Benutzer:Andyk/Badiou/weltenwandel: Unterschied zwischen den Versionen

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<font color="blue">Die folgende Übersetzung basiert auf den [http://www.entretemps.asso.fr/Badiou/11-12.htm Notizen von Daniel Fischer] zu einem Seminar von Alain Badiou mit dem Titel ''Que signifie « changer le monde » ?'' (Was bedeutet "die Welt verändern"?). Das Seminar fand an der École normale supérieure in Paris zwischen 2011 und 2012 statt. Es ist die Fortsetzung des gleichnamigen [http://www.entretemps.asso.fr/Badiou/10-11.htm Seminars im vorhergehenden Studienjahr 2010-2011]. Übersetzungsfehler gehen zu Lasten der Übersetzers. Auf der Diskussionsseite finden sich Anmerkungen sowohl bzgl. Übersetzung als auch Auseinandersetzungen mit dem Übersetzten. Korrekturlesungen und Kollaborationen sind erwünscht. --[[Benutzer:Andyk|Andyk]] 20:00, 1. Aug. 2012 (CEST) </font>
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<font color="maroon">Die folgende Übersetzung basiert auf den [http://www.entretemps.asso.fr/Badiou/11-12.htm Notizen von Daniel Fischer] zu einem Seminar von Alain Badiou mit dem Titel ''Que signifie « changer le monde » ?'' (Was bedeutet "die Welt verändern"?). Das Seminar fand an der École normale supérieure in Paris zwischen 2011 und 2012 statt. Es ist die Fortsetzung des gleichnamigen [http://www.entretemps.asso.fr/Badiou/10-11.htm Seminars im vorhergehenden Studienjahr 2010-2011]. Übersetzungsfehler gehen zu Lasten des Übersetzers. Auf der Diskussionsseite finden sich Anmerkungen sowohl bzgl. Übersetzung als auch Auseinandersetzungen mit dem Übersetzten. Korrekturlesungen und Kollaborationen sind erwünscht.  
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* Im Text sind Ausschnitte aus dem französischen Original blau markiert, entweder weil der Term schwer zu übersetzen ist, oder weil er für mich schwer zu übersetzen ist, und daher in beiden Fällen zur Verdeutlichung dient und zur Ermutigung, eine geeignete Übersetzung zu finden.
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* Die Farbe Maroni wird bei Anmerkungen oder Ergänzungen des Übersetzers verwendet, die keine direkte Entsprechung im Original haben, jedoch zur Verdeutlichung der Satzaussage dienen oder die Lesbarkeit erhöhen.
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--[[Benutzer:Andyk|Andyk]] 20:00, 1. Aug. 2012 (CEST) </font>
  
  
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Heute sehen wir gut, dass man die Frage nach wirklicher Veränderung wieder ganz aufnehmen muss, jenseits der folgenden Antionomie: entweder totaler Bruch, was der Erzeugung eines "neuen Menschen" entspricht oder installierte Kontinuität (Kapitalo-Parlamentarismus) der ständigen Innovation, welche nichts weiter ist als der Beweis für niedergehende Obsoleszenz, die vorher hergestellt wurde.
 
Heute sehen wir gut, dass man die Frage nach wirklicher Veränderung wieder ganz aufnehmen muss, jenseits der folgenden Antionomie: entweder totaler Bruch, was der Erzeugung eines "neuen Menschen" entspricht oder installierte Kontinuität (Kapitalo-Parlamentarismus) der ständigen Innovation, welche nichts weiter ist als der Beweis für niedergehende Obsoleszenz, die vorher hergestellt wurde.
  
Es muss für jeden Akteur der Veränderung ein möglicher Indikator seiner Handlung existieren, eine Invarianz welche erlaubt zu sagen, dass Veränderung real ist ''für ein Subjekt''. Dies erfordert, dass das Subjekt beides ist: Prinzip der Bewegung und ausreichend unbeweglich um Realität und Ziel <font color="blue">(der Veränderung)</font> behaupten zu können.
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Es muss für jeden Akteur der Veränderung ein möglicher Indikator seiner Handlung existieren, eine Invarianz welche erlaubt zu sagen, dass Veränderung real ist ''für ein Subjekt''. Dies erfordert, dass das Subjekt beides ist: Prinzip der Bewegung und ausreichend unbeweglich um Realität und Ziel <font color="maroon">(der Veränderung)</font> behaupten zu können.
 
Wir haben im letzten Jahr gesehen, dass das Problem dasjenige des ''subjektiven Ortes'' ist, von wo aus - in einer subtilen Dialektik der Immanenz und des Entzugs - begreifbar wird, dass es sich um eine ''orientierte'' Veränderung handelt. Wir hatten die Möglichkeit uns der Schule der "arabischen Revolution" stellen zu können, dessen Prozess noch lange nicht abgeschlossen ist. Wir haben zuerst die notwendigen Konzepte eingeführt um das zu denken, was eine "Welt" ist, sowie die Operatoren ihrer Veränderung. Wir haben Hindernisse gefunden, darunter auf eine Identität bezogene Hindernisse (staatliche Fiktionen, trennende Bezeichnungen <font color="blue">(noms séparateurs)</font>, ...). Diese ganze Arbeit hat uns erlaubt bei einer provisorischen Definition darüber anzukommen, was eine politische Wahrheit ist, das heißt ein Orientierungsprinzip der realen Veränderung in der Geschichte des Kollektiv-Menschlichen: Eine politische Wahrheit ist das organisierte Produkt eines gewaltigen populären Ereignisses bei dem Kontraktion, Intensivierung und Lokalisation ein vom Staat bereitgestelltes fiktives Identifikationsobjekt, und die damit einhergehenden trennenden Bezeichnungen, ersetzen durch die reale Präsentation einer generischen Kraft der Vielheit.  
 
Wir haben im letzten Jahr gesehen, dass das Problem dasjenige des ''subjektiven Ortes'' ist, von wo aus - in einer subtilen Dialektik der Immanenz und des Entzugs - begreifbar wird, dass es sich um eine ''orientierte'' Veränderung handelt. Wir hatten die Möglichkeit uns der Schule der "arabischen Revolution" stellen zu können, dessen Prozess noch lange nicht abgeschlossen ist. Wir haben zuerst die notwendigen Konzepte eingeführt um das zu denken, was eine "Welt" ist, sowie die Operatoren ihrer Veränderung. Wir haben Hindernisse gefunden, darunter auf eine Identität bezogene Hindernisse (staatliche Fiktionen, trennende Bezeichnungen <font color="blue">(noms séparateurs)</font>, ...). Diese ganze Arbeit hat uns erlaubt bei einer provisorischen Definition darüber anzukommen, was eine politische Wahrheit ist, das heißt ein Orientierungsprinzip der realen Veränderung in der Geschichte des Kollektiv-Menschlichen: Eine politische Wahrheit ist das organisierte Produkt eines gewaltigen populären Ereignisses bei dem Kontraktion, Intensivierung und Lokalisation ein vom Staat bereitgestelltes fiktives Identifikationsobjekt, und die damit einhergehenden trennenden Bezeichnungen, ersetzen durch die reale Präsentation einer generischen Kraft der Vielheit.  
  
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Diese Frage - was bedeutet der Ausdruck "die Welt verändern"? - zieht Bilanz aus einer langen Periode, in der die Idee einer Veränderung der Welt als eine leicht kriminelle Utopie betrachtet wurde. Diese Idee würde die Realitäten der Welt <font color="blue">(des réalités du monde)</font> nicht berücksichtigen, nicht ihre Trägheit, nicht ihre Widerstände gegen die Veränderung der invariablen menschlichen Natur, gegeben seine Interessen, etc.
 
Diese Frage - was bedeutet der Ausdruck "die Welt verändern"? - zieht Bilanz aus einer langen Periode, in der die Idee einer Veränderung der Welt als eine leicht kriminelle Utopie betrachtet wurde. Diese Idee würde die Realitäten der Welt <font color="blue">(des réalités du monde)</font> nicht berücksichtigen, nicht ihre Trägheit, nicht ihre Widerstände gegen die Veränderung der invariablen menschlichen Natur, gegeben seine Interessen, etc.
  
Es ist eine polemische Frage, da sie versucht die Frage anders, im Grunde als Frage der Resignation aufzufassen: Resignieren wir nicht an den prinzipiellen Formen der gegenwärtigen Welt, dem Erdrutschsieg des globalen Kapitalismus, welche grob gesagt eine untersagte Negation des Realen an den Ideen <font color="blue">(un interdit opposé par le réel aux idées)</font> des 19. und 20. Jahrhunderts bedeuten? Erfordert das nicht eine Transformation der Welt, eventuell gemäß bestimmten Prinzipien? Die konservative Idee ist die Idee, daß sich die Welt nicht nach Prinzipien beugen lässt, dass die Welt eine Art intrinsischen Widerstand hat, der abziehen muss <font color="blue">(dont il faut partir)</font>, dass man der Welt eine andere Richtung geben kann, aber dass ihr Gesetz nicht unterbrochen oder radikal modifiziert werden kann.
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Es ist eine polemische Frage, da sie versucht die Frage anders, im Grunde als Frage der Resignation aufzufassen: Resignieren wir nicht an den prinzipiellen Formen der gegenwärtigen Welt, dem Erdrutschsieg des globalen Kapitalismus, welche grob gesagt eine untersagte Negation des Realen an den Ideen <font color="blue">(un interdit opposé par le réel aux idées)</font> des 19. und 20. Jahrhunderts bedeuten? Erfordert das nicht eine Transformation der Welt, eventuell gemäß bestimmten Prinzipien? Die konservative Idee ist die Idee, daß sich die Welt nicht nach Prinzipien beugen lässt, dass die Welt eine Art intrinsischen Widerstand hat bei dem wir anfangen müssen, dass man der Welt eine andere Richtung geben kann <font color="blue">(on peut l'infléchir)</font>, aber dass ihr Gesetz nicht unterbrochen oder radikal modifiziert werden kann.
  
 
Die naive und natürliche Antwort von heute ist dass man fertig ist mit den Ideologien einer Veränderung der Welt. Man ist fertig mit den Ideen die vorgeben die Welt zu verbiegen. Ein englischer Rezensent sagte über meine Unternehmung, dass man in ihr "das fatale Spektrum der [https://fr.wikipedia.org/wiki/Waldemar_Gurian Ideokratie]" erkennt. Nicht Ideologie sondern ''Ideokratie'', die Herrschaft der Idee. Er hat völlig Recht, dieser Engländer. Den Engländern widerstrebte schon immer besonders die Ideokratie, muss man wohl sagen. Sie waren es, die den Emprismus erfunden haben, der gewissermaßen bei ihrer Naturphilosophie stehenbleibt. Sogar bei vielen meiner englischen Freunde finde ich jederzeit die Spuren des Empirismus, Spuren die übrigens auch Schutzgeländer sind, und Erinnerungen an das Bestehen der Realität. Der Empirismus ist jene Überzeugung, dass die Welt das ist was sie ist und dass die Erfahrung der einzig mögliche Startpunkt ist für jede Transformation, da die Prinzipien schon immer in einer Außen- oder Ohnmachtsposition sind.
 
