aber wie wenn man einen Apfel wegschmeißt, nur weil er eine braune Stelle hat. Was ist denn das Schlimmste, das passieren könnte, wenn Diplomarbeiten zugänglich gemacht werden? Das Schlimmste ist nicht, dass Halbwahrheiten und (vorläufig) falsche Schlussfolgerungen zirkulieren, welche die Leser verwirren, denn das kommt in den Wissenschaften schon länger vor und ist sogar ein essentieller Teil derselben. Das Schlimmste ist, dass man sich durch einen Wust an Texten arbeiten muss, die halt nur „nett“ sind und keine genialen Meisterwerke. Das „Nette“ von heute kann aber zu Innovationen von morgen führen; das von Atari veröffentlichte „Pong“ war „nett“ und heute machen Videospielhersteller mehr Gewinne als alle Filmproduktionsfirmen in Hollywood zusammen. Der Vergleich mit der Videospielindustrie soll auf noch etwas hinweisen: Es gibt neben Mainstream- auch immer mehr Indie-Hersteller von Spielen. Plattformen wie „kickstarter.com“ helfen dabei, innovative Projekte zu finanzieren und zu verwirklichen. Es gibt also eine Alternative zu den angesehenen Entwicklern, die immer erfolgreicher wird. Natürlich gibt es hier Vorteile und Nachteile; Wenn jemand ein Projekt kickstarten lässt, um sich damit eine Eigenfinanzierung zu ersparen, dann ist das abzulehnen, aber nicht unvermeidbar.
Wenn ich also die richtige Plattform finden würde, die zwar nicht zu den angesehenen Verlagen zu zählen ist, die aber ein rundum weitgehend faires Modell für alle Betroffenen anbietet, dann würde ich nicht zögern, auch meine Diplomarbeit - vielleicht nur als Anregung, wie das von mir behandelte Thema nicht zu interpretieren ist, was ebenso zu eigenen Überzeugungen führen kann wie eine Interpretation, die mit der Publikation durch einem angesehenen Verlag vergleichbar ist, wenn es darum geht Kontextualisierungen anzuregen – zur Veröffentlichung bereitzustellen. Es scheint mir nur schwierig, wirklich alle Beteiligten gleichberechtigt einzubeziehen, weil sich damit immer Fragen ergeben wie die, welche Interessen nun welche übertrumpten, z. B. wenn die Betreuerin selbst nicht einverstanden ist, dass sie mit einem bestimmten Verlag in Zusammenhang gebracht wird.
Wie seht ihr die Thematik?
Euphon (Diskussion) 21:06, 27. Mär. 2015 (CET)
Vorüberlegungen zu Wissen als „nicht-rivalisierendes Gut“
Das Anliegen dieses Eintrags ist es, Vorbemerkungen zu formulieren, die zu einer Beschäftigung mit dem Status des Wissens als "nicht-rivalisierendes Gut" hinführen. Über diesen Umweg hoffe ich einen Impuls zu der in dem Eintrag oben gestellten Frage nach der Fairness der Regelung von wissenschaftlichen Abschlussarbeiten durch die "Wertigkeit", die darin steckt, geben zu können. Es handelt sich aber noch um Vorbemerkungen, die vor allem darauf zielen, das Konzept des "nicht-rivalisierendes Gut" zu relativieren, um eine Perspektive in der Debatte zu finden, die auf einer einigermaßen stabilen Grundlage steht.
Der Ausdruck „rivalisierendes Gut“ verrät zweierlei: 1. Es handelt sich um etwas Produziertes, ein „Gut“. Bei Produziertem denkt man zuerst an „vom Menschen produziert“, aber bei Ressourcen wie z. B. Sonnenlicht ist der Begriff ebenso zulässig; Ein nicht-rivalisierendes Gut ist also nicht unbedingt eine Erfindung des Menschen, muss jedoch immer irgendwie hergestellt werden (so wie z. B. als Kernfusion bei der Sonne). 2. Die Eigenschaft des Gutes ist es, nicht in Konkurrenz zu anderen Gütern zu stehen. Diese negative Bestimmung sagt nur, was das nicht-rivalisierende Gut nicht ist, nicht aber, was es ist. Zur Erläuterung, was damit gemeint ist, kann z. B. die Formulierung von Verhaltensregeln herangezogen werden: Die „Goldene Regel“ des Katechismus sagt, was man nicht tun soll, lässt dabei aber offen, was man tun kann; sie beschneidet die Möglichkeiten in bestimmter Weise, lässt diese als Potentiale aber weitgehend offen. Der „kategorische Imperativ“ von Kant ist demgegenüber positiv formuliert und bestimmt, was gemacht werden soll, was das, was nicht gemacht werden soll, einschließt; der „kategorische Imperativ“ in seiner positiven Formulierung generalisiert alles mögliche Verhalten. In einer ähnlichen Weise ist ein nicht-rivalisierendes Gut positiv formuliert als „Allgemeingut“ eine generalisierte Bestimmung. Diese positive Konnotation lässt eine Tatsache erkennen, die die negative Formulierung geschickt verbirgt: Auch wenn das „Allgemeingut“ von jedem genutzt werden kann, heißt das nicht, dass es immer jedem gehört, denn diejenige, die es nutzt, ist nicht die Allgemeinheit, sondern ein Teil derselben. So kann z. B. Sonnenlicht nicht zur selben Zeit am selben Ort von jemand anderem genutzt werden (man denke etwa an eine Touristin, die am Strand die Sonne genießen will, was zur Herausforderung wird aufgrund der begrenzten Größe der Örtlichkeit, wo nur diejenigen einen Liegestuhl bekommen können und die Sonne genießen, die sich den Platz an der Sonne durch gewisse Strategien ergattert haben).
Diese beiden Aspekte möchte ich nun vertiefen: 1. „Allgemeingut“ ist immer, wenn auch nicht unbedingt von Menschen, produziert. Auch „nicht-rivalisierende Güter“ wie Sonnenlicht müssen hergestellt werden. 2. „Allgemeingut“ kann nicht zur selben Zeit am selben Ort von mehreren genutzt werden. Auf diesen beiden Punkten aufbauend möchte ich behaupten, dass das Konzept des „nicht-rivalisierenden Gut“ etwas verspricht, das es nicht einlösen kann und deswegen einer Revision unterzogen werden müsste.
Was haben die Sonne und eine pdf-Datei gemeinsam? Sie haben beide mit Energie zu tun. Energie hat, grob gesagt, immer die Eigenschaft, dass sie produziert wird und gleichzeitig etwas produziert. Das mag nicht immer auffallen; wer denkt schon daran, dass das Sonnenlicht produziert wird, wenn er am Strand liegt und den heißen Ball am Himmel stehen sieht. Und doch verzehrt die Sonne sich selbst in für den Menschen nicht greifbaren Zeitskalen. Gleichzeitig produziert die Sonne alles Leben auf der Erde. Sitzt man, vor der Sonne geschützt, mit seinem Laptop im Schatten und klickt auf eine pdf-Datei am Desktop, dann wird ein Text sichtbar, der ähnlich am Bildschirm steht wie die Sonne am Himmel. Es fällt nicht unbedingt sofort auf, dass der Text mehrere Male pro Sekunde neu erzeugt wird und dass der Text etwas verändert, nämlich im besten Fall die Einstellung des Lesers. – Sonne und pdf-Datei sind sich dementsprechend dahingehend ähnlich, dass sie als Prozesse zu sehen sind und nicht als Zustände, auch wenn die Gleichförmigkeit des Sonnenlichts und der Präsenz des Texts auf dem Bildschirm darüber hinwegtäuschen können. Dass es sich jeweils um Prozesse handelt wird auch damit klar, dass, wie bereits erwähnt, Sonnenlicht, ebenso wie die pdf-Datei nicht zur selben Zeit am selben Ort von zwei verschiedenen Entitäten genutzt werden können, also jede benutzende Entität nicht von sich aus dort ist, wo sie zum Nutzer wird, sondern erst in diese Rolle gebracht werden muss. So wie ein Stein, der in der Sonne liegt, ebenso wenig wie eine Touristin am Strand nicht immer schon dort gelegen ist, so sitzt ein Leser nicht „einfach so“ vor dem Bildschirm. Stein, Sonnenanbeterin und Leser, sind auf Aktivitäten angewiesen, die sie auf diesen Platz gebracht haben.