Die naive und natürliche Antwort von heute ist dass man fertig ist mit den Ideologien einer Veränderung der Welt. Man ist fertig mit den Ideen die vorgeben die Welt zu verbiegen. Ein englischer Rezensent sagte über meine Unternehmung, dass man in ihr "das fatale Spektrum der [https://fr.wikipedia.org/wiki/Waldemar_Gurian Ideokratie]" erkennt. Nicht Ideologie sondern ''Ideokratie'', die Herrschaft der Idee. Er hat völlig Recht, dieser Engländer. Den Engländern widerstrebte schon immer besonders die Ideokratie, muss man wohl sagen. Sie waren es, die den Emprismus erfunden haben, der gewissermaßen bei ihrer Naturphilosophie stehenbleibt. Sogar bei vielen meiner englischen Freunde finde ich jederzeit die Spuren des Empirismus, Spuren die übrigens auch Schutzgeländer sind, und Erinnerungen an das Bestehen der Realität. Der Empirismus ist jene Überzeugung, dass die Welt das ist was sie ist und dass die Erfahrung der einzig mögliche Startpunkt ist für jede Transformation, da die Prinzipien schon immer in einer Außen- oder Ohnmachtsposition sind.
  
Das ist der Gegensatz zwischen Descartes und Locke. Descartes ist der Mensch der denkt dass man alles bezweifeln kann, d.h. dass wir letztendlich gar keine Erfahrung als beglaubigenden Startpunkt brauchen, da sie zweifelhaft ist; man wird aus diesem Widerstandspunkt heraustreten und ihn auf jene Prinzipien wickeln, welche die rationalen Prinzipien sind. Auf der anderen Seite: Locke ist derjenige, für den die Erfahrung selbst das Alpha und Omega des Bewusstseins ist. Auf die Frage "Wie aus einem Wald herauskommen" sagt Descartes dass er nur geradeaus laufen muss, und dass man schlussendlich einen Ausgang finden wird, da kein Wald unendlich ist. Während der Empirist antwortet: Ja, aber wir könnten doch schauen wo die Sonne steht, sehen dass es auf dieser Seite Champignons gibt (was erlaubt uns zu ernähren) etc. Es ist der ewige Disput nicht der Philosophien, aber der fundamentalen Orientierungen des Denkens welche weit über ihre philosophische Formulierung hinausgehen. Ich bin überzeugt, dass es bei den Jägern des Neolithikums eine Opposition gab zwischen jenen die dachten dass man, um das Mammuth zu töten, eine Theorie des Mammuths haben muss, und jenen die dachten dass es genügt mit der Recherche aufzuhören und es zu töten. Und das ist es, was wir bis heute finden. Nehmen Sie Ehestreit: "Warum hast du das gemacht?" und der andere antwortet: "Es ist unbedeutend, verglichen mit dem was zählt, verglichen mit dem Prinzip unserer Liebe."   
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Das ist der Gegensatz zwischen Descartes und Locke <ref>Und in Wirklichkeit schon zwischen Platon und Aristoteles</ref>. Descartes ist der Mensch der denkt dass man alles bezweifeln kann, d.h. dass wir letztendlich gar keine Erfahrung als beglaubigenden Startpunkt brauchen, da sie zweifelhaft ist; man wird aus diesem Widerstandspunkt heraustreten und ihn auf jene Prinzipien wickeln, welche die rationalen Prinzipien sind. Auf der anderen Seite: Locke ist derjenige, für den die Erfahrung selbst das Alpha und Omega des Bewusstseins ist. Auf die Frage "Wie aus einem Wald herauskommen" sagt Descartes dass er nur geradeaus laufen muss, und dass man schlussendlich einen Ausgang finden wird, da kein Wald unendlich ist. Während der Empirist antwortet: Ja, aber wir könnten doch schauen wo die Sonne steht, sehen dass es auf dieser Seite Champignons gibt (was erlaubt uns zu ernähren) etc. Es ist der ewige Disput nicht der Philosophien, aber der fundamentalen Orientierungen des Denkens welche weit über ihre philosophische Formulierung hinausgehen. Ich bin überzeugt, dass es bei den Jägern des Neolithikums eine Opposition gab zwischen jenen die dachten dass man, um das Mammuth zu töten, eine Theorie des Mammuths haben muss, und jenen die dachten dass es genügt mit der Recherche aufzuhören und es zu töten <ref>todo</ref>. Und das ist es, was wir bis heute finden. Nehmen Sie Ehestreit: "Warum hast du das gemacht?" und der andere antwortet: "Es ist unbedeutend, verglichen mit dem was zählt, verglichen mit dem Prinzip unserer Liebe." <ref>Die revolutionäre Bewegung, sie auch, ist diese Sachen ganz und gar durchgegangen; es gibt Texte von Mao die Ausdruck gegen den Empirismus sind.</ref>  
  
 
Und dann gibt es die Forscher des Mittelweges, es gibt den tapferen Kant: weder reiner Dogmatismus, noch unordentlicher Empirismus, und man fährt geradeaus in Richtung Kritik ... das heißt meines Erachtens ... gegen die Wand. Die Wand der Kritik.
 
Und dann gibt es die Forscher des Mittelweges, es gibt den tapferen Kant: weder reiner Dogmatismus, noch unordentlicher Empirismus, und man fährt geradeaus in Richtung Kritik ... das heißt meines Erachtens ... gegen die Wand. Die Wand der Kritik.
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Man muss gut verstehen, dass es unausweichlich ist, die Welt so wie sie ist schlechtzumachen, ihr verwerfliches Dasein zu beweinen, andererseits ist es ein extremer Schwachpunkt, da diese Position nicht angeschlossen ist an einer grundsatztreuen festen Willenskraft <font color="blue">(une volonté [http://dictionnaire.reverso.net/francais-definition/principielle principielle] ferme)</font>. Angekommen bei solchen Prinzipien, wird man eine dem Epirismus als solchen entegegengesetzte Position annehmen. Das ist der Grund, warum der Philosoph sich in diese Angelegenheit einmischen kann. Denn er ist es nicht, der die ultimativen politischen Pfade vorschlagen wird, Philosophie und Politik fallen niemals zusammen; dafür kann der Philosoph die gegenwärtige subjektive Dimension innerhalb der Auswahlmöglichkeiten sowie die Gegner der wirklich anderen Orientierungen des Denkens beleuchten <font color="blue">(éclairer)</font>. Der ganze politische Konflikt hat tatsächlich einen fundamentalen und gleichzeitig unsichtbaren philosophischen Konflikt im Schlepptau <font color="blue">(draine derrière lui)</font>; einen Konflikt, den die Philosophie zu formalisieren und auszubuchstabieren <font color="blue">(déployer)</font> heute zur Aufgabe hat.
 
Man muss gut verstehen, dass es unausweichlich ist, die Welt so wie sie ist schlechtzumachen, ihr verwerfliches Dasein zu beweinen, andererseits ist es ein extremer Schwachpunkt, da diese Position nicht angeschlossen ist an einer grundsatztreuen festen Willenskraft <font color="blue">(une volonté [http://dictionnaire.reverso.net/francais-definition/principielle principielle] ferme)</font>. Angekommen bei solchen Prinzipien, wird man eine dem Epirismus als solchen entegegengesetzte Position annehmen. Das ist der Grund, warum der Philosoph sich in diese Angelegenheit einmischen kann. Denn er ist es nicht, der die ultimativen politischen Pfade vorschlagen wird, Philosophie und Politik fallen niemals zusammen; dafür kann der Philosoph die gegenwärtige subjektive Dimension innerhalb der Auswahlmöglichkeiten sowie die Gegner der wirklich anderen Orientierungen des Denkens beleuchten <font color="blue">(éclairer)</font>. Der ganze politische Konflikt hat tatsächlich einen fundamentalen und gleichzeitig unsichtbaren philosophischen Konflikt im Schlepptau <font color="blue">(draine derrière lui)</font>; einen Konflikt, den die Philosophie zu formalisieren und auszubuchstabieren <font color="blue">(déployer)</font> heute zur Aufgabe hat.
<font color="blue">tbc</font>
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Der Konflikt existiert insbesondere in jenen Situationen, welche die Prozeduren der Wahrheit einschließen denn es geht am Ende immer darum, ob es effektive Praktiken <font color="blue">(pratiques véritables)</font> in diesem oder jenen Feld gibt oder ob sie nicht möglich sind. Der Empirismus funktioniert durch die Erklärung, er habe die Kontrolle darüber was möglich und unmöglich ist und genau hierbei hat man nicht dieselbe Vision als wenn man bei den Prinzipien startet. Der wichtige Punkt, auf den wir zurückkommen werden, ist dass wir nicht dieselbe Idee des Möglichen haben als die Gegner. Aber das ist überhaupt nicht in der offiziellen politischen Öffentlichkeit eingebaut. Diese Öffentlichkeit berücksichtigt, dass man mit jedem darüber diskutieren kann was möglich und was unmöglich ist; dies ist während des Wahlkampfs deutlich zu sehen: "Jemand sagt Ihnen dass es möglich ist, aber ich sage Ihnen, dass es unmöglich ist" (oder umgekehrt). Der Empirismus bestimmt sich über eine wesentliche Verbindung des möglichen mit dem Gesetz der Welt: Es ist die Welt die bestimmt was möglich ist. In einer emanzipatorischen Auffassung gibt es dagegen immer einen Zeitpunkt in dem Sie verpflichtet sind zu sagen, dass das Mögliche sich aus einer aktiven Konfrontation zwischen dem Weltzustand und den Prinzipien ergibt, einen Zeitpunkt in dem Sie etwas für möglich erklären werden, das die Schwerkraft der Welt für unmöglich erklärt. "Die Welt verändern", wenn dieser Ausdruck einen Sinn hat, möchte sagen dass reale Veränderung auf einem Punkt des Unmöglichen beruht, der sich aber als möglich herausstellt in jenen Umständen, die immer Ausnahmeumstände sind.
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Ein Punkt auf den wir an zentraler Stelle zurückkommen werden ist, dass wenn Sie versuchen das Reale zu zwingen sich Ihrer Idee anzupassen <font color="blue">(s'approprier à votre idèe)</font> anstatt es die Haupttrends entlangfahren zu lassen <font color="blue">(le réel manœuvrer pour en suivre les tendances principales)</font>, haben wir, an unsere Zeitgenossen, ein Lösegeld für diese Verweigerung des Realen zu zahlen, und dieses Lösegeld ist das Entsetzen <font color="blue">(la terreur)</font>. Die Frage des Entsetzens ist, um die Wahrheit zu sagen, und aus sehr guten Gründen, das Hauptargument gegen die Ideen der Emanzipation heute, gegen die Formen die sie in der Erfahrung von Macht im letzten Jahrhundert angenommen haben. Es wurde ihnen entgegegengehalten, dass sie sich durch Entsetzen schlussendlich selbst nicht aufrechterhalten konnten und dass daher ihre eigene Stabilität künstlich war, was bewies, dass etwas vom Realen missbraucht oder gezwungen wurde, im Namen schlussendlich unvernünftiger Ideen, dessen Reales sich als terroristisch erwiesen hat.
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Ich möchte heute einige begriffliche Vokabeln in Erinnerung rufen, welche im letzten Jahr bereits vorgestellt wurden:
  
 
=== Welt ===
 
=== Welt ===
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Wir verstehen unter diesem Term nicht eine kosmische, natürliche Totalität, einen ''Kosmos''; es ist etwas, das weder unter das Eine (im Sinne dass die Welt eine Schöpfung wäre, eine Emanation des Einen), noch unter das Ganze (die "schöne Ganzheit") fällt; die Welt ist immer eine nicht-zusammengezählte Existenz <font color="blue">(une existence dé-totalisée)</font>. Halten wir fest, dass wir von der Welt eine a-kosmische Sicht haben.
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Die Welt ist außerdem kein Einschnitt <font color="blue">(les coupes)</font>, erzeugt in einem primordialen Chaos, was eine mögliche Deleuze'sche Sicht darauf ist, was eine Welt ist. Deleuze würde akzeptieren zu sagen, dass es keine Totalität der ordentlichen Rede <font color="blue">(totalité à proprement parler)</font> gibt, aber dass <font color="maroon">(1) es </font>eine formlose Einheit <font color="blue">(une unité informe)</font> gibt, chaotisch, ein Raum der primordialen Energie; und dass <font color="maroon">(2)</font> eine Welt die als solche einer Erfahrung, einem Wissen zugänglich ist, ist ein Schnitt in diesem Chaos. Das ist eine vitalistische Konzeption im weiten Sinne, das heißt dass es eine eindeutige, primordiale Einheit der Energie gibt, eine "schöpferische Energie", gemäß einem Ausdruck von Bergson. Eine Welt ist nicht diese Energie selbst, aber ein Schnitt, ein lokalisierbarer Anfang <font color="blue">(<font color="maroon">Spinoff</font> / retombee localisable)</font>, den diese Energie produziert. Das ist der Zweck der fundamentalen Unterscheidung bei Deleuze und bei Bergson zwischen dem Virtuellen und dem Aktuellen. Die Aktualisierung erzeugt Welt in einer chaotischen, virtuellen Energie die für sich selbst keine Welt ist.
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Schließlich ist eine Welt keine abgeschlossene identische Menge <font color="blue">(un ensemble identitaire fermé)</font> im Sinne des Kulturalismus, das heißt im Sinn unter dem man sagen würde dass jede Kultur, jede Sprache, eine Welt für sich selbst konstitutiert.
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Die Definition, die wir nun vorschschlagen werden, wäre negativ umschlossen von den Eigenschaften: A-kosmisch, "a-chaotisch", keine identische Mengen.
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Wir haben daher einen nicht-zusammengezählten Zusammenhang der Vielheiten welche, auf abstrakter ontologischer Ebene, auf der Ebene des Seins, sich extensional (oder quantitativ, aber "extensional" ist exakter) von einander unterscheiden: das bedeutet einfach dass die Vielheiten verschieden sind, wenn sie nicht die selben Elemente <font color="blue">(les mêmes éléments)</font> haben - und sie sind auch verschieden, wenn nur eines ihrer Elemente verschieden ist - das besagt auch: die Verschiedenheit ist lokalisierbar. Aber um eine Welt sein zu können, braucht man eine andere Sache als das Sein als Sein, und für diese andere Sache schlage ich vor zu sagen: Sie ist ein System der Auswertung der Identitäten und dessen Verschiedenheiten (genauer: dessen Grade <font color="blue">(degrés)</font>), die ich das Transzendental der Welt nenne. Man kann sagen, dass das Transzendental die qualitative Dimension der Welt ist <ref>Anmerkung Daniel Fischer (DF): Für eine genauer entwickelte Darstellung dieses Punkts, und besonders für eine formale Darstellung im Feld der mathematischen Theorie der Mengen: Vgl. [http://www.entretemps.asso.fr/Badiou/10-11.htm Seminar des Vorjahres (24.11.2010)] und ''Second Manifeste pour la philosophie'' p. 37sq. (éditions Fayard).</ref>.
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Die Welt ist sicher eine Dialektik des Quantitativen und des Qualitativen, gemäß einer alten Hegel'schen Intuition, und früher sicher genauso. Es ist eine Dialektik des Extensionalen und des Differenzialen. Aber es ist eine disjunkte Dialektik, sie ist keine Dialektik der Transformation des Quantitativen ins Qualitative: das Qualitative ereignet sich im Quantitativen, aber nicht, wie bei Hegel, als Resultat oder Transformation des Quantitativen.
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Wir werden auf diese Punkte zurückkommen; sie sind im Moment abstrakt, aber sehr wichtig für das Feld der Handlung.
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==== Das Sein ====
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Es ist die pure Vielheit, oder, die Metaphern von Sartre wieder aufgreifend, es ist der Unsinn der Zahl (Sartre sprach über die Dummheit des Seins an sich), abgesehen davon, dass die extensionalen Vielheiten weder unsinnig noch intelligent sind, sie sind ''das was es gibt''. "Das was es gibt" begnügt sich das zu sein was es gibt, und das was es gibt ist nicht die Welt, das was es gibt inkonsistiert <font color="blue">(inconsiste)</font>. Vom so konzipierten Sein (ziemlich intuitiv nach all dem) sehen Sie, dass es kein großes Ding zu erwarten gibt. In jedem Fall, dies ist nicht das Sein von Heidegger, das Sein als historisches Schicksal, welches macht dass wir Mit-Da-Seiende seiner Lichtung sind <font color="blue">(en co-présence de son éclaircie)</font>, etc. Die Ontologie von Heidegger versucht unmittelbar qualitativ zu sein, unmittelbar auf der Ebene einer denkenden Intensität welche ihr selbst mit-zugehört <font color="blue">(une intensité pensante qui lui co-appartient)</font>; Das Extensionale (das Seiende) gibt es aus Sicht von Heidegger nur, weil die Mit-Zugehörigkeit durchgestrichen wurde, weil das Sein vergessen wurde. Von daher kommt der nostalgische Charakter seiner Ontologie.
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Ich für meinen Teil schlage vor zu sagen dass das Sein eine gleichgültige Neutralität <font color="blue">(une neutralité indifférente)</font> ist, es ist das Es-gibt der reinen Vielheit <font color="blue">(c'est le il y a de la multiplicité pure)</font>. Im Gegensatz zu Sartre, für den das Sein eine undeutliche Massivität ist <font color="blue">(une massivité indistincte)</font>, denke ich dass das Sein gebildet wird durch eine Serie von Netzen extensionaler Vielheiten einer außergewöhnlichen Rafinesse <font color="blue">(une extraordinaire sophistication)</font> dessen Denken sich in der Mathematik findet, die diese Vielheiten zum Gegenstand hat.
  