These: Sonnenlicht wird hergestellt und kann nur genutzt werden, wenn diese Nutzung gewährleistet wird, ebenso wie eine pdf-Datei eine Kraftquelle benötigt, um angezeigt (und gespeichert) werden zu können und seine Nutzungsmöglichkeit gewährleistet ist. – Energie ist ein Prozess, in dem die spezifische Art des Auftretens der Energie davon abhängig ist, wie sie produziert wurde und in dem das, was damit produziert wird, die Art einschränkt, wie die Energie genutzt werden kann.
Was bedeutet das für die „nicht-rivalisierenden Güter“?„Nicht-rivalisierende Güter“ werden ihrer Definition nach als solche betrachtet, wenn sie 1. nicht verbraucht werden können und sich beliebig oft reproduzieren lassen und wenn sie 2. unterschiedslos von allen auf die gleiche Weise genutzt werden können. Beides ist unvereinbar mit der eben aufgestellten These, dass Energie einen Prozess darstellt, der auf zwei Arten begrenzt ist. Das Licht eines Leuchtturms, ebenso wie Sonnenlicht und pdf-Dateien können nicht beliebig oft hergestellt werden, weil fortwährend der Input eines Energiequantums vonnöten ist. Es geht dabei um den Zusatzaufwand, der notwendig ist, um die pdf-Datei zu kopieren, Reflektoren zu bauen, die das Einzugsgebiet des Leuchtturms vergrößern oder darum, das einstrahlende Licht der Sonne zu bündeln (alle drei Aktivitäten sind auf ihre Art und Weise Reproduktionsvorgänge), aber noch viel mehr um den Aufwand, der notwendig ist, um die (Kopien der) pdf-Dateien im Netzwerk zu erhalten, wozu mehr vonnöten ist, als ein Stromquantum auf Knopfdruck für den Kopierprozess, nämlich ein Kontext, der die pdf-Datei dabei unterstützt, ihren Verbleib im Netzwerk zu gewährleisten, den Aufwand, einen Leuchtturm dort zu installieren, wo er sein kann, darf und muss, was mit architektonischen, politischen, rechtlichen und anderen Bedingungen zu tun hat und um den Aufwand eines ganzen Universums, oder zumindest eines Gebiets in demselben, das dafür sorgt, dass die Sonne am Firmament steht.
Zugegeben, nicht einmal diejenigen, die sich in Argumentationen auf die Existenz von „nicht-rvialisierenden Güter“ stützen (diejenigen, die gern von „win/win-Situationen“ sprechen, worauf weiter unten noch eingegangen wird) können vollkommen überzeugt von dem ersten Teil der Definition der „nicht-rivalisierenden Güter“ sein. Denn es wird wohl jeder zugeben, dass es keinen Reproduktionsvorgang gibt, der nicht wenigstens ein Mindestmaß an Energiezufuhr benötigt. Und ist einmal zugegeben, dass es dieses Minimalquantum braucht, dann wird plötzlich aus einem Unterschied der Art nach ein Unterschied dem Grade nach, was bedeutet, dass sich der Aufwand zwar zwischen einem auf Galaxiengröße und einem absoluten Minimum (etwa dem einzelnen Stromimpuls, der notwendig ist, um die pdf-Datei auf Knopfdruck zu reproduzieren) bewegen, er aber niemals vollkommen ausgeschlossen werden kann.
Als gehaltvollerer Teil der Definition der „nicht-rivalisierenden Güter“ ist der zweite anzusehen. Aber auch er ist relativierbar. Dass „nicht-rivalisierende Güter“ von jeder auf die selbe Art und Weise genutzt werden können (sofern sie von derjenigen genutzt werden können) scheint auf den ersten Blick evident. Kontrastiert man diese Aussage allerdings mit der oben aufgestellten These, dann zeigt sich, dass das vielleicht potentiell möglich ist, aber nicht in der Praxis. Sonnenkollektoren können die Sonne potentiell auf die gleiche Art und Weise nutzen, aber es kann nicht ein Sonnenkollektor an die Stelle eines anderen gestellt werden, ohne den ersten zu entfernen, ein Schiff kann zwar dieselbe Route nehmen wie ein anderes Schiff, aber nicht im gleichen Moment, eine pdf-Datei kann zwar von jedem gelesen werden, aber nur von einer an einem Ort in einem Moment, also identifiziert durch die Gerätenummer des Darstellungswerkzeugs oder die IP-Adresse des Internetzugangsrechners; durch die Kopie der pdf-Datei wird die Nutzung auf eine weitere Gerätenummer und eine weitere IP-Adresse eingeschränkt. – Auch wenn also anscheinend „nicht-rivalisierende Güter“ von jedem gleich genutzt werden können, so erzeugen sie Differenzierungen bei denjenigen, die sie nutzen und schränken dadurch ein.
Jemandem, der von „nicht-rivalisierenden Gütern“ spricht und dabei von „win/win-Situationen“, muss also entgegnet werden, dass an der Stelle ein etwas bescheideneres Auftreten angebracht ist. Die Übertreibung liegt in der Annahme, dass es möglich ist, dass es eine Situation gibt, in der es nur Gewinner und keine Verlierer gibt. Dem ist entgegenzuhalten: Es gibt keine Gewinner ohne Verlierer! Statt von „nicht-rivalisierenden Gütern“ zu sprechen, wäre es eher angebracht, diese als solche Güter zu bezeichnen, die nur einen Minimalaufwand und dementsprechend so wenig Verlierer wie möglich nötig machen. Ich schlage also vor, statt von „nicht-rivalisierenden Gütern“ von „Allgemeingütern“ zu sprechen, denn besonders die negative Formulierung der ersten gaukelt eine Unbestimmtheit der Möglichkeiten (die sich aus der Abgrenzung von den eingeschränkten ergibt) vor, wohingegen die zweite Formulierung auf die generelle Eingeschränktheit hinweist. Während der Ausdruck „Allgemein“ den Unterschied zwischen „alle“, respektive „alles“ und „jeder, jede, jedes“ hervorhebt, geht dieser in der Formulierung „nicht-rivalisierenden Güter“ verloren, da dort der Unterschied zwischen „`„alle` respektive `alles` für `jeden, jede, jedes`“ (siehe die zwei Teile der Definition der „nicht-rivalisierenden Güter“) und der (dreistellige) Verneinung dieser Aussage gemacht wird. Die Differenziertheit, die der Begriff „Allgemein“ mit sich bringt, ergibt sich daraus, dass in ihr nicht alle nutzen können, was jede/r nutzen kann. In einer Allgemeinheit beschränkt das Jeder das Alle und das Alle das Jeder. Das ist so gemeint: Dass etwas von allen genutzt werden kann macht nicht erforderlich, dass jede/r daran beteiligt ist die Nutzung zu ermöglichen, aber es muss immer jemanden geben, der das tut, es geht nicht ohne. Dass etwas von jeder/m benutzt werden kann, bedeutet nicht, dass alle es benutzen können, denn die Benutzung stellt sich ihre Benutzer dadurch her, dass sie vorgibt, wer sie nutzen kann, sie gibt das „alle“ vor. In dieser Allgemeinheit findet ein Prozess statt, in dem die spezifische Art des Auftretens der Allgemeinheit davon abhängig ist, wie sie zusammengesetzt wurde und in dem das, was darin passiert, die Art einschränkt, wie die Allgemeinheit sich zusammensetzen kann. Es ist hier ein politisches Moment greifbar, das ich mit dem Begriff „Allgemein“ ansprechen möchte und das, übertragen auf den Begriff „Allgemeingüter“ im Gegensatz zu dem Begriff „nicht-rivalisierenden Gütern“, eher geeignet scheint, um die Existenzweise der sogenannten „nicht-rivalisierenden Güter“ zu erklären. Die oben genannte zweiteilige Definition kann erhalten bleiben, sie muss nur durch die dargestellten Einschränkungen relativiert werden, was den Begriff „nicht-rivalisierende Güter“ unbrauchbar macht.