 
=== Existenz ===
 
=== Existenz ===
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In einer bestimmten Welt wird man also die Art benennen unter der sich die reine Vielheit auf sich selbst bezieht, das heißt auf den Grad ihrer Selbstidentität <font color="blue">(degré d'identité à elle-même)</font> in dieser Welt, auf den Grad gemäß dem sie ''wirklich'' in dieser Welt ist. Beziehungsweise die Selbstidentität dieser Vielheit <font color="maroon">(kann)</font> hier groß, gehaltreich und massiv sein, und dort <font color="maroon">(kann)</font> sie verschwindend sein. Das enstrpicht den existentiellen Intuitionen welche unser aller Los sind: Wenn Sie an einem Ort sind, an dem Sie sich schwer langweilen, ein Wartezimmer oder eine schreckliche Familienversammlung zum Beispiel, und wo man Ihnen sagt "du sieht abwesend aus", eigentlich denken Sie an eine andere Sache, das heißt dass Sie Ihre Existenz in der in Frage stehenden Situation dämpfen, Sie sind dort recht wenig identisch mit Ihnen selbst. Man wird Ihnen außerdem sagen: "Du siehst aus, als bist du woanders"; tatsächlich, Sie sind nicht wirklich hier, das heißt dass die Fetzen Ihrer selbst, die hier sind, nicht die volle Identität Ihrer selbst repräsentieren. Das selbe Sein kann daher einen vollständig unterschiedlichen Grad an Selbstidentität haben je nach den weltlichen Kontexten in denen man sich befindet. Wenn man in verschiedenen Welten herumspaziert, was wir praktisch dauernd machen, verändert man den Grad seiner Existenz: lebhaft hier, kraftlos anderswo. Was herumwandert ist nicht dieselbe Existenz, es ist dasselbe Sein.
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Letztendlich kann jede reale Situation erwogen werden entweder aus der Sicht des Seins, das heißt aus der Sicht seiner ontologischen Allgemeinheit - sie ist dann tendenziell mathematisierbar - oder aus der Sicht der Gesetze der Welt, das heißt der Existenz.
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Was man Existentialismus nennt hat immer in gewisser Weise den Prozess der Ontologie angeleitet. Von diesem Standpunkt aus sind schlussendlich alle Psychoanalytiker, auch Lacan, Existentialisten. So gesehen ist der Traum für die Psychoanalyse eine abweichende Welt<font color="blue">(le rêve est une variation mondaine)</font>; Ihr schlafendes Sein, Ihre ruhende Vielheit, wenn ich so sagen darf, finden sich in jenen Welten wieder, die den Psychoanalytiker sehr betreffen, da er vielleicht dort sehen wird, was ihre existentiellen Fähigkeiten <font color="blue">(vos capacités existentielles)</font> sind, gemäß den verschiedenen Welten in denen Sie sich befinden. Daraufhin wird er versuchen auf die weltliche Herkunft Ihrer Existenz zurückzugehen. Die Schwierigkeit in der Psychoanalyse ist, wie diese Theorie der Existenz sich durch eine minimale Ontologie aufrecht erhalten lässt; das heißt: welcher Typus von Vielheit ist letztendlich relevant. Man weiß, dass Freud dies auf der Seite der Wissenschaften <font color="blue">(Freud l'a cherché du côté des sciences)</font> seiner Zeit (Biologie, Thermodynamik, ...) gesucht hat, und dass Lacan dies auf der Seite der sprachlichen Strukturen gesucht hat (der letzte ontologische Horizont für ihn ist das Bezeichnende <font color="blue">(le signifiant)</font>).
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Und dann gibt es die, welche zuerst die Ontologie befestigen wollen, und dann vom ontologischen Sockel aus fortschreiten, die Schemata der Existenz auf ihn aufzubauen. Aber diese Leute treffen unweigerlich, über die linke Flanke sozusagen, auf die Existentialisten-Ecke <font color="blue">(l'existentialiste du coin)</font> welche bei der Existenz beginnen muss. Diogenes erklärte: "Ich kenne das Pferd, aber nicht nicht die Pferdheit" und zielte damit auf Platon; Pascal zielt auf Descartes indem er sagt, dass es [http://books.google.ch/books?id=NijNtOPIyN0C&pg=PA145&lpg=PA145&dq=Pascal+Descartes+nutzlos&source=bl&ots=6Ry5hTpt1U&sig=0ajHR9BYPUiN0plxQdSs96KDR5g&hl=en&sa=X&ei=KZo2UPyFJKuL4gSepYDYDQ&ved=0CDIQ6AEwAA#v=onepage&q=Pascal%20Descartes%20nutzlos&f=false "nutzlos und ungewiss"] ist wenn Descartes nur über das Sein redet; für Pascal ist das Sein nicht interessant; es ist die Existenz welche zählt und woran sein Wohlergehen hängt (das Wohlergehen, um das sich das Sein nicht kümmert, geht einfach seinen Weg <font color="blue">(le salut poursuit simplement son bonhomme de chemin)</font>); das Sein beschäftigte Pascal als er Mathematik studierte, doch an dieser Stelle sagt er, dass er besser als Descartes ist. Und danach, klarerweise, sind es auch Kierkegaard und Hegel. Es ist in jedem Fall derselbe Disput.
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In Klammern gesagt: Es scheint dass all jene welche sich auf der Seite der Existenz befinden, wie Pascal, Kierkegaard, Nietzsche oder Wittgenstein, eine Mordsangst vor Frauen haben <font color="blue">(une terreur bleue des femmes)</font>. Muss man zugeben, dass es einen Geschlechterunterschied in der Philosophie gibt? Anthropologisch müssen die Frauen selbstverständlich die gleichen Rechte haben und sie müssen frei sein etc. Aber es gibt in der Philosophie de facto zwei antagonistische Konzeptionen des Weiblichen.<ref>Konzeptionen werden im Allgemeinen von Männern produziert. Freud sagte dass die Macht der Frauen davon kommt, dass man niemals genau wusste was sie sind, weil sie es nie sagen.</ref>
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* Zum Einen verkörpert die Frau die Existenz in ihrer absoluten Singularität noch vor der Allgemeinheit des Seins, was der Grund ist warum sie sich nie in ein System <font color="blue">(un dispositif)</font> integriert dessen Sicherheit ontologisch wäre. [http://www.marxists.org/deutsch/philosophie/hegel/phaenom/kap6.htm Wie Hegel sagte]: Die Frauen sind "die Ironie des Gemeinwesens"<ref><font color="maroon">Hegel länger zitiert (Markierungen von A.K.): "Indem das Gemeinwesen sich nur durch die Störung der Familienglückseligkeit und die Auflösung des Selbstbewußtseins in das allgemeine sein Bestehen gibt, erzeugt es sich an dem, was es unterdrückt und was ihm zugleich wesentlich ist, an der Weiblichkeit überhaupt seinen innern Feind. ''Diese – die ewige Ironie des Gemeinwesens – verändert durch die Intrige den allgemeinen Zweck der Regierung in einen Privatzweck, verwandelt ihre allgemeine Tätigkeit in ein Werk dieses bestimmten Individuums, und verkehrt das allgemeine Eigentum des Staats zu einem Besitz und Putz der Familie. Sie macht hiedurch die ernsthafte Weisheit des reifen Alters, das, der Einzelnheit – der Lust und dem Genusse, sowie der wirklichen Tätigkeit – abgestorben, nur das Allgemeine denkt und besorgt, zum Spotte für den Mutwillen der unreifen Jugend'', und zur Verachtung für ihren Enthusiasmus; erhebt überhaupt die Kraft der Jugend zum Geltenden – des Sohnes, an dem die Mutter ihren Herrn geboren, des Bruders, an dem die Schwester den Mann als ihresgleichen hat, des Jünglings, durch den die Tochter ihrer Unselbstständigkeit entnommen, den Genuß und die Würde der Frauenschaft erlangt. – Das Gemeinwesen kann sich aber nur durch Unterdrückung dieses Geistes der Einzelnheit erhalten, und, weil er wesentliches Moment ist, erzeugt es ihn zwar ebenso, und zwar durch die unterdrückende Haltung gegen denselben als ein feindseliges Prinzip. Dieses würde jedoch, da es vom allgemeinen Zwecke sich trennend, nur böse und in sich nichtig ist, nichts vermögen, wenn nicht das Gemeinwesen selbst die Kraft der Jugend, die Männlichkeit, welche nicht reif noch innerhalb der Einzelnheit steht, als die Kraft des Ganzen anerkannte."</font></ref>, ihre Existenz spricht zu den fest vernetzten Männern in einem beliebigen Zusammenschluss <font color="blue">(Leur existence vient toujours dire aux hommes solidement rassemblés dans un regroupement quelconque)</font>... nun, ihre Rede tut es nicht <font color="blue">(leur dire qu'elles n'en sont pas)</font>. Der in Frage stehende Zusammenschluss ist daher keine große Sache, am Ende des Tages <font color="blue">(à la fin de fins)</font>. Das so beschriebene Weibliche als Widerrede davon, dass die Existenz dem Sein entgegensteht, ist eine Ausnahme <font color="blue">(une exception)</font>. In diesem Sinne und in dieser Konzeption, ist es unbestreitbar dass es in der Bande jener Existenzialisten, von denen ich vorhin erzählt habe, etwas Weibliches gibt.
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* In der anderen Konzeption repräsentiert die Frau die Ernsthaftigkeit des Seins <font color="blue">(le sérieux de l'être)</font>, und es ist der Mann, von der kindischen Art durch die existentiellen Dispute zerstreut, der durch das Weibliche an das Fundamentale erinnert ist, an die Bestimmung der Menschheit als solcher. Die Frau hätte in diesem Sinne ein Verhältnis zum Göttlichen, zum Heiligen, wesentlicher als der Mann. Das ist [http://www.werhatdasgesagt.de/literatur-zitate/johann-wolfgang-von-goethe-zitate/faust/das-ewig-weibliche-zieht-uns-hinan/ die Formel von Goethe]: "Das Ewig-Weibliche, Zieht uns hinan"<ref>Es ist bemerkenswert dass man von Shakespeare bis Claudel, und in Wirklichkeit während der ganzen Geschichte der Kunst, diese Unsicherheit über das Weibliche findet - nämlich die Frage, welchen Typ von Wahrheit es repräsentiert.</ref><ref><font color="maroon">Das Zitat stammt aus [https://de.wikisource.org/wiki/Faust_-_Der_Trag%C3%B6die_zweiter_Teil Faust 2], der mit folgenden Worten schließt: <pre>Alles Vergängliche
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Ist nur ein Gleichniß;
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Das Unzulängliche
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Hier wird’s Ereigniß;
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Das Unbeschreibliche
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Hier ist es gethan;
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Das Ewig-Weibliche
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Zieht uns hinan.</pre></font></ref>.
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Die Frage ist wie das Sein ans Licht gebracht <font color="blue">(l'être est révélé)</font> oder verborgen wird <font color="blue">(dissimulé)</font>, über die Formeln der Existenz. Denn die Neutralität der Vielheit ''erscheint'' in einer bestimmten Welt.
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Das Problem der Veränderung ist zugleich <font color="maroon">(1)</font> dasjenige des Auftriebs aus dem Sein an die Oberfläche der Erscheinung <font color="blue">(une montée de l'être à la surface de l'apparaître)</font> ( das heißt Veränderung ist das Problem des Moments an dem das Spiel der Existenz die egalitäre Neutralität des Seins an einer Stelle nicht mehr verbergen kann) und <font color="maroon">(2)</font> ausgehend von dieser Stelle auch dasjenige der Rekomposition der Existenz in einer Verteilung komplett unterschiedlicher Intensitäten.
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Nehmen wir das abgedroschene Beispiel einer Liebesbegegnung, das als ein existentielles Ereignis angesehen wird - wenn die Liebe die Existenz durchdringt <font color="blue">(l'amour transperce l'existence)</font>.
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Sie haben einerseits eine Beschlagnahmung des ganzen Seins <font color="blue">(une réquisition de l'être tout entier)</font>; weil jemanden lieben heißt zu akzeptieren dass sein ganzes Sein, sein gewissermaßen unerforschtes Sein in Ihr Leben kommt. Man kann daher sagen: Es handelt sich um einen Auftrieb aus dem Sein in die Existenz, in das Schema der Anerkennung und in das Schema der Adoption des Seins des Anderen durch Ihr eigenes Innenleben <font color="blue">(une montée de l'être dans l'existence dans la figure de la reconnaissance et de l'adoption à l'intérieur de votre propre vie de l'être de l'autre)</font>. Wenn Sie das Sein des Anderen nicht akzeptieren aber nur seine existenziellen Prädikate, dann ist das nicht Liebe, es ist zu sehr ausgehandelt <font color="blue">c'est trop négocié)</font>; es gibt in der Liebe einen wichtigen Teil der unbekannten Neutralität, der inkorporiert ist, und den Sie Stück für Stück entdecken werden - mit großer Mühe...
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Aber andererseits können Sie Liebe auch mit Hilfe ihrer Konsequenzen und ihrer Entwicklungen beschreiben, wie eine Mutation der Existenz: Sie werden sich in der Welt gemäß einem Schema entwickeln, das nicht mehr dasselbe ist wie vorher; Sie berücksichtigen jemand Anderen, dessen Sein Sie annehmen <font color="blue">(vous assumez)</font>.
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Das Problem der realen Veränderung ist, dass man einerseits einen "ontologischen Auftrieb" einräumen muss, so etwas wie eine Enthüllung des Seins <font color="blue">(une révélation de l'être)</font> innerhalb etwas, das ein Defizit der Existenz <font color="blue">(un découvert de l'existence)</font> ist, es ist aber auch, von diesem Punkt aus, eine Intensivierung der Existenz selbst in neuen Modalitäten.
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Es ist daher richtig, dass jede wahre Veränderung zugleich extensional und differenziell, quantitiv und qualitiv ist. Und dies, ohne dass die Qualität aus der Quantität entspringt; beide bleiben unverbunden. Die Schwierigkeit der Veränderung gleicht einerseits einer Erweiterung des Quantitativen und einem Auftrieb an die Oberfläche des Seins selbst als Vielheit, und andererseits einer Neuverteilung der existenziellen Intensitäten. Wir haben eine Nebenläufigkeit, weil wir nicht in einer Dialektik sind, in der das Eine das Andere nach sich zieht.
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Bei den politischen Ereignissen ist die Zahl ganz sicher ein wichtiger Parameter: eine Million Personen auf einem Platz versammelt, das ist nicht dasselbe wie wenn dort vier versammelt sind; man wird sich übrigens nicht zufrieden geben mit ''der Existenz'' und einfach sagen, dass eine bestimmte Zahl von Leuten dort versammelt ist; die ganze Welt wird schließen, dass etwas vom populären ''Sein'' präsent ist <font color="blue">(quelque chose de l'être populaire est présent)</font>; man wird sagen: Das ägyptische Volk ist dort, was besagt: es ist dort ''mit seinem Sein präsent''. Es ist als ob das Sein Ägyptens, oder das menschliche Sein <font color="blue">(l'être humain)</font>, es ist nicht ganz klar <font color="maroon">(was)</font>, jedenfalls etwas vom kollektiven Sein, die gewöhnliche Existenz durchdrungen hat. Und die Leute leben so, als ob die gewöhnliche Existenz abgesetzt worden war <font color="blue">(avait été déposée)</font>. Es ist daher als ob das Sein die alten Modi der Existenz disqualifizierte und als ob die reine Vielheit Vergeltung an dem Transzendentalen übte. Aus der Sicht des Transzendentalen sind diese versammelten Leute nichts als reine Vielheit; deshalb nennt man sie ''die Massen''. Aber die Massen sind das kollektive Sein. Es ist nicht einfach das Sein als kollektive Trägheit, aber das Sein bringt zum Ausdruck, dass die alte Existenz längst vorbei ist, es ist das Sein das Gericht führt über die Existenz.
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Der andere Aspekt über diese Sache ist welche neuen qualitativen Schemata plötzlich aus dieser Aufweisung des Seins <font color="blue">(monstration de l'être)</font> hervorkommen werden. Und da wird es so sein wie man sagt: Die Spruchbänder/Transparente, die Wortfolgen, die Versammlungen, etc. Das heißt die neuen Schemata der Erscheinung der Existenz werden es so einrichten dass der Auftrieb des Seins auch eine Mutation der Existenz ist. Die Zufriedenheit  solche Ereignisse zu sehen, ''die Zufriedenheit das Sein zu sehen'' (denn dies ist nicht so häufig) - Sichtbarkeit als Person, das betone ich hier ohne es zu bestreiten <font color="blue">(visibilité que personne, j'y insiste, ne nie)</font> - ist nur bedeutungsvoll als Träger einer Rekomposition der Existenz. Weil sich an einem bestimmten Moment das Sein das sich zeigte, nicht mehr zeigen wird, wird man allmählich nach Hause zurückkehren. Aber kann sich ein populäres Ereignis dieser Art zufrieden geben mit einem Sein das ich ''ontologische Veranstaltung'' <font color="blue">(fête ontologique)</font> nennen werde? Man wird sagen müssen, dass auch eine existenzielle Transformation auf dem Spiel steht, das heißt eine Veränderung der Welt. Dort wo das Extensionelle wie eine Veranstaltung des Seins war, muss auch das Differnzial wie eine Neugestaltung der Existenz herbeikommen. Innerhalb dieser Verbindung wird sich die Zukunft der ontologischen Aufweisung abspielen; und dies ist das Politische. Es wird die ganze Welt behandeln müssen und nicht nur die die da sind (waren) - schlussendlich eine kleine Minderheit, auch wenn es eine Million waren. Für die ganze Welt: Für die Freunde, die Feinde, die Neutralen, die Gleichgültigen ...
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Es gibt einen Satz von Heraklit den ich immer großartig gefunden habe: "Man muss auch an diejenigen denken, die vergessen wo der Weg hinführt". ''Man muss'' (das ist eine Pflicht) ''an diejenigen denken'' (der Zeit das was stattfand überbringen <font color="blue">(porter dans le temps ce qui a eu lieu)</font>) ''die vergessen wo der Weg hinführt'' (denn nach der Veranstaltung gibt es auch einen Weg, einen Weg der gleichartig zur Veranstaltung sein muss, ein Weg der Treue <font color="blue">(un chemin fidèle)</font>, den Sie nur finden wenn Sie an diejenigen denken die nicht wissen dass es einen gibt).
  
 
== 7. Dezember 2011 ==
 
== 7. Dezember 2011 ==
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<font color="maroon">todo ...</font>
  
todo ...
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== Fußnoten ==
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Aktuelle Version vom 9. September 2012, 23:04 Uhr

Die folgende Übersetzung basiert auf den Notizen von Daniel Fischer zu einem Seminar von Alain Badiou mit dem Titel Que signifie « changer le monde » ? (Was bedeutet "die Welt verändern"?). Das Seminar fand an der École normale supérieure in Paris zwischen 2011 und 2012 statt. Es ist die Fortsetzung des gleichnamigen Seminars im vorhergehenden Studienjahr 2010-2011. Übersetzungsfehler gehen zu Lasten des Übersetzers. Auf der Diskussionsseite finden sich Anmerkungen sowohl bzgl. Übersetzung als auch Auseinandersetzungen mit dem Übersetzten. Korrekturlesungen und Kollaborationen sind erwünscht.

  • Im Text sind Ausschnitte aus dem französischen Original blau markiert, entweder weil der Term schwer zu übersetzen ist, oder weil er für mich schwer zu übersetzen ist, und daher in beiden Fällen zur Verdeutlichung dient und zur Ermutigung, eine geeignete Übersetzung zu finden.
  • Die Farbe Maroni wird bei Anmerkungen oder Ergänzungen des Übersetzers verwendet, die keine direkte Entsprechung im Original haben, jedoch zur Verdeutlichung der Satzaussage dienen oder die Lesbarkeit erhöhen.

--Andyk 20:00, 1. Aug. 2012 (CEST)


Was bedeutet "die Welt verändern?" (2011-2012)

Argument

Der Ausdruck "die Welt verändern" hat schon eine ziemlich lange Geschichte. Im 19. Jahrhundert wurde unter der Dominanz der Geschichtsphilosophie verkündet, dass Veränderung eine kontinuierliche Fortsetzung des Fortschritts sei. Im 20. Jahrhundert hat sich dies - unter der Dominanz der Prometheus-artigen politischen Projekte - gedreht in Richtung eines Bruchs, einer radikalen Innovation, einer Avant-garde und der Konstruktion eines Staates, der verantwortlich wäre für die schnellere Verkörperung einer Idee, welche nicht davon ablässt, dass eine neue Welt sowohl möglich als auch nötig ist.

Heute sehen wir gut, dass man die Frage nach wirklicher Veränderung wieder ganz aufnehmen muss, jenseits der folgenden Antionomie: entweder totaler Bruch, was der Erzeugung eines "neuen Menschen" entspricht oder installierte Kontinuität (Kapitalo-Parlamentarismus) der ständigen Innovation, welche nichts weiter ist als der Beweis für niedergehende Obsoleszenz, die vorher hergestellt wurde.

Es muss für jeden Akteur der Veränderung ein möglicher Indikator seiner Handlung existieren, eine Invarianz welche erlaubt zu sagen, dass Veränderung real ist für ein Subjekt. Dies erfordert, dass das Subjekt beides ist: Prinzip der Bewegung und ausreichend unbeweglich um Realität und Ziel (der Veränderung) behaupten zu können. Wir haben im letzten Jahr gesehen, dass das Problem dasjenige des subjektiven Ortes ist, von wo aus - in einer subtilen Dialektik der Immanenz und des Entzugs - begreifbar wird, dass es sich um eine orientierte Veränderung handelt. Wir hatten die Möglichkeit uns der Schule der "arabischen Revolution" stellen zu können, dessen Prozess noch lange nicht abgeschlossen ist. Wir haben zuerst die notwendigen Konzepte eingeführt um das zu denken, was eine "Welt" ist, sowie die Operatoren ihrer Veränderung. Wir haben Hindernisse gefunden, darunter auf eine Identität bezogene Hindernisse (staatliche Fiktionen, trennende Bezeichnungen (noms séparateurs), ...). Diese ganze Arbeit hat uns erlaubt bei einer provisorischen Definition darüber anzukommen, was eine politische Wahrheit ist, das heißt ein Orientierungsprinzip der realen Veränderung in der Geschichte des Kollektiv-Menschlichen: Eine politische Wahrheit ist das organisierte Produkt eines gewaltigen populären Ereignisses bei dem Kontraktion, Intensivierung und Lokalisation ein vom Staat bereitgestelltes fiktives Identifikationsobjekt, und die damit einhergehenden trennenden Bezeichnungen, ersetzen durch die reale Präsentation einer generischen Kraft der Vielheit.

Diese Definition von der wir den Sinn wiederholen werden, wird uns dieses Jahr als Startpunkt dienen, um unsere Untersuchung zu erweitern und auf strikte Art auf die Anfangsfrage zu antworten: Kann man eine Veränderung der Welt identifizieren und auf ihren Anfang hinarbeiten?

9. November 2011

Diese Frage - was bedeutet der Ausdruck "die Welt verändern"? - zieht Bilanz aus einer langen Periode, in der die Idee einer Veränderung der Welt als eine leicht kriminelle Utopie betrachtet wurde. Diese Idee würde die Realitäten der Welt (des réalités du monde) nicht berücksichtigen, nicht ihre Trägheit, nicht ihre Widerstände gegen die Veränderung der invariablen menschlichen Natur, gegeben seine Interessen, etc.

Es ist eine polemische Frage, da sie versucht die Frage anders, im Grunde als Frage der Resignation aufzufassen: Resignieren wir nicht an den prinzipiellen Formen der gegenwärtigen Welt, dem Erdrutschsieg des globalen Kapitalismus, welche grob gesagt eine untersagte Negation des Realen an den Ideen (un interdit opposé par le réel aux idées) des 19. und 20. Jahrhunderts bedeuten? Erfordert das nicht eine Transformation der Welt, eventuell gemäß bestimmten Prinzipien? Die konservative Idee ist die Idee, daß sich die Welt nicht nach Prinzipien beugen lässt, dass die Welt eine Art intrinsischen Widerstand hat bei dem wir anfangen müssen, dass man der Welt eine andere Richtung geben kann (on peut l'infléchir), aber dass ihr Gesetz nicht unterbrochen oder radikal modifiziert werden kann.

Die naive und natürliche Antwort von heute ist dass man fertig ist mit den Ideologien einer Veränderung der Welt. Man ist fertig mit den Ideen die vorgeben die Welt zu verbiegen. Ein englischer Rezensent sagte über meine Unternehmung, dass man in ihr "das fatale Spektrum der Ideokratie" erkennt. Nicht Ideologie sondern Ideokratie, die Herrschaft der Idee. Er hat völlig Recht, dieser Engländer. Den Engländern widerstrebte schon immer besonders die Ideokratie, muss man wohl sagen. Sie waren es, die den Emprismus erfunden haben, der gewissermaßen bei ihrer Naturphilosophie stehenbleibt. Sogar bei vielen meiner englischen Freunde finde ich jederzeit die Spuren des Empirismus, Spuren die übrigens auch Schutzgeländer sind, und Erinnerungen an das Bestehen der Realität. Der Empirismus ist jene Überzeugung, dass die Welt das ist was sie ist und dass die Erfahrung der einzig mögliche Startpunkt ist für jede Transformation, da die Prinzipien schon immer in einer Außen- oder Ohnmachtsposition sind.

Das ist der Gegensatz zwischen Descartes und Locke [1]. Descartes ist der Mensch der denkt dass man alles bezweifeln kann, d.h. dass wir letztendlich gar keine Erfahrung als beglaubigenden Startpunkt brauchen, da sie zweifelhaft ist; man wird aus diesem Widerstandspunkt heraustreten und ihn auf jene Prinzipien wickeln, welche die rationalen Prinzipien sind. Auf der anderen Seite: Locke ist derjenige, für den die Erfahrung selbst das Alpha und Omega des Bewusstseins ist. Auf die Frage "Wie aus einem Wald herauskommen" sagt Descartes dass er nur geradeaus laufen muss, und dass man schlussendlich einen Ausgang finden wird, da kein Wald unendlich ist. Während der Empirist antwortet: Ja, aber wir könnten doch schauen wo die Sonne steht, sehen dass es auf dieser Seite Champignons gibt (was erlaubt uns zu ernähren) etc. Es ist der ewige Disput nicht der Philosophien, aber der fundamentalen Orientierungen des Denkens welche weit über ihre philosophische Formulierung hinausgehen. Ich bin überzeugt, dass es bei den Jägern des Neolithikums eine Opposition gab zwischen jenen die dachten dass man, um das Mammuth zu töten, eine Theorie des Mammuths haben muss, und jenen die dachten dass es genügt mit der Recherche aufzuhören und es zu töten [2]. Und das ist es, was wir bis heute finden. Nehmen Sie Ehestreit: "Warum hast du das gemacht?" und der andere antwortet: "Es ist unbedeutend, verglichen mit dem was zählt, verglichen mit dem Prinzip unserer Liebe." [3]

Und dann gibt es die Forscher des Mittelweges, es gibt den tapferen Kant: weder reiner Dogmatismus, noch unordentlicher Empirismus, und man fährt geradeaus in Richtung Kritik ... das heißt meines Erachtens ... gegen die Wand. Die Wand der Kritik.