Was bedeutet das für das Konzept der „nicht-rivalisierenden Güter“? Ich bin der Meinung, dass das Konzept als Prozess (der Reproduktion) in der oben dargestellten Weise verstanden werden sollte, der dadurch, dass es darin auch Verlierer gibt, zu einem politischen Prozess wird. Das Konzept der „nicht-rivalisierenden Güter“ krankt meiner Meinung nach daran, dass darin Voraussetzungen angenommen werden, die nicht erfüllbar und damit Versprechen gegeben werden, die nicht einlösbar sind. Mein Anliegen in diesem Eintrag ist es nicht, das Konzept vollständig zu verwerfen, es geht mir eher darum, es zu relativieren, nicht um es zu schwächen, sondern um durch diese Relativierung eine Perspektive zu eröffnen, die sich auf ene stärkere Basis stützen kann, wenn sie z. B. in Debatten über „nicht-rivalisierende Güter“ und „Open Access“ eingebracht wird. Diese genaue Bestimmung bin ich noch schuldig. Die pdf-Datei wurde hier nur als Beispiel verwendet und nicht in Bezug gesetzt zu der angesprochenen Debatte. Ich denke allerdings, dass eine solche Ausarbeitung möglich wäre und das sie eine stabilere Basis für Argumentationen darstellen könnte, als die, so konnte ich hoffentlich zeigen, eher „idealistische“ Vorstellung, man hätte Güter, die sich auf „magische“ (im Sinn von: es bedarf keines erkennbaren Aufwands dafür) vervielfältigen und die von jedem auf dieselbe Art genutzt werden können. – Die Idee erinnert meiner Meinung nach ein wenig an das Märchen vom Schlaraffenland.
Das war jetzt etwas viel auf einmal, aber ich hoffe, ich konnte meinen Punkt einigermaßen verdeutlichen. Ich bin mir im Klaren darüber, dass das hier etwas rough und unausgearbeitet ist, aber ich hoffe, dass ich wenigstens nicht irgendwas grundsätzlich falsch verstanden habe und dass ich was ich sagen wollte zumindest so klargemacht habe, dass man darüber anderer Meinung sein kann, um eine Diskussion anzuregen.
Demnäcst möchte ich einen weiteren Eintrag anlegen, in dem ein Versuch gemacht wird, die im ersten Eintrag gestellte Frage nach der Fairness in der Abschöpfung der "Wertigkeit" zu beantworten.
Euphon (Diskussion) 19:53, 9. Mai 2015 (CEST)
Fairness in der Abschöpfung der „Wertigkeit“ von Abschlussarbeiten
In dem Artikel Das „Social Web“ als Demokratieverstärker? behandelt Herbert Hrachovec zwei Beispiele, an denen er das Phänomen der Demokratisierung durch das Internet darstellt. Es scheint zu einer Demokratisierung durch das Internet zu kommen, denn die vormals hegemonialen Strukturen der Massenmedien wurden durch Initiativen wie Twitter, Facebook und Reddit unterwandert. Diese neuen Möglichkeiten folgen nicht den Regeln, nach denen von den Massenmedien Inhalt zur Verfügung gestellt wird. Das Internet scheint eine egalitäre Versammlung zu sein, in der sich jeder ausdrücken und Gehör verschaffen kann. Dabei ist aber zu beachten: „Der technisch-ökonomische Apparat, der diese Wirkungen erzeugt, ist keineswegs neutral. [...] Öffentliche Wirksamkeit hängt wesentlich an einer globalen Infrastruktur.“ (Hrachovec 2012 38) Die vermeintliche Demokratisierung ist nur möglich, wenn gewisse Vorbedingungen gegeben sind, die dafür sorgen, dass sich die egalisierten Nutzer des Internets ausdrücken und Gehör verschaffen können. Es braucht Internetanbieter, Unternehmen wie Google, Facebook, Twitter, die den Austausch ermöglichen. Deren Interessen und Motive sind gemeinhin bekannt und umstritten. Es ist also vorschnell die Art der Meinungsäußerung im Internet mit der „Verfassungswirklichkeit historisch gewordener Staaten“ (Ebd. 41) zu vergleichen, denn: „Die Konfiguration und Administration der erforderlichen Server und Datenbanken ist kein demokratischer Ablauf. Rechner haben eine IP-Adresse und Webserver funktionieren nicht nach Mehrheitsbeschluss.“ (Ebd. 41) Die Regeln geben die technische Ebene der Programmierung sowie ökonomische Überlegungen vor. Der sich durch das Internet bietenden Freiheit im Austausch von Inhalten, der Ausdrucksmöglichkeit der individuellen Nutzerin und der egalitaristischen Struktur stehen also ökonomische Interessen, monopolisierte Anbieter und Datenschutzprobleme gegenüber. Anstatt ein Urteil über die Auseinandersetzung abzugeben weist Hrachovec am Ende auf zwei Punkte hin, die in dem Zusammenhang zu beachten sind:
- „Beachten Sie die Herrschaftsverhältnisse, die sich hinter den neuen Freiräumen etablieren.
- Vermeiden Sie Aufrufe und programmatische Erklärungen, deren Pointe durch die Medien, in denen sie erfolgen, untergraben wird.“ (Ebd. 42)
Die erste Warnung erinnert an den Unterschied zwischen demokratischer und autoritärer Technik bei Lewis Mumford:
- „Meine These ist, grob gesagt, dass von der späteren Jungsteinzeit im Nahen Osten bis hin zu unserer Zeit zwei Technologien im zeitlichen Wechsel und nebeneinander her existiert haben: die eine autoritär, die andere demokratisch, die eine systematisiert und von immenser Leistungsfähigkeit, aber im Kern unstabil, die andere auf den Menschen zugeschnitten, relativ schwach, aber phantasierreich und dauerhaft.“ (Mumford 1980 13ff)
Mumfords Meinung nach verschwindet die demokratische Technologie immer mehr und wird von der autoritären verdrängt. Die autoritäre Technologie führte zu entscheidenden Erfindungen und Entdeckungen: „schriftliche Aufzeichnung, Mathematik und Astronomie, Bewässerung und Kanalisation“ und Arbeiterarmeen (in denen jeder austauschbar wurde), Militär und Bürokratie.“ (Ebd. 15). Die autoritäre Technik wurde trotz ihrer einebnenden und menschenverachtenden Konsequenzen geduldet, weil sie einen kontrollierten Überfluss erzeugte, der es vor allem mit sich brachte, dass sich kleine Teile der Bevölkerung um Wissenschaft, Forschung, religiöse, militärische und bürokratische Belange kümmern konnten. Diese neu gewonnene Freiheit wurde allerdings teuer erkauft. Mumford argumentiert, dass die autoritäre Technik mit dem Aufkommen der Demokratisierung durch den technischen Fortschritt – wie etwa das Internet - wieder erstarkt ist:
- „[W]as wir als neue Freiheit interpretiert haben, stellt sich heute als viel raffinierte Version der alten Sklaverei heraus: denn die Entstehung der Demokratie in den letzten Jahrhunderten ist in wachsendem Ausmaß durch die erfolgreiche Wiederauferstehung einer zentralisierten autoritären Technik unterwandert worden, einer Technik, die doch seit langem in vielen Teilen der Welt schon wieder zurückgedrängt worden war. [...] Die Erfinder der Atombombe, der Raketen und Computer sind die Pyramidenbauer unseres Zeitalters, erfüllt von einem ähnlichen Mythos uneingeschränkter Macht, prahlend mit ihrer auf Wissenschaft begründeten Allmacht, wenn nicht gar Allwissenheit, von Zwangsvorstellungen und Zwängen beherrscht, die nicht weniger irrational sind als die der früheren absolutistischen Systeme: besonders die Vorstellung, dass das System selbst, egal um welchen Preis, expandieren muß.“ (Ebd. 16).
Und doch ist die demokratische Technik grundlegender als die autoritäre und hat ständig dem Machtmissbrauch durch die autoritäre Technik entgegengewirkt. Warum lässt man sich in einer Demokratie so etwas gefallen?