Heutzutage gibt es einen Triumph des Empirismus. Descartes ist am Boden, Lockes regiert. Der Sieg des Empirismus ist selbstverständlich der Umstand dass die ganze Argumentation, welche überzeugend sein will, aus Zwängen besteht. Von ihnen (den Zwängen) müssen wir uns verabschieden. Die Argumentation ist kein Fall einer prinzipientreuen Aktivität; das besagt nicht, dass wir den Zwang ignorieren, aber der Startpunkt ist das Gesetz das man sich gibt bezüglich dem was man will, was man sich wünscht, etc. Daher hören unsere Regierenden nicht auf, ein Sträfling des Zwangs zu sein: Das einzig Mögliche ist: sich dem Zwang zu unterwerfen (filer doux sous la contrainte). Andernfalls, was würde aus uns? Die Griechen. Sie sträubten sich dem Zwang, seit dem 4. Jahrhundert v.Chr. sind sie die Faulenzer, sie zahlen keine Abgaben, sie machen es sich einfach und sie leben auf den Ruinen ihrer Tempel, mit ihren Ziegen, auf der Erde sitzend... so sah man das, besonders seit Königsberg. Die zeitgenössische Form des Zwangs ist: "Sie werden doch nicht die Lebensweise der Griechen (être de Grecs) akzeptieren?"; Das ist eine Art zu sagen, dass man sich den Realitäten stellen muss...

Sie merken, dass dieser Zwang der Realität sich nicht besiegen lässt durch eine Beschreibung dieser Realität. Das ist eine sehr wichtige Lektion. Nahezu die ganze Welt, außer selbstverständlich ein paar Banker und Politiker, denkt dass der Verlauf des Finanzkapitals durch die Profitlaunen den Alltag einer beträchtlichen Anzahl von Menschen stört, sowie nahezu die ganze Welt denkt dass das miserabel ist. Es ist nicht sehr vernünftig, dass jene die gearbeitet haben mit leeren Händen dastehen (se trouve à la porte, sans rien), weil irgendwo eine Marionette (un loufiat) spekulative Produkte an Menschen verkauft hat die kein Geld hatten. Weil das der Grund von Allem ist, muss man zum Startpunkt zurückkehren. Realität der Realität, das ist wiederum Realität. Und diese Situation wird beschrieben - von vielen ehrlichen Ökonomen und durch jene Journalisten, die es schaffen keine Schuhputzer der Obrigkeit zu sein (es gibt etliche). Es ist also bekannt. Aber die Tatsache dass der Zwang, auch wenn bekannt und beschrieben, keinen echten Einhalt gebietet (la contrainte soit décrite et connue ne constitue pas un frein véritable), gehört unweigerlich zum Zwang selbst. Der Zwang wird als widerlich empfunden, aber damit es besser wird, muss man sich ihm unterziehen. Die Beschreibung des Zwangs entwickelt sich sogar zu einem Grund, warum man sich ihm unterziehen muss. Es ist als musste man noch eins draufsetzen: Wir mussten Teilnehmer dieser Niedertracht auf ganzer Linie (infamie générale) werden, um die Emotionen der Banker und die Totengräber-Mechanismen des Marktes genau zu verstehen, um innerhalb des Ganzen zu sein; und dann erst werden wir verstehen dass es vollkommen lebenswichtig ist, viel mehr zu arbeiten und viel weniger zu verdienen, dass wir hier und da zwangsentlassen werden, dass wir das Land an die Freibeuter verkaufen etc. Wir werden dort hin kommen, mit Blumen im Gewehr, wie die Menschen, die in den ersten Weltkrieg zogen.

Das ist kein absurder Vergleich. Zunächst, weil uns ein Krieg drohen kann, denn genau dazu haben in der Vergangenheit Veränderungen diesen Ausmaßes letzten Endes geführt. Weiters, weil der Anlass weshalb die Menschen mit einer Blume im Gewehrslauf in den ersten Weltkrieg zogen ist, dass sie aktiv beteiligt waren am imperialen und nationalen Zwang. Man hatte sie hinters Licht geführt indem man ihnen sagte, das Überleben und die Ehre Frankreichs und seines Imperiums erforderten es, bis in den Tod zu gehen. Sicherlich ist es heute schwieriger zu sagen, dass man für die Staatsfinanzen bis in den Tod gehen muss, aber die Domäne ist die gleiche.

Man stellt sich einer Orientierung des Denkens nicht entgegen, wenn man ihre Axiome teilt. Für eine andere Orientierung kann man nur Prinzipien angeben in dessen Namen man diese unheilvolle Welt beurteilt (les principes au nom desquels on juge ce monde néfaste). Derjenige, der das Gesetz auf seiner Seite hat, nimmt die Welt wie sie ist. Die Tatsache dass er den positiven Verlauf der Welt geltend macht, gibt ihm seine Stärke. Das ist es, was ihm erlaubt den Konsens herzustellen - im Kontext des imperialistischen Krieges im Jahre '14, im Kontext der Rettung des Finanzsystems heute. Derjenige, der den negativen Verlauf der Welt geltend macht ist schwach; man kann nicht stark sein, von dem anderen Standpunkt des reinen und einfachen Fortbestands der Welt betrachtet. Die Frage des "Weltenwandels" ist daher im Wesentlichen keine Frage der Analyse der Welt und der verärgerten Beurteilung die wir möglicherweise haben. Es ist eine Frage die definitiv auf eine Opposition hinausläuft zwischen einem Denken das seinen Startpunkt bei den Prinzipien hat und einem Denken das seinen Startpunkt bei der Realität hat.

Man muss gut verstehen, dass es unausweichlich ist, die Welt so wie sie ist schlechtzumachen, ihr verwerfliches Dasein zu beweinen, andererseits ist es ein extremer Schwachpunkt, da diese Position nicht angeschlossen ist an einer grundsatztreuen festen Willenskraft (une volonté principielle ferme). Angekommen bei solchen Prinzipien, wird man eine dem Epirismus als solchen entegegengesetzte Position annehmen. Das ist der Grund, warum der Philosoph sich in diese Angelegenheit einmischen kann. Denn er ist es nicht, der die ultimativen politischen Pfade vorschlagen wird, Philosophie und Politik fallen niemals zusammen; dafür kann der Philosoph die gegenwärtige subjektive Dimension innerhalb der Auswahlmöglichkeiten sowie die Gegner der wirklich anderen Orientierungen des Denkens beleuchten (éclairer). Der ganze politische Konflikt hat tatsächlich einen fundamentalen und gleichzeitig unsichtbaren philosophischen Konflikt im Schlepptau (draine derrière lui); einen Konflikt, den die Philosophie zu formalisieren und auszubuchstabieren (déployer) heute zur Aufgabe hat.

Der Konflikt existiert insbesondere in jenen Situationen, welche die Prozeduren der Wahrheit einschließen denn es geht am Ende immer darum, ob es effektive Praktiken (pratiques véritables) in diesem oder jenen Feld gibt oder ob sie nicht möglich sind. Der Empirismus funktioniert durch die Erklärung, er habe die Kontrolle darüber was möglich und unmöglich ist und genau hierbei hat man nicht dieselbe Vision als wenn man bei den Prinzipien startet. Der wichtige Punkt, auf den wir zurückkommen werden, ist dass wir nicht dieselbe Idee des Möglichen haben als die Gegner. Aber das ist überhaupt nicht in der offiziellen politischen Öffentlichkeit eingebaut. Diese Öffentlichkeit berücksichtigt, dass man mit jedem darüber diskutieren kann was möglich und was unmöglich ist; dies ist während des Wahlkampfs deutlich zu sehen: "Jemand sagt Ihnen dass es möglich ist, aber ich sage Ihnen, dass es unmöglich ist" (oder umgekehrt). Der Empirismus bestimmt sich über eine wesentliche Verbindung des möglichen mit dem Gesetz der Welt: Es ist die Welt die bestimmt was möglich ist. In einer emanzipatorischen Auffassung gibt es dagegen immer einen Zeitpunkt in dem Sie verpflichtet sind zu sagen, dass das Mögliche sich aus einer aktiven Konfrontation zwischen dem Weltzustand und den Prinzipien ergibt, einen Zeitpunkt in dem Sie etwas für möglich erklären werden, das die Schwerkraft der Welt für unmöglich erklärt. "Die Welt verändern", wenn dieser Ausdruck einen Sinn hat, möchte sagen dass reale Veränderung auf einem Punkt des Unmöglichen beruht, der sich aber als möglich herausstellt in jenen Umständen, die immer Ausnahmeumstände sind.

Ein Punkt auf den wir an zentraler Stelle zurückkommen werden ist, dass wenn Sie versuchen das Reale zu zwingen sich Ihrer Idee anzupassen (s'approprier à votre idèe) anstatt es die Haupttrends entlangfahren zu lassen (le réel manœuvrer pour en suivre les tendances principales), haben wir, an unsere Zeitgenossen, ein Lösegeld für diese Verweigerung des Realen zu zahlen, und dieses Lösegeld ist das Entsetzen (la terreur). Die Frage des Entsetzens ist, um die Wahrheit zu sagen, und aus sehr guten Gründen, das Hauptargument gegen die Ideen der Emanzipation heute, gegen die Formen die sie in der Erfahrung von Macht im letzten Jahrhundert angenommen haben. Es wurde ihnen entgegegengehalten, dass sie sich durch Entsetzen schlussendlich selbst nicht aufrechterhalten konnten und dass daher ihre eigene Stabilität künstlich war, was bewies, dass etwas vom Realen missbraucht oder gezwungen wurde, im Namen schlussendlich unvernünftiger Ideen, dessen Reales sich als terroristisch erwiesen hat.

*

Ich möchte heute einige begriffliche Vokabeln in Erinnerung rufen, welche im letzten Jahr bereits vorgestellt wurden:

Welt

Wir verstehen unter diesem Term nicht eine kosmische, natürliche Totalität, einen Kosmos; es ist etwas, das weder unter das Eine (im Sinne dass die Welt eine Schöpfung wäre, eine Emanation des Einen), noch unter das Ganze (die "schöne Ganzheit") fällt; die Welt ist immer eine nicht-zusammengezählte Existenz (une existence dé-totalisée). Halten wir fest, dass wir von der Welt eine a-kosmische Sicht haben.