- „Die Antwort auf diese Frage ist paradox und zugleich auch eine Ironie der Geschichte. Die gegenwärtige Technik unterscheidet sich von den unverhohlen brutalen, unausgereiften autoritären Systemen der Vergangenheit in einem entscheidenden Punkt: sie hat das Grundprinzip der Demokratie akzeptiert, daß jedes Mitglieder Gesellschaft an ihrem Reichtum teilhaben sollte. Indem es diesen Teil des demokratischen Versprechens zunehmend erfüllte, hat unser System es geschafft, die ganze Gemeinschaft in seine Macht zu bekommen und so jeden weitergehenden Anspruch auf Demokratie zu unterbinden.“ (Ebd. 19)
Das ist ein Kuhhandel: Jeder kann Anteil an den Dingen haben, der weit darüber hinausgeht, was kleineren Gemeinschaften zugänglich ist, dafür wird stillschweigend Zustimmung dafür erwartet, dass alles so akzeptiert wird, wie es das System vorgibt und wie es von ihm produziert (standardisiert und fabriziert) wurde.
Auch wenn Mumford hier sehr generalisierend über Technik spricht und die „Internetrevolution“ sich zu der Zeit noch nicht ereignet hatte, als der Text verfasst wurde, lässt sich der „Bestechungsversuch“, den der Autor beschreibt, auf die erste Warnung von Hrachovec umlegen. Beide Autoren haben wohl prinzipiell nichts gegen die Segnungen, die sich mit der autoritären Technik ergeben, weisen aber darauf hin, dass es immer wieder an der Zeit ist, die beiden Positionen gegen zu rechnen. Mumford zufolge geht es darum, darauf aufmerksam zu machen, dass jeder, der sich mit der Verbreitung der Demokratie beschäftigt, erkennen muss, dass er sich mit der Technologie beschäftigen muss, welche die Verbreitung gewährleistet. Gegen die autoritäre Technik heißt für die Demokratie kämpfen und der Schlachtruf ist: „Leben kann nicht delegiert werden!“ Die Technik muss dermaßen rekonstruiert werden, dass „auf jeder ihrer Stufen die abgedrängten Teile der menschlichen Persönlichkeit wieder reintegriert werden können“ (Ebd. 21). Qualität statt Quantität, Entziehung der Macht des technischen Apparats, Vielfalt und ökologische Ausgewogenheit fördern, den unsinnigen Expansionsdrang des Systems selbst eindämmen und durch ein menschliches Maß begrenzen, um so den Menschen freie Hand zu geben, so lauten die Forderungen Mumfords. Dabei steht nicht die Frage im Vordergrund, was alles Handeln für einen Nutzen für Institutionen hat, sondern immer vorrangig für den Menschen, „und zwar nicht dem maschinen-konditionierten, systemunterworfenen Massenmenschen, sondern dem Menschen als Individuum, das sich autonom in jedem Lebensbereich bewegt“ (Ebd. 21).
Dementsprechend schlägt Mumford vor, die freigewordene Zeit nicht wieder mit Technologien zu nutzen, sondern "ineffiziente" Tätigkeiten zu genießen (Basteln, DIY, Herstellung der von Individuen benötigter Artefakte und Gütern, usw.), gleichzeitig den Menschen als effizienter sehen (z. B. das Problem der verstopften Straßen in Städten dadurch lösen, dass der Fußgänger mehr in den Fokus gerückt wird) als die Technik. Mumford hofft, er hat deutlich machen können, „daß die wirklichen Fortschritte, die uns die wissenschaftlich fundierte Technik gebracht hat, nur dann erhalten werden können, wenn wir das System so weit begrenzen, daß es menschliche Alternativen, menschliche Eingriffe und menschliche Zielvorstellungen erlaubt, auch solche, die völlig von denen des Systems abweichen.“ (Ebd. 22)
Leider muss man sagen, dass diese wohlgemeinte Empfehlung Mumfords inzwischen wohl von der „Bestechung“ eingenommen wurde; aus dem Individuum wurde der „Nutzer“, dem vom System ein Regeln unterworfener und festgelegter Avatar zur Verfügung gestellt wird. Die „Bestechung“ besteht darin, dass uns eine IP-Adresse als Individualität verkauft wird. Darauf weist die zweite Warnung von Hrachovec hin: Wenn du von deinem demokratischen Recht auf selbstbestimmten Ausdruck der Persönlichkeit, egalitärer Einbindung in die Beurteilung von Sachverhalten und Austausch von Inhalten Gebrauch machst, dann schau dir an wie du dabei repräsentiert wirst. Damit ist nicht nur die politische Repräsentation gemeint, sondern die Beschaffenheit des Avatars, der von den Institutionen, die das Internet am Laufen halten, zur Verfügung gestellt wird (was politische Aspekte mit einschließt).
Zwei Punkte stehen im Vordergrund: 1. Wie wird die demokratische Lebensform hergestellt? und 2. Welche Rolle spielt der Einzelne darin?
In dem zweiten Eintrag auf dieser Diskussionsseite wurden diese beiden Punkte für „Allgemeingüter“ (in Abhebung von „nicht-rivalisierenden Gütern“) bereits zu bestimmen versucht. Die Ergänzung in diesem Eintrag macht es möglich, die oben im ersten Eintrag aufgeworfene Frage zu behandeln, denn nunmehr ist ersichtlich, dass sich diese Frage im Grunde ebenfalls damit beschäftigt, die Situation einzuschätzen, in der auf der einen Seite gewisse Segnungen und auf der anderen Seite gewisse Gefahren vorliegen. Die Frage nach der Fairness bei der Abschöpfung der „Wertigkeit“, die im Zentrum der drei Beiträge steht, kann nun auf eine stabile Basis gestellt werden. Dafür ist es notwendig, die im zweiten Eintrag angerissenen Punkte in Betracht zu ziehen.
Schauen wir uns die im ersten Eintrag dargestellten drei Trajektorien unter Bezugnahme auf die bisher erörterten Sachverhalte betreffend den zweiten Eintrag an:
1. Die Universität machte mir ein Angebot, das sich als „Bestechung“ beschreiben lässt. Aus meiner Abschlussarbeit wird frei für jeden zugängliches Wissen, die Institution, die dieses Wissen erzeugt, tritt in den Hintergrund, aber nur, wenn ich einwillige, genau das zu produzieren, was die Universität als Wissen vorgibt. Meine Betreuerin ist Stellvertreterin der Universität. Sie beurteilt das fertige Produkt, d. h.: mit ihrer Zustimmung wurde „Meinung“ zu „Wissen“. Dieses „Wissen“ wird, weil es nun Wissen ist, zum „Allgemeingut“, also frei zugänglich für jede/n in Universitätsbibliotheken und dem Internet, unter der Bedingung, dass mein eigener Name, der meiner Betreuerin und der Name der Institution angegeben werden. Die Abschlussarbeit entspricht den Bedingungen, wie sie von der „Open Definition“ vorgegeben werden:
- Knowledge is open if anyone is free to access, use, modify, and share it — subject, at most, to measures that preserve provenance and openness. (Open Definition: http://opendefinition.org/od/)
Im zweiten Eintrag wurde bereits darauf hingewiesen, dass es sich lohnt, den „Ursprung“ und das „Jeder“ respektive das „Alle“ genauer unter die Lupe zu nehmen. Bei den „Allgemeingütern“ wurde gezeigt, dass der „Ursprung“ zu ungenau dargestellt wird, wenn nur auf die Möglichkeit der „magischen“ Vervielfältigung hingewiesen wird. Das bedeutet, dass es nicht damit getan ist, die pdf-Version meiner Abschlussarbeit als beliebig oft vervielfältigbar anzusehen. Es besteht immer ein Aufwand, wenn vervielfältigt, oder reproduziert wird. Der Aufwand besteht nicht nur darin, die pdf-Datei faktisch zu vervielfältigen, sondern auch darin, meine Rechte an dem Geschriebenen in jede Kopie mit zu importieren, Bibliotheken am Laufen zu halten, in denen meine Arbeit verfügbar ist, die Arbeit der Institution, die Universität Wien, am Laufen zu halten, damit meine Arbeit eine Aufladung von "Wertigkeit" er- beziehungsweise behält, Institutionen zu unterhalten, die im Bedarfsfall meine Rechte einklagbar machen, usw. Für alle diese Voraussetzungen kann ein oder können mehrere Akteure festgestellt werden, die daran beteiligt sind. Die Produktion meiner Arbeit liegt nicht nur in meiner Hand, sondern muss, der anfangs erwähnten „Bestechung“ durch das Institut nach, eine bestimmte Form er- und behalten (auch wenn nur Teile verwendet werden oder die Arbeit modifiziert wird muss trotzdem die ursprüngliche Arbeit weiter mit transportiert werden), die über meine eigene Entscheidung hinausgeht. Aus diesem Grund sind alle beteiligten Akteure in den Produktionsprozess mit einzubeziehen. Das hört sich im ersten Moment nach einer herkulischen Aufgabe an, die viel Bürokratie mit sich bringt. Allerdings bestehen diese Informationen in dem Fall meiner pdf-Datei schon und müssen nicht erst erhoben werden. Auf dem Titelblatt meiner Arbeit wird die Universität Wien genannt, meine Betreuerin und mein Name, sowie der Titel der Arbeit, d. h. eine Kurzbeschreibung dessen, worum es in der Arbeit geht. Im Inneren der Arbeit befindet sich ein Literaturverzeichnis, das alle Autoren offenlegt, auf die ich mich bezogen habe, sowie die Institutionen, die diesen Autoren die Veröffentlichung ermöglichten und die aus Redaktion, Edition, Übersetzung usw. bestehen. Alle diese Informationen sind vorhanden und doch macht die Arbeit nur mich zum Magister; in diesem Titel ist der Aufwand aufgehoben, heruntergebrochen auf eine Tatsache wie ein Eintrag in einem Lexikon, in dem nicht auf die Genealogie, die an zusätzlichen Akteuren reiche Geschichte des Begriffs, der erläutert wird, eingegangen wird. Als solche „black box“ gilt mein Titel als Zusammenfassung des notwendigen Aufwands und kann so weiter prozessiert werden. Allerdings eben nur in dieser reduzierten Form. Wäre es nicht denkbar, in unserer datenbankgestützten Gesellschaft einen bürokratischen oder administrativen Mechanismus (der nicht nur aus Technik, sondern auch aus menschlichen Akteuren besteht) einzusetzen, der alle beteiligten Akteure als Informationsgehalt, der in der Arbeit steckt, zu prozessieren vermag? Ein solches Informationsnetzwerk wäre beliebig zu verkleinern oder zu vergrößern; beispielsweise könnten nicht nur die bereits genannten Informationen, sondern auch redaktionelle Arbeiten, peer-reviewing-Prozesse und die verarbeiteten Gehalte in der Arbeit, sowie etwa der Energieaufwand, den die Gestaltung und Erhaltung des pdf-files verlangt, Informationen über die Inhalte von und das jeweilige „Netzwerk“ der anderen Autoren, die in meiner Arbeit vorkommen, finanzielle Aufwendungen usw. in Betracht gezogen werden. Dieser vorgeschlagene bürokratische und administrative Aufwand ist allerdings nur dann realistisch bewältigbar, wenn die notwendige Rechenpower im Hintergrund vorhanden ist, denn menschlicher Arbeitskraft allein ist das nicht zumutbar. Hier zeigt sich, was Mumford schon vor Jahrzehnten beobachtet hatte: Auch wenn die Technik uns im Zuge der Demokratisierung zusehends versklavt, so ermöglicht sie uns doch unvorstellbare Arbeiten zu vollbringen. Proportional zu der Entwicklung des Potentials ergeben sich natürlich demgegenüber neue Möglichkeiten des Missbrauchs dieses Potentials; es bleibt also meiner Meinung nach nur die Wahl zwischen einem bedenklichen Kollektiv, in dem Technologie und menschliche Akteure gleichermaßen einbezogen sind und das uns über den Kopf wächst, wenn wir eine faire Art der „Offenheit“ gestalten beziehungsweise erhalten wollen, oder der Verzicht auf diese „Offenheit“, die erst durch großen Aufwand hergestellt werden muss.
Den zweiten Aspekt, dass die Institutionen vorgeben, wie und von wem sie genutzt werden können, so wie es im zweiten Beitrag beschrieben wurde, lässt sich auf das im ersten Beitrag genannte Beispiel der pdf-Datei bezogen folgendermaßen beschreiben: Nicht jeder kann sich (analoge oder digitale) Bücher ausleihen. Man braucht zumindest einen Meldezettel, entweder selbst einen Internetzugang oder die Möglichkeit, zu einem zu kommen. Dass jede/r die Texte auf die gleiche Art nutzen kann stimmt theoretisch, aber nicht in der Praxis. Wie bereits im zweiten Eintrag erwähnt wird jede zusätzliche Kopie der pdf-Datei jeweils auf eine bestimmte IP-Adresse, oder eine Personenidentifikation eingeschränkt, wodurch Differenzierungen entstehen. Durch Vergrößerung und Verkleinerungen des „Netzwerks“, so wie es gerade beschrieben wurde, werden somit verschiedene Differenzierungsprozesse ein- oder ausgeschlossen; jeder beteiligte Akteur bringt seine eigenen Einschränkungen mit. Die Aufrechnung dieser Differenzierungen ist ebenfalls ein hoher bürokratischer oder administrativer Aufwand, aber auch dieser ist bewältigbar, wenn man auf Computertechnologien setzt. Auch hier gilt wie oben: Wollen wir eine Offenheit, nicht nur des in der pdf-Datei eingeschriebenen Wissens, was einen erheblichen Aufwand verursacht, sondern auch eine Offenlegung der Vorgaben der Nutzung, was einen mindestens genau so großen Aufwand bedeutet, dann müssen wir uns auf die Technik einlassen, wenn das auch Gefahren mit sich bringt. – Entweder eine absolute Offenheit, die nur über die „Bestechung“ der autoritären Technik funktioniert und Gefährdungen der Privatsphäre und ähnliches mit einschließt, oder eine regional und in ihrem Potential begrenzte demokratische Offenheit, die einen Austausch von Wissen, wie er im Moment möglich scheint, ausschließt.
2. Was bedeutet das nun für mich persönlich? Wie bereits angedeutet, habe nicht ich alleine die Arbeit geschrieben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das aussehen soll, wenn nur ich eine Arbeit schreibe und alle anderen beteiligten Akteure weggenommen werden. Ich behaupte, es geht nicht ohne alles, das mich in die Lage versetzt hat, über eine bestimmte Thematik zu schreiben. Mein Anteil daran ist nicht größer, höchstens kleiner als der der Masse der anderen Akteure. Es sollte also nicht allein in meiner Hand liegen, was mit meiner Abschlussarbeit passiert. Damit ist etwa die Entscheidung für oder gegen eine Publikation im „AV Akademikerverlag“ gemeint. In einem wichtigen Punkt ist es ja auch schon so, in dem nämlich, dass der „AV Akademikerverlag“ erst meine Arbeit in Betracht gezogen hat, als sie eine Abschlussarbeit geworden ist. Darüber hinaus sollten aber andere Akteure hinzugezogen werden, die an der Produktion teilhatten und denen deswegen ein gewisses Mitspracherecht zugesprochen werden sollte. Erneut klingt das nach einem unbewältigbaren bürokratischen Aufwand und erneut sei auf die Technologie (und ihre Gefahren) hingewiesen. Durch den beliebig verkleiner- oder vergrößerbaren Rahmen, der durch die Versammlung dieser beteiligten Akteure gesetzt wird, ergeben sich erneut gewisse Differenzierung, die dem Status der jeweiligen Akteure entsprechen; es scheint, wenn wir „Offenheit“ wollen, unvermeidbar, diese Differenzierungen ernst zu nehmen und eine genauere Bestimmung des- oder derjenigen zu geben, der/die bestimmen kann, was mit einem bestimmten Produkt gemacht wird und werden kann.