Die Welt ist außerdem kein Einschnitt (les coupes), erzeugt in einem primordialen Chaos, was eine mögliche Deleuze'sche Sicht darauf ist, was eine Welt ist. Deleuze würde akzeptieren zu sagen, dass es keine Totalität der ordentlichen Rede (totalité à proprement parler) gibt, aber dass (1) es eine formlose Einheit (une unité informe) gibt, chaotisch, ein Raum der primordialen Energie; und dass (2) eine Welt die als solche einer Erfahrung, einem Wissen zugänglich ist, ist ein Schnitt in diesem Chaos. Das ist eine vitalistische Konzeption im weiten Sinne, das heißt dass es eine eindeutige, primordiale Einheit der Energie gibt, eine "schöpferische Energie", gemäß einem Ausdruck von Bergson. Eine Welt ist nicht diese Energie selbst, aber ein Schnitt, ein lokalisierbarer Anfang (Spinoff / retombee localisable), den diese Energie produziert. Das ist der Zweck der fundamentalen Unterscheidung bei Deleuze und bei Bergson zwischen dem Virtuellen und dem Aktuellen. Die Aktualisierung erzeugt Welt in einer chaotischen, virtuellen Energie die für sich selbst keine Welt ist.

Schließlich ist eine Welt keine abgeschlossene identische Menge (un ensemble identitaire fermé) im Sinne des Kulturalismus, das heißt im Sinn unter dem man sagen würde dass jede Kultur, jede Sprache, eine Welt für sich selbst konstitutiert.

Die Definition, die wir nun vorschschlagen werden, wäre negativ umschlossen von den Eigenschaften: A-kosmisch, "a-chaotisch", keine identische Mengen.

Wir haben daher einen nicht-zusammengezählten Zusammenhang der Vielheiten welche, auf abstrakter ontologischer Ebene, auf der Ebene des Seins, sich extensional (oder quantitativ, aber "extensional" ist exakter) von einander unterscheiden: das bedeutet einfach dass die Vielheiten verschieden sind, wenn sie nicht die selben Elemente (les mêmes éléments) haben - und sie sind auch verschieden, wenn nur eines ihrer Elemente verschieden ist - das besagt auch: die Verschiedenheit ist lokalisierbar. Aber um eine Welt sein zu können, braucht man eine andere Sache als das Sein als Sein, und für diese andere Sache schlage ich vor zu sagen: Sie ist ein System der Auswertung der Identitäten und dessen Verschiedenheiten (genauer: dessen Grade (degrés)), die ich das Transzendental der Welt nenne. Man kann sagen, dass das Transzendental die qualitative Dimension der Welt ist [4].

Die Welt ist sicher eine Dialektik des Quantitativen und des Qualitativen, gemäß einer alten Hegel'schen Intuition, und früher sicher genauso. Es ist eine Dialektik des Extensionalen und des Differenzialen. Aber es ist eine disjunkte Dialektik, sie ist keine Dialektik der Transformation des Quantitativen ins Qualitative: das Qualitative ereignet sich im Quantitativen, aber nicht, wie bei Hegel, als Resultat oder Transformation des Quantitativen. Wir werden auf diese Punkte zurückkommen; sie sind im Moment abstrakt, aber sehr wichtig für das Feld der Handlung.

Das Sein

Es ist die pure Vielheit, oder, die Metaphern von Sartre wieder aufgreifend, es ist der Unsinn der Zahl (Sartre sprach über die Dummheit des Seins an sich), abgesehen davon, dass die extensionalen Vielheiten weder unsinnig noch intelligent sind, sie sind das was es gibt. "Das was es gibt" begnügt sich das zu sein was es gibt, und das was es gibt ist nicht die Welt, das was es gibt inkonsistiert (inconsiste). Vom so konzipierten Sein (ziemlich intuitiv nach all dem) sehen Sie, dass es kein großes Ding zu erwarten gibt. In jedem Fall, dies ist nicht das Sein von Heidegger, das Sein als historisches Schicksal, welches macht dass wir Mit-Da-Seiende seiner Lichtung sind (en co-présence de son éclaircie), etc. Die Ontologie von Heidegger versucht unmittelbar qualitativ zu sein, unmittelbar auf der Ebene einer denkenden Intensität welche ihr selbst mit-zugehört (une intensité pensante qui lui co-appartient); Das Extensionale (das Seiende) gibt es aus Sicht von Heidegger nur, weil die Mit-Zugehörigkeit durchgestrichen wurde, weil das Sein vergessen wurde. Von daher kommt der nostalgische Charakter seiner Ontologie.

Ich für meinen Teil schlage vor zu sagen dass das Sein eine gleichgültige Neutralität (une neutralité indifférente) ist, es ist das Es-gibt der reinen Vielheit (c'est le il y a de la multiplicité pure). Im Gegensatz zu Sartre, für den das Sein eine undeutliche Massivität ist (une massivité indistincte), denke ich dass das Sein gebildet wird durch eine Serie von Netzen extensionaler Vielheiten einer außergewöhnlichen Rafinesse (une extraordinaire sophistication) dessen Denken sich in der Mathematik findet, die diese Vielheiten zum Gegenstand hat.

Existenz

In einer bestimmten Welt wird man also die Art benennen unter der sich die reine Vielheit auf sich selbst bezieht, das heißt auf den Grad ihrer Selbstidentität (degré d'identité à elle-même) in dieser Welt, auf den Grad gemäß dem sie wirklich in dieser Welt ist. Beziehungsweise die Selbstidentität dieser Vielheit (kann) hier groß, gehaltreich und massiv sein, und dort (kann) sie verschwindend sein. Das enstrpicht den existentiellen Intuitionen welche unser aller Los sind: Wenn Sie an einem Ort sind, an dem Sie sich schwer langweilen, ein Wartezimmer oder eine schreckliche Familienversammlung zum Beispiel, und wo man Ihnen sagt "du sieht abwesend aus", eigentlich denken Sie an eine andere Sache, das heißt dass Sie Ihre Existenz in der in Frage stehenden Situation dämpfen, Sie sind dort recht wenig identisch mit Ihnen selbst. Man wird Ihnen außerdem sagen: "Du siehst aus, als bist du woanders"; tatsächlich, Sie sind nicht wirklich hier, das heißt dass die Fetzen Ihrer selbst, die hier sind, nicht die volle Identität Ihrer selbst repräsentieren. Das selbe Sein kann daher einen vollständig unterschiedlichen Grad an Selbstidentität haben je nach den weltlichen Kontexten in denen man sich befindet. Wenn man in verschiedenen Welten herumspaziert, was wir praktisch dauernd machen, verändert man den Grad seiner Existenz: lebhaft hier, kraftlos anderswo. Was herumwandert ist nicht dieselbe Existenz, es ist dasselbe Sein.

Letztendlich kann jede reale Situation erwogen werden entweder aus der Sicht des Seins, das heißt aus der Sicht seiner ontologischen Allgemeinheit - sie ist dann tendenziell mathematisierbar - oder aus der Sicht der Gesetze der Welt, das heißt der Existenz.

Was man Existentialismus nennt hat immer in gewisser Weise den Prozess der Ontologie angeleitet. Von diesem Standpunkt aus sind schlussendlich alle Psychoanalytiker, auch Lacan, Existentialisten. So gesehen ist der Traum für die Psychoanalyse eine abweichende Welt(le rêve est une variation mondaine); Ihr schlafendes Sein, Ihre ruhende Vielheit, wenn ich so sagen darf, finden sich in jenen Welten wieder, die den Psychoanalytiker sehr betreffen, da er vielleicht dort sehen wird, was ihre existentiellen Fähigkeiten (vos capacités existentielles) sind, gemäß den verschiedenen Welten in denen Sie sich befinden. Daraufhin wird er versuchen auf die weltliche Herkunft Ihrer Existenz zurückzugehen. Die Schwierigkeit in der Psychoanalyse ist, wie diese Theorie der Existenz sich durch eine minimale Ontologie aufrecht erhalten lässt; das heißt: welcher Typus von Vielheit ist letztendlich relevant. Man weiß, dass Freud dies auf der Seite der Wissenschaften (Freud l'a cherché du côté des sciences) seiner Zeit (Biologie, Thermodynamik, ...) gesucht hat, und dass Lacan dies auf der Seite der sprachlichen Strukturen gesucht hat (der letzte ontologische Horizont für ihn ist das Bezeichnende (le signifiant)).

Und dann gibt es die, welche zuerst die Ontologie befestigen wollen, und dann vom ontologischen Sockel aus fortschreiten, die Schemata der Existenz auf ihn aufzubauen. Aber diese Leute treffen unweigerlich, über die linke Flanke sozusagen, auf die Existentialisten-Ecke (l'existentialiste du coin) welche bei der Existenz beginnen muss. Diogenes erklärte: "Ich kenne das Pferd, aber nicht nicht die Pferdheit" und zielte damit auf Platon; Pascal zielt auf Descartes indem er sagt, dass es "nutzlos und ungewiss" ist wenn Descartes nur über das Sein redet; für Pascal ist das Sein nicht interessant; es ist die Existenz welche zählt und woran sein Wohlergehen hängt (das Wohlergehen, um das sich das Sein nicht kümmert, geht einfach seinen Weg (le salut poursuit simplement son bonhomme de chemin)); das Sein beschäftigte Pascal als er Mathematik studierte, doch an dieser Stelle sagt er, dass er besser als Descartes ist. Und danach, klarerweise, sind es auch Kierkegaard und Hegel. Es ist in jedem Fall derselbe Disput.

In Klammern gesagt: Es scheint dass all jene welche sich auf der Seite der Existenz befinden, wie Pascal, Kierkegaard, Nietzsche oder Wittgenstein, eine Mordsangst vor Frauen haben (une terreur bleue des femmes). Muss man zugeben, dass es einen Geschlechterunterschied in der Philosophie gibt? Anthropologisch müssen die Frauen selbstverständlich die gleichen Rechte haben und sie müssen frei sein etc. Aber es gibt in der Philosophie de facto zwei antagonistische Konzeptionen des Weiblichen.[5]

  • Zum Einen verkörpert die Frau die Existenz in ihrer absoluten Singularität noch vor der Allgemeinheit des Seins, was der Grund ist warum sie sich nie in ein System (un dispositif) integriert dessen Sicherheit ontologisch wäre. Wie Hegel sagte: Die Frauen sind "die Ironie des Gemeinwesens"[6], ihre Existenz spricht zu den fest vernetzten Männern in einem beliebigen Zusammenschluss (Leur existence vient toujours dire aux hommes solidement rassemblés dans un regroupement quelconque)... nun, ihre Rede tut es nicht (leur dire qu'elles n'en sont pas). Der in Frage stehende Zusammenschluss ist daher keine große Sache, am Ende des Tages (à la fin de fins). Das so beschriebene Weibliche als Widerrede davon, dass die Existenz dem Sein entgegensteht, ist eine Ausnahme (une exception). In diesem Sinne und in dieser Konzeption, ist es unbestreitbar dass es in der Bande jener Existenzialisten, von denen ich vorhin erzählt habe, etwas Weibliches gibt.
  • In der anderen Konzeption repräsentiert die Frau die Ernsthaftigkeit des Seins (le sérieux de l'être), und es ist der Mann, von der kindischen Art durch die existentiellen Dispute zerstreut, der durch das Weibliche an das Fundamentale erinnert ist, an die Bestimmung der Menschheit als solcher. Die Frau hätte in diesem Sinne ein Verhältnis zum Göttlichen, zum Heiligen, wesentlicher als der Mann. Das ist die Formel von Goethe: "Das Ewig-Weibliche, Zieht uns hinan"[7][8].
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Die Frage ist wie das Sein ans Licht gebracht (l'être est révélé) oder verborgen wird (dissimulé), über die Formeln der Existenz. Denn die Neutralität der Vielheit erscheint in einer bestimmten Welt.