Der zweite Aspekt wurde schon im ersten Beitrag auf meine Person bezogen. Es ging da um die Karriere, die ich mir nicht verbauen wollte, als ich mich gegen eine Publikation durch dem „AV Akademikerverlag“ entschieden habe. Hier gibt es nicht viel Neues zu sagen, denn die Frage danach, was das Produkt aus dem Produzenten macht, steht ohnehin meist im Vordergrund bei der Tätigkeit des Austauschs von Wissen. Man denke zum Beispiel an Erhebungen, wie oft man wo zitiert wird, in welchen Institutionen man gelehrt, gearbeitet, vorgetragen hat, von welchen Verlagen man publiziert wird usw.; alles Differenzierungen, die sich durch die beteiligten Akteure ergeben und die mich, bin ich in den Prozess aufgenommen, mit bestimmen.
3. Und was gibt es über die „Blattlaus“ zu sagen? Zum einen braucht es für die Identifizierung solcher „Blattläuse“ eine Masse an beteiligten Akteuren, die die Identifizierung gewährleisten (so wie die Möglichkeit, den „AV Akademikerverlag" mit Hilfe des Internets kennenlernen zu können), zum anderen soll den „Blattläuse“ das Finden „weicher Stellen“ erschwert werden, was wiederum eine Erweiterung der Akteure verlangt, die die Entscheidungsfindung, ob der Publikation durch den „AV Akademikerverlag“ zugestimmt wird oder nicht, nicht nur mir als dem einen Entscheidungsträger überlassen, sondern durch die durch ihre jeweilige institutionelle Beschaffenheit bedingten Differenzierungen diese Entscheidung mitbestimmen. So wird es vermieden, dass Verlage wie der genannte das Treiben im Milieu, in dem sie Tumult veranstalten, nachhaltig beinträchtigen, indem sie als schlechtes Beispiel das Wagnis der „Offenheit“ für viele zu riskant machen. Institutionen wie der „AV Akademikerverlag“ könnten dann schnell identifiziert, von ihrer notwendigen Lebensenergie abgeschnitten werden und Platz machen für andere, fairere Institutionen, die die Offenheit forcieren und sich damit von der althergebrachten Verlagskultur emanzipieren. Das klingt vielleicht etwas hart und ist wahrscheinlich nicht so durchführbar, dass sich Institutionen wie der „AV Akademikerverlag“ generell vermeiden ließen, aber wie im ersten Beitrag schon erwähnt bin ich der Meinung, dass allein die weitgehende Ausräumung von Vorbehalten und Vorurteilen dazu führen kann, dass sich das Modell der „Offenheit“ durchsetzt. Und dabei hilft meiner Meinung nach den schwarzen Schafen das Tun zu erschweren erheblich.
Hilfreich dafür ist, den zweiten Aspekt in Betracht zu ziehen, der oben in diesem Eintrag genannt wurde: Sich anzuschauen, inwiefern der „AV Akademikerverlag“ die Autorinnen (m/w) der Abschlussarbeiten repräsentiert, die er publiziert. Da es dem „AV Akademikerverlag“ nicht zuvorderst ums Renomee geht, kümmert er sich auch nicht darum, ob die von ihm publizierten Werke in der Praxis Anteil an der „Offenheit“ nehmen. Es wurde bereits erwähnt, dass viele Bibliotheken Werke von zum Beispiel dem „AV Akademikerverlag“ nicht in ihren Bestand aufnehmen. Der „AV Akademikerverlag“ schafft so eine Differenzierung, die „Offenheit“ ausschließt. Die Bestimmung der Art, wie der jeweilige Verlag seine Autoren repräsentiert, ist in Verbindung mit der Erschwerung der Ausnutzung der „offenen“ Kanäle durch die Aufteilung der Entscheidungsfindung auf mehrere Akteure ein weiterer Aspekt, anhand dessen die Fairness der Abschöpfung der „Wertigkeit“ bestimmt werden kann.
Somit könnte eine Formulierung der sich aus dem bisher Gesagten ergebenden Konsequenzen wie folgt lauten: Entweder man nimmt die „Bestechung“ an und versucht, in diesem von vorneherein verwegenen System wenigstens so weit den Schein auf Fairness aufrechtzuerhalten, dass die „Offenheit“ überhaupt erst möglich (weil akzeptiert, in den Austausch von Wissen einbezogen, ermöglicht, usw.) wird – auch Mafiosi brauchen Regeln -, oder man gibt den autoritären Hintergrund auf und beschränkt sich auf einen von Vorneherein begrenzten Begriff von „Offenheit“ und verliert damit große Teile davon – und die Abschlussarbeiten verstauben weiter vor sich hin. Entscheidet man sich für die erste Alternative, dann muss eine Regelung gefunden werden, die viel genauer ist als das, was die „Open Definition“ vorgibt, was einen riesigen bürokratischen und administrativen Aufwand bedeutet, der nur durch autoritäre Technik geleistet werden kann. Aber warum nicht? Eine Stadt wird auch von vielen verschiedenen dezentralisierten Institutionen am Laufen gehalten. Vielleicht ist uns bald der Aufwand, der sich durch die zunehmende „Offenheit“ des Wissens ergibt, so geläufig wie das Ampelsystem der Stadt, in der wir wohnen. Die technischen Bedingungen dafür scheinen gegeben, es fehlt eine etwas genauere Grundlegung des Konzepts, das wir dem „offenen“ Wissensaustausch unterstellen.
Irgendwie hat das ganze etwas „Religiöselnds“ an sich, weil in diesem Eintrag oft von „Erschwerung“ und „von Vorneherein verwegenen Systemen“ die Rede war, womit in dem christlichen Narrativ das Diesseits beschrieben wurde und deswegen schließe ich mit der Gretchenfrage: „Wie hältst du`s mit der „Offenheit“? Ich würde antworten: Ja, Offenheit, wenn wir es uns schwer genug machen dabei, wenn wir dabei langsam sind und uns überladen mit Akteuren, die wir als produziert anerkennen und deren differenzierendes Potential wir nutzen. Die in den „Allgemeingütern“ angelegte Form von „Offenheit“ sollte nicht als Erleichterung verstanden werden, sondern als absichtlich vorgenommene Verkomplizierung der Verhältnisse; wenn es uns wert ist, diese Verkomplizierung auf uns zu nehmen, dann können wir die attraktiven Vorteile, die diese komplizierte „Offenheit“ mit sich bringt, genießen. Eine Grundlage (neben anderen) für die Möglichkeit der Ausschöpfung der Potenitale ist meiner Meinung nach das "Image der Fairness" im Publikationssystem, das durch die in diesem Eintrag vorgeschlagenen Maßnahmen gepflegt werden könnte. Was "Fairness" hier genau bedeutet muss erst erschlossen werden. Es geht darum, eine Bestimmung des Begriffes zu finden, wie er in der beschriebenen Situation vorkommt, nicht darum, eine bereits vorhandene Definition (die ohnehin nur schwer gefunden werden zu können scheint) vorauszusetzen und den Sachverhalt dann in das Prokrustesbett des Begriffs zu zwingen.
Literatur:
Hrachovec, Herbert(2012) – Das „Social Web“ als Demokratieverstärker?; in: Neue Medien in Kultur und Wirtschaft; Studienverlage; Innsbruck; pp. 35-42
Mumford, Lewis (1980) – Autoritäre und demokratische Technik; in: Freimut Duve [Hrsg.] (1980) - Technolige und Politik: Das Magazin zur Wachstumskrise; No. 16: Demokatische und autoritäre Technik. Beiträge zu einer anderen Technikgeschichte; Rowohlt; Reinbek bei Hamburg; pp. 12-23
Euphon (Diskussion) 21:16, 26. Mai 2015 (CEST)
Die “in”- und die “mit”-Perspektive eines wissenschaftlichen Textes in einem “wissenschaftlichen Netzwerk”
In diesem abschließenden Eintrag möchte ich anhand des Beispiels eines wissenschaftlichen Textes im pdf-Format zwei Perspektiven vorstellen, welche die oben vorgelegte Inbezugnahme der verschiedenen Partzipienten, die zum Text beitragen, genauer darstellen. Ich beziehe mich mit diesem Eintrag neben den auf dieser Seite hinzugefügten Bemerkungen auf einen im vorigen Semester entstandenen Text, der hier zu finden ist: [[1]] Es geht also in diesem Eintrag um eine Beschäftigung zum einen mit der “Bündelung der zentralen Ergebnisse” und zum anderen mit der “Vernetzung”, die den wissenschaftlichen Text im pdf-Format erst als solchen in die Existenz setzt.
Wenn von zwei Perspektiven gesprochen wird, dann bedeutet das kurz gesagt: 1. Die Sicht auf die Daten in dem Text und 2. um die Sicht auf die Daten, die, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks für das Gemeinte, sich mit dem Text, oder neben diesem, befinden. (Eine Möglichkeit der Bezeichnung wäre auch ein um zu des Textes.)
1 Zur Veranschaulichung der “in”-, oder “Netzwerk”-Perspektive möchte ich den mittlerweile etwas verstaubten Begriff “Hypertext” in die Diskussion einbringen. Es geht mir darum zu zeigen, dass jede wissenschaftliche Arbeit prinzipiell als Hypertext bezeichnet weden kann. Ein Hypertext ist Theodor Nelson zufolge: “Nonsequential writing - text that branches and allows choices to the reader […], a series of text chunks connected by links which offer the reader different pathways.” (Nelson 1981 2) Auch wenn eine wissenschaftliche Arbeit einen gewissen roten Faden hat oder zumindest haben sollte, so besteht sie doch zu einem großen teil aus Textbausteinen von anderen Autoren, die sich ihrerseits wieder auf Textbausteine von anderen Autoren beziehen. In der wissenschaftlichen Arbeit werden diese Textbausteine durch Zitation ausgewiesen. Der rote Faden, der den wissenschaftlichen Text zu einem Text “aus einem Guss” macht, entspricht der Bündelung der verschiedenen Inhalte, welche den wissenschaftlichen Text zu einem Knoten in dem wissenschaftlichen Netzwerk macht, der mit anderen Knoten - anderen wissenschaftlichen Texten - in Zusammenhang steht. Dem Leser wird durch die Kenntlichmachung der anderen Knoten die Möglichkeit gegeben, sich weiter durchs Netz zu bewegen und neue “rote Fäden” zu generieren, womit, wenn gewisse Vorussetzungen erfüllt sind, die weiter unten besprochen werden, diese neuen "roten Fäden" selbst in das Netzwerk eingehen. Die “in”-Perspektive des wissenschaftlichen Textes verstehe ich als Bündelung von Inhalten zu einem Textknoten, der auf andere Textknoten verweist. Ein solches Netzwerk entspricht Nelsons Definition des Hypertext und drückt zudem den Anspruch des wissenschaftlichen Arbeitens aus, sich nicht im “luftleeren" Raum zu bewegen, sondern in der Weise wissenschaftlich zu sein, in der das Vorgestellte an einem Netzwerk der Herstellung wissenschaftlichen Wissens (episteme) teilhat. Im Gegensatz zur print-Variante von Texten scheint die pdf-Variante den Vorteil zu besitzen, die Hyperlinks, also die ‘’chunks’’, die der wissenschaftliche Text, der die Hyperlinks aufweist, enthält, mit einem Klick zugänglich zu machen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, sich von einem Text zum anderen zu bewegen und damit rote Fäden zu stärken, zu modifizieren, zu kritisieren, usw.; eine Tätigkeit, die ich als wissenschaftlich bezeichnen möchte, sofern sie sich in der richtigen (also von der jeweiligen wissenschaftlichen Institution vorgegebenen) Weise vollzieht. Was diese “richtige” Weise ausmacht, kann in der nun folgenden zweiten Perspektive erkenntlich gemacht werden.
2 Die “mit”-Perspektive kann anhand der Darstellung der XML Kodierung der Metadaten einer Publikation (hier z. B. einer Veröffentlichung von Violetta Waibel in http://sammelpunkt.philo.at” [[2]]) gezeigt werden. Der Inhalt der in der Extensible Markup Language ausgedrückt wird, stellt seinerseits eine “in”-Perspektive dar, die, ähnlich wie die “in”-Perspektive des wissenschaftlichen Textes, Textbausteine enthält, die auf andere Netzwerkknoten verweisen. (Verschiedene Auszeichnungssprachen können das je nach ihrer Beschaffenheit mehr oder weniger gut; [[3]]) Da es sich hier um eine andere Art von Informationen wie in der “in”-Perspektive der wissenschaftlichen Arbeit selbst handelt (da darin Informationen zur Weiterverarbeitung enthalten sind, die im Text selbst nicht unbedingt angeführt sein müssen, wie etwa der Name, unter dem die Datei gespeichert wird, der genaue Speicherort in der Datenbank, Vorgaben zur Sichtbarkeit der Metadaten, usw.), diese aber trotzdem auf ihre Art und Weise auch auf den wissenschaftlichen Text verweisen und ihn in ein Netzwerk aufnehmen, möchte ich diese zweite Perspektive die des “mit” nennen. Während die “in”-Perspektive eher auf das Netzwerk, die Knoten und die Verbindungen zwischen ihnen verweist und es möglich macht, sich den "roten Fäden" entlang über die Grenzen einzelner Textes hinaus zu bewegen, erzeugt die “mit”-Perspektive eine Trajektorie, die den “Weg” des Textes durch das Netzwerk beschreibt, nachvollziehbar macht und damit eine Identifikation des Textes, nicht durch Bezugnahme auf die ‘’chunks’’, auf die der Text sich bezieht, sondern dem Kontext, in dem er vorkommt, möglich macht. Veranschaulicht kann dieser Sachverhalt werden, wenn darauf hingewiesen wird, dass der Text nicht von sich aus definiert, was für ein Text er ist, sondern diese “Etikettierung” sich erst durch den Kontext ergibt, in dem der Text sich bewegt. Dieser “Kontext” kann deswegen als "Trajektorie” bezeichnet werden, weil die Bewegungs- oder Stoßrichtung der Art des Textes diesen zu einem Knoten im jeweiligen Netzwerk macht (Poesie, Belletristik, wissenschaftlicher Text, usw.). Angezeigt wird diese “Knotenbildung” durch in der Bezeichnung des Textes enthaltene Daten, wie etwa die akademische Institution oder der Verlag, der den Text publiziert, aber auch, wie unten noch beschrieben wird, durch die Häufigkeit des Zitiertwerdens und ähnlicher Daten, die in einer Auszeichnungssprache dem Text in seiner Laufbahn hinzugefügt werden können.
Ähnlich wie ich in dem Eintrag “…die zentralen Ergebnisse zu bündeln” im Zusammenhang mit pädagogischen Texten dafür plädiert habe, im Bedarfsfall eine möglichst verlustfreie Entpackung zu gewährleisten, möchte ich im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Arbeiten hinzufügen, dass die möglichst verlustfreie Entpackung hier noch wichtiger zu sein scheint als im pädagogischen Bereich. Wenn bei Interesse nachverfolgt gekonnt werden soll, worauf der Text aufbaut, dann ist es erforderlich, die Textpassagen von Interesse so darzustellen, dass eine weiterführende Beschäftigung mit der Thematik möglich wird. Je unzureichender zum Beispiel die Zitation vorgenommen wird, desto schwieriger wird das Nachverfolgen des Sachverhalts von Interesse . (Wie im Eintrag “…die zentralen Ergebnisse zu bündeln” vorgebracht, ist es nicht in jedem Fall notwendig, “das Rad neu erfinden” zu lassen. Und doch ist es für den Anspruch des interessanten und nicht-langweiligen Lernens ebenso wie in dem des kreativen wissenschaftlichen Arbeit ein herber Verlust, wenn es im Bedarfsfall nicht möglich ist, “das Rad neu zu erfinden”, oder zumindest nachzuvollziehen, wie die Erfindung vonstatten gegangen ist - etwa die Erkenntnis, dass es eines sich um eine Achse drehenden Rundkörpers bedarf, um Radkonstruktion und Last in dieselbe Richtung zu bewegen -, wenn der Lerner, respktive Wissenschaftler das will.) Die Quantät und Qualität der Verweise bestimmt die Weite des Netzwerks, in dem der wissenschaftliche Text sich bewegt und damit die Möglichkeit der Vertiefung des Verständisses (und die Stärke der Anregung) des darin Vorgestellten.