Das Problem der Veränderung ist zugleich (1) dasjenige des Auftriebs aus dem Sein an die Oberfläche der Erscheinung (une montée de l'être à la surface de l'apparaître) ( das heißt Veränderung ist das Problem des Moments an dem das Spiel der Existenz die egalitäre Neutralität des Seins an einer Stelle nicht mehr verbergen kann) und (2) ausgehend von dieser Stelle auch dasjenige der Rekomposition der Existenz in einer Verteilung komplett unterschiedlicher Intensitäten.

Nehmen wir das abgedroschene Beispiel einer Liebesbegegnung, das als ein existentielles Ereignis angesehen wird - wenn die Liebe die Existenz durchdringt (l'amour transperce l'existence).

Sie haben einerseits eine Beschlagnahmung des ganzen Seins (une réquisition de l'être tout entier); weil jemanden lieben heißt zu akzeptieren dass sein ganzes Sein, sein gewissermaßen unerforschtes Sein in Ihr Leben kommt. Man kann daher sagen: Es handelt sich um einen Auftrieb aus dem Sein in die Existenz, in das Schema der Anerkennung und in das Schema der Adoption des Seins des Anderen durch Ihr eigenes Innenleben (une montée de l'être dans l'existence dans la figure de la reconnaissance et de l'adoption à l'intérieur de votre propre vie de l'être de l'autre). Wenn Sie das Sein des Anderen nicht akzeptieren aber nur seine existenziellen Prädikate, dann ist das nicht Liebe, es ist zu sehr ausgehandelt c'est trop négocié); es gibt in der Liebe einen wichtigen Teil der unbekannten Neutralität, der inkorporiert ist, und den Sie Stück für Stück entdecken werden - mit großer Mühe...

Aber andererseits können Sie Liebe auch mit Hilfe ihrer Konsequenzen und ihrer Entwicklungen beschreiben, wie eine Mutation der Existenz: Sie werden sich in der Welt gemäß einem Schema entwickeln, das nicht mehr dasselbe ist wie vorher; Sie berücksichtigen jemand Anderen, dessen Sein Sie annehmen (vous assumez).

Das Problem der realen Veränderung ist, dass man einerseits einen "ontologischen Auftrieb" einräumen muss, so etwas wie eine Enthüllung des Seins (une révélation de l'être) innerhalb etwas, das ein Defizit der Existenz (un découvert de l'existence) ist, es ist aber auch, von diesem Punkt aus, eine Intensivierung der Existenz selbst in neuen Modalitäten.

Es ist daher richtig, dass jede wahre Veränderung zugleich extensional und differenziell, quantitiv und qualitiv ist. Und dies, ohne dass die Qualität aus der Quantität entspringt; beide bleiben unverbunden. Die Schwierigkeit der Veränderung gleicht einerseits einer Erweiterung des Quantitativen und einem Auftrieb an die Oberfläche des Seins selbst als Vielheit, und andererseits einer Neuverteilung der existenziellen Intensitäten. Wir haben eine Nebenläufigkeit, weil wir nicht in einer Dialektik sind, in der das Eine das Andere nach sich zieht.

Bei den politischen Ereignissen ist die Zahl ganz sicher ein wichtiger Parameter: eine Million Personen auf einem Platz versammelt, das ist nicht dasselbe wie wenn dort vier versammelt sind; man wird sich übrigens nicht zufrieden geben mit der Existenz und einfach sagen, dass eine bestimmte Zahl von Leuten dort versammelt ist; die ganze Welt wird schließen, dass etwas vom populären Sein präsent ist (quelque chose de l'être populaire est présent); man wird sagen: Das ägyptische Volk ist dort, was besagt: es ist dort mit seinem Sein präsent. Es ist als ob das Sein Ägyptens, oder das menschliche Sein (l'être humain), es ist nicht ganz klar (was), jedenfalls etwas vom kollektiven Sein, die gewöhnliche Existenz durchdrungen hat. Und die Leute leben so, als ob die gewöhnliche Existenz abgesetzt worden war (avait été déposée). Es ist daher als ob das Sein die alten Modi der Existenz disqualifizierte und als ob die reine Vielheit Vergeltung an dem Transzendentalen übte. Aus der Sicht des Transzendentalen sind diese versammelten Leute nichts als reine Vielheit; deshalb nennt man sie die Massen. Aber die Massen sind das kollektive Sein. Es ist nicht einfach das Sein als kollektive Trägheit, aber das Sein bringt zum Ausdruck, dass die alte Existenz längst vorbei ist, es ist das Sein das Gericht führt über die Existenz.

Der andere Aspekt über diese Sache ist welche neuen qualitativen Schemata plötzlich aus dieser Aufweisung des Seins (monstration de l'être) hervorkommen werden. Und da wird es so sein wie man sagt: Die Spruchbänder/Transparente, die Wortfolgen, die Versammlungen, etc. Das heißt die neuen Schemata der Erscheinung der Existenz werden es so einrichten dass der Auftrieb des Seins auch eine Mutation der Existenz ist. Die Zufriedenheit solche Ereignisse zu sehen, die Zufriedenheit das Sein zu sehen (denn dies ist nicht so häufig) - Sichtbarkeit als Person, das betone ich hier ohne es zu bestreiten (visibilité que personne, j'y insiste, ne nie) - ist nur bedeutungsvoll als Träger einer Rekomposition der Existenz. Weil sich an einem bestimmten Moment das Sein das sich zeigte, nicht mehr zeigen wird, wird man allmählich nach Hause zurückkehren. Aber kann sich ein populäres Ereignis dieser Art zufrieden geben mit einem Sein das ich ontologische Veranstaltung (fête ontologique) nennen werde? Man wird sagen müssen, dass auch eine existenzielle Transformation auf dem Spiel steht, das heißt eine Veränderung der Welt. Dort wo das Extensionelle wie eine Veranstaltung des Seins war, muss auch das Differnzial wie eine Neugestaltung der Existenz herbeikommen. Innerhalb dieser Verbindung wird sich die Zukunft der ontologischen Aufweisung abspielen; und dies ist das Politische. Es wird die ganze Welt behandeln müssen und nicht nur die die da sind (waren) - schlussendlich eine kleine Minderheit, auch wenn es eine Million waren. Für die ganze Welt: Für die Freunde, die Feinde, die Neutralen, die Gleichgültigen ...

Es gibt einen Satz von Heraklit den ich immer großartig gefunden habe: "Man muss auch an diejenigen denken, die vergessen wo der Weg hinführt". Man muss (das ist eine Pflicht) an diejenigen denken (der Zeit das was stattfand überbringen (porter dans le temps ce qui a eu lieu)) die vergessen wo der Weg hinführt (denn nach der Veranstaltung gibt es auch einen Weg, einen Weg der gleichartig zur Veranstaltung sein muss, ein Weg der Treue (un chemin fidèle), den Sie nur finden wenn Sie an diejenigen denken die nicht wissen dass es einen gibt).

7. Dezember 2011

todo ...

Fußnoten

  1. Und in Wirklichkeit schon zwischen Platon und Aristoteles
  2. todo
  3. Die revolutionäre Bewegung, sie auch, ist diese Sachen ganz und gar durchgegangen; es gibt Texte von Mao die Ausdruck gegen den Empirismus sind.
  4. Anmerkung Daniel Fischer (DF): Für eine genauer entwickelte Darstellung dieses Punkts, und besonders für eine formale Darstellung im Feld der mathematischen Theorie der Mengen: Vgl. Seminar des Vorjahres (24.11.2010) und Second Manifeste pour la philosophie p. 37sq. (éditions Fayard).
  5. Konzeptionen werden im Allgemeinen von Männern produziert. Freud sagte dass die Macht der Frauen davon kommt, dass man niemals genau wusste was sie sind, weil sie es nie sagen.
  6. Hegel länger zitiert (Markierungen von A.K.): "Indem das Gemeinwesen sich nur durch die Störung der Familienglückseligkeit und die Auflösung des Selbstbewußtseins in das allgemeine sein Bestehen gibt, erzeugt es sich an dem, was es unterdrückt und was ihm zugleich wesentlich ist, an der Weiblichkeit überhaupt seinen innern Feind. Diese – die ewige Ironie des Gemeinwesens – verändert durch die Intrige den allgemeinen Zweck der Regierung in einen Privatzweck, verwandelt ihre allgemeine Tätigkeit in ein Werk dieses bestimmten Individuums, und verkehrt das allgemeine Eigentum des Staats zu einem Besitz und Putz der Familie. Sie macht hiedurch die ernsthafte Weisheit des reifen Alters, das, der Einzelnheit – der Lust und dem Genusse, sowie der wirklichen Tätigkeit – abgestorben, nur das Allgemeine denkt und besorgt, zum Spotte für den Mutwillen der unreifen Jugend, und zur Verachtung für ihren Enthusiasmus; erhebt überhaupt die Kraft der Jugend zum Geltenden – des Sohnes, an dem die Mutter ihren Herrn geboren, des Bruders, an dem die Schwester den Mann als ihresgleichen hat, des Jünglings, durch den die Tochter ihrer Unselbstständigkeit entnommen, den Genuß und die Würde der Frauenschaft erlangt. – Das Gemeinwesen kann sich aber nur durch Unterdrückung dieses Geistes der Einzelnheit erhalten, und, weil er wesentliches Moment ist, erzeugt es ihn zwar ebenso, und zwar durch die unterdrückende Haltung gegen denselben als ein feindseliges Prinzip. Dieses würde jedoch, da es vom allgemeinen Zwecke sich trennend, nur böse und in sich nichtig ist, nichts vermögen, wenn nicht das Gemeinwesen selbst die Kraft der Jugend, die Männlichkeit, welche nicht reif noch innerhalb der Einzelnheit steht, als die Kraft des Ganzen anerkannte."
  7. Es ist bemerkenswert dass man von Shakespeare bis Claudel, und in Wirklichkeit während der ganzen Geschichte der Kunst, diese Unsicherheit über das Weibliche findet - nämlich die Frage, welchen Typ von Wahrheit es repräsentiert.
  8. Das Zitat stammt aus Faust 2, der mit folgenden Worten schließt:
    Alles Vergängliche
    Ist nur ein Gleichniß;
    Das Unzulängliche
    Hier wird’s Ereigniß;
    
    Das Unbeschreibliche
    Hier ist es gethan;
    Das Ewig-Weibliche
    Zieht uns hinan.