Die “mit”-Perspektive gibt der Weite und der Tiefe des dargestellten Sachverhalts erst ihre Stoßrichtung. Denn allein eine genaue Zitation macht einen Text noch nicht zu einem wissenschaftlichen Text. Zu einem wissenschaftlichen wird der Text erst, wenn er in das Netzwerk der “wissenschaftlichen Literatur” eingeht, es Überschneidungen gibt mit den "roten Fäden" in anderen Texten, die als “wissenschaftliche” identifiziert worden sind. (So kann gesagt werden, dass eine wenig mit Zitationen versehener Text, wie etwa ein Text von Nietzsche, trotz der fehlenden Nachvollziehbarkeit der Inhalte aufgrund der meist unterlassenen Zitation, zu einem wissenschaftlichen Text werden kann, wenn er sich nur mit den roten Fäden anderer wissenschaftlicher Arbeiten überschneidet.) Es braucht also beide Perspktiven, die “in”- und die “mit”-Perspektive, um einen wissenschaftlichen Text zu einem solchen werden zu lassen.
In den drei Einträgen oben wurde darauf hingewiesen, dass es nützlich zu sein scheint, weder den Text noch den Autor als für sich allein stehend, sondern erst durch die Hilfe, den Aufwand und die Zertifizierung anderer Akteure und Institutionen in die Existenz gesetzt geworden zu sein zu betrachten, um eine faire Abschöpfung der “Wertigkeit”, die sich in dem Text befindet, zu gewährleisten. Die beiden in diesem Eintrag vorgestellten Perspektiven helfen dabei, diese “Wertigkeit” zu spezifizieren: Einen guten wissenschaftlichen Text macht das Zusammenspiel der “in”- und der “mit”-Perspektive aus. Zum Knoten im Netzwerk wissenschaftlicher Arbeiten wird ein Text erst, wenn die notwendige Trajektorie vorhanden ist und die Güte (im Sinne von “Nützlichkeit”) einer Trajektorie im wissenschaftlichen Diskurs macht das Netzwerk aus, auf das der wissenschaftliche Text sich stützt. Werden die beiden Perspektiven zusammengenommen, dann kann der Text daraufhin untersucht werden, welche (mehr oder weniger gut zitierte) Themen darin vorkommen, was den Text als nicht für sich genommen zu denken nahelegt und wer daran beteiligt ist, dass der Text als wissenschaftlicher Text angesehen werden kann, was besonders die beteiligten Institutionen (zum Beispiel Universitäten oder anerkannte Verlage) in den Vordergrund rückt, weswegen nicht mehr von einer Alleinautorenschaft des Verfassers gesprochen werden kann, da dieser den Text aus eigener Kraft nicht zum wissenschatlichen Text machen kann.
Neben der Unkenntlichmachung der “singulären Autorenschaft” und des “für sich stehenden Textes” ergeben sich durch das Zusammenspiel der “in”- und der “mit”-Perspektive allerdings umgekehrt Differenzierungen, die wiederum die (pluralistische) Autorenschaft und die Eingebundenheit des Textes in bestimmte Netzwerke (etwa das Netzwerk der Geisteswissenschaften, der Phänomenologie, der Phänomenologie nach Waldenfels, usw.) sichtbar machen. Diese Differenzierungen ergeben sich aus dem Nachweis der verschiedenen “Karrieren”, welche die beteiligten Entitäten verfolgen und aus dem “Rahmen”, der das Feld absteckt, in dem das Netzwerk, das sich mit dem bestimmten, in dem wissenschaftlichen Text behandelten, Sachverhalten beschäftigt, sich befindet.
Es wurde am Anfang dieses Eintrags bereits die pdf-Datei erwähnt und es wurde bereits kurz auf den Vorteil des digitalen im Gegensatz zu dem analogen Medium hingewiesen. Etwas genauer kann nun gesagt werden: Die pdf-Datei bietet zum einen den Vorteil, dass die “in”- und die “mit”-Perspektive wesentlich genauer und unkomplizierter dargestellt, in die Basisdaten der Datei integriert und, ein mit diesen features ausgestattetes Kommunikations- und Austauschnetzwerk vorausgesetzt, aktualisiert werden können, was eine übersichtlichere Darstellung des “Rahmens” und der “Karrieren” ermöglicht - man denke etwa an die Möglichkeit, genau nachvollziehbar zu machen, wie oft und von wem eine Datei heruntergeladen worden ist, was darin zitiert wird, von wem und wie oft der in der Datei enthaltene Text in den anderen Texten zitiert wird, usw., was in die Bezeichnungsebene des Textes - vorausgesetzt, diese ist erweiterbar - immer wieder neu eingeschrieben werden kann, wodurch wesentlich genauere, weil “kleinteiligere” Zuweisungsoptionen für zum Beispiel urheberrechtliche Fragen (zum Beispiel die Möglichkeit der Zuweisung von Creative Commons-Lizenzen dem Relevantheitsgrad der beteiligten Antitäten nach) möglich werden.
Die pdf-Datei bringt zum anderen aber den Nachteil mit sich - das möchte ich hier nur kurz bemerken, da diese Thematik Anlass für einen eigenen Eintrag bieten würde -, dass durch die genauere Erfassung von Daten, etwa wie oft der Text in anderen Werken zitiert worden ist, zu einer - wahrscheinlich weil damit einhergehend unkomplizierter werdenden - rein ‘’quantitativen’’ Bewertung von wissenschaftlichen Texten kommen kann. Diesem Nachteil kann allerdings durch das Zusammenspiel der “in”- und der “mit”-Perspektive entgegengearbeitet werden, wenn nur der grundlegende Fehler nicht begangen wird zu denken, dass Quantität Qualität bedeutet. Die Spezifikation lässt sich - und aus diesem Grund ist der hier angeführte “Nachteil” vermeidbar - durch die in diesem Eintrag beschriebene genauere Untersuchung der “Karriere” und des “Rahmens” viel genauer vornehmen, als wenn angenommen wird, dass es sich bei der Verfasserin des Textes um eine Person handelt und der Text solitär für sich selbst steht. Es kommt also bei dieser Pluralität der beteiligten Akteure, die als eine Art von “Offenheit” bezeichent werden kann, welche die Konzepte “Netzwerk” und “Trajektorien” und die beiden Perspektiven, die sich durch diese ergeben, mit sich bringen, darauf an, was damit gemacht wird. (vgl.: “Offene Türen sind Enladungen und Gelegenheit zum Einbruch.”; [[4]]) Ob sich durch die “Offenheit” in dieser Form Erweiterungen der Möglichkeiten des wissenschaftlichen Forschungsaustauschs ergeben, oder ob die neuen technischen Möglichkeiten für Parasitentum mißbraucht werden, ist, und damit möchte ich auf die vorigen Einträge auf dieser Diskussionsseite verweisen, eine Frage der Art der Nutzung dieser Möglichkeiten. Ich persönlich bin zuversichtlich, weil, zumindest in dem speziellen Fall des wissenschaftlichen Textes im pdf-Format, die neuen technischen Möglichkeiten die Möglichkeiten des Eindämens der Möglichkeiten des Mißbrauchs gleich mit enthalten. Am Ende bleibt es also, so möchte ich abschließend behaupten, eine Frage von Erziehung und Bildung und für die, die glauben schon fertig erzogen zu sein, eine Frage der Politik.
(Für den an Latour interessierten Leser: Im Grunde folge ich bei meinen Ausführungen der von Latour vorgestellten These: Ein Text ist dann fertig, wenn die Anzahl der Zeichen erreicht ist, die dafür notwendig sind. (vgl.: Latour 2005 141ff) Was Latour hier, meiner Interpretation nach, ausdrücken möchte ist, dass die Institution vorgibt, wann ein Text fertig ist und nicht der Autor selbst, zumindest wenn dieser einen wissenschaftlichen Text zu verfassen im Sinn hat. Ich betrachte die hier getätigen Aussagen als Erweiterung dieser recht lapidar getätigten Aussage Latours.)
Literatur:
Latour, Bruno (2005) - Reassembling the Social: An Introduction to Actor-Network-Theroy; Oxford University Press; Oxford/NewYork
Nelson, Theodor H. (1981) - Literary Machines; Mindful Press; Susalito, CA
Euphon (Diskussion) 12:40, 12. Sep. 2015 (CEST